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Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg.
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Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist nur noch der Anspruch des Klägers auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ohne Kosten der Unterkunft und Heizung für Juli und August 2008. Für Juni 2008 hat das SG die Klage abgewiesen, dies ist mit der Berufung nicht angegriffen worden. Für September 2008 haben die Verfahrensbeteiligten einen Verfahrensvergleich geschlossen, so dass dieser Zeitraum ebenfalls nicht mehr im Berufungsverfahren zu beurteilen ist.
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Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten (§ 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz ) ist zulässig, sie ist insbesondere statthaft (§ 143 SGG), da der Beschwerdewert von 750,00 EUR überschritten wird (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Die Berufung ist indes nicht begründet. Das SG hat die Beklagte zu Recht verurteilt, dem Kläger für Juli und August 2008 die Regelleistung nach dem SGB II ohne Anrechnung von Einkommen aus Überbrückungsgeld zu gewähren.
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Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II erhalten Leistungen nach diesem Buch Personen, die (1.) das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben, (2.) erwerbsfähig sind, (3.) hilfebedürftig sind (4.) ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Hilfebedürftige). Der im Streitzeitraum 31-jährige, erwerbsfähige Kläger deutscher Staatsangehörigkeit hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland und ist auch hilfebedürftig. Damit gehört er zum leistungsberechtigten Personenkreis. Auch der stationäre Aufenthalt des Klägers im Therapiezentrum M., einem Fachkrankenhaus für suchtkranke Männer, steht dem Anspruch nicht entgegen, denn die Dauer der Unterbringung in dem Krankenhaus war von Anfang an für weniger als sechs Monate vorgesehen (vgl. § 7 Abs. 4 Satz 1 und Satz 3 Nr. 1 SGB II).
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Hilfebedürftig ist nach § 9 Abs. 1 SGB II, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht (1.) durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit, (2.) aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält. Der im streitigen Zeitraum alleinstehende Kläger verfügte im Juli und August 2008 weder über Einkommen noch über Vermögen. Das ihm bei Haftentlassung ausbezahlte Überbrückungsgeld in Höhe von 1.075,27 EUR ist auf den hier streitigen Hilfebedarf nicht anzurechnen.
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Grundsätzlich stellt das Überbrückungsgeld nach § 51 StVollzG zu berücksichtigendes Einkommen im Sinne von § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II dar, denn es handelt sich um eine Einnahme in Geld. Zwar wird das Überbrückungsgeld aus Teilen der Bezüge, insbesondere des Arbeitsentgelts (§ 43 StVollzG) des Gefangenen gebildet, seiner Verfügung entzogen und einem für ihn geführten Konto gut geschrieben. Gleichwohl gehören die so zwangsweise angesparten Beträge nicht zum Vermögen des Gefangenen, denn nach der Rechtsprechung des BSG ist Einkommen alles, was der Hilfebedürftige während eines Zahlungszeitraums wertmäßig dazu erhält und Vermögen das, was er bei Beginn eines Zahlungszeitraums bereits hat (Zuflusstheorie, vgl. BSG, Urteil vom 30. Juli 2008 - B 14 AS 26/07 R - zu nachträglich gezahltem Lohn und Urteil vom 30. September 2008 - B 4 AS 29/07 R - zu Steuererstattung ). Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat in einer Entscheidung zum Sozialhilferecht vom 21. Juni 1990 (- 5 C 64/86 - FEVS 41, 1) zwar noch offen gelassen, ob es sich bei dem Überbrückungsgeld nach § 51 StVollzG um Einkommen oder Vermögen handelt; das BVerwG hat sich in der Folgezeit jedoch in Abkehr von seiner früheren Rechtsprechung (vgl. zur sogenannten Identitätstheorie BVerwGE 29, 295 ff.) mit Urteilen vom 18. Februar 1999 der Zuflusstheorie zugewandt (vgl. BVerwGE 108, 296 ff.; so bereits zuvor zum Arbeitslosenhilferecht BSGE 41, 187, 188 = SozR 4100 § 137 Nr. 1). Auch aus der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung zur vergleichbaren Problematik im Sozialhilferecht lassen sich somit keine Gesichtspunkte entnehmen, die gegen die Behandlung des Überbrückungsgeldes als Einkommen sprechen.
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Das Überbrückungsgeld ist auch nicht von der Berücksichtigung ausgenommen nach § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II, denn es handelt sich nicht um eine zweckbestimmte Einnahme, die einem anderen Zweck als die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II dient und die Leistung des Empfängers nicht so günstig beeinflusst, dass daneben Leistungen nach dem SGB II nicht gerechtfertigt wären. § 51 Abs. 1 StVollzG enthält eine ausdrückliche Zweckbestimmung. Dort ist ausgeführt, dass ein Überbrückungsgeld zu bilden ist, das den notwendigen Lebensunterhalt des Gefangenen und seiner Unterhaltsberechtigten für die ersten vier Wochen nach seiner Entlassung sichern soll. Damit steht fest, dass Zweck des Überbrückungsgeldes gerade die Sicherung des Lebensunterhalts ist und somit Zweckidentität mit den Leistungen nach dem SGB II besteht.
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Nicht beantwortet ist damit indes die Frage, auf welche Weise das als Einkommen zu berücksichtigende Überbrückungsgeld anzurechnen ist. Entgegen der Auffassung der Beklagten kommt hier eine Aufteilung auf fünf Monate und Anrechnung in jedem Monat nicht in Betracht. Zur Frage, wie einmalige Einnahmen wie das Überbrückungsgeld im Einzelnen anzurechnen sind, enthält die auf § 13 SGB II beruhende Alg II-V nähere Regelungen. Nach § 2 Abs. 4 Satz 3 Alg II-V sind einmalige Einnahmen, soweit nicht im Einzelfall eine andere Regelung angezeigt ist, auf einen angemessenen Zeitraum aufzuteilen und monatlich mit einem entsprechenden Teilbetrag anzusetzen. Sinn dieses Anrechnungsverfahrens ist, dass das vorübergehende vollständige Entfallen des Leistungsanspruchs und damit des Krankenversicherungsschutzes vermieden wird (vgl. Mecke in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl., § 11 Rdnr. 66). Vorliegend ist indes nicht eine Aufteilung auf einen angemessenen Zeitraum, sondern eine andere Regelung, wie sie § 2 Abs. 3 Satz 3 Alg II-V durchaus ermöglicht, angezeigt. Insoweit hält der Senat die Vorschrift des § 51 Abs. 1 StVollzG für die speziellere Regelung, welche bei der Auslegung des allgemeinen Gesetzes zu berücksichtigen ist. Nach § 51 Abs. 1 StVollzG soll das Überbrückungsgeld den notwendigen Lebensunterhalt des Gefangenen und seiner Unterhaltsberechtigten für die ersten vier Wochen nach seiner Entlassung sichern. Dieser soll seinen Lebensunterhalt nach der Entlassung mit eigenen Mitteln bestreiten können und nicht auf Sozialhilfe oder Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II angewiesen sein, die dem Mittellosen sonst den notwendigen Lebensunterhalt sichern. Durch die gesetzlich vorgesehene Unterhaltssicherungsfunktion für die Dauer von vier Wochen ist es geboten, die Einnahme auch im Rahmen der Prüfung einer Leistungsberechtigung nach dem SGB II entsprechend zu berücksichtigen und nicht als Einkommen auf einen längeren Zeitraum aufzuteilen. Ansonsten hätte dies zur Folge, dass der Gesetzeszweck verfehlt würde, denn bei Anrechnung des Überbrückungsgeldes auf einen längeren Zeitraum wäre der Strafgefangene nach Entlassung aus der Haft entgegen dem Gesetzeszweck von § 51 Abs. 1 StVollzG auch in den ersten vier Wochen nach der Entlassung auf Sozialhilfe bzw. Leistungen nach dem SGB II angewiesen.
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Dem steht nicht entgegen, dass die hier vertretene Auffassung zur Folge hat, dass durch die Anrechnung des Überbrückungsgeldes allein auf einen Monat in der Regel die Hilfebedürftigkeit in diesem Monat ganz entfällt und folglich kein Krankenversicherungsschutz über den Bezug der SGB II-Leistungen gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) besteht. Während der Strafhaft besteht Anspruch auf Gesundheitsfürsorge nach §§ 56 ff. StVollzG; dieser Anspruch endet mit der Entlassung. Anschließend besteht indes, sofern der Betreffende vor der Haft gesetzlich krankenversichert war, Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 13a SGB V (vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 25. Februar 2009 - L 11 KR 497/09 ER-B - m.w.N.), so dass nicht zu befürchten steht, dass überhaupt kein Krankenversicherungsschutz vorliegt. Im konkreten Fall war der Kläger ohnehin seit Juni 2008 versicherungspflichtig nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB II, da die Beklagte aufgrund der von ihr vorgenommenen Aufteilung des Überbrückungsgeldes auch im Juni 2008 Leistungen gewährt hat.
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Entgegen der Befürchtung der Beklagten besteht auch nicht die Gefahr, dass bei längerer Haft Überbrückungsgeld in erheblicher Höhe angespart wird. Nach der Verwaltungsvorschrift des Justizministeriums Baden-Württemberg über die Behandlung und Verwendung der Gelder der Gefangenen (VwV-Gelder der Gefangenen, 4523/0348 vom 29. Dezember 2005, Die Justiz 2006 S. 122 in der Fassung vom 21. Dezember 2006, Die Justiz 2007 S. 136) wird unter Ziff. 1.2.2 die angemessene Höhe des Überbrückungsgeldes auf den 150-fachen Tagessatz der Eckvergütung (§ 43 Abs 2 StVollzG) festgesetzt. Die Eckvergütung nach § 43 Abs. 2 StVollzG beläuft sich auf 9 v.H. der Bezugsgröße nach § 18 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV); ein Tagessatz ist der 250. Teil der Eckvergütung. Für das Jahr 2008 bedeutet dies, dass die angemessene Höhe des Überbrückungsgeldes bei maximal 1.611,00 EUR liegt (Bezugsgröße alte Bundesländer 2008: 29.820 EUR; davon 9 v.H.: 2.683,80 EUR ; Tagessatz 10,74 EUR; 150-facher Tagessatz 1.611 EUR). Damit hat der Gesetz- und Verordnungsgeber genau geregelt, bis zu welcher Höhe der Gefangene aus seinem Arbeitsentgelt Überbrückungsgeld ansparen muss, welches in den ersten vier Wochen nach der Haftentlassung für den Lebensunterhalt zur Verfügung stehen soll. Diese speziellen Regelungen sind bei der Auslegung des § 2 Abs. 4 Satz 3 Alg II-V zu berücksichtigen und verbieten eine Aufteilung des Überbrückungsgeldes auf einen längeren Zeitraum. Dies hat zur Folge, dass das Überbrückungsgeld nur in den ersten vier Wochen nach Haftentlassung, hier also im Juni 2008 als Einkommen zu berücksichtigen ist und danach, soweit noch vorhanden, als Vermögen im Sinne von § 12 SGB II Berücksichtigung findet. Sofern der Strafgefangene bei längerer Haftdauer Eigengeld (§ 83 StVollzG) in größerem Umfang angesammelt hat, bestehen keine Bedenken, derartige Beträge bei Haftentlassung auf einen längeren Zeitraum aufzuteilen. Dies gilt indes wegen der gesetzgeberischen Zuordnung des Überbrückungsgeldes zum Bedarf für die ersten vier Wochen nach Haftentlassung für dieses nicht.
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Hinsichtlich der Anrechnung weiteren Einkommens aufgrund der während der stationären Behandlung erhaltenen Vollverpflegung sowie der dortigen Versorgung mit Strom und Warmwasser besteht zwischen den Beteiligten kein Streit mehr, die Beklagte hat insoweit mit Bescheid vom 26. Januar 2009 bereits für Juli und August 2008 Leistungen ohne Anrechnung der Verpflegung bewilligt und zudem mit Teilanerkenntnis vom 11. März 2009 für Juli und August 2008 um 20,74 EUR höhere Leistungen (Strom- und Warmwasserpauschale) angeboten. Dieses Teilanerkenntnis hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 24. April 2009 angenommen.
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Vermögen, welches die Freigrenzen des § 12 Abs. 2 SGB II übersteigt, war im streitigen Zeitraum nicht vorhanden, zumal der Kläger Ende Juni 2008 1.000,00 EUR zur Tilgung von Schulden aufgewendet hat.
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Nur zur Klarstellung wird darauf hingewiesen, dass die Beklagte die bereits gewährten Leistungen in Anrechnung bringen darf.
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