Beschluss vom Landgericht Trier - 2a Qs 29/18

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde des Verurteilten vom 15. August 2018 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Wittlich vom 31. Juli 2018 - 16 VRJs 5/18 - mit dem angeordnet wurde, dass die kraft Gesetzes eintretende Führungsaufsicht nicht entfällt, wird als unzulässig verworfen.

2. Die Beschwerde des Verurteilten gegen die Entscheidung des Landeskriminalamtes Rheinland-Pfalz über seine Aufnahme in das „VISIER“-Programm wird als unzulässig verworfen.

3. Der Verurteilte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I.

1

Durch rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts Wittlich vom 9. Mai 2017 - 32 Ls 8021 Js 32934/16jug. - wurde der Verurteilte wegen versuchter Erpressung zu einer Einheitsjugendstrafe von 2 Jahren und 8 Monaten verurteilt.

2

Diese Strafe hat er mittlerweile voll verbüßt. Das Strafende war am 31. August 2018.

3

Mit Beschluss vom 31 .Juli 2018 hat das Amtsgericht Wittlich angeordnet, dass die Führungsaufsicht nicht entfällt und erteilte dem Verurteilten Weisungen. Hinsichtlich der genauen Ausgestaltung der Weisungen wird auf die Beschlussformel Bezug genommen.

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Der Beschluss ist dem Verurteilten ausweislich der Postzustellungsurkunde (Bl. 79 d.A.) am 3. August 2018 durch Übergabe an ihn zugestellt worden.

5

Mit Schreiben vom 20. Februar 2018 an das Amtsgericht Wittlich hat die JVA Wittlich gemäß dem gemeinsamen Rundschreiben der Ministerien des Inneren und für Sport (Az.: 2144:343), der Justiz (Az.: 4344-4-4), für Arbeit und Soziales, Gesundheit, Familie und Frauen (Az.: 76706-1.5) mitgeteilt, dass der Verurteilte die Voraussetzungen zur Aufnahme in das „VISIER“-Programm des Landes Rheinland-Pfalz zum Schutz vor inhaftierten und entlassenen Rückfalltätern erfüllt. In dieses Programm wurde der Verurteilte sodann durch Entscheidung des Landeskriminalamtes Rheinland-Pfalz aufgenommen.

6

Mit Schreiben vom 15. August 2018, beim Amtsgericht Wittlich am 22. August 2018 eingegangen, teilte der Verteidiger des Verurteilten mit, dass er von diesem über den Beschluss in Kenntnis gesetzt worden sei, selbst aber keine Ausfertigung erhalten habe. Darüber hinaus habe der Verurteilte ihm mitgeteilt, dass zudem ein „Viesiv"- Beschluss ergangen sei. Auch diesen habe er nicht erhalten. Gegen beide Beschlüsse legte der Verteidiger „Rechtsmittel/Beschwerde" ein.

II.

1.

7

Gegen die Anordnung des Amtsgerichts Wittlich vom 31. Juli 2018, dass die gemäß § 68f Abs. 1 StGB kraft Gesetzes eintretende Führungsaufsicht nicht entfällt, ist gemäß §§ 2 Abs. 2 JGG i.V.m. 463 Abs.3, 454 Abs. 3 StPO die sofortige Beschwerde statthaft. Sie ist aber bereits unzulässig, da sie nicht innerhalb der nach § 311 Abs. 2 StPO geltenden Wochenfrist beim Amtsgericht Wittlich eingelegt wurde.

8

Der Beschluss wurde dem Verurteilten am 3. August 2018 wirksam zugestellt, sodass die Wochenfrist am 10. August 2018 endete.

9

Dass der Beschluss dem Verteidiger des Verurteilten nicht zugestellt wurde, ändert am dargestellten Lauf der Frist nichts. Unabhängig davon, ob der Verteidiger nur für das dem Vollstreckungsverfahren zugrundeliegende Strafverfahren mandatiert war oder auch für das Vollstreckungsverfahren, setzte die Zustellung an den Verurteilten die Rechtsmittelfrist in Gang (Meyer-Goßner, StPO, 61. Aufl., § 145a Rn. 6 StPO m.w.N.).

10

Dies wäre selbst dann der Fall, wenn sich in der Akte eine entsprechende Vollmacht befunden hätte, da diese keine Rechtspflicht zur Zustellung an den Verteidiger begründet. Zustellungen an den Verurteilten sind nach wie vor wirksam (Meyer- Goßner, a.a.O.).

11

Entscheidend für den Beginn der Wochenfrist war mithin die Zustellung an den Verurteilten am 3. August 2018, sodass die Einlegung der sofortigen Beschwerde am 22. August 2018 nicht mehr fristgerecht erfolgte. Sie ist daher als unzulässig zu verwerfen.

2.

12

Auch die Beschwerde des Verurteilten gegen seine Aufnahme in das „VISIER"- Programm des Landes Rheinland-Pfalz ist unzulässig.

13

Vorliegend ist bereits der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten nicht eröffnet, sondern der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Der Verurteilte wendet sich gegen eine präventivpolizeiliche Maßnahme des Landeskriminalamtes und nicht gegen eine Maßnahme einer Justiz- oder Führungsaufsichtsbehörde (BGH, Beschluss vom 08.12.2016 - 2 Ars 196/16, 2 AR 138/16).

14

Nach dem Gemeinsamen Rundschreiben des Ministeriums des Inneren und für Sport (Az.: 21 44:343), des Ministeriums der Justiz (Az. 4344 - 4- 4) und des Ministeriums für Soziales, Arbeit und Gesundheit und Demografie (Az. 76706 - 1.5) vom 10. Juli 2017 soll das Konzept „VISIER" den Schutz der Allgemeinheit vor gefährlichen Rückfalltätern nach deren Haftentlassung gewährleisten. Dem Konzept liegt ein strukturierter Informationsfluss zwischen Justiz, Polizei und Maßregelvollzug zugrunde. So informiert die Justiz beispielweise die Polizei, wenn die Entlassung bestimmter gefährlicher Strafgefangener oder Maßregelvollzugspatienten bevorsteht und deren Aufnahme in das VISIER-Programm in Betracht kommt. Als koordinierende Zentralstelle auf Seiten der Polizei tritt dabei nach Nr. 6.2 des Konzeptes das Landeskriminalamt auf, das relevante Informationen sammelt und steuert, über die Aufnahme und Herausnahme einer Person in das bzw. aus dem Konzept entscheidet, entsprechende Mitteilungen an die Justiz übernimmt, Gefährdungsbewertungen erstellt, bei Fallkonferenzen mitwirkt und die Daten in der Datei VISIER.rlp verarbeitet.

15

Bei der Aufnahme einer Person in das Programm handelt es sich mithin um eine rein präventivpolizeiliche Maßnahme, deren Überprüfung folglich der Verwaltungsgerichtsbarkeit obliegt. Eine die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte begründende abdrängende Sonderzuweisung ist nicht ersichtlich. Die Aufnahme in das Programm durch das Landeskriminalamt ist weder in den gesetzlichen Vorschriften zur Führungsaufsicht nach den §§ 68 ff. StGB geregelt noch ist das Landeskriminalamt im vorliegenden Fall im Auftrag einer im Rahmen der Führungsaufsicht tätigen Behörde tätig geworden (vgl. BGH, a.a.O.). Die Überprüfung ist lediglich durch die JVA Wittlich - wie in dem „VISIER"- Konzept vorgesehen - angeregt worden. Schließlich stellt es sich auch nicht als eine Maßnahme einer Justizbehörde auf dem Gebiet der Strafrechtspflege oder einer Justizvollzugsbehörde dar, vgl. § 23 EGGVG.

16

Das Landeskriminalamt hat bei der Umsetzung des Konzeptes „VISIER" in eigener Zuständigkeit auf dem Gebiet der Gefahrenabwehr gehandelt, namentlich zur Verringerung des Rückfallrisikos, und nicht zur Verhinderung oder Verfolgung einer Straftat. Dies würde auch nicht dem oben näher dargestellten Zweck des Konzeptes entsprechen.

17

Da der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten mithin nicht eröffnet ist, ist die Beschwerde ebenfalls als unzulässig zu verwerfen.

III.

18

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO. Anlass, den Verurteilten nach § 74 JGG von den Kosten des Beschwerdeverfahrens freizustellen besteht nicht. Die (Gerichts-)Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht bedeutend. Auf die notwendigen Auslagen des Verurteilten findet § 74 JGG ohnehin keine Anwendung (BGH, Beschl. 4 StR 594/05 v. 16.März 2006 - juris; OLG Koblenz, Beschl. 1 Ws 125/16 v. 14.03.2016).

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