Beschluss vom Landgericht Stendal (1. Zivilkammer) - 21 T 4/10

Tenor

1. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Stendal vom 23.12.2009 wird zurückgewiesen.

2. Der Beschwerdeführer trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die weitere Beschwerde wird zugelassen.

4. Der Beschwerdewert wird auf 21,50 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Das Land handelnd durch den Landesbetrieb Bau betrieb die Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner wegen einer Beschädigung am Straßenkörper. Der Land legte gegen die Kostenrechnung des Gerichtsvollziehers vom 15.12.2008 Widerspruch ein. Mit Beschluss vom 23.12.2009 wurde die Erinnerung zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung legte das Land Sachsen-Anhalt unter dem 24. März 2010 Beschwerde ein. Zur Begründung wird ausgeführt, dass der Landesbetrieb Bau hier als unselbständiger Teil der Landesverwaltung Kostenfreiheit nach § 2 Abs. 1 GvKostG genieße. Dem stehe nicht entgegen, dass es sich bei dem Landesbetrieb Bau um einen Landesbetrieb nach § 26 LHO handele. Der Ausschluss einer Zurechnung zum Land setze vielmehr voraus, dass der Landesbetrieb Bau erwerbswirtschaftlich ausgerichtet sei. Dies sei hier nicht der Fall. Nach wie vor finde vielmehr eine typische Hoheitsverwaltung statt. Entsprechend einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts hinsichtlich einer Gebührenbefreiung des Landesbetriebes Straßen und Verkehr Rheinland-Pfalz gemäß § 5 Abs. 1 GebOSt sei auch hier eine Kostenfreiheit des Landesbetriebes Bau anzunehmen.

II.

2

Die gemäß §§ 5 Abs. 2 GVKostG, 66 Abs. 2 GKG, 766 Abs. 2, 2. HS, 793, 567 Nr. 1 ZPO statthafte, insbesondere fristgerecht erhobene sofortige Beschwerde des Gläubigers ist gemäß § 66 Abs. 6 S. 1 GKG zunächst dem originären Einzelrichter und nach der Übertragung der Zwangsvollstreckungssache mit Beschluss vom 30.07.2010 gemäß § 66 Abs. 6 S. 2 GKG der Kammer zur Entscheidung angefallen.

3

Da Vollstreckungskosten i.S. von § 788 ZPO im Streit stehen, findet gegen die angefochtene Entscheidung die sofortige Beschwerde statt (vgl. Hartmann Kostenrecht, 38 Aufl., § 5 GvKostG Rn. 5). Da hier die Beschwerde in der angegriffenen Entscheidung durch das Amtsgericht zugelassen wurde, steht der Zulässigkeit der Beschwerde nicht entgegen, dass hier der Beschwerdewert von 200,00 € unterschritten wird (vgl. §§ 5 Abs. 2 S. 2 GvKostG, 66 Abs. 2 S. 2 GKG).

4

In der Sache hat die sofortige Beschwerde keinen Erfolg.

5

Eine Kostenbefreiung liegt nicht vor.

6

Nach § 2 Abs. 1 GvKostG sind der Bund, die Länder und die nach dem Haushaltsplan des Bundes oder eines Landes für Rechnungen des Bundes oder eines Landes verwalteten öffentlichen Körperschaften oder Anstalten von der Zahlung der Kosten befreit. § 1 Abs. 1 S. 1 GvKostG stimmt insoweit inhaltlich weitgehend mit § 2 Abs. 1 GKG überein (vgl. Hartmann, Kostengesetz, 38. Aufl., § 2 Rz. 3).

7

Der Landesbetrieb Bau ist ein rechtlich unselbständiger, organisatorisch abgesonderter Teil der Landesverwaltung. Er ist nicht rechtsfähig.

8

Diese rechtliche Zuordnung des Landesbetriebes Bau zum Bund bzw. zum Land Sachsen-Anhalt ist im Rahmen von § 2 GvKostG indes unerheblich. Denn die Beschränkung der Kostenbefreiung auf die Fälle, in denen die Verwaltung nach dem Haushaltsplan des Landes erfolgt, gilt auch für unselbständige öffentliche Anstalten ohne eigene Rechtspersönlichkeit – wie hier den Landesbetrieb Bau -, sofern sie aus dem Haushalt des Bundes oder Landes ausgegliedert und wirtschaftlich gegenüber der unmittelbaren Staatsverwaltung verselbständigt sind (vgl. BGH- Entscheidung vom 27.10.1981 Az. VI ZR 108/76 zit. n. juris; auch OLG Hamm, Entscheidung vom 15.9.2008, 23 W 254/07 zit.n.juris; OLG München, Entscheidung vom 6.4.2006, 11 W 843/06, Rz. 8 zit.n.juris; KG Berlin, Entscheidung vom 31.3.1989, 1 AR 9/88, Rz. 4, zit. n. juris). Denn maßgeblich ist, dass der Grund für die Kostenfreiheit von Bund und Ländern darin liegt, dass diese ohnehin den Aufwand für die Unterhaltung der Gerichtsorganisation tragen und sich die Erhebung von Gerichtskosten ihnen gegenüber als überflüssige Buchungsvorgänge darstellen würden (vgl. auch KG, Entscheidung vom 31.3.1989 a.a.O., Rz. 4). Dieser Gesichtspunkt genügt aber nicht aus, auch die Kostenfreiheit der dem Bund und den Länder zwar zugeordneten unselbständigen, jedoch für eigene Rechnung wirtschaftenden Anstalten zu rechtfertigen (vgl. BGH-Entscheidung vom 27.10.1981 aaO. Rz. 5; KG, Entscheidung vom 31.3.1989 a.a.O.).

9

Der Landesbetrieb übernimmt als Obere Landesbehörde Aufgaben aus den Bereichen Bau und Verkehr und als Untere Straßenverkehrsbehörde Aufgaben der Straßenverkehrsverwaltung für Autobahnen wahr. Er kann aber nach kaufmännischen Grundsätzen tätig werden und ist zumindest auf Kostendeckung ausgerichtet ist (vgl. § 2 Abs. 2 S. 1 LBBauErG ST). Nach § 2 Abs. 2 S. 3 LBBauErG ST ergeben sich die Grundsätze der Betriebsführung, der Aufgabenerledigung und der Wirtschaftsführung aus der Betriebsordnung. Nach § 26 Abs. 1 S. 1 LHO hat er einen eigenen Wirtschaftsplan aufzustellen. Im Haushaltsplan des Landes sind nach § 26 Abs. 1 S. 3 LHO lediglich die Zuführung oder die Ablieferung zu veranschlagen. Diese lediglich informatorische Aufnahme der Einnahmen und Ausgabenübersicht in Form eines Wirtschaftsplans als Anlage zum Haushaltsplan des beklagten Landes beinhaltet weder eine Verwaltung des Landesbetriebs nach diesem Haushaltsplan i.S. von § 2 Abs. 1 GKG noch nach § 2 GvKostG (vgl. BGH-Entscheidung vom 27.10.1981 aaO. Rz. 6; OLG Hamm, Entscheidung vom 15.9.2008, Az. 23 W 254/07, zit. n. juris). Denn die Kostenbefreiung nach § 2 GVKostG gilt nur, soweit sämtliche und nicht nur einzelne Einnahmen und Ausgaben im Haushaltsplan des Bundes oder des Landes stehen. Sobald eine Körperschaft oder Anstalt einen eigenen Haushalt hat, der nicht im Haushaltsplan des Bundes oder eines Landes erscheint, ist sie nicht kostenbefreit (vgl. auch Hartmann, Kostengesetze, 38. Aufl., Rz. 3).

10

Vorliegend ist es jedenfalls in Bezug auf § 2 GvKostG sachgerecht und geboten, auf diese rein haushaltsrechtliche Betrachtung zurückzugreifen. Denn hier ist zu berücksichtigen, dass § 2 GvKostG auch der öffentlichen Hand zwecks einer Dämpfung ihrer Kosten dient (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 38. Aufl., Rz. 2). Dies soll aber gerade nicht dazu führen, trotz des in der Zwangsvollstreckung bestehenden Gewaltmonopols gerade seinen Träger auch noch im Zweifel von Kosten zu befreien. Daher ist im Rahmen von § 2 GvKostG weder eine zu strenge noch eine zu großzügige Prüfung der etwaigen Kostenfreiheit und ihrer Unterformen ratsam (vgl. Hartmann a.a.O., Rz. 2). Anders als § 144 KostO, an dessen Wortlaut sich die Formulierung von § 2 GvKostG im übrigen orientiert (vgl. Bundestagsdrucksache 14/3432 S. 24) enthält § 2 GvKostG auch nicht den weiteren einschränkenden Zusatz „und betrifft die Angelegenheit nicht deren wirtschaftliche Unternehmen“, so dass auch der Wortlaut der Vorschrift insgesamt in ihrem Gesamtzusammenhang der rein haushaltsrechtlichen Betrachtung nicht entgegensteht. Letztendlich ist auch entscheidend, dass dem Kostenbeamten klare und einfach zu handhabende Kriterien zur Feststellung der Kostenbefreiung zur Hand gegeben werden und er von weitergehenden umfangreichen Ermittlungen zu entbunden wird (vgl. BGH-Entscheidung vom 27.10.1981 aaO. Rz. 6).

11

Eine anderweitige Beurteilung folgt hier auch nicht aus der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 29.8.2007, Az. 9 C 2.07 (10 T 2.6) zit.n juris. Denn dort war über die Gebührenbefreiung eines Landes nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 GBOSt, d.h. im Zusammenhang mit Gebühren für Maßnahmen im Straßenverkehr nach dem ersten und zweiten Abschnitt des Gebührentarifs zu entscheiden. Dieser spezielle Regelungsbereich von § 5 Abs. 1 Nr. 2 GBOSt, insbesondere auch im Zusammenspiel mit der ausdrücklichen Regelung von § 5 Abs. 4 GBOSt war hier nicht übertragbar (vgl. auch OLG Hamm, Entscheidung vom 15.9.2008, Az. 23 W 254/07, zit. n. juris, Rz. 12). Die Kostenregelung von § 5 GBOSt nimmt wie auch § 8 VwKostG zur Abgrenzung der Gebührenbefreiung auf Art. 110 GG ausdrücklich Bezug. Eine derart konkrete ausdrückliche Ausgestaltung der hier streitentscheidenden Vorschrift von § 2 GvKostG ist durch den Gesetzgeber gerade nicht erfolgt. Die Entscheidungsgrundsätze der vorbenannten Entscheidung sind daher nicht übertragbar.

12

Eine Kostenbefreiung des Landesbetriebes Bau aufgrund Landesrechtes gemäß § 2 Abs. 3 S. 2 GKG scheidet ebenfalls aus. Eine landesrechtliche Vorschrift in diesem Sinne existiert nicht.

13

Die weitere Beschwerde wird wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zu entscheidenden Frage zugelassen.

14

Die Entscheidung über die Zulassung der weiteren Beschwerde beruht auf §§ 574 ZPO, 66 Abs. 4 GKG.

15

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO (vgl. dazu BGH Entscheidung vom 29.09.1988 Az. I ARZ 589/88 zit.n.juris).

16

Die Festsetzung des Beschwerdewerts erfolgt nach § 47 GKG.


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