Urteil vom Landgericht Wuppertal - 4 O 53/14
Tenor
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 9.330,56 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.03.2014 zu zahlen.
Die Beklagten werden weiter verurteilt, an die Klägerin 887,03 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.03.2014 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten als Gesamtschuldner.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
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T a t b e s t a n d :
2Am 12.08.2013 war die Klägerin Halterin und Eigentümerin des PKW VW-Golf mit dem amtlichen Kennzeichen XXX. An jenem Tag war der Beklagte zu 1. Fahrer des bei der Beklagten zu 2. haftpflichtversicherten LKWs nebst Arbeitsbühne mit dem amtlichen Kennzeichen xxx.Die Klägerin nimmt die Beklagten aus einem vermeintlichen Unfallgeschehen in Anspruch.Die Klägerin behauptet,sie sei am 12.08.2013 gegen 17.00 Uhr mit ihrem VW-Golf auf der A 46 von Wuppertal in Richtung Heinsberg gefahren. Von den zwei Richtungsfahrspuren habe sie die linke Spur genutzt. Kurz vor dem Rastplatz Sternenberg sei der Beklagte zu 1. mit dem von ihm geführten LKW plötzlich von der rechten auf die linke Fahrspur gewechselt. Hierbei sei die linke Seite des LKW gegen die rechte Seite ihres Pkw geraten.
3Sie, die Klägerin, habe keine Möglichkeit gehabt, unfallvermeidend zu reagieren. Ihr Fahrzeug sei vor dem Unfall (mit Ausnahme eines laut Kaufbestellung erneuerten Stoßfängers) unbeschädigt gewesen Die Klägerin beziffert ihren Schaden wie folgt, wobei sie – wie im Laufe des Rechtsstreits unstreitig geworden ist – die Reparatur-, die Sachverständigen- und die Mietwagenkosten beglichen hat:
4Reparaturkosten
56.838,93 EUR Sachverständigenkosten
61.031,73 EUR Kostenpauschale
725,00 EUR merkantiler Minderwert nach Gutachten
8500,00 EUR Mietwagenkosten gemäß Rechnung 934,90 EUR
99.330,56 EUR vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten 887,03 EUR
10Die Klägerin beantragt,
11wie erkannt.
12Die Beklagte zu 2. beantragt, zugleich im Wege der Nebenintervention auch für den Beklagten zu 1.,
13die Klage abzuweisen.
14Die Beklagte zu 2. behauptet,den von der Klägerin geschilderten Zusammenstoß der Fahrzeuge habe es nicht gegeben, jedenfalls habe er sich nicht in der geschilderten Weise ereignet. Nicht alle von der Klägerin geltend gemachten Schäden beruhten auf dem vermeintlichen Unfallgeschehen.Das Gericht hat die Klägerin und den Beklagten zu 1. zum Unfallhergang informatorisch angehört. Darüber hinaus hat es durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens und durch Anhörung des Sachverständigen Beweis erhoben. Wegen des Beweisthemas und des Beweisergebnisses wird auf den Akteninhalt verwiesen.
15E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
16Die zulässige Klage ist begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf vollständige Regulierung der geltend gemachten Schäden, und zwar gegenüber dem Beklagten zu 1. aus § 18 StVG und gegenüber der Beklagten zu 2. aus §§ 7, 18 StVG, 115 VVG i. V. m. § 3 PflVG.
17Die Klägerin ist aktivlegitimiert. Sie ist Eigentümerin des beschädigten Fahrzeuges und – wie von der Beklagten zu 2. nicht mehr bestritten wird - Anspruchsberechtigte bezüglich aller geltend gemachten Schadenpositionen.Der von der Klägerin behauptete Unfall hat stattgefunden. Das steht zur vollen Überzeugung des Gerichts fest. Sowohl die Klägerin als auch der Beklagte zu 1. haben bei ihrer Anhörung den Unfallhergang detailreich beschrieben. Der Beklagte zu 1. hat eingeräumt, die Klägerin beim Spurwechsel übersehen zu haben. Wenngleich, wie noch auszuführen sein wird, die Schilderungen des Beklagten zu 1. nicht in allen Einzelheiten stimmig sind und nicht mit den objektiven Befundtatsachen übereinstimmen, spricht dies nicht dagegen, dass es tatsächlich zum Zusammenstoß der Fahrzeuge gekommen ist. Insoweit bleibt möglich, dass er das Geschehen nicht mehr in allen Einzelheiten in Erinnerung hat.
18Entscheidend kommt hinzu, dass der Sachverständige Herr Dipl.-Ing. B, der der Kammer aus einer Vielzahl anderer Fälle als kompetent und zuverlässig bekannt ist, im Einzelnen überzeugend erläutert hat, dass die Schäden am Klägerfahrzeug im Hinblick auf das behauptete Unfallgeschehen plausibel und kompatibel sind. Die Anhörung des Sachverständigen hat nichts für eine etwaige Unrichtigkeit seines schriftlichen Gutachtens ergeben. Insbesondere hat er das Vorbringen der Beklagten zu 2., der Farbabrieb im Türbereich des Klägerfahrzeuges lasse sich nur durch eine vierte Unfallphase erklären, überzeugend widerlegt. Insoweit wird auf die Sitzungsniederschrift vom 24.02.2015 Bezug genommen.Die Klägerin hat nicht in die Unfallfolgen eingewilligt. Die mündliche Verhandlung einschließlich der Beweisaufnahme hat keine konkreten Anhaltspunkte dafür ergeben, dass es sich um einen gestellten, also zwischen den Parteien verabredeten, Unfall gehandelt hat. Die von der Beklagten zu 2. vorgebrachten Umstände lassen weder einzeln noch in ihrer Gesamtheit den Schluss auf einen gestellten Unfall zu.
19Einen gravierenden Verdacht für eine Unfallmanipulation liefern im Wesentlichen die Einlassungen des Beklagten zu 1. zum Unfallhergang. Seine Angabe, ihm sei eine Wasserflasche auf den Fahrzeugboden gefallen, ist als vermeintlich plausible Angabe für ein Unfallgeschehen bei manipulierten Unfällen typisch. Sein weiteres Vorbringen, weshalb er die Fahrspur habe wechseln wollen und dass er dabei das Klägerfahrzeug über einen längeren Zeitraum übersehen haben will, ist gleichfalls atypisch und erweckt Argwohn, ob es sich bei dem Unfall um ein plötzliches unerwartetes Geschehen handelt. Darüber hinaus stimmen seine Angaben zu den gefahrenen Geschwindigkeiten mit den objektiven Befundtatsachen und mit den – glaubhaften - Bekundungen der Klägerin zum Unfallhergang nicht überein. Das Beklagtenfahrzeug muss bis zur Erstkollision eine höhere Geschwindigkeit gefahren sein als das Klägerfahrzeug.Andererseits ist die Art und Weise, in der der Unfall geschehen ist, für eine verabredete Unfallsituation atypisch. Beide Fahrzeuge befanden sich mit beachtlicher Geschwindigkeit im fließenden Verkehr. Mit Zeugen war jederzeit zu rechnen. Die Geschädigte hat ihr Fahrzeug reparieren lassen (und nicht etwa den Schaden auf Gutachterbasis abgerechnet). Weder handelte es sich bei dem Klägerfahrzeug um ein Luxusmodell, noch bei dem Beklagtenfahrzeug um ein nahezu wertloses Fahrzeug, bei dem keine größeren Schäden hätten eintreten können.Darüber hinaus hat der Sachverständige Herr B überzeugend ausgeführt, dass keinerlei Anhaltspunkte für einen Vorschaden am Klägerfahrzeug bestanden. Solche Vorschäden sind für verabredete Unfälle aber typisch. Darüber hinaus ist, wie das ansonsten bei verabredeten Verkehrsunfällen häufig der Fall ist, im Entscheidungsfall weder vorgetragen noch ersichtlich, dass sich die Unfallbeteiligten vor dem Unfall kannten oder demselben Kulturkreis entstammten.Aus dem Vorgenannten ergibt sich eine vollständige Haftung der Beklagten für die Unfallfolgen. Sie haben für die vom Beklagtenfahrzeug ausgehende Betriebsgefahr einzustehen. Darüber hinaus belastet den Beklagten zu 1. ein unfallursächliches Verschulden, da sich der Unfall beim Fahrstreifenwechsel ereignet hat und somit von einem Verstoß gegen § 7 Abs. 5 StVO auszugehen ist.Eine Mithaftung der Klägerin für die Unfallfolgen entfällt. Die Klägerin hat zwar nicht bewiesen, dass sie keine Möglichkeit hatte, dem Beklagtenfahrzeug unfallvermei- dend auszuweichen, so dass ein unabwendbares Ereignis nicht vorliegt. Das unfallursächliche Verschulden des Beklagten zu 1. (Verstoß gegen § 7 Abs. 5 StVO) überwiegt indes die vom Klägerfahrzeug ausgehende Betriebsgefahr so stark, dass letztere bei der Ermittlung der Haftungsquote nach § 17 StVG vollständig zurücktritt.Der Schadenersatzanspruch der Klägerin besteht in der geltend gemachten Höhe. Die einzelnen Schadenpositionen sind von den Beklagten nicht bestritten. Aus dem Gutachten des Sachverständigen B ergibt sich, dass alle Reparaturkosten auf dem Unfall beruhen und keine Vorschäden mit repariert worden sind.
20Der Zinsanspruch der Klägerin ergibt sich in der zuerkannten Höhe aus §§ 288,291 BGB. Der Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten folgt aus§§ 286 ff BGB.Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht nach § 709 Satz 1 und Satz 2 ZPO.Streitwert: 9.330,56 Euro.
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Referenzen
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- ZPO § 709 Vorläufige Vollstreckbarkeit gegen Sicherheitsleistung 1x
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- §§ 286 ff BGB 1x (nicht zugeordnet)
- StVG § 7 Haftung des Halters, Schwarzfahrt 1x
- ZPO § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht 1x
- §§ 7, 18 StVG, 115 VVG 1x (nicht zugeordnet)
- BGB § 288 Verzugszinsen und sonstiger Verzugsschaden 1x
- BGB § 291 Prozesszinsen 1x
- § 3 PflVG 1x (nicht zugeordnet)
- StVG § 18 Ersatzpflicht des Fahrzeugführers 2x