Beschluss vom Landgericht Stuttgart - 10 T 70/06

Tenor

Auf die Beschwerde der Betroffenen wird der Beschluss des Amtsgerichts Esslingen vom 27.1.2006 aufgehoben.

Beschwerdewert: bis 300 EUR

Gründe

 
Die Antragsteller machen gegen die Antragsgegnerin offene Wohngeldansprüche für 2004 und 2005 in Höhe von insgesamt 2.901,06 EUR zuzüglich Zinsen geltend. Mit Beschluss vom 27.1.2006 hat das Amtsgericht Frau Rechtsanwältin St. zur Prozesspflegerin bestellt. Zur Begründung wurde ausgeführt, aufgrund des amtsärztlichen Gutachtens vom 12.12.2005 sei eine Prozessfähigkeit der Antragsgegnerin für das laufende Verfahren nicht gegeben.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrem Schreiben vom 2.2.2006, das als Beschwerde auszulegen ist.
Das Rechtsmittel ist gem. § 19 FGG zulässig. Zwar können Zwischenverfügungen des Gerichts oder verfahrensleitende Anordnungen, die keine Endentscheidungen darstellen, grds. auch nicht mit Beschwerde angegriffen werden. Eine Ausnahme gilt aber dann, wenn die anzugreifende Entscheidung in so erheblichen Maße in die Rechte eines Beteiligten eingreift, dass die selbständige Anfechtbarkeit mit der einfachen Beschwerde nach § 19 FGG geboten erscheint (Merle in Bärmann/Pick, WEG, 9. Aufl., § 45, Rn. 10). Da die Antragsgegnerin durch die Pflegerbestellung - auch bei bestehender Prozessfähigkeit - einer nicht prozessfähigen Person gleichgestellt wird (§ 53 ZPO), liegt eine Rechtsbeeinträchtigung in erheblichem Maße vor.
Da die Verfahrensfähigkeit Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist, ist die Antragsgegnerin für das Beschwerdeverfahren auf jeden Fall auch als verfahrensfähig anzusehen (Bumiller/Winkler, FGG, 8. Aufl. vor § 13 FGG, Rn. 19).
Die Beschwerde der Antragsgegnerin hat auch in der Sache Erfolg.
§ 57 ZPO, auf dessen entsprechende Anwendung das Amtsgericht seine Entscheidung wohl stützt, ermöglicht die Bestellung eines Prozesspflegers durch den Vorsitzenden des Prozessgerichts, wenn eine nicht prozessfähige Partei verklagt werden soll und mit dem Verzug Gefahr verbunden ist. Dies wäre der Fall, wenn den Antragstellern bei Nichtbestellung ein unverhältnismäßig hoher Schaden drohte. Diese Voraussetzungen liegen ersichtlich nicht vor. Das Amtsgericht hat insoweit keinerlei Feststellungen getroffen und die Antragsteller haben - trotz Hinweis - hierzu auch nichts vorgetragen.
Darüber hinaus wird die Bestellung eines Prozesspflegers aber auch dann für zulässig gehalten, wenn trotz nicht zu erbringenden Nachweises der Prozessfähigkeit der Beklagten-/Antragsgegnerseite auch die Bestellung eines gesetzlichen Vertreters nicht möglich und die Kläger-/Antragstellerseite deshalb auf Dauer an einer Rechtsverfolgung gehindert ist (OLG Saarbrücken, NJW 1967, 1617). Aber auch diese Voraussetzungen werden weder vom Amtsgericht in der angegriffenen Entscheidung noch von der Antragstellerseite mit der Beschwerde dargetan. Soweit sich die Antragsteller darauf berufen, es sei bereits zweimal beim zuständigen Notariat P. erfolglos versucht worden, für die Antragsgegnerin einen Betreuer zu bestellen, reicht dies als Voraussetzung für eine Prozesspflegerbestellung entsprechend § 57 ZPO nicht aus. Aus den beigezogenen Akten des Notariats P. ist ersichtlich, dass sich die Beschlüsse vom 5.10.2000 (I GRN 2000 Nr. 276) und vom 8.6.2004 (I VG 14/2004), mit denen die Betreuerbestellung jeweils abgelehnt wurde, auf ein Gutachten des Gesundheitsamtes beim Landratsamt Es. vom 28.9.2000 stützten, das zu dem Ergebnis gelangt war, dass die Bestellung eines Betreuers nicht erforderlich sei. Die Sachlage hat sich nunmehr grundlegend dahin geändert, dass die gleiche Amtsärztin in ihrem Gutachten vom 12.12.2005 jetzt zu dem Ergebnis kommt, die Antragsgegnerin sei für den laufenden Prozess nicht prozessfähig. Unter diesen Umständen dürfte auch die Frage der Notwendigkeit einer Betreuerbestellung nunmehr positiv zu entscheiden sein, denn soweit die Antragsgegnerin prozessunfähig ist, kann sie sich in anderer Weise als durch einen Betreuer nicht wirksam vertreten lassen.
Einer Entscheidung über die Gerichtskosten bedarf es aufgrund bestehender gesetzlicher Regelung (§ 131 KostO) nicht. Ebenso wenig ist die Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten veranlasst.
Die Wertfestsetzung beruht auf §§ 131 II, 30 I KostO.

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