Urteil vom Landgericht Paderborn - 6 O 29/17
Tenor
Es wird festgestellt,dass die Tätigkeit des Beklagten zu 1als Geschäftsführer der Beklagten zu 2auf Grundlage des Anstellungsvertrages vom 01.09.1981 mit Ablauf des 31.12.2016 geendet hat.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 2/3 und die Beklagten zu 1/3.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110%des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand
2Der Kläger nimmt die Beklagten auf Feststellung dahingehend in Anspruch, dass der Anstellungsvertrag und die Organstellung des Beklagten zu 1 bei der Beklagten zu 2 durch Fristablauf mit Ablauf des Monats Dezember 2016 bzw. durch Abberufung und Kündigung mit Wirkung zum 29.03.2017 beendet ist.
3Die Beklagte zu 2 ist eine Familiengesellschaft, die in Q und in mehreren Städten in Ost-Westfalen Einzelhandelsgeschäfte im Bereich Textilhandel betreibt.
4Die Gesellschafter teilen sich in 2 Familienstämme zu jeweils 50% auf, und zwar in den Stamm „L“ und den Stamm „L“. Der Kläger ist Sohn des L und Gesellschafter dessen Stamm. Die Herren G und L sind Brüder. Während L (Beklagter zu 1) noch selbst Gesellschafter ist und seine Kinder nur teilweise an der Gesellschaft beteiligt hat, hatte L zwischenzeitlich alle Geschäftsanteile an der Beklagten zu 2 an seine Kinder übertragen.
5Im Einzelnen stellten sich die Gesellschaftsverhältnisse wie folgt dar:
6Stamm L:
7L (Beklagter zu 1): 6 %
8L: 11 %
9L: 11 %
10L: 11 %
11L: 11 %
12Stamm L:
13L (Kläger): 17 %
14L Klingenthal: 16,5 %
15L: 16,5 %
16Nach dem Tod des Gesellschafters L im Mai 2017 übernahm L dessen Anteile wieder, so dass sich die Gesellschaftsverhältnisse aktuell wie folgt darstellen:
17Stamm L:
18L (Beklagter zu 1): 6 %
19L: 11 %
20X: 11 %
21L: 11 %
22L: 11 %
23Stamm L:
24L (Kläger): 17 %
25L: 16,5 %
26L: 16,5 %
27Die Beklagte zu 2 ist Teil der Unternehmensgruppe L. Zu dieser zählen unter anderem die Firmen L Gruppe GmbH, L GmbH und I Vermögensverwaltung GmbH. Zwischen den Gesellschafterstämmen L und L bestehen seit einigen Jahren Spannungen, die zu verschiedenen Rechtsstreitigkeiten geführt haben. Im Parallelverfahren 6 O 28/17 klagt L mit gleichem Ziel wie hier gegen den Beklagten zu 1 und dort gegen die L Gruppe GmbH als Beklagte zu 2.
28Nach § 6 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages der Beklagten zu 2 wurde der Beklagte zu 1, der einer von zunächst drei Gesellschaftern war, zum ersten Geschäftsführer bestellt. In seinem Anstellungsvertrag vom 01.09.1981, der unter § 1 Abs. 1 ausführte, dass der Beklagte zu 1 laut Gesellschaftsvertrag alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der Gesellschaft ist, findet sich unter § 5 Abs. 1 folgende Regelung:
29„Dieser Anstellungsvertrag kann von beiden Seiten mit einer Frist von 12 Monaten zum Ende eines Kalendermonats gekündigt werden. Er endet auch ohne Kündigung spätestens mit Ablauf des Monats, in dem Herr L sein 65. Lebensjahr vollendet.“
30In § 6 des Vertrages findet sich weiter folgende Regelung:
31(1) Mit Vollendung des 65. Lebensjahres oder bei Erwerbsunfähigkeit erhält Herr L auf Lebenszeit von der Gesellschaft ein monatliches Ruhegeld in Höhe von 3.750,- DM.
32(2) Nach seinem Tode erhält seine Witwe auf Lebensdauer ein Witwengeld in Höhe von 50% des in Abs. (1) zugesagten Ruhegeldes.
33(3) Die Gesellschaft behält sich vor, die Leistungen zu kürzen oder einzustellen, wenn die bei der Erteilung der Versorgungszusage maßgebenden Verhältnisse sich nachteilig so wesentlich geändert haben, dass der Gesellschaft die Aufrechterhaltung der zugesagten Leistungen auch unter objektiver Beachtung der Belange des Pensionsberechtigten nicht mehr zugemutet werden kann.
34Der Beklagte zu 1 vollendete am 03.12.2016 sein 65. Lebensjahr. Seit dem bezieht er neben den Bezügen als Geschäftsführer das Ruhegeld aus § 6 Abs. 1 des Anstellungsvertrages, wobei dieses auf die Bezüge als Geschäftsführer angerechnet wird.
35Der Fremd-Geschäftsführer C der Beklagten zu 2 und die Tochter G des Beklagten zu 1, die für die Beklagte zu 2 als Abteilungsleiterin in der Filiale H tägig war, unternahmen im April 2013 eine Reise, die sog. N-Reise, die als Betriebsausgabe verbucht wurde. Nach dem Inhalt der die Reise betreffenden Seminar-Dokumentation ist Gegenstand der Reise die Besichtigung einer Vielzahl von Geschäften in Begleitung des Referenten N. Die Aufwendungen für diese Reise beliefen sich auf ca. 48.000 €, von denen die Hälfte auf L entfiel.
36Zwischen den Gesellschaftern und den Gesellschaften wurde schon seit geraumer Zeit über die Auseinandersetzung der beiden Gesellschafterstämme verhandelt. Als Berater involviert waren L, RA I und RA T. Dabei wurde Einigkeit erzielt, dass die für die L anfallenden Kosten von der Beklagten zu 2 bzw. den Gesellschaften getragen werden.
37Rechtsanwaltskosten für Herrn I aus den Verhandlungen um die Auseinandersetzung der Gesellschaften in den Jahre 2013 und 2014, die Herr I auch der Gesellschaft in Rechnung stellte, wurden als Betriebsausgaben der Beklagten zu 2 behandelt. Aufwendungen für ein Treffen des Familienstammes des Beklagten zu 1 in Frankfurt am 24.06.2012 in Höhe von insgesamt 433,50 € wurden als Betriebsausgabe der Beklagten zu 2 verbucht. Die betriebliche Verbuchung der Kosten des Treffens am 24.06.2012 wurde bei der 2016 durchgeführten Betriebsprüfung nicht beanstandet.
38Durch Schreiben vom 09.01.2017 teilte der Beklagte zu 1 den Gesellschaftern des Gesellschafterstammes L mit, seine Tätigkeit als Geschäftsführer der Beklagten zu 2 fortzusetzen. Mit Schreiben jeweils vom 13.01.2017 widersprachen die Gesellschafter des Gesellschafterstammes L der Fortsetzung der Geschäftsführertätigkeit.
39Der Beklagte zu 1 lud durch Einladungsschreiben vom 06.03.2017 zu einer Gesellschafterversammlung auf den 29.03.2017. Zu dieser Gesellschafterversammlung liegen zwei voneinander abweichende Protokolle vor. Beide Protokolle stimmen aber darin überein, dass über die Abberufung des Beklagten zu 1 als Geschäftsführer der Beklagten zu 2 und die vorsorgliche Kündigung des Anstellungsvertrages aus wichtigem Grund abgestimmt wurde, wobei die Gesellschafter des Gesellschafterstammes L (50%) dafür und die Gesellschafter des Gesellschafterstammes L – einschließlich des Beklagte zu 1 selbst – (50%) dagegen stimmten.
40Der Kläger behauptet,
41zu Beginn der Auseinandersetzungsverhandlungen im Juni 2011 sei zwischen L und dem Beklagten zu 1 nicht nur vereinbart worden, dass die Beklagte zu 2 die Kosten für die steuerliche Beratung durch die L, sondern auch dass Herr L die Kosten der Beratung durch Herrn Rechtsanwalt und Notar T und der Beklagte zu 1 die Kosten für die Beratung durch Herrn Rechtsanwalt I zu tragen habe. Auswahl und Beauftragung der Rechtsanwälte I und T seien durch den Beklagten zu 1) bzw. L erfolgt. Er habe von den genauen Umständen und Pflichtverletzungen des Beklagten zu 1 erst durch ein Gutachten des Wirtschaftsprüfers I und eine Stellungnahme des Rechtsanwalts K erfahren. Bei Abschluss des Anstellungsvertrages hätten die Parteien vergessen, eine Regelung aufzunehmen, wonach mit der Beendigung des Anstellungsvertrages auch die Organstellung ende. In der 1. Woche des Jahres 2017 habe der Beklagte zu 1 Urlaub genommen.
42Er ist der Ansicht,
43der Beklagte zu 1 habe sich einer Vielzahl von Verstößen gegen die Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung schuldig gemacht, die – jedenfalls in der Gesamtschau – seine weitere Geschäftsführung unzumutbar machen würden. Die von ihm als betriebliche Ausgaben verbuchten Kosten für den Rechtsanwalt I, die N-Reise und das Treffen in Frankfurt am 24.06.2012 seien tatsächlich nicht betrieblich veranlasst. Insbesondere mit den Rechnungen des Rechtsanwalts I vom 04.02.2012, 04.07.2012, 10.01.2013, 10.04.2013, 05.07.2013, 10.10.2013, 23.12.2013, 09.04.2014, 02.07.2014, 06.10.2014, 29.12.2014, 07.04.2015, 07.07.2015, 01.10.2015, 28.12.2015 und 07.04.2016 würden gegenüber der Beklagten zu 2 Kosten abgerechnet und seien von ihr auch bezahlt worden, die die gesellschaftsrechtliche Auseinandersetzung zwischen den Gesellschafterstämmen und damit ureigene Angelegenheiten des Beklagten zu 1 beträfen. Dies gelte insbesondere für Besprechungen mit Rechtsanwalt T. Soweit es in der Gesellschafterversammlung am 29.03.2017 um seine Abberufung gegangen sei, habe der Beklagte zu 1 einem Stimmverbot unterliegen. Die Beendigung des Anstellungsvertrages führe auch zur Beendigung der Organstellung.
44Er hat zunächst beantragt,
451.festzustellen, dass der Anstellungsvertrag zwischen der Beklagten zu 2 und dem Geschäftsführer L (Beklagter zu 1) durch Fristablauf mit Ablauf des Monats Dezember 2016 geendet hat,
462.festzustellen, dass die Organstellung des Geschäftsführers L (Beklagter zu 1) aufgrund des Auslaufens seines Anstellungsvertrages mit Ablauf des Monats Dezember 2016 geendet hat,
47und hilfsweise
483.festzustellen, dass der Geschäftsführer L (Beklagter zu 1) durch Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 29.03.2017 aus wichtigem Grund als Geschäftsführer abberufen worden ist,
494.festzustellen, dass die Gesellschafter durch Beschluss vom 29.03.2017 die Kündigung des Anstellungsvertrages zwischen der Beklagten zu 2 und Herrn L (Beklagter zu 1) aus wichtigem Grund beschlossen haben.
50Nach Neufassung und Umstellung der Anträge im Hinblick auf die Haupt- bzw. Hilfsanträge sowie einem schriftlichen Hinweise der Kammer vom 18.04.2019 beantragt der Kläger nunmehr:
511.
52festzustellen, dass der Anstellungsvertrag zwischen der Beklagten zu 2 und dem Geschäftsführer L (dem Beklagten zu 1) durch Zeitablauf mit Ablauf des 31.12.2016 geendet hat, sodass dem Beklagten zu 1) ab dem 01.01.2017 nur noch das Ruhegeld gem. § 6 des Geschäftsführer-Anstellungsvertrages vom 01.09.1981 zusteht.
53Hilfsweise: Festzustellen, dass der Anstellungsvertrag zwischen der Beklagten zu 2 und dem Geschäftsführer L (dem Beklagten zu 1) durch die von der Gesellschafterversammlung der Beklagten zu 2 am 29.03.2017 beschlossene, außerordentliche und fristlose Kündigung beendet worden ist und dem Beklagten zu 1 damit ab dem 30.03.2017 nur noch das Ruhegeld gem. § 6 des Geschäftsführer-Anstellungsvertrages vom 01.09.1981 zusteht.
542.
55festzustellen, dass die Gesellschafterversammlung der Beklagten zu 2 am 29.03.2017 die Abberufung des Geschäftsführers L (des Beklagten zu 1) beschlossen hat und der Beklagte zu 1 damit als Geschäftsführer der Beklagten zu 2 abberufen worden ist.
56Hilfsweise: Festzustellen, dass die Organstellung des Geschäftsführers L (des Beklagte zu 1) durch Zeitablauf mit Ablauf des 31.12.2016 geendet hat.
57Die Beklagten beantragen,
58die Klage abzuweisen.
59Die Beklagten behaupten,
60im Rahmen der Auseinandersetzungsverhandlungen habe das Auseinandersetzungskonzept von der L, Herrn Rechtsanwalt I und Herrn Rechtsanwalt T erarbeitet werden sollen. Alle drei hätten im Interesse (auch) der Beklagten zu 2 gehandelt. Zwar sei vereinbart worden, dass die Kosten der L von den Gesellschaften der L Gruppe getragen werden sollten. Nicht vereinbart worden sei jedoch, durch wen die Kosten im Übrigen zu tragen sein sollten. Herr L habe dem Beklagten zu 1 gegenüber nicht erklärt, er werde die Kosten des Rechtsanwalts T privat tragen. Gegenstand des Gesellschaftertreffens in Frankfurt am 24.06.2012 seien ausschließlich die Beklagte zu 2 betreffende Themen, insbesondere die strategische Weiterentwicklung der Beklagten zu 2 gewesen. Kenntnis von der Übernahme der Kosten des Rechtsanwalts I durch die Beklagte zu 2 habe der Kläger jedenfalls im Anschluss an die auf ein Schreiben der M Wirtschaftsprüfungsgesellschaft vom 05.09.2013 unmittelbar vorgelegten Tätigkeitsnachweise gehabt. Kenntnis von der Übernahme der Kosten für die N-Reise und das Gesellschaftertreffen in Frankfurt habe der Kläger spätestens im Mai/Juni 2016 gehabt, als er erneut Einsicht in die Buchhaltungsunterlagen der Beklagten zu 2 und der L Gruppe GmbH genommen habe. Das Schreiben vom 09.01.2017 sei allen Gesellschaftern der Beklagten zu 2 übersandt worden. Urlaub habe der Beklagte zu 1 in der 1. KW des Jahres 2016 schon deswegen nicht genommen, weil ihm die Voraussetzungen des § 625 BGB bekannt gewesen seien.
61Sie sind der Ansicht,
62der Geschäftsführersanstellungsvertrag gelte nach § 625 BGB fort. Bei einem Widerspruch gegen die Fortsetzung des Dienstverhältnisses handele sich um einen so genannten Sozialakt, bei dem Stimmverbote grundsätzlich nicht zur Anwendung kämen. Selbst die Beendigung des Anstellungsvertrages habe nicht die Beendigung der Organstellung zur Folge. Die Berufung auf etwaige wichtige Gründe für die Abberufung sei verwirkt. Er habe davon ausgehen dürfen, dass auch die Rechtsanwaltskosten von den Gesellschaften der L Gruppe zu tragen gewesen seien. Die N-Reise sei betrieblich veranlasst gewesen.
63Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze verwiesen.
64Die Kammer hat Beweis erhoben durch die persönliche Anhörung des Beklagten zu 1 und die Vernehmung des Zeugen L. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
65Entscheidungsgründe
66Die zulässige Klage ist in dem sich aus dem Tenor ergebenden Umfang begründet und im Übrigen unbegründet.
67A. Zulässigkeit der Klage
681.
69Die Klage ist als Feststellungsklage sowohl gegen den Beklagten zu 1als auch gegen die Beklagte zu 2zulässig.Ob der Beklagte zu 1infolge des Eintritts einer auflösenden Bedingung sein Geschäftsführeramt bei der Beklagten zu 2verloren hat,kann nur im Rahmen einer Feststellungsklage (§ 256 ZPO)geklärt werden.Der Kläger hat als Gesellschafter der Beklagten zu 2 ein rechtliches Interesse an der verbindlichen Klärung, ob der Beklagte zu 1.) noch Geschäftsführer der Beklagten zu 2ist, da es für die Rechtsbeziehungen der Gesellschafter von erheblicher Bedeutung ist,wer das Amt des Geschäftsführers innehat (vgl. BGH, Urteil vom 24. Oktober 2005 -II ZR 55/04-, Rn. 7-9,juris).
702.
71Die von dem Kläger im Schriftsatz vom 01.03.2019 vorgenommene Änderung im Hinblick auf die Stellung der Anträge als Haupt-oder Hilfsanträge und deren leicht abweichende Fassung ist zulässig. Insoweit liegt eine zulässige Änderung des Klageantrags im Sinne des §264 Nr. 2ZPO vor.Auch wenn in dieser Änderung eine Klageänderung im Sinne des §263 ZPO liegen sollte,wäre diese jedenfalls sachdienlich,da neuer Streitstoff nicht eingeführt wird.
72B. Begründetheit der Klage
73Die zulässige Klage ist jedoch nur im Hinblick auf den zu Ziff. 1.) gestellten Hauptantrag begründet.Im Übrigen ist sie unbegründet.
74I.
75Das Anstellungsverhältnis des Beklagten zu 1 bei der Beklagten zu 2auf Grundlage des Anstellungsvertrages vom 01.09.1981 ist durch Bedingungseintritt mit Ablauf des 31.12.2016 beendet.
761.
77Einen entsprechenden Bedingungstatbestand sieht §5Abs. 1S. 2des Anstellungsvertrages vom 01.09.1981 vor. Danach endet das Anstellungsverhältnis auch ohne Kündigung spätestens mit Ablauf des Monats,in dem der Beklagte zu 1.) das 65. Lebensjahr vollendet.Diese Bedingung ist eingetreten. Der Beklagte zu 1.) hat sein 65. Lebensjahr im Monat Dezember 2016vollendet.
782.
79Eine etwaige Vereinbarung über die Fortsetzung des Anstellungsvertrages ist nicht ersichtlich.Insoweit haben die darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten nichts vorgetragen.
803.
81Die Fiktion des §625 BGB findet keine Anwendung.
82Nach §625 BGB gilt das Dienstverhältnis als auf unbestimmte Zeit verlängert,wenn es nach Ablauf der Dienstzeit von dem Verpflichteten mit Wissen des anderen Teils fortgesetzt wird,sofern nicht der andere Teil unverzüglich widerspricht.Insoweit regelt §625 BGB die stillschweigende Verlängerung von Arbeitsverhältnissen unabhängig vom Willen der Parteien in Form einer unwiderleglichen gesetzlichen Vermutung (vgl. BAG,NJW 1999, 1654,Rn. 13).
83Zwar ist §625 BGB auf jede Art von Dienstverträgen anwendbar,jedoch ist §625 BGB dispositiv,so dass die Parteien –auch stillschweigend–eine abweichende Vereinbarung treffen und die Regelung des § 625 BGB ausschließen können.
84Nach Ansicht der Kammer haben die Parteien des Vertrages vom 01.09.1981 dies in §6des Vertrages getan.§ 6des Vertrages sieht im unmittelbaren Anschluss an §5eine konkrete und unbedingte Regelung für die Zeit nach Vollendung des 65. Lebensjahres des Beklagten zu 1vor,nach der der Beklagte zu 1.) ein monatliches Ruhegehalt erhält.Aus der systematischen Stellung dieses Paragraphen im zugrundeliegenden Anstellungsvertrag und auch aus der Wortwahl „Ruhegeld“ergibt sich für die Kammer,dass die Vertragsparteien bereits bei Abschluss des Vertrages die nach Vollendung des 65. Lebensjahres des Beklagten zu 1eintretende Situation bedacht und einer konkreten Regelung zugeführt haben,die damit die Anwendung des §625 BGB ausschließt.
85Nicht entscheidend ist insoweit,ob den Parteien die Vorschrift des § 625 BGB bei Abschluss des Vertrages bekannt war.Der Wille,ausdrücklich eine gesetzliche Vereinbarung auszuschließen,ist nicht erforderlich.Die Parteien haben aber den sich nach Vollendung des 65. Lebensjahres des Beklagten zu 1ergebenden Rechtszustand einer abschließenden Regelung zugeführt.Dies lässt darauf schließen,dass –vorbehaltlich einer erneuten Einigung–auch eine stillschweigende Verlängerung des Anstellungsverhältnisses ausgeschlossen sein sollte.Damit geht nicht einher,dass jedwede Verlängerung des Dienstverhältnisses ausgeschlossen würde.Insoweit ist lediglich die stillschweigende Verlängerung nach §625 BGBbetroffen.Dafür spricht nach Ansicht der Kammer letztlich auch der eigene Vortrag des Beklagten zu 1, wonach die Anhebung der gesetzlichen Regelaltersgrenze und die Einstellung weiter Teile der Bevölkerung zur Berufsausübung nach Vollendung des 65. Lebensjahres sich nach dem Jahr 1981 geändert hat, und dies im Jahr 1981 noch nicht absehbar war.Dies lässt den Rückschluss gerade auf den Willen auch des Beklagten zu 1zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses zu,dass eine über das 65. Lebensjahr hinausgehende Geschäftsführertätigkeit seinerzeit gerade nicht in Betracht gezogen worden war.
864.
87Danach endete die Anstellung des Beklagten zu 1bei der Beklagten zu 2auf Grundlage des Anstellungsvertrages mit Ablauf des 31.12.2016.
88Sprachlich abweichend von dem insoweit inhaltsgleich gestellten Antrag zu Ziff. 1.) hat die Kammer eben dies festgestellt,da sie nicht ausschließen kann,dass sich weitere Rechte und Pflichten aus dem jedenfalls im Hinblick auf den § 6des Vertrages fortgeltenden Vertrag,insbesondere im Hinblick auf §6Abs. 3des Vertrages,ergeben könnten.
89II.
90Im Übrigen ist die Klage unbegründet.
911. Hauptantrag zu 2.)
92Die Gesellschafterversammlung der Beklagten zu 2am 29.03.2017 hat die Abberufung des Beklagten zu 1nicht wirksam beschlossen.Die dazu erforderliche Mehrheit der abgegebenen Stimmen liegt nicht vor.
93a)
94Im Zuge der Abstimmung stimmten 50% der abgegebenen Stimmen für und 50%der abgegebenen Stimmen gegen den Antrag.
95b)
96Zwar ergäbe sich eine Mehrheit der abgegebenen Stimmen,wenn der Beklagte zu 1.) einem Stimmverbot unterlegen hätte.Ein solches Stimmverbot bestand nach Ansicht der Kammer jedoch nicht.Wenn ein abstimmungserhebliches Stimmverbot infrage steht,kommt es im Rechtsstreit allein auf das tatsächliche Vorliegen eines wichtigen Grundes an (vgl. BGH, Urteil vom 4. April 2010–II ZR 77/16–, Rn. 14-17,juris).
97Einen wichtigen Grund bilden dabei Umstände,die den Verbleib des Abzuberufenden in der Organstellung für die Gesellschaft unzumutbar machen.Erforderlich ist die Abwägung aller Umstände.Verschulden kann in die Abwägung einfließen, ist aber für den wichtigen Grund nicht erforderlich.Die Dauer der Geschäftsführertätigkeit und bisher einwandfreies Verhalten können ebenfalls zu berücksichtigen sein.Bei Geschäftsführern in Gesellschaften personalistischen Zuschnitts ist bei Abwägung das berechtigte Interesse der Geschäftsführer an der Tätigkeit in eigener Gesellschaft zu berücksichtigen, auch wenn kein Mitgliedschaftsrecht vorliegt (vgl. Zöllner/Noack in:Baumbach/Hueck, GmbH-Gesetz, 20.Aufl. 2013,§ 38,Rn. 12 mwN)
98Einen solchen wichtigen Grund vermochte die Kammer nicht festzustellen.
99(1)
100Soweit sich der Kläger auf die Fortzahlung der Bezüge als Geschäftsführer für die Zeit nach dem 31.12.2016 beruft, steht die Fortgeltung des Anstellungsvertrages zwischen den Parteien gerade im Streit.Nach Ansicht der Kammer erscheint die von den Beklagten insoweit vertretene Ansicht jedenfalls vertretbar.Die Anrechnung der Ruhegelder nach §6Abs. 1des Anstellungsvertrages auf die Vergütung des Beklagten zu 1ist erfolgt.Gegebenenfalls ergibt sich insoweit ein Rückzahlungsanspruch.Einen wichtigen Grund nach Maßgabe der vorstehenden Darstellung vermag die Kammer darin aber nicht zu erkennen.Der damit verbundene wirtschaftliche Nachteil der Beklagten zu 2stellt einen solchen wichtigen Grund nicht dar.Die Höhe eines etwaigen wirtschaftlichen Nachteils ist bereits nicht substantiiert dargestellt.Im Übrigen ist aber auch nicht ersichtlich,dass die Erfüllung eines sich gegen den Beklagten zu 1ergebenden Rückzahlungsanspruchs gefährdet sein könnte.Tatsächlich wird ein solcher Rückzahlungsanspruch derzeit auch nicht geltend gemacht.
101(2)
102Auch die Tatsache,dass die vorgelegten Kostennoten des Beraters I in der Zeit vom 02.04.2012 bis zum 06.12.2016 durch die Beklagte zu 2ausgeglichen worden sind, stellt einen wichtigen Grund im oben dargestellten Sinne nicht dar.
103(a)
104Soweit der Kläger dazu behauptet hat,zwischen dem Beklagten zu 1und dem Zeugen L sei im Juni 2011 eine entsprechende Absprache darüber getroffen worden, dass der Beklagte zu 1.) die Kosten des Herrn I aus seinem persönlichen Vermögen zu tragen habe,ist eine solche Absprache auf Grundlage der durchgeführten Beweisaufnahme nach Ansicht der Kammer nicht bewiesen.Der persönlich angehörte Beklagte zu 1.) hat unter näherer Darstellung der Verhältnisse in der Zeit ab 2008/2009eine solche konkrete Absprache in Abrede gestellt.
105Zwar hat der Zeuge L ebenfalls unter näherer Darstellung der Verhältnisse ausgesagt, es habe im Juni 2011 eine solche Absprache zwischen ihm und dem Beklagten zu 1gegeben.Im Zuge einer Beratung durch Herrn L,der dargestellt habe,die betreffenden Kosten seien privat zu tragen,habe man sich in die Augen geschaut und gesagt „Dann ist das so“. Die Kammer vermag jedoch keiner der Aussagen ein höheres Gewicht beizumessen,so dass der insoweit dem Kläger obliegende Beweis einer entsprechenden Vereinbarung nicht erbracht ist, zumal die Aussage des Zeugen L sich mit der Darstellung des Klägers im Hinblick auf die Anwesenheit eines Dritten nicht deckt.
106Soweit sich der Kläger die Darstellung des Zeugen in diesem Zusammenhang zu Eigen gemacht hat,kann dahinstehen,ob sein Vortrag zu diesem Gespräch im Juni 2011 dadurch widersprüchlich wird,denn jedenfalls ist ein weitergehendes Beweisangebot des insoweit beweisbelasteten Klägers nicht erfolgt.
107(b)
108Allein die Tatsache,dass der Beklagte zu 1.) die vorgelegten Beraterrechnungen des Rechtsanwalts I durch die Beklagte zu 2hat begleichen lassen,stellt einen wichtigen Grund im oben stehenden Sinne nicht dar.Zunächst betreffen die dazu vorgelegten Kostennoten des Rechtsanwalts I nahezu durchgehend jedenfalls auch Themen,die mit der Beklagten zu 2im Zusammenhang stehen.Soweit der Kläger dazu insbesondere auf mit dem Rechtsanwalt T geführte Gespräche abstellt,ist zu Inhalt und Dauer dieser Gespräche nicht im Einzelnen vorgetragen. Inwieweit diese Beratungen tatsächlich nicht mit der Beklagten zu 2im Zusammenhang stehen, lässt sich daraus nicht entnehmen.Ein etwa entstandener Schaden ist deswegen schon der Höhe nach nicht feststellbar.Im Übrigen ist die Kammer –entgegen der Ansicht des Klägers–der Ansicht,dass die von dem Rechtsanwalt I im Zuge der Auseinandersetzungsverhandlungen erfolgte persönliche Beratung des Beklagten zu 1jedenfalls auch im Interesse der Beklagten zu 2lag und daher als betrieblich veranlasst angesehen werden kann.Indiz dafür kann sein,dass der Berater I ausweislich der von ihm gestellten Kostennoten ebenfalls die Beklagte zu 2als zum Ausgleich verpflichtet angesehen hat. Insoweit hat auch Berücksichtigung zu finden,dass –insoweit zwischen den Parteien unstreitig– die steuerliche Beratung im Zusammenhang mit den Auseinandersetzungen durch L über die Gesellschaften abgerechnet werden sollte.Auch diese steuerliche Beratung berücksichtigt letztlich aber Interessen der Gesellschafter.Auch insoweit läge dann eine Vermischung vor,die nach dem Vortrag des Klägers nicht hätte erfolgen dürfen,von ihm aber akzeptiert wird.Dass sich die Auseinandersetzungsverhandlungen zwischen den Gesellschaftern auch noch über den Zeitpunkt der letzten Rechnung des Herrn I hinauszogen,ist der Kammer bereits aus der Verhandlung vom 22.05.2018 bekannt.
109Im Übrigen hätte es nach Ansicht der Kammer selbst dann,wenn man zu dem Ergebnis kommen müsste,dass einzelne Beratungsleistungen durch den Beklagten zu 1persönlich hätten ausgeglichen werden müssen, einen wichtigen Grund im vorstehenden Sinne nicht gegeben. Das Interesse des Beklagten zu 1an der Tätigkeit in eigener Gesellschaft hat nämlich selbst dann Berücksichtigung zu finden. Gleiches gilt insbesondere auch für die weiteren Gesellschafter,die gegen die Abberufung des Beklagten zu 1als Geschäftsführer gestimmt haben,denn schließlich muss die weitere Tätigkeit als Geschäftsführer für die Gesellschaft und nicht für einzelne Gesellschafter unzumutbar sein.Indiz dafür,dass eine solche Unzumutbarkeit nicht vorliegt,ist dann auch das Stimmverhalten einzelner anderer Gesellschafter.Insoweit ist –jedenfalls als Indiz–auch zu berücksichtigen,dass neben dem Beklagten zu 1weitere 44 %der Gesellschafter gegen seine Abberufung gestimmt haben.Im Übrigen ist auch nicht ersichtlich,dass die nach Ansicht des Klägers fälschlich von der Beklagten zu 2getragenen Kosten zurückgefordert werden,so dass sich auch daraus ein besonderes Interesse der Gesellschaft nicht ersehen lässt.
110(3)
111Soweit der Kläger dem Beklagten zu 1vorwirft,seine Tochter L über die betriebliche Verbuchung der Kosten der so genannten N-Reise begünstigt zu haben,ist ein wichtiger Grund im obigen Sinne ebenfalls nicht ersichtlich.Unter Berücksichtigung des insoweit vorgelegten Prospekts ist die Darstellung des Beklagten zu 1,es habe sich um eine betrieblich veranlasste Tätigkeit gehandelt,nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen.Diese Einschätzung erscheint jedenfalls vertretbar.Dabei ist auch zu berücksichtigen,dass der Kläger die Teilnahme der Tochter des Beklagten zu 1beanstandet,ohne insoweit allerdings auf die Teilnahme des Fremdgeschäftsführers der Beklagten 2.) näher einzugehen.Diese scheint er zu akzeptieren. Unklar bleibt in der Darstellung insoweit aber,wo der Kläger –vor dem Hintergrund der Stellung der betreffenden Tochter des Beklagten zu 1als Abteilungsleiterin in H–abgrenzt.Selbst wenn man darüber streiten könnte,ob die Kosten tatsächlich betrieblich veranlasst sind, liegt die rechtliche Einschätzung der Beklagten dazu nicht so fern,als dass unter Berücksichtigung der oben genannten Maßstäbe ein wichtiger Grund für eine Abberufung angenommen werden könnte.
112(4)
113Betreffend die Kosten des Gesellschaftertreffens des Familienstamms des Beklagten zu 1ist nach Ansicht der Kammer bereits mit Rücksicht auf die seit diesem Treffen am 24.06.2012verstrichene Zeit und die nur sehr geringe Höhe der hier angefallenen Kosten ein wichtiger Grund im vorstehenden Sinne nicht ersichtlich.Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Kosten dieses Treffens unstreitig im Rahmen einer im Jahr 2016 durchgeführten Betriebsprüfung nicht beanstandet worden sind.
114(5)
115Nach alledem führt nach Ansicht der Kammer nicht nur die Wertung der einzelnen von dem Kläger angeführten Umstände dazu,dass ein wichtiger Grund nicht vorliegt,sondern auch eine Gesamtbetrachtung eben dieser angeführten Umstände.
1162. Hilfsantrag zu 2.)
117Unbegründet ist auch der zu Ziff. 2.) gestellte Hilfsantrag.Nach dem so genannten Trennungsprinzip sind die Organbestellung und der Anstellungsvertrag unabhängig voneinander zu betrachten (BGH, Urteil vom 24. November 1980–IIZR 182/79–, BGHZ 79, 38 - 44,Rn. 21). Im Einzelfall mag die wirksame Kündigung des Dienstverhältnisses zwar zugleich der Organstellung den Boden zu entziehen,weil ein Geschäftsführer im Allgemeinen nicht ohne Vertragsgrundlage weiterarbeiten wird. Dies stellt sich nach Ansicht der Kammer im vorliegenden Fall allerdings anders dar.Die insoweit vorgenommene Ausnahme vom Trennungsprinzip gilt nach Ansicht der Kammer dann nicht, wenn der Geschäftsführer ein über den Anstellungsvertrag hinausgehendes Interesse an seiner Organbestellung hat.Dies ist –wie im vorliegenden Fall–dann anzunehmen,wenn ein Gesellschafter–Geschäftsführer- neben seinem Anspruch auf Vergütung eigene,seiner Gesellschafterstellung entspringende Interessen verfolgt (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 18. Februar 1994 –10U 16/93–, Rn. 16-17,juris).
118C.
119Die Kostenentscheidung beruht auf §92 Abs. 1 S. 1 ZPO und berücksichtigt, dass der Kläger mit dem Antrag zu 1.) durchdringt,im Hinblick auf den Antrag zu 2.) aber sowohl mit Haupt- und Hilfsantrag unterliegt.
120Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in § 709ZPO.
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Referenzen
- 6 O 28/17 1x (nicht zugeordnet)
- II ZR 77/16 1x (nicht zugeordnet)
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- II ZR 55/04 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 256 Feststellungsklage 1x