Urteil vom Landgericht Wuppertal - 4 O 262/15
Tenor
Die Beklagten zu 1 und zu 2 werden verurteilt, als Gesamtschuldner an den Kläger 2.678,92 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.02.2015 zu zahlen.
Die Beklagten zu 1 und zu 2 werden als Gesamtschuldner weiter verurteilt, den Kläger von der Zahlung außergerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren an C Rechtsanwälte, E-Straße, xxx, in Höhe von 294,97 € freizustellen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 3 sowie die durch die Anrufung des Amtsgerichts Mettmann entstandenen Mehrkosten. Die übrigen Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 3/10, die Beklagten zu 1 und zu 2 als Gesamtschuldner zu 7/10.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger sowie die Beklagten zu 1 und zu 2 jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung des Beklagten zu 3 durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zu 3 vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
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T a t b e s t a n d :
2Der Kläger nimmt die Beklagten auf Schadenersatz aus einem Verkehrsunfall, der sich am 13.01.2015 in xxx im Einmündungsbereich G-Weg / E ereignet hat, in Anspruch.
3Der Kläger war Eigentümer, Halter und Fahrer des Pkw VW Golf mit dem amtlichen Kennzeichen yyyy. Die Beklagte zu 2 war Halterin des bei der Beklagten zu 1 haftpflichtversicherten Reinigungsfahrzeuges mit dem amtlichen Kennzeichen ##. Dieses Fahrzeug hat eine zulässige Höchstgeschwindigkeit von über 20 km/h.
4Am Unfalltag befuhr der vormalige Beklagte zu 3 mit dem Reinigungsfahrzeug die Straße E in xxx am rechten Fahrbahnrand. Die gelben Blinkleuchten auf dem Dach des Fahrzeuges waren eingeschaltet. Der Kläger näherte sich dem Beklagtenfahrzeug mit seinem Pkw von hinten. Der Kläger nahm an, der vormalige Beklagte zu 3 werde im Einmündungsbereich T/ E / G-Weg seine Fahrt in Geradeausrichtung fortsetzen. Der Kläger setzte an, am Beklagtenfahrzeug links vorbeizufahren. Als er sich bereits neben dem Beklagtenfahrzeug befand, zog dieses nach links herüber. Es kam zum Zusammenstoß beider Fahrzeuge.
5Dem Kläger ist unfallbedingt ein Gesamtschaden in Höhe von 3.827,03 € entstanden (wegen der Einzelheiten wird auf die Aufstellung Bl. 2 d. A. verwiesen). Darüber hinaus hat er an seine Prozessbevollmächtigten vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 421,38 € zu entrichten.
6Der Kläger behauptet, an dem Reinigungsfahrzeug sei vor dem Unfall der linke Fahrtrichtungsanzeiger nicht gesetzt worden. In dem Augenblick, als das Beklagtenfahrzeug nach links herübergezogen worden sei, habe er, der Kläger, keine Möglichkeit mehr gehabt, unfallvermeidend zu reagieren.
7Der Kläger hat zunächst gegen alle drei im Rubrum aufgeführten Beklagten Klage vor dem Amtsgericht Mettmann erhoben. Bezüglich des Beklagten zu 3 hat er die Klage noch vor dem Amtsgericht zurückgenommen. Im Übrigen hat das Amtsgericht den Rechtsstreit auf Antrag des Klägers und mit Zustimmung der Beklagten an das Landgericht Wuppertal verwiesen, da der Rechtsstreit eine Amtshaftung betreffe.
8Der Kläger beantragt,
9die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen,
101.
11an ihn 3.827,03 € sowie Zinsen daraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10.02.2015 zu zahlen,
122.
13den Kläger von der Zahlung von außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren an C Rechtsanwälte, E-Straße, xxx, in Höhe von 421,38 € freizustellen.
14Die Beklagten beantragen,
15die Klage abzuweisen.
16Sie behaupten, die Geschwindigkeit des Beklagtenfahrzeuges habe im Unfallzeitpunkt bei etwa 6 km/h gelegen. Der vormalige Beklagte zu 3 habe vor Einleitung des Wendemanövers in beide Rückspiegel geschaut und dabei kein Fahrzeug, insbesondere nicht das Klägerfahrzeug, erkennen können. Die Beklagten bestreiten, dass der Kläger die an der Unfallstelle zulässige Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h eingehalten habe.
17Das Gericht hat den Kläger informatorisch angehört sowie durch Zeugenvernehmung und Einholung eines Sachverständigengutachtens Beweis erhoben. Wegen des Beweisergebnisses wird auf die Sitzungsniederschriften vom 03.11.2015 und 07.06.2016 sowie auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen F vom 18.04.2016 verwiesen.
18E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
19Die Klage ist (nur) teilweise begründet.
20Der Kläger kann von den verbliebenen Beklagten zu 1 und 2 seines der Höhe nach unstreitigen unfallbedingten Schaden zu 70 Prozent ersetzt verlangen. Für 30 Prozent seiner Unfallschäden hat der Kläger selbst aufzukommen.
21Die grundsätzliche Haftung der Beklagten für die Unfallfolgen ergibt sich aus §§ 7 StVG, § 839 BGB, Art.34 GG, 115 VVG.
22Die Beklagten haften für die von der Reinigungsmaschine ausgehende Betriebsgefahr.
23Aber auch der Kläger hat grundsätzlich nach § 7 StVG auf Grund der von seinem Fahrzeug ausgehenden Betriebsgefahr für die Unfallfolgen einzustehen. Die bei dieser Konstellation nach § 17 StVG vorzunehmende Abwägung der beiderseits gesetzten Unfallursachen führt zu der oben genannten Haftungsverteilung.
24Die Beklagten belastet neben der von dem Reinigungsfahrzeug ausgehenden allgemeinen Betriebsgefahr ein unfallursächliches Verschulden des vormaligen Beklagten zu 3. Dieser hat sich entgegen § 9 StVO beim Wenden nicht so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen war. Ein Pflichtenverstoß folgt schon aus seinen eigenen Angaben anlässlich seiner Vernehmung vor dem Prozessgericht am 03.11.2015. Er hätte, nachdem er in die Außenspiegel geschaut und sich danach vergewissert hatte, ob sich aus der nach rechts abgehenden Straße Fahrzeuge näherten, nochmals in die Außenspiegel schauen müssen. Im Übrigen spricht gegen den vormaligen Beklagten zu 3 auch der Anscheinsbeweis für ein unfallursächlichen Verschulden, der von den Beklagten nicht erschüttert oder gar widerlegt worden ist.
25Aber auch den Kläger belastet neben der von seinem Fahrzeug ausgehenden allgemeinen Betriebsgefahr ein unfallursächliches Verschulden. Der Kläger hat bei unklarer Verkehrslage versucht, das Reinigungsfahrzeug zu überholen (Verstoß gegen § 5 StVO). Der Unfall ereignete sich auf einer dem Kläger bestens bekannten recht engen Straße im Bereich mehrerer Einmündungen. Der Kläger hatte die Kehrmaschine als solche wahrgenommen, zumal er – wie er bei seiner Anhörung eingeräumt hat – gesehen hatte, dass die gelben Rundumleuchten in Betrieb waren. Er konnte und durfte nicht darauf vertrauen, dass das Reinigungsfahrzeug seine Fahrt in Geradeausrichtung - und das noch kontinuierlich am rechten Fahrbandrand - fortsetzen würde. Das gilt unabhängig davon, ob an der Kehrmaschine der Fahrtrichtungsanzeiger eingeschaltet war oder nicht, was in der Beweisaufnahme nicht geklärt werden konnte.
26Die Abwägung der beiderseits gesetzter Unfallursachen führt zu einer Haftungsverteilung im Verhältnis 30 Prozent zu 70 Prozent. Der Fahrer der Kehrmaschine hat die entscheidende Unfallursache gesetzt. Es ist indes nicht veranlasst, Verursachungsbeiträge des Klägers gar nicht oder in geringem Umfang als dies geschehen ist in die Haftungsquote einfließen zu lassen.
27Selbst wenn man nicht von einem unfallursächlichen Mitverschulden des Klägers ausgehe, würde sich die Haftungsquote nicht signifikant ändern. In der konkreten Unfallsituation ist es nicht geboten, die vom Klägerfahrzeug ausgehende allgemeine Betriebsgefahr bei der Ermittlung der Quote unberücksichtigt zu lassen. Der Unfall war für den Kläger keinesfalls unabwendbar. Es mag sein, dass eine unfallvermeidende Reaktion in dem Augenblick, als das Reinigungsfahrzeug nach links herübergezogen wurde, nicht mehr möglich war. Entscheidend ist aber, dass ein umsichtiger Fahrer anders als der Kläger gar nicht versucht hätte, an der Unfallstelle zum Überholen anzusetzen. Ein umsichtiger Fahrer hätte vielmehr zunächst abgewartet, auf welcher Strecke das Reinigungsfahrzeug seine Fahrt fortsetzen würde.
28Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 100 Abs. 4, 269 Abs. 3, 281 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gemäß §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 1 und Satz 2, 711 Satz 1 ZPO.
29Streitwert: 3.827,03 €
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Referenzen
- ZPO § 709 Vorläufige Vollstreckbarkeit gegen Sicherheitsleistung 1x
- § 5 StVO 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 92 Kosten bei teilweisem Obsiegen 1x
- ZPO § 100 Kosten bei Streitgenossen 1x
- ZPO § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung 1x
- § 9 StVO 1x (nicht zugeordnet)
- StVG § 17 Schadensverursachung durch mehrere Kraftfahrzeuge 1x
- ZPO § 711 Abwendungsbefugnis 1x
- ZPO § 281 Verweisung bei Unzuständigkeit 1x
- ZPO § 269 Klagerücknahme 1x
- BGB § 839 Haftung bei Amtspflichtverletzung 1x
- StVG § 7 Haftung des Halters, Schwarzfahrt 2x