Urteil vom Landgericht Rostock - 8 O 86/09

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt,

(1.) es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, wobei die Ordnungshaft an ihrem jeweiligen gesetzlichen Vertreter zu vollziehen ist, zu unterlassen,

im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken mit dem Bestehen eines "Neurologisch/Vaskulären Zentrums" an der A. Klinik zu werben;

(2.) es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten oder Ordnungshaft an ihrem jeweiligen gesetzlichen Vertreter zu vollziehen, zu unterlassen,

im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken mit der Behandlung von "Patienten mit allen neurologischen Krankheitsbildern" durch die A. Klinik P. zu werben, sei es ausdrücklich oder sinngemäß;

2. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen, in welchem Umfang die Beklagte die vorstehend in Ziffer I. 1. und 2. bezeichneten Handlungen begangen hat, wie vielen Patienten gegenüber sie neurologische Leistungen über ihren Zulassungsstatus nach dem Krankenhausplan und dem entsprechenden Feststellungsbescheid (§ 108 SGB V) hinaus erbracht hat und in welchem Umfang sie derartige Leistungen abgerechnet hat;

3. Es wird festgestellt, das die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu erstatten, der ihr durch die vorstehend zu Ziffer I. 1. und 2. bezeichneten Handlungen entstanden ist und künftig noch entstehen wird;

4. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte nach einem Streitwert von 50.000,00 EUR zu tragen.

5. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 50.000,00 EUR vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Klägerin ist Trägerin des A.-Klinikums U.. Die Beklagte ist Trägerin der ca. 37 km hiervon entfernten A. Klinik P.. Beide Kliniken bieten ihre Dienstleistungen im Bereich der Krankenhausversorgung im Wesentlichen gegenüber dem gleichen Personenkreis an.

2

Die Beklagte warb auf der Internet-Homepage der A. Klinik P. im Rahmen der Darstellungen ihrer Fachbereiche und Abteilungen u.a. damit, dass in der A. Klinik P. ein "Neurologisch-Vaskuläres Zentrum" eingerichtet sei und dass dort "Patienten mit allen neurologischen Krankheitsbildern behandelt" würden (vgl. Anlage K 1, Bl. 22 d.A.). Entsprechend berichtete die Beklagte in einem Newsletter vom 21.01.2009 über die Einrichtung eines "Neurologisch/Vaskulären Zentrums" in der A. Klinik P. (vgl. Anlage K 2, Bl. 23 d.A.).

3

Im vierten Krankenhausplan des Landes Mecklenburg-Vorpommern vom 01.01.2005 bis zum 31.12.2008 wurde die A. Klinik P. mit einer disziplinbezogenen Bettenzahl von insgesamt 325 Betten geführt, die sich auf verschiedene Fachabteilungen aufgliederte. Für das Fachgebiet Neurologie wurde die Klinik dort nicht mit Krankenhausbetten geführt, für den Bereich der Frührehabilitation mit 30 Betten (vgl. Vierter Krankenhausplan des Landes Mecklenburg-Vorpommern, B. Spezieller Teil, Anlage 3; Disziplinbezogene Bettenzahlen ab 01.01.2005 bis 31.12.2008; Anlage K 4; vgl. auch Einzelblatt Nr. 20 betreffend die A. Klinik P., Anlagen K 4 und K 5). Der Klinik wurden nach dem vierten Krankenhausplan keine medizinischen Schwerpunktaufgaben gemäß § 23 Abs. 2 LKHG M-V im Bereich der neurologischen Leistungen, insbesondere in den Bereichen der Schlaganfallversorgung, der Frührehabilitation von schweren Schädel-Hirn-Schädigungen und der Frührehabilitation von Querschnittslähmungen zugewiesen. Nach der Fortschreibung des vierten Krankenhausplanes durch das Ministerium für Soziales und Gesundheit des Landes Mecklenburg-Vorpommern verblieb es für das Jahr 2009 bei einer Zahl von 30 Betten für die Fachrichtung Frührehabilitation - fachübergreifende frühmobilisierende Therapieabteilung -. Hingegen erfolgte dort keine Zuweisung von Betten für das Fachgebiet Neurologie (vgl. Bescheid des Ministeriums für Soziales und Gesundheit Mecklenburg-Vorpommern vom 23.12.2008 (Anlage B 1, Bl. 90 d.A.).

4

Nach einem zwischen dem Ministerium für Soziales und Gesundheit Mecklenburg-Vorpommern, dem Bundesministerium für Gesundheit und den Kostenträgern abgestimmten Gesamtkonzept der Frührehabilitation (als akutstationäre Behandlungsmodalität) in der A. Klinik P. sollen dort u.a. Patienten mit erworbenen Hirnschädigungen im Sinne SHT, Apoplex, etc. sowie mit schweren akuten neurologischen Erkrankungen (z.B. Guillain-Barre) aufgenommen werden (vgl. dazu Anlage B 3: "Klinischer Status des Frührehapatienten" sowie die Indikationen für die Frührehabilitationsbedürftigkeit).

5

Die als "Neurologisch/Vaskuläres Zentrum" bezeichnete organisatorische Einrichtung innerhalb der A. Klinik P. wird von der Beklagten als chefarztgeführte "Subabteilung" der Abteilung für Innere Medizin sowie der Klinik für Frührehabilitation betrachtet und soll die besonderen Anforderungen, die aus der "Schnittmenge" der neurologischen Patienten der akutstationären Frührehabilitation und aus der "Schnittmenge" zur Inneren Medizin (Schlaganfälle etc.) hervorgehen, berücksichtigen und bestmöglich versorgen.

6

Nach der Aufstellung der tagesbezogenen Entgelte nach § 6 KHEntgG vom 11.09.2008 (krankenhausindividuell verhandelten Entgelte; vgl. Anlage B 4, Bl. 95 d.A.) werden u.a. neurologische Leistungen der A. Klinik P. wie beispielsweise Schlaganfallbehandlungen oder Behandlungen von Morbus Parkinson sowie multiple Sklerose gesondert vereinbart.

7

Die A. Klinik P. verfugt nicht über spezielle Versorgungsverträge mit Krankenkassen im Sinne von § 108 Nr. 3 SGB V. Nach der Weiterbildungsordnung der Ärztekammer Mecklenburg-Vorpommern vom 20.06.2005 (Anlage K 7, Bl. 31 d.A.) ist die Klinik auf dem Fachgebiet der Neurologie als Weiterbildungsstätte zur Erlangung der Facharztkompetenz zugelassen. Von einer Weiterbildungszeit von insgesamt 60 Monaten, die an bestimmten Einrichtungen abgeleistet werden müssen, können bei dem Chefarzt Herrn G. in der A. Klinik P. 12 Monate abgeleistet werden (vgl. Anlage K 8).

8

In einem Schreiben der Ärztekammer Mecklenburg-Vorpommern an das Ministerium für Soziales und Gesundheit Mecklenburg-Vorpommern vom 01.07.2009 betreffend die Krankenhausplanung bezüglich der A. Klinik P. wird ausgeführt, dass aus der Sicht der Ärztekammer das Spektrum im Rahmen der fachübergreifenden Frührehabilitation eine Weiterbildungsbefugnis für Neurologie zulasse, da alle wesentlichen neurologischen Akuterkrankungen im Rahmen dieser Frührehabilitation erfasst seien, wenn auch nicht alle in der entsprechenden Häufigkeit (vgl. Anlage B 5, Bl. 98 d.A).

9

Die Klägerin behauptet, potentiellen Patienten und niedergelassenen Ärzten werde durch den Internet-Auftritt vermittelt, dass die A. Klinik P. über eine neurologische Fachabteilung verfüge und dass gesetzlich versicherte Patienten dort dauerhaft und nicht nur in Notfallen sämtliche stationären neurologische Behandlungen in Anspruch nehmen könnten. Es bestünde eine Irreführung im Hinblick auf den Zulassungsstatus und damit auf die Qualifikation der A. Klinik. Sie verfüge nicht über eine besondere Größe, Bedeutung, Qualifikation oder Erfahrung im Hinblick auf die Behandlung neurologischer Krankheitsbilder und übertreffe sonstige Einrichtungen mit einer Fachabteilung für Neurologie nicht.

10

Die Klägerin beantragt,

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I. die Beklagte zu verurteilen,

12

1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, wobei die Ordnungshaft an ihrem jeweiligen gesetzlichen Vertreter zu vollziehen ist, zu unterlassen,

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im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken mit dem Bestehen eines "Neurologisch/Vaskulären Zentrums" an der A. Klinik zu werben;

14

2. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten oder Ordnungshaft an ihrem jeweiligen gesetzlichen Vertreter zu vollziehen, zu unterlassen,

15

im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken mit der Behandlung von "Patienten mit allen neurologischen Krankheitsbildern" durch die A. Klinik P. zu werben, sei es ausdrücklich oder sinngemäß;

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II. Die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen, in welchem Umfang die Beklagte die vorstehend in Ziffer I. 1. und 2. bezeichneten Handlungen begangen hat, wie vielen Patienten gegenüber sie neurologische Leistungen über ihren Zulassungsstatus nach dem Krankenhausplan und dem entsprechenden Feststellungsbescheid (§ 108 SGB V) hinaus erbracht hat und in welchem Umfang sie derartige Leistungen abgerechnet hat;

17

III. Es wird festgestellt, das die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu erstatten, der ihr durch die vorstehend zu Ziffer I. 1. und 2. bezeichneten Handlungen entstanden ist und künftig noch entstehen wird;

18

Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

20

Die Beklagte behauptet, der Internetauftritt richte sich an einweisende Ärzte als Fachkreise und nicht an mögliche Patienten. Der Klägerin sei kein Schaden entstanden.

21

Sie vertritt die Ansicht, das Landgericht sei funktionell und sachlich unzuständig, da eine spezielle Rechtswegzuweisung zu den Sozialgerichten gemäß § 51 Abs. 1 Nr. SGG bestehe. Die wettbewerbsrechtliche Frage, ob in der Ausweisung des Leistungsspektrums ein Verstoß gegen das Irreführungsverbot darstelle, sei im gesetzlichen Krankenversicherungsrecht zu suchen und münde in der Frage, ob die beworbenen Leistungen zum Leistungsspektrum der Beklagten gehöre. Im hoheitlich beplanten Versorgungsraum (Plankrankenhäuser nach § 108 SGB V) werde die Anwendung des UWG durch § 69 SGB V ausgeschlossen.

Entscheidungsgründe

22

Die Klageanträge haben Erfolg.

23

Die Klage ist zulässig.

24

Der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gemäß § 13 GVG ist im Streitfall eröffnet, soweit hier Normen des Wettbewerbsrechts im Hinblick auf Verhaltensweisen Anwendung finden, die nicht unmittelbar den öffentlich-rechtlichen Versorgungsauftrag der Parteien als Krankenhausträger betreffen. Eine abschließende Rechtswegzuständigkeit nach § 51 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 2 SGG i.V.m. § 69 Abs. 1 SGB V zu den Sozialgerichten scheidet dagegen zumindest für die Anwendung von Normen des Wettbewerbsrechts aus. Bereits der Wortlaut von § 69 Abs. 1 Satz 2 SGB V umfasst eindeutig nicht die bürgerlich-rechtlichen Rechtsbeziehungen der Krankenhausträger untereinander, sondern nur die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen zu den Krankenhäusern. Der Gesetzgeber wollte mit § 69 SGB V ausdrücklich nur die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen und ihrer Verbände, in denen sie ihren hoheitlichen öffentlich-rechtlicher Versorgungsauftrag erfüllen und deshalb nicht als Unternehmen im Sinne des Privatrechts handeln, dem Wettbewerbs- und Kartellrecht entziehen (vgl. BT-Dr. 14/1245, S. 68). Aus diesem Grunde ist die Vorschrift des § 69 Abs. 2 SGB V vorliegend nicht einschlägig.

25

II. Die insoweit zulässige Klage ist begründet.

26

III. 1. Unterlassungsanträge

27

Die Klägerin kann von den Beklagten gemäß § 8 Abs. 1 UWG Unterlassung in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang verlangen, da die Beklagte mit der Verwendung der beanstandeten Bezeichnungen § 3, § 5 Abs. 2 Nr. 3 UWG zuwiderhandelte. Danach sind unlautere Wettbewerbshandlungen unzulässig, die geeignet sind, den Wettbewerb zum Nachteil der Mitbewerber, der Verbraucher oder der sonstigen Marktteilnehmer nicht nur unerheblich zu beeinträchtigen.

28

Das UWG ist nicht durch § 69 SGB V ausgeschlossen. Streitgegenstand der Klage ist allein die bestehende Irreführung der relevanten Verkehrskreise im Sinne der §§ 3, 5 UWG durch die von der Klägerin monierten Werbemaßnahmen der Beklagten.

(1.)

29

Die Bezeichnung der von den Beklagten betriebenen medizinischen Einrichtung als "Neurologisch-Vaskuläres Zentrum" ist als irreführend im Sinne von § 5 UWG einzustufen.

30

Eine Werbung ist irreführend im Sinne von § 5 Abs. 1 UWG, wenn das Verständnis, das sie bei den Verkehrskreisen erweckt, an die sie sich richtet, mit den tatsächlichen Verhältnissen nicht übereinstimmt. Für diese Beurteilung ist der Gesamteindruck der Werbung maßgeblich; es sind alle Bestandteile zu berücksichtigen, § 5 Abs. 2 UWG. Dabei ist auf das Verständnis eines durchschnittlich informierten und verständigen Adressaten der streitgegenständlichen Werbung abzustellen, der die Werbung mit einer der Situation entsprechend angemessenen Aufmerksamkeit zur Kenntnis nimmt.

31

Der beanstandete Internet-Auftritt der Beklagten (Anlage K 1) richtet sich zumindest auch an potentielle gesetzlich- und privatkrankenversicherte Patienten. Nicht gefolgt werden kann in diesem Zusammenhang der Behauptung, dass sich der beanstandete Internet-Auftritt lediglich an niedergelassene Ärzte als potentielle Einweiser richtet. Der angesprochene Verkehrskreis, auf deren Auffassung es für die Beurteilung einer Werbeangabe als irreführend ankommt, ist die von der Werbung - nicht nur die vom Werbenden - angesprochenen Verbraucher und sonstige Marktbeteiligte, nicht aber, wen der Werbende ansprechen will. Angesprochene Verkehrskreise sind vorliegend deshalb neben den niedergelassenen Ärzten als potentielle Einweiser auch sämtliche potentielle gesetzlich- und privatversicherten Patienten sowie Patienten aus Selektivverträgen. Zwar bedürfen die gesetzlich krankenversicherten Patienten zur Behandlung in einem Krankenhaus einer Einweisung durch einen niedergelassenen Arzt. Dennoch dürfen die gesetzlich krankenversicherten Patienten - wie privat kranken versicherten Patienten - das konkrete behandelnde Krankenhaus selbstbestimmt auswählen.

32

Richtet sich die Werbung an verschiedene Verkehrskreise, ist die Auffassung sämtlicher beteiligter Verkehrskreise zu berücksichtigen. Das bedeutet im vorliegenden Fall, dass sowohl von niedergelassenen Ärzten als auch von gesetzlich und privat krankenversicherten Patienten auszugehen ist. Für die Bejahung der Irreführung genügt dann bereits die Täuschung einer dieser Verkehrskreise - hier also der der Patienten. Da auch das Gericht zu den Mitgliedern der angesprochenen Verkehrskreise der krankenversicherten Patienten gehört, kann das Gericht aufgrund eigener Sachkunde und Erfahrung den Tatbestand der Irreführung dieses angesprochenen Verkehrskreises hinreichend würdigen.

33

Etwas anderes gilt für die entsprechenden Aussagen in dem Newsletter 01/09 vom 21.01.2009. Dieses Schreiben richtet sich offensichtlich in erster Linie an die im Gesundheitswesen Tätigen und nicht an potentielle Patienten und die Allgemeinheit, wie aus dem entsprechenden Text hervorgeht. Dieses Werbeverhalten in dem Newsletter bleibt daher im Streitfall für die Beurteilung der Ansprüche der Klägerin außer Betracht.

34

Der Begriff "Zentrum" im Zusammenhang mit den medizinischen Leistungen eines Krankenhauses in der von den Beklagten verwendeten Bezeichnung wird vom durchschnittlich informierten und verständigen Mitglied der angesprochenen Verkehrskreise im Bereich der Krankenhausversorgung grundsätzlich als Hinweis auf eine besondere Größe, Bedeutung und fachliche Qualifikation der medizinischen Versorgungseinrichtung verstanden.

35

Dabei ist die Entscheidung des Bundesverfassungsgericht vom 09.02.2005 (NVwZ 2005, 683) ersichtlich im hiesigen Rechtsstreit nicht einschlägig. Dort ging es um die Gefahr der Irreführung der Bevölkerung bei der Bezeichnung einer tierärztlichen Praxis als "Zentrum für Kleintiermedizin". Danach habe nach Ansicht der entscheidenden Kammer der Begriff des "Zentrums" im Zusammenhang mit der Bezeichnung von Dienstleistungslokalitäten einen Bedeutungswandel erfahren. Zur Werbung mit dem Begriff "Zentrum" im Zusammenhang mit Krankenhausleistungen enthält diese Entscheidung indessen keine Aussage.

36

Entsprechende Sichtweisen, wie sie die Kammer des Bundesverfassungsgericht geäußert hat, treffen möglicherweise auf den Bereich der niedergelassenen Ärzte zu, sind aber im Bereich der Krankenhausleistungen nicht ohne Weiteres übertragbar, soweit jedenfalls krankenhausplanerische Vorgaben betroffen sind. Inhalt und Bedeutung des Begriffs "Zentrum" können für den Krankenhausbereich aus wettbewerbsrechtlicher Sicht anders beurteilt werden, weil einzelner Krankenhäusern medizinische Schwerpunktaufgaben gemäß § 23 Abs. 2 LKHG M-V zugewiesen werden können und zusätzlich auch durch die Krankenhauspläne des Landes Mecklenburg-Vorpommern einzelnen Krankenhäusern faktisch Schwerpunkte in der Versorgung der Bevölkerung zugewiesen werden können.

37

Nicht einschlägig ist auch die Entscheidung des Landesberufungsgerichts für Heilberufe beim OVG NRW vom 03.09.2008, da sie sich mit wettbewerbsrechtlichen Fragen im Zusammenhang mit Krankenhäusern überhaupt nicht beschäftigt.

38

Da in der als "Neurologisch/Vaskuläres Zentrum" bezeichneten "Subabteilung" der A. Klinik P. Leistungen erbracht werden, die den öffentlich-rechtlichen Bereich des Krankenhausplanes des Landes Mecklenburg-Vorpommern betreffen bzw. betreffen können, ist der Begriff "Zentrum" enger auszulegen als im Bereich der niedergelassenen Arzte. Für potentielle Patienten könnte durch die Bezeichnung der "Subabteilung" als "Zentrum" der Eindruck entstehen, dass das entsprechende Krankenhaus in der Versorgung der Bevölkerung mit den entsprechend angebotenen medizinischen Leistungen im neurologischen und vaskulären Bereich sowie im Bereich der Frührehabilitation eine überregional koordinierte und konzentrierte Fachkompetenz in den angesprochenen Disziplinen auf der Grundlage der Krankenhausplanung des Landes Mecklenburg-Vorpommern vorhält.

39

Die so ausgelöste Erwartungshaltung wird nochmals gesteigert durch den Zusatz "neurologisch/vaskulär". Jedenfalls in dieser Kombination erweckt die Bezeichnung den Eindruck, dass es sich um eine Krankenhauseinrichtung handelt, die über eine besonders hohe Kompetenz speziell im neurologischen und vaskulären Bereich verfugt und die eine herausgehobene oder gar führende Stellung der Krankenhauseinrichtungen auf dem Gebiet der Behandlung von neurologischen und vaskulären Erkrankungen begründet. Es kann bei den angesprochenen Verkehrskreisen durchaus der Eindruck entstehen, dass der Einrichtung hinsichtlich Größe oder Bedeutung nach der Krankenhausplanung des Landes Mecklenburg-Vorpommern eine herausgehobene Stellung zukommen, hinter der andere Einrichtungen, wie beispielsweise die von der Klägerin betriebenen Einrichtung, deutlich zurückbleiben.

40

Eine entsprechende herausgehobene Bedeutung des "Neurologisch/Vaskulären Zentrums" innerhalb der A. Klinik P. in dem vorgenannten Sinne ist indessen nicht ersichtlich. Dabei ist klarzustellen, dass das Gericht nicht die medizinische Fachkompetenz im "Neurologisch/Vaskulären Zentrum" zu beurteilen hat. Denn entscheidend ist allein der von der Internet-Werbung erweckte Eindruck beim angesprochenen Benutzerkreis der potentiellen Patienten. Der diesbezügliche Eindruck von einer herausgehobenen Stellung der Krankenhauseinrichtung deckt sich im Ergebnis nicht in den Vorgaben im vierten Krankenhausplan des Landes Mecklenburg-Vorpommern bzw. in der entsprechenden Fortschreibung für das Jahr 2009. Zudem wurde der A. Klinik P. keine besonderen Schwerpunktaufgaben nach § 23 LKHG M-V zugewiesen.

41

Ferner wurde in dem Schreiben der Ärztekammer Mecklenburg-Vorpommern vom 01.09.2009 (Anlage B 5) ausgeführt, dass das Spektrum der fachübergreifenden Frührehabilitation aus der Sicht der Ärztekammer Mecklenburg-Vorpommern die wesentlichen neurologischen Akuterkrankungen "nicht alle in der entsprechenden Häufigkeit" erfasst. Von einem "neurologischen Zentrum" - lässt man den Begriff "vaskulär" in diesem Zusammenhang außer Betracht - wird der entsprechend angesprochene Verkehrskreis indessen erwarten dürfen, dass auch neurologische Akuterkrankungen in der entsprechenden Häufigkeit erfasst sind.

42

Vermittelt gerade die Kombination des Begriffs "Zentrum" mit den beiden genannten medizinischen Fachrichtungen eine koordinierte und konzentrierte Fachkompetenz in allen Bereichen der Neurologie, wiederspricht aber das vorgenannte Schreiben der Ärztekammer gerade diesem vermittelten Eindruck.

(2.)

43

Auch die Werbeaussage, dass eine Behandlung von Patienten mit "allen" neurologischen Krankheitsbildern an der A. Klinik P. vorgenommen werde, ist irreführend im Sinne von § 5 UWG. Insbesondere aus der Zulassung der Klinik zur fachübergreifenden Frührehabilitation und dem zugrundeliegenden Konzept (vgl. Anlage B 2, Bl. 93 d.A.) folgt, dass mit Blick auf das typische Spektrum der im akutmedizinischen Bereich behandelten Patienten insbesondere das Vorliegen von bestimmten, näher aufgeführter Indikationen die Frührehabilitationsbedürftigkeit begründen. Offenkundig eignen sich aber nicht "alle" Patienten mit neurologischen Krankheitsbildern zur Aufnahme in das Frührehabilitationsprogramm. Geeignet für die diesbezügliche Aufnahme sind nach dem Klinik-Konzept insbesondere Patienten mit besonderen klinischen Zuständen (vgl. Anlage B 3, Bl. 94 d.A.). Die Behandlungskompetenz zur Behandlung neurologischer Erkrankungen betrifft nach dem Leistungsspektrum der Klinik insbesondere einen speziellen Behandlungsabschnitt zwischen der eigentlichen Primärbehandlung und der anschließenden Rehabilitation. Daraus folgt, dass selbst nach dem vorgenannten Konzept der Klinik zumindest nicht Patienten mit "allen" neurologischen Krankheitsbildern gleichermaßen behandelt werden.

44

Des weitern sind auch nach der Stellungnahme der Ärztekammer Mecklenburg-Vorpommern vom 01.07.2009 (vgl. Anlage B 5, Bl. 98 d.A.) in der Klinik alle wesentlichen neurologischen Akuterkrankungen "im Rahmen dieser Frührehabilitation" erfasst. Demnach gehören neurologische Erkrankungen nur insoweit zum Leistungsspektrum der A. Klinik P., als sie die Frührehabilitation betreffen. Ferner werden gerade nicht "alle" neurologischen Erkrankungen erfasst, sondern nur die "wesentlichen".

45

Aus dem Vorgenannten folgt, dass es in diesem Zusammenhang nicht darauf ankommen kann, ob und inwieweit die Beklagte alle neurologische Leistungen gegenüber Privatpatienten, Selbstzahlern sowie Patienten mit Selektivverträgen erbringen und abrechnen könnte. Die Beklagte hat selbst in der mündlichen Verhandlung vom 27.10.2009 ausgeführt, dass der Anteil an Privatpatienten bei der A. Klinik P. etwa 2 % beträgt. Für die restlichen 98 % der Patienten können aufgrund des vorgelegten Versorgungsauftrages nicht sämtliche neurologische Leistungen abgerechnet werden.

46

2. Auskunfts- und Schadensersatzanspruch

47

Die Klägerin kann von der Beklagten gemäß § 9 Satz 1 UWG i.V.m. §§ 3, 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 UWG grundsätzlich Schadensersatz verlangen. Infolge der irreführenden geschäftlichen Handlungen der Beklagten ist ein Schadenseintritt zumindest wahrscheinlich. Es ist durchaus denkbar, dass durch die hier relevanten irreführenden Werbehandlungen der Beklagten Patienten abgeworben wurden.

48

An dem Vorliegen des nach § 9 Satz 1 UWG erforderlichen Verschulden bestehen im Streitfall keine Bedenken.

49

Der geltend gemachte Auskunftsanspruch ist als vorbereitender Hilfsanspruch zum Schadensersatzanspruch anerkannt.

50

3. Der Schriftsatz vom 24.11.2009 konnte nur Grundlage der Entscheidung sein, soweit er sich auf den Schriftsatz der Klägervertreter vom 20.10.2009 bezog. Zulässig war allenfalls ein qualifiziertes Bestreiten von Behauptungen aus dem Schriftsatz vom 20.10.2009. Darin enthaltener neuer Sachvortrag und erstmalig angebotenen Beweismittel waren gemäß § 296 a ZPO zurückzuweisen. Dies gilt insbesondere für den Sachvortrag:

51

"Die Beklagte verfügt über die fachlichen Voraussetzungen, die medizinische Kompetenz und die apparativen Voraussetzungen sowie die erforderliche Struktur eines Krankenhausträgers, um in fachlicher Hinsicht die neurologisch gesetzlich und privat versicherten Patienten lege artis und in dem geforderten Umfang stationär und ambulant zu versorgen. Sie verfügt über die ausreichende medizinische Kompetenz, um die von der Klägerin auf der monierten Website und dem Newsletter angebotenen Leistungen fachgerecht zu erbringen."

52

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.

53

Der Streitwert für die Klageanträge zu 1. bis 3. beträgt insgesamt 50.000,-- EUR

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