Urteil vom Landgericht Wuppertal - 4 O 63/15
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages
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T a t b e s t a n d
2Die Beklagte betreibt ein Reisebüro, das sich auf die Vermittlung und Veranstaltung von Reisen, insbesondere nach Ägypten, spezialisiert hat. Gegenüber dem Kläger verpflichtete sich die Beklagte mit Unterlassungserklärung vom 04.09.2013
3„1.es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr selbst oder durch Dritte für das eigene Angebot per e-Mail zu werben, sofern das Einverständnis des Werbeadressaten nicht vorliegt;2.für jeden Fall zukünftiger schuldhafter Zuwiderhandlung gegen die unter Ziffer 1. aufgeführte/n Verpflichtung/en an die Wettbewerbszentrale eine Vertragsstrafe in Höhe von 4.000,00 EUR zu zahlen.“ (Anlage K 1,Bl. 4 d. A.)
4Unter dem 24.09.2014 sandte die Beklagte an die E-Mailadresse „####@##.##“ eine Werbe-E-Mail, die am Ende als Newsletter qualifiziert ist, gleichermaßen unter dem 25.09.2014 eine entsprechende E-Mail an die Adresse „xx@xx“ und unter dem 16.04.2015 an die Anschrift „####@##.##“ (Anlagen K 2, K 4 und K 7, Bl. 5 f, 9 f und 39 f).Eine vorherige ausdrückliche und dokumentierte Einwilligung der Adressaten zum Erhalt dieser Werbe-E-Mails lag nicht vor. Außerprozessuale Aufforderungen des Klägers zur Zahlung der vereinbarten Vertragsstrafe durch die Beklagte blieben erfolglos.
5Der Kläger behauptet im Wesentlichen, sofern die Beklagte auf ihr vorliegende Anfragen bestimmter Einzelpersonen verweise, auf die sie dann geantwortet habe, existierten die in den Anfragen benannten Personen nicht, es existierten nicht einmal die Adressen oder die in den Anfragen angegebenen Telefonnummern. All dies hätte die Beklagte zwanglos herausfinden können, wenn sie die Straßen in Verbindung mit den jeweiligen Städten in einer Suchmaschine eingegeben hätte. Zudem stellten, so der Kläger weiter, die allgemein gehaltenen Werbe-E-Mails keine Antwort auf die angeblich bei der Beklagten eingegangenen Anfragen dar. Es handele sich nicht um eine individuell verschickte E-Mail, sondern um eine massenhaft verschickte Werbe-E-Mail, wofür auch spreche, dass kein unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang zwischen den angeblichen Anfragen und den E-Mail-Antworten bestehe.
6Der Kläger beantragt,
7die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von12.000,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunktenüber dem Basiszinssatz seit dem 07.05.2015 zu zahlen.
8Die Beklagte beantragt,
9die Klage abzuweisen.Die Beklagte ist der Auffassung, sie habe zumindest nicht schuldhaft gegen die Unterlassungserklärung verstoßen, die Vertragsstrafe sei nicht verwirkt. Sie behauptet im Wesentlichen, bei ihr seien am 14. September 2014 die Anfragen eines Herrn C und eines Herrn Q eingegangen (AnlagenBl. 29 und 30 d. A.), die um Übersendung ihres Kataloges gebeten bzw. Interesse an einer Nilkreuzfahrt mit der Bitte um Unterbreitung einer passenden Offerte gebeten hätten. Auch sei bei ihr unter dem 14.04.2015 die Anfrage einer Frau G eingegangen, die um mehr Informationen zu den Reisen gebeten und ein Ägypten-Sonderangebot nachgefragt habe (Anlage Bl. 47 d. A.). Diesen drei Personen seien jeweils per E-Mail an die mitgeteilten E-Mailadressen, bei denen es sich um die hier Streitgegenständlichen gehandelt habe, konkrete Reiseangebote unterbreitet worden (Anlagen Bl. 69 d. A. in Bezug auf Herrn C, Bl. 70 d. A. in Bezug auf Herrn Q und Bl. 71 d. A. in Bezug auf Frau G (Bl. 69 ff d. A.)). Die Beklagte behauptet weiter, da die Anfragensteller mit der Bitte um Zusendung eines Kataloges offensichtlich Interesse nicht nur an einer speziellen Reise, sondern an der Unterbreitung gewisser Auswahlmöglichkeiten gehabt hätten, habe sie davon ausgehen dürfen, dass die Personen nicht nur mit der Übersendung des Newsletters einverstanden gewesen seien, sondern diesen sogar gewünscht hätten. Zudem diene der Newsletter bei der Beklagten als Katalogersatz, der in schriftlicher Form ansonsten nicht vorliege. Wenn zudem, so mit Blick auf den Anfragensteller Q, ein konkretes Reiseangebot kurze Zeit später deutlich günstiger gemacht werden könne, habe sie auch hier von einem Einverständnis des Anfragenden ausgehen dürfen, hierüber informiert zu werden. Mit einem für sie zumutbaren Aufwand sei es dabei auch nicht geboten, bei jedem Anfrager telefonisch oder per E-Mail nachzufragen, ob denn die Anfrage tatsächlich ernst gemeint sein könne. Ein solches Erfordernis sei keinesfalls praktikabel, zumal gingen bei ihr täglich zwischen 50 und 60 Anfragen ein. Eine reine Internetsuche wäre ebenso aufwendig, würde aber auch keine definitiven Ergebnisse bringen, da nicht jede Person im Internet auffindbar sei, zudem könnten Tippfehler oder ähnliches bei einer Internetrecherche ebenso nicht überprüft werden.Das Gericht hat Beweis erhoben aufgrund des Beweisbeschlusses vom 16.07.2015. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 22.09.2015 inhaltlich Bezug genommen.
10E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
11Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von 12.000,00 EUR für insgesamt drei Zuwiderhandlungen gegen die Unterlassungserklärung vom 04.09.2013 gemäß § 339 BGB.Objektiv liegt ein dreimaliger Verstoß gegen die Unterlassungserklärung vor, in dem die Beklagte unter dem 24.09.2014, 25.09.2014 und 16.04.2015 an insgesamt drei Personen Werbe-E-Mails verschickt hat, ohne dass das ausdrückliche Einverständnis der Adressaten zum Erhalt dieser von der Beklagten selbst so bezeichneten Newsletter vorlag. Das Gericht verkennt dabei nicht, dass die konkrete Vereinbarung der Parteien vom 04.09.2013 in ihrem Wortlaut abweicht von der gesetzlichen Regelung des § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG, bei der eine unzumutbare Belästigung stets anzunehmen ist bei der Werbung unter Verwendung elektronischer Post, ohne dass eine vorherige ausdrückliche Einwilligung des Adressaten vorliegt. Der Wortlaut der Vereinbarung der Parteien ist hier deutlich weiter gefasst mit Blick auf die Definition des Einverständnisses und lässt daher einen gewissen Interpretationsspielraum zu. Der Begriff des Einverständnisses setzt aber zumindest voraus, dass einem Verbraucher bewusst sein muss, Werbung erhalten zu können. Hieran mangelt es, wenn er sich – wie vorliegend – zu keinem Zeitpunkt erklärt.Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht indes aber nicht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Beklagte schuldhaft gegen die Pflicht zur Unterlassung von Werbung ohne Einverständnis verstoßen hat. Insofern hat die hier beweisbelastete Beklagte bewiesen, dass sie die objektiv anzunehmende Zuwiderhandlung gegen die Vereinbarung mit dem Kläger nicht zu vertreten hat.Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht nämlich zur Überzeugung des Gerichts fest, dass zum einen die beklagtenseits näher bezeichneten Anfragen an sie gestellt worden sind und sie in unmittelbarer Beantwortung dieser Anfragen den im Anfragetext bezeichneten Personen jeweils konkrete Reiseangebote aus ihrem Bestand unterbreitet hat. So hat die Zeugin G2, damalige Mitarbeiterin der Beklagten, bekundet, sie hätte die konkreten im Prozess vorgelegten Angebote auf dem Computer eines weiteren Mitarbeiters gespeichert vorgefunden und hätte aufgrund dessen auch ersehen können, dass sie vom Computer verschickt worden seien. Die Zeugin hat weiter ausgesagt, sämtliche Angaben, aufgrund derer dann die Angebote unterbreitet worden seien, beruhten letztlich auf den Angaben eines Kunden, der auf der Internetseite der Beklagten gewesen sein müsse und dort ein bestimmtes Angebot angeklickt habe. Sämtliche weiteren Angaben zur Anzahl der Reisenden und zum Abflughafen seien vom Kunden vorausgewählt worden, der dann am Ende auf einen Button klicken könne, „Angebot unterbreiten“. Auf der Grundlage dieser im System gespeicherten Angaben kämen dann die konkreten Angebote zustande.Das Gericht hat keinen Zweifel an der Wahrhaftigkeit der Angaben der Zeugin G2. Diese vermochte es als frühere Mitarbeiterin der Beklagten die genauen Arbeitsabläufe zu schildern und anhand der hier vorgelegten Unterlagen auch plakativ es deutlich zu machen, von wem welche Angaben stammen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Zeugin G2, die zwischenzeitlich nicht mehr im Betrieb der Beklagten beschäftigt ist, eine Gefälligkeitsaussage zugunsten der Beklagten gemacht hat dahingehend, dass die hier vorliegenden Angebote frei erfunden wären. Die Schilderung des gesamten Verfahrensablaufs, von einer konkreten Anfrage bis hin zum Unterbreiten eines bestimmten Angebots hin, vermochte die Zeugin nachhaltig, in sich widerspruchsfrei und überzeugend zu schildern.
12Das Gericht geht dann auch im Weiteren davon aus, dass es einem Unternehmer nicht aufgebürdet werden kann, jede Anfrage auf ihre Wahrhaftigkeit und Plausibilität hin zu überprüfen. Sämtliche der im Prozess vorgelegten Anfragen von Kunden stammen von Privatpersonen mit gebräuchlichen Vor- und Nachnamen, enthalten Adress- und Postleitzahlenzusätze sowie die telefonische Erreichbarkeit und eine E-Mailanschrift. Es sind keinerlei Indizien vorhanden, die hier auf ein „fake“ schließen lassen könnten. Eine Überprüfung jedweder E-Mailanfrage auf ihre Stichhaltigkeit hin, sei es durch Eingabe der Kontaktdaten im Rahmen einer Internetrecherche, einer ggfs. telefonischen Rückfrage oder aber Überprüfung der Verknüpfung zwischen Straße und Ort belastet – ohne weitere Indizien, die gegen die Ernsthaftigkeit einer Anfrage sprechen – den Unternehmer in unzumutbarer Art und Weise. Auch die Verwendung einer Firmen-E-Mail oder aber Vereins-E-Mail bei der Anfrage einer Privatperson begründet nach Auffassung der Kammer für sich genommen nicht den Anschein der mangelnden Ernsthaftigkeit. Es ist nicht unüblich, dass Privatpersonen sich anderer E-Mailkontakte als einer rein dem privaten Bereich zuzuordnenden Anschrift bedienen.Soweit die Beklagte ihren jeweils konkreten Angeboten nachfolgend an die drei streitgegenständlichen E-Mailanschriften zudem ihren Newsletter versandt hat, begründet dies unter Würdigung der Gesamtumstände zumindest keinen schuldhaften Verstoß gegen die Unterlassungserklärung. Mit den Angaben der Zeugin G2 ist das Gericht davon überzeugt, dass tatsächlich ein Katalog bei der Beklagten nicht in schriftlicher Form vorliegt, sie vielmehr nur allgemein über ihren Newsletter informiert. Bei Zugrundelegung dieser Prämisse durfte sie dann nachfolgend von einem zu vermutenden Einverständnis der Anfragenden ausgehen, über die passenden konkreten Angebote auch weiterhin informiert zu werden. Sofern ein Anfrager, wie hier Herr C und Frau G, um die Übersendung eines Katalogs bitten, dieser aber nur im Wege des Newsletters vorhanden ist, durfte die Beklagte ohne Verschulden davon ausgehen, den Newsletter an die entsprechenden E-Mailanschriften versenden zu dürfen. Entsprechendes gilt mit Blick auf den anfragenden Herrn Q, dem im Wege des Newsletters günstigere Angebote als das bisher unterbreitete übersandt werden konnten. Im Gesamtzusammenhang mit den drei vorliegenden Anfragen durfte die Beklagte davon ausgehen, dass sie die anfragenden Kunden jedenfalls nicht „belästigt“, wenn sie ihren Newsletter übersendet.
13Ob die von der Beklagten verwandte Praxis des Versands des Newsletters an all ihre Kunden zum Zwecke der Information über neueste Angebote, so die Zeugin G2, dem Inhalt der Unterlassungserklärung entspricht, bedarf hier keiner Entscheidung. Zu überprüfen waren lediglich die drei Einzelfälle, aus denen sich, wie dargelegt, im Kontext ergibt, dass der Vorwurf eines schuldhaften Verstoßes gegen die Unterlassungsverpflichtung der Beklagten nicht zu machen ist.Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1 Satz 1,709 Satz ZPO.
14Streitwert: 12.000,00 EUR
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