Beschluss vom Landgericht Rostock (1. Zivilkammer) - 1 S 290/12
Tenor
1. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben der Prozessbevollmächtigte der Klägerin und die Verwalterin je zur Hälfte zu tragen. Die Kosten des Berufungsverfahrens haben der Prozessbevollmächtigte der Klägerin und die Verwalterin zu je 1/8 sowie der Beklagte zu 3/4 zu tragen.
2. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 8.923,58 € festgesetzt.
Gründe
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1. Trotz der am 13.06.2013 wirksam erfolgten Klagerücknahme sind die Kosten des Rechtsstreits nicht gem. § 269 III 2 ZPO der Klägerin aufzuerlegen, weil die Klage ohne wirksame Prozessvollmacht erhoben worden ist. Führt der Mangel der Vollmacht - wie hier - zur Unzulässigkeit der Klage bzw. zur Unzulässigkeit der Berufung, sind die Kosten dem vollmachtlosen Prozessbevollmächtigten oder demjenigen aufzuerlegen, der das Auftreten des vollmachtlosen Rechtsanwaltes veranlasst hat.
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Hier sind die Klage und die Berufung der Klägerin unzulässig gewesen, weil die Verwalterin, die Rechtsanwalt B. am 03.05.2012 für die Klage und am 29.11.2012 für die Berufung mandatiert hat, ihrerseits keine Vollmacht für die Führung des vorliegenden Aktivprozesses der Wohnungseigentümergemeinschaft hat. Gem. § 27 III Nr. 2 WEG hat der Verwalter nur für Passivprozesse der Wohnungseigentümergemeinschaft eine originäre Prozessvollmacht, die Ermächtigung für die Führung eines Aktivprozesses kann gem. § 27 III Nr. 7 WEG nur durch Vereinbarung oder Mehrheitsbeschluss erfolgen. Der Verwaltervertrag ist - wird er nicht mitbeschlossen - als Ort für eine Bevollmächtigung ungeeignet. Hier ist die in § 1 p) des Verwaltervertrags enthaltene Ermächtigung zur Führung eines Aktivprozesses nicht von einem Beschluss der Wohnungseigentümer gedeckt, denn in der Wohnungseigentümerversammlung vom 11.03.2011 wurde nur die organschaftliche Bestellung der Verwalterin beschlossen, während der Verwaltervertrag später seitens der Wohnungseigentümergemeinschaft - offenbar vollmachtslos - durch ein Mitglied des Verwaltungsbeirats abgeschlossen wurde. Die am 01.03.2012 von den Wohnungseigentümern beschlossene Bestätigung der Verwaltung bis Mai 2013 betrifft nur die Verlängerung der organschaftlichen Verwalterbestellung und genehmigt nicht den Inhalt des Verwaltervertrags. Die am 04.04.2013 beschlossene Entlastung der Verwalterin für das Jahr 2012 bedeutet nur einen Verzicht der Wohnungseigentümer auf erkennbare etwaige Ersatzansprüche gegen die Verwalterin, hingegen keine Genehmigung der Prozessführung, zumal auch nicht ersichtlich ist, dass die Wohnungseigentümer (mit Ausnahme des Beklagten) vom vorliegenden Prozess überhaupt Kenntnis haben.
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Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin und die Verwalterin haben den Mangel der Prozessvollmacht gleichermaßen zu verantworten, sie tragen die Kosten der ersten Instanz entsprechend § 100 I ZPO je zur Hälfte.
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Die Kosten des Berufungsverfahrens hat gem. §§ 97 II, 269 III 2, 3. Alt. ZPO zu 3/4 der Beklagte zu tragen, weil er den Mangel der Vollmacht erst in der Berufungsinstanz gerügt hat und in Höhe von 6.712,02 € ausschließlich wegen des Vollmachtsmangels obsiegt hätte. Auch bei Klagerücknahme sind dem Beklagten die Kosten der Berufung aufzuerlegen, wenn sich aufgrund neuen Vorbringens im Berufungsverfahren die Erfolglosigkeit der Klage ergibt und der Kläger auf entsprechenden Hinweis des Gerichts die Klage zurücknimmt (vgl. OLG Nürnberg, NJW 2013, 243; BeckOK ZPO, Stand 1.4.13, § 97 Rn. 24 u. § 269 Rn. 12a). Die unstreitige Forderung der Klägerin von 8.923,58 € ist nur in Höhe von 2.211,56 € durch Aufrechnung erloschen. Das Amtsgericht hat mit zutreffender Begründung einen Erstattungsanspruch des Beklagten aufgrund der zwangsweisen Erfüllung einer Verbindlichkeit der Klägerin bejaht. Für diesen Erstattungsanspruch gilt das grundsätzlich für Hausgeldforderungen bestehende Aufrechnungsverbot nicht, da die Vollstreckungsmaßnahme ansonsten das Verwaltungsvermögen der Wohnungseigentümergemeinschaft unmittelbar in gleicher Höhe vermindert hätte (vgl. KG, ZWE 2002, 363; Bärmann-Klein, WEG, 11. Aufl., § 10 Rn. 337). Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts ist der Erstattungsanspruch von 2.211,56 € aber nicht um einen Anteil des Beklagten zu kürzen (richtig wären zudem 210,84/1.000 statt 147,42/1.000), weil eine Beitragsschuld des Beklagten auch insoweit erst durch Beschluss der Wohnungseigentümer entsteht (mit dem ev. auch ein von § 16 Abs. 2 WEG abweichender Verteilungsmaßstab beschlossen werden könnte). Gegen die verbleibende Forderung der Klägerin von 6.712,02 € kann der Beklagte nicht erfolgreich aufrechnen, da die übrigen Gegenforderungen offensichtlich nicht im Gegenseitigkeitsverhältnis (§ 387 BGB) stehen. Hinsichtlich des vermeintlichen Schmerzensgeldanspruchs von 10.000,- € kann auf die zutreffenden Ausführungen des Amtsgerichts verwiesen werden.
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Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen zu 1/4 der Prozessbevollmächtigte der Klägerin und die Verwalterin. Unabhängig vom Vollmachtsmangel wäre die Berufung der Klägerin über 1.883,32 € erfolglos gewesen, weil die schon vom Amtsgericht zuerkannte Aufrechnung über 1.883,32 € mangels Aufrechnungsverbots wirksam ist. Ferner wäre die Berufung des Beklagten in Höhe von 328,24 € auch ohne den Vollmachtsmangel erfolgreich gewesen, da die aufrechenbare Gegenforderung nicht um einen vermeintlichen Eigenanteil des Beklagten zu reduzieren ist.
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2. Gem. § 45 II GKG sind die Werte der beiden Berufungen zusammenzurechnen (1.883,32 € + 7.038,26 € = 8.923,58 €).
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Referenzen
- BGB § 387 Voraussetzungen 1x
- ZPO § 269 Klagerücknahme 1x
- § 27 III Nr. 2 WEG 1x (nicht zugeordnet)
- § 27 III Nr. 7 WEG 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 100 Kosten bei Streitgenossen 1x
- ZPO § 97 Rechtsmittelkosten 1x
- § 16 Abs. 2 WEG 1x (nicht zugeordnet)
- § 45 II GKG 1x (nicht zugeordnet)