Urteil vom Landgericht Paderborn - 2 O 343/14
Tenor
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 9.067,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 19.08.2014 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
1
Tatbestand
2Die Klägerin begehrt pauschalierten Schadenersatz wegen Nichtabnahme eines bestellten Pkw´s.
3Der Beklagte bestellte in der Niederlassung T der Klägerin mit Verbindlicher Neuwagenbestellung vom 13.03.2014 unter Einbeziehung der Neuwagen-Verkaufsbedingungen der Klägerin einen M … zzgl. Sonderausstattungen zu einem Händler-Gesamtpreis von 60.450,00 € bei gleichzeitlicher Inzahlungnahme des Altfahrzeug des Klägers zu einem Betrag von 17.450,00 €.
4Ziffer IV der Neuwagen-Verkaufsbedingungen der Klägerin „Abnahme“ lautetet:
5„1. Der Käufer ist verpflichtet, den Kaufgegenstand innerhalb von 14 Tagen ab Zugang der Bereitstellungsanzeige abzunehmen.
62. Im Falle der Nichtabnahme kann der Verkäufer von seinen gesetzlichen Rechten Gebrauch machen. Verlangt der Verkäufer Schadensersatz, so beträgt dieser 15 % des Kaufpreises. Der Schadensersatz ist höher oder niedriger anzusetzen, wenn der Verkäufer einen höheren Schaden nachweist oder der Käufer nachweist, dass ein geringerer oder überhaupt kein Schaden entstanden ist.“
7Das Fahrzeug wurde gemäß der von dem Beklagten gewünschten und ausgesuchten Konfiguration seitens der Klägerin beim Hersteller bestellt und an diese ausgeliefert. Zwischenzeitlich, nämlich mit Schreiben vom 27.05.2014 forderte der Beklagte die Klägerin auf, ihm mitzuteilen, ob der bestellte Pkw digitale Speicher/Speichermedien enthalte, welche, ohne dies zu wünschen, Daten aus dem Fahrverhalten aufzeichneten und speicherten. Zudem bat er um Übersendung einer Betriebsanleitung. Die Klägerin leitete die Anfrage des Beklagten an die Fa. M weiter, die dem Beklagten Auskünfte allerdings nicht zukommen ließ.
8Unter dem 10.07.2014 zeigte die Klägerin dem Beklagten an, dass das Fahrzeug zur Abholung bereit stehe und in 14 Tagen abzunehmen sei. Mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 28.07.2014 ließ die Klägerin den Beklagten unter Fristsetzung bis zum 07.08.2014 zur Abnahme Zug um Zug gegen Zahlung auffordern. Nachdem der Beklagte unter dem 02.08.2014 eine Abnahme endgültig abgelehnt hatte, ließ die Klägerin am 08.08.2014 den Rücktritt vom Kaufvertrag erklären und verlangte unter Fristsetzung bis 18.08.2014 pauschalierten Schadensersatz in Höhe von 15 % des Kaufpreises.
9Die Klägerin beruft sich auf Ziffer IV Nr. 2 der Neuwagen-Verkaufsbedingungen. Sie bestreitet, dass das bestellte Fahrzeug einen Permanentdatenspeicher besitzt und behauptet, dass es keine anderen als die in Fahrzeugen anderer Hersteller vergleichbarer Klassen verbauten Speichermedien enthalte. Ferner weist die Klägerin darauf hin, dass der Beklagte einen M auch in der Ausstattungsvariante ohne Navigationsgeräte hätte bestellen können.
10Die Klägerin beantragt,
11den Beklagten zu verurteilen, an sie 9.067,50 € nebst Jahreszinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz ab dem 19.08.2014 zu zahlen und sie von der Zahlung außergerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 1.863,40 € an die Rechtsanwälte H, freizustellen.
12Der Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Unter Berufung auf eine Pressemitteilung des europäischen Gerichtshofes über ein Urteil, dass die Richtlinie über die Vorratsspeicherung von Daten für ungültig erklärt, und einen …-Artikel behauptet der Beklagte, dass das im bestellten Fahrzeug enthaltene Navigationsgerät einen Permanentspeicher enthält, in dem außer den zur Navigierung des Fahrzeugs erforderlichen Daten auch andere Informationen über das Fahrverhalten des Fahrzeugs, beispielsweise die Gas- und Bremshebelstellung, die Einschaltung von Licht und Scheibenwischer etc., hinterlegt werden. Dieser Permanentspeicher sei nicht zu löschen. In der letzten mündlichen Verhandlung hat der Beklagte darüber hinaus behauptet, dass der Permanentspeicher auch im Fahrzeug selbst angebracht sein könne.
15In der Aufzeichnung dieser für ihn nicht löschbaren Daten sieht der Beklagte eine Verletzung seines (Grund-)Rechts auf informelle Selbstbestimmung. Er ist der Ansicht, dass er im Rahmen einer vertraglichen Nebenpflicht über die Aufzeichnung der Daten vor der Bestellung hätte informiert werden müssen. Hilfsweise beruft er sich auf einen Sachmangel.
16Das Gericht hat den Beklagten persönlich angehört und ein mündliches Gutachten des Sachverständigen C eingeholt. Wegen der Angaben des Klägers und des Beweisergebnisses wird auf die Protokolle der mündlichen Verhandlung vom 05.12.2014 und 03.02.2015 Bezug genommen.
17Entscheidungsgründe
18Die Klage ist zulässig und begründet.
19Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf pauschalierten Schadensersatz in Höhe des ausgeurteilten Betrages aus Ziffer 4 Nr. 2 der Neuwagen-Verkaufsbedingungen. Deren Einbeziehung in den Kaufvertrag und die Höhe des pauschalierten Schadensersatzes stehen zwischen den Parteien nicht in Streit. Auch hat der Beklagte weder konkret dargelegt noch nachgewiesen, dass der Klägerin ein geringerer oder überhaupt kein Schaden entstanden ist. Allein der Umstand, dass diese das für den Kläger bestellte Fahrzeug später anderweitig verkaufen konnte, bedeutet jedenfalls solange nicht, dass der Klägerin kein Schaden entstanden ist, wie der Beklagte nicht nachweist, dass der spätere Käufer des für ihn bestellten Fahrzeugs anstelle von jenem, wenn es nicht zur Verfügung gestanden hätte, auch kein anderes Fahrzeug bei der Klägerin erworben hätte.
20Dem Beklagten steht weder ein Schadensersatzanspruch aufgrund einer vor- oder nachvertraglichen Nebenpflichtverletzung zu, noch kann er aufgrund eines Sachmangels des bestellten Fahrzeugs Gewährleistungsrechte geltend machen, die – in welcher Form auch immer – den Bestand des vom Beklagten abgeschlossenen Pkw-Kaufvertrages in Frage stellen oder noch vor Auslieferung des bestellten Fahrzeugs zu dessen Rückabwicklung hätten führen können.
21Es bestand keine vertragliche Nebenpflicht der Klägerin, den Beklagten – vor- oder nach Vertragsschluss – darüber aufzuklären, dass das bestellte Fahrzeug mit einem Permanentspeicher ausgestattet ist. Ein Permanentspeicher in dem vom Beklagten verstandenen Sinne ist nämlich weder in dem im bestellten Fahrzeug eingebauten Navigationsgerät noch in dem Fahrzeug selbst vorhanden, wie die Beweisaufnahme ergeben hat. Der Sachverständige, an dessen Sachkunde keinerlei Zweifel bestehen oder von den Parteien aufgezeigt wurden, hat festgestellt, dass echte physikalische Permanentspeicher, bei denen Aufzeichnungen nicht löschbar sind, zwar am Anfang der technischen Speicherentwicklung standen, heute aber in Form von Speichermodulen aufgrund des technischen Fortschrittes kaum noch verwendet werden. Sie treten lediglich noch in Form von CD´s auf. Die Demontage eines mit dem im bestellten Fahrzeug baugleichen Navigationsgerätes hat nach den Feststellungen des Sachverständigen nicht zum Auffinden eines Permanentspeichers geführt. Programmierlogisch komme, so führte der Sachverständige aus, für eine Abspeicherung weiterer Informationen lediglich die im Navigationsgerät vorhandene Festplatte in Betracht. Diese sei jedoch ohne Weiteres ausbau- und löschbar. Damit wurde die Feststellung des Sachverständigen, dass echte physikalische Permanentspeicher heute keine Verwendung mehr finden, für das Navigationsgerät in dem von dem Beklagten bestellten Fahrzeug bestätigt. Auch ein CD-Laufwerk sei im fraglichen Navigationsgerät nicht vorhanden.
22Der Sachverständige hat darüber hinaus festgestellt, dass in anderen im Fahrzeug verbauten Steuergeräten lediglich eventbezogen, also im Fehlerfall oder bei einem erkannten Unfall, Daten gespeichert werden und diese – seiner Kenntnis nach – nicht mit dem vom Navigationsgerät erkannten Koordinatoren in Verbindung gebracht werden. Der Sachverständige hat zwar festgestellt, dass es theoretisch denkbar sei, dass über den Kan-Bus von einem Steuergerät Navi-Daten abgefragt werden oder es im Fahrzeug ein weiteres GPS-Modul gebe, selbst wenn dies in seiner Praxis noch nie aufgetreten sei und er dies für das Steuergerät eines Motors definitiv auszuschließen vermochte. Der Sachverständige hat aber auch angegeben, dass diese theoretische denkbare Möglichkeit in der praktischen Umsetzung nicht zu erwarten sei, da für den Hersteller die Örtlichkeit, an der ein Fehler aufgetreten ist und die mit Hilfe der Navi-Daten bestimmt werden könne, in technischer Hinsicht keine Rolle spiele. Auch hat der Sachverständige von anderen Festplattenträgern in einem Pkw - außer im Navigationsgerät - bisher noch nie gehört. Seiner Feststellung nach macht eine weitere Festplatte auch weder in technischer noch in wirtschaftlicher Hinsicht Sinn, da ein solcher Speicher – der im Übrigen wiederum keinen physikalischen Permanentspeicher darstellt – in technischer Hinsicht kein Nutzen aufweise.
23Das Gericht folgt den Feststellungen des Sachverständigen, der ein umfassendes und in sich plausibles Gutachten erstattet hat, wobei er sämtliche Nachfragen der Parteien eingehend zu beantworten wusste.
24Zusammenfassend hat der Kläger schon nicht nachweisen können, dass ein Permanentspeicher in dem von ihm definierten Sinne im Navigationssystem oder in dem von ihm bestellten Pkw eingebaut ist. Auch die Sorge des Beklagten, dass von Dritten mit Hilfe von Ausspähprogrammen auf in seinem Pkw hinterlegte Daten zugegriffen werden könne, ist nach den Feststellungen des Sachverständigen nicht begründet. Dieser hat festgestellt, dass im Navigationssystem weder ein W-LAN noch ein Bluetooth-Modul verbaut ist. Auch ein Modul zur Übertragung von Daten über Mobiltelefone sei nicht vorhanden. Ein Zugriff von außen sei damit nicht möglich.
25Nach alledem ist eine Verletzung eines Rechts des Beklagten auf informationelle Selbstbestimmung nicht zu besorgen. Mithin gab es auch keinen Grund für die Klägerin, den Beklagten vor oder nach Abschluss des PKW-Kaufvertrages über mögliche Verletzungen eines solchen hinzuweisen. Eine Aushändigung der vom Beklagten begehrten Betriebsanleitung ist erst mit Übergabe des PKW´s geschuldet.
26Da nach den Feststellungen des Sachverständigen die von dem Hersteller des Navigationsgerätes, der Fa. E, verwandte Grundplattform bei mindestens fünf großen Autoherstellern verwendet wird und andere Pkw-Hersteller zwar andere, letztlich aber in gleicher Weise funktionierende Navigationssysteme verwenden, ist auch keine Abweichung des bestellten Pkw´s von vergleichbaren Automodellen gegeben, die einen Sachmangel begründen könnte.
27Der Zinsanspruch folgt aus § 286 Abs. 1 BGB. Von vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten ist nicht freizustellen, da die Prozessbevollmächtigten der Klägerin bereits mit Schreiben vom 28.07.2014, also vor Verzugsbeginn für diese tätig waren.
28Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 709 S. 1 ZPO.
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