Urteil vom Landessozialgericht Baden-Württemberg - L 7 R 923/11

Tenor

Auf die Berufung des Klägers werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 14. Januar 2011 abgeändert und der Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 5. September 2008 aufgehoben.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

 
Streitig ist die Verzinsung einer Rentennachzahlung.
Der im 1945 geborene Kläger beantragte am 29. November 2005 formlos Altersrente wegen Arbeitslosigkeit. Die Beklagte übersandte dem Kläger mit Schreiben vom 13. Dezember 2005 den förmlichen Vordruck für den Rentenantrag „R 100“. Nachdem der Kläger sich trotz Erinnerung vom 23. Januar 2006 nicht gemeldet hatte, lehnte die Beklagte den Antrag auf Zahlung der Rente unter Berufung auf § 66 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) mit Bescheid vom 6. März 2006 ab, da das Rentenantragsformular nicht eingesandt worden sei. Widerspruch (Widerspruchsbescheid vom 26. Mai 2006) und Klage vor dem Sozialgericht Reutlingen (Urteil vom 10. Juli 2007 - S 11 R 2304/06 -) blieben erfolglos. Im Berufungsverfahren vor dem Landessozialgericht Baden-Württemberg (L 11 R 4254/07) erklärten die Beteiligten im Rahmen eines Erörterungstermins vom 16. Oktober 2007 das Verfahren übereinstimmend für erledigt, nachdem der Kläger der Beklagten kurz zuvor, nämlich am 28. September 2007, den Vordruck „R 100“ für den Rentenantrag übersandt hatte. Die Beklagte führte weitere Ermittlungen u.a. für den Zeitraum vor Vollendung des 17. Lebensjahres des Klägers, den Monat Juli 1972 und die Monate April 1980 bis Juli 1980 durch, ließ sich die Personenstandsdaten des Klägers und seines Sohnes bestätigen und bewilligte mit Bescheid vom 13. Februar 2008 auf den Antrag vom 29. November 2005 Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit rückwirkend ab dem 1. September 2005. Für den Zeitraum vom 1. September 2005 bis 29. Februar 2008 errechnete sie einen Rentennachzahlungsanspruch in Höhe von 31.232,52 EUR. Eine Verzinsung wurde abgelehnt, weil seit Eingang des vollständigen Leistungsantrags keine sechs Kalendermonate vergangen seien. Der Nachzahlungsbetrag wurde noch im Februar 2008 an den Kläger überwiesen.
Der Kläger erhob Widerspruch und machte u.a. die Verzinsung der Rentennachzahlung geltend. Es habe dem Grunde nach ein Anspruch auf die am 26. November 2005 formlos beantragte Altersrente bestanden. Mit dem ablehnenden Rentenbescheid vom 6. März 2006 sei ohne zwingende Notwendigkeit und Grund die Zahlung der Rente abgelehnt worden. Nach § 44 Abs. 2, 2. Halbsatz des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) werde damit die Verzinsung begründet, zumindest soweit die Ansprüche aus dem Versicherungsverlauf unstrittig gewesen seien.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 7. Juli 2008 und (offenbar weil in dieser Entscheidung die Widerspruchsbegründung des Klägers nicht beachtet worden war) erneut mit Widerspruchsbescheid vom 5. September 2008 als unbegründet zurück. Nach § 44 Abs. 2 SGB I beginne die Verzinsung frühestens nach Ablauf von sechs Monaten nach Eingang des vollständigen Leistungsantrages beim zuständigen Leistungsträger. Der Formantrag sei erst am 28. September 2007 eingegangen, so dass die im Februar 2008 überwiesene Nachzahlung nicht habe verzinst werden müssen.
Bereits am 31. Juli 2008 hatte der Kläger Klage zum SG erhoben. Mit Gerichtsbescheid vom 14. Januar 2011 hat das SG - nach vorheriger Abtrennung weiterer Verfahrensgegenstände - die Klage abgewiesen. Der Kläger habe keinen Verzinsungsanspruch bezüglich der Rentennachzahlung. Die Verzinsung beginne frühestens sechs Monate nach Eingang des vollständigen Leistungsantrages. Wenn das Gesetz von einem vollständigen Leistungsantrag spreche, so verlange es, dass der Sachverhalt vollständig dargelegt werde, um die im Gesetz bestimmten Voraussetzungen für einen Anspruch auf Sozialleistungen nach Grund und Höhe zu überprüfen und sein Entstehen feststellen zu können. Der Kläger habe die erforderlichen Angaben zur Sachverhalts-aufklärung nicht gemacht. Zu aufklärungsbedürftigen Lücken im Versicherungsverlauf, die sich auf die Rentenhöhe auswirkten, hätten Angaben gefehlt. Erst im September 2007 habe damit ein vollständiger Leistungsantrag vorgelegen.
Gegen diesen ihm am 4. Februar 2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 4. März 2011 Berufung zum LSG Baden-Württemberg eingelegt. Die Begründung, dass der Gesetzgeber zwingend einen vollständigen Leistungsantrag vorsehe, möge für sonstige Sozialleistungen wie Wohngeld, Arbeitslosengeld II u.a. wohl zutreffen. Bei der Altersrente bestehe der entscheidende Unterschied zu den sonstigen Sozialleistungen darin, dass ein Rechtsanspruch auf selbst erworbene Leistungsansprüche bereits vorliege, die bei der Beklagten auf dem Rentenkonto ersichtlich seien. Die Anträge hätten damit allenfalls ergänzenden Charakter. Dies habe die Beklagte in ihrer zeitnahen Rentenauskunft vom 18. März 2005 detailliert bestätigt und den frühesten möglichen Rentenbeginn zum 1. September 2005 benannt. Damit sei dem Grunde nach auch § 60 Abs. 1 Nr. 1 SGB I als Leistungsvoraussetzung erfüllt. Auf die Verzinsung bezogen sei damit § 44 Abs. 2 SGB I vollständig anzuwenden, nicht nur der 1. Halbsatz. Die Beklagte habe mit Bescheid vom 6. März 2006 und Widerspruchsbescheid vom 25. Mai 2006 den sowieso bestehenden Leistungsanspruch komplett abgelehnt und sich damit unnötig in Zugzwang gebracht. Sie hätte auch mitteilen können, dass nach Aktenlage vorläufig eine Rente bewilligt werde, denn nach § 65 Abs. 1 Nr. 3 SGB I sei dafür die Rechtsgrundlage vorhanden. Die Beklagte habe durch ihr Verhalten die Rentenzahlung ursächlich erheblich verzögert und sich deshalb die Zinszahlung selbst zuzurechnen. Der Zinsanspruch nach § 44 Abs. 2 SGB I bestehe ab dem 6. April 2006 auf Grund des ergangenen Bescheides vom 6. März 2006.
Mit Schreiben vom 7. Juni 2012 hat der Kläger ferner die Feststellung beantragt, dass der Bescheid vom 6. März 2006 rechtswidrig gewesen sei, da er die bestehenden Ansprüche des Klägers verletzt habe und damit ein Zinsanspruch vom 6. April 2006 an bestehe, berechnet auf der Basis des zu diesem Zeitpunkt auf dem Rentenkonto bestehenden Guthabens.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 14. Januar 2011 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 13. Februar 2008 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 7. Juli 2008 und 5. September 2008 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, die Rentennachzahlung ab dem 6. April 2006 bis zum Monat vor der Auszahlung in gesetzlicher Höhe zu verzinsen, sowie festzustellen, dass der Bescheid vom 6. März 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Mai 2006 rechtswidrig war.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten, der Verfahrensakten des SG und des Senats sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
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Die nach § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, insbesondere statthaft (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Die Beschwerdewertgrenze von mehr als 750,- EUR ist angesichts der erheblichen Höhe der im Falle eines Obsiegens des Klägers zu verzinsenden Nachzahlung (31.232,52 EUR), der (gesetzlichen) Zinshöhe von vier vom Hundert und der Dauer des geltend gemachten Zinszeitraumes (6. April 2006 bis Januar 2008) ersichtlich überschritten.
15 
Die Berufung hat jedoch in der Sache nur insoweit Erfolg, als der Kläger mit seiner gemäß § 54 Abs. 1 SGG erhobenen Anfechtungsklage (auch) den Widerspruchsbescheid vom 5. September 2008 angreift. Im Übrigen hat das SG die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 13. Februar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Juli 2008 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der mit dem angefochtenen Bescheid festgesetzte Nachzahlungsbetrag, der in unmittelbarem Anschluss zur Auszahlung gelangte, ist nicht zu verzinsen.
16 
Gemäß § 44 Abs. 1 SGB I sind Ansprüche auf Geldleistungen nach Ablauf eines Kalendermonats nach dem Eintritt ihrer Fälligkeit bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung mit vier vom Hundert zu verzinsen. Ansprüche auf Sozialleistungen werden nach § 41 Abs. 1 SGB I mit ihrem Entstehen fällig. Sie entstehen, sobald ihre im Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen (§ 40 Abs. 1 SGB I). Ungeachtet einer bereits eingetretenen Fälligkeit beginnt die Verzinsung nach § 44 Abs. 2 SGB I allerdings frühestens nach Ablauf von sechs Kalendermonaten nach Eingang des vollständigen Leistungsantrags beim zuständigen Leistungsträger bzw. beim Fehlen eines Antrags nach Ablauf eines Kalendermonats nach der Bekanntgabe der Entscheidung über die Leistung.
17 
Bei der vorliegend im Streit stehenden Altersrente handelt es sich um eine Leistung, die nur auf Antrag gewährt wird (§ 115 Abs. 1 Satz 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch ). Damit richtet sich die Verzinsung nach § 44 Abs. 1, 2 Halbsatz 1 SGB I, weshalb die Verzinsungspflicht sechs Monate nach vollständigem Eingang des Leistungsantrags beginnt. Vollständiger Leistungsantrag in diesem Sinne war erst der Antrag des Klägers vom 28. September 2007, mit dem er die Rente unter Verwendung des von der Rentenversicherung herausgegebenen Antragsvordrucks „R 100“ beantragte. Entsprechend hätte die Verzinsung - wie die Beklagte zutreffend ausführt - frühestens am 1. April 2008, nämlich sechs Kalendermonate nach Antragseingang, beginnen können, also erst zu einem Zeitpunkt, zu dem die Nachzahlung bereits ausgezahlt war, weshalb diese nicht zu verzinsen ist.
18 
Für den Eingang des vollständigen Leistungsantrags im Sinne der genannten Regelung ist nicht auf den formlosen Rentenantrag vom 26. November 2005 (Eingang bei der Beklagten am 29. November 2005) abzustellen. Denn dieser Antrag war nicht vollständig und versetzte die Beklagte nicht in die Lage, über die begehrte Rente in vollem Umfang zu entscheiden. Eine teilweise Entscheidung über den Antrag - wie sie der Kläger für möglich hält - sieht das Gesetz nicht vor und wäre aufgrund fehlender Daten ohnehin nicht möglich gewesen.
19 
Wie das Bundessozialgericht (BSG) in Fortsetzung einer ständigen Rechtsprechung bereits klargestellt hat (BSG SozR 1200 § 44 Nr. 16 m.w.N.), liegt - woran keine strengen Anforderungen zu stellen sind (vgl. BSG USK 82246 S. 1133) - ein "vollständiger" Leistungsantrag im Sinne von § 44 Abs. 2, 1. Alternative SGB I vor, wenn der zuständige Leistungsträger durch ihn in die Lage versetzt wird, den geltend gemachten Anspruch nach Grund und Höhe zu überprüfen, d. h. die von Amts wegen durchzuführende (§ 20 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch ) Ermittlung des Sachverhalts zügig aufzunehmen und die ggf. noch erforderlichen tatsächlichen Feststellungen zu treffen und die begehrte Leistung zu bewilligen (BSG, Urteil vom 22. Juni 1989, SozR 1200 § 44 Nr. 24). Für den Antragsteller bedeutet Vollständigkeit des Leistungsantrags, die Amtsermittlung des Leistungsträgers in dem im Rahmen seiner Mitwirkungsmöglichkeit und -pflichten (§ 60, 65 SGB I) zumutbaren Umfang vorzubereiten und zu ermöglichen. Ein Leistungsantrag ist daher nicht erst dann "vollständig" im Sinne des Gesetzes, wenn der Leistungsträger allein schon durch ihn in die Lage versetzt wird, das Leistungsbegehren abschließend zu verbescheiden (BSG a.a.O.; Bundesverwaltungsgericht Buchholz 436.0 § 5 Nr. 3). In diesem Sinne reicht es aus, wenn der Antrag alle Tatsachen enthält, die der Antragsteller zur Bearbeitung seines Antrags angeben muss (BSG, a.a.O.).
20 
Unverkennbar ist nach alledem der genaue Zeitpunkt des Fristbeginns wegen der wechselseitigen Abhängigkeit von Amtsermittlung (§§ 20 ff SGB X) und Mitwirkungsobliegenheiten bei der Antragstellung (§§ 60, 65 SGB I) im Einzelfall unter Umständen von Zufälligkeiten abhängig und nur unter abwägender Beurteilung der beiderseitigen Handlungspflichten feststellbar. Dies widerstreitet dem Konzept des Gesetzgebers, die Verzinsung aus Gründen größtmöglicher Verwaltungsvereinfachung ausschließlich vom Zeitablauf (BT-Drucks 7/868, S. 30), also von einem objektiv bestimmten und leicht feststellbaren Kriterium abhängig zu machen. In diesem Zusammenhang erlangt Bedeutung, dass der Gesetzgeber die Grundlinien des Zusammenwirkens von Leistungsträgern und Berechtigten bei der Antragstellung modellhaft vorgezeichnet hat: Gemäß § 17 Abs. 1 Nr. 3 SGB I sind die Leistungsträger verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass der Zugang zu den Sozialleistungen möglichst einfach gestaltet wird, insbesondere durch Verwendung allgemein verständlicher Antragsvordrucke. Sie haben nach § 16 Abs. 3 SGB I auch darauf hinzuwirken, dass klare und sachdienliche Anträge gestellt werden. Entsprechend sollen die Antragsteller nach § 60 Abs. 2 SGB I vorgesehene Antragsvordrucke für die Angaben benutzen, die sie nach § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 SGB I zu machen haben. Sind die Angaben "unvollständig", hat der Leistungsträger gemäß § 16 Abs. 3 SGB I unverzüglich auf ihre Ergänzung hinzuwirken. Ersichtlich ermächtigt das Gesetz die Leistungsträger, denen bekannt ist, welche Angaben und Unterlagen für die zügige Bearbeitung eines Antrags typischerweise erforderlich sind, nach pflichtgemäßem Ermessen unter Beachtung der Grenzen der Mitwirkungspflichten (§§ 60, 65 SGB I) zweckmäßig gestaltete Antragsvordrucke zur - obligatorischen - Benutzung (§ 60 Abs. 2 SGB I) durch die Antragsteller herauszugeben, um es diesen zu ermöglichen, einen von vornherein vollständigen Leistungsantrag zu stellen (vgl. BSG, a.a.O.).
21 
Dem ist bei Auslegung und Anwendung des § 44 Abs. 2 SGB I Rechnung zu tragen: Wenn ein Leistungsträger Antragsvordrucke (§ 17 Abs. 1 Nr. 3 SGB I) herausgegeben hat, liegt ein vollständiger Leistungsantrag spätestens vor, sobald der Antragsteller den Vordruck für den Antrag auf die begehrte Leistung vollständig ausgefüllt und auch die darin als beizubringend bezeichneten (§ 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB I) Unterlagen eingereicht hat. Dies gilt auch dann, wenn der Antragsteller - etwa aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls - über den Antragsvordruck hinaus durch weitere erhebliche Angaben (§ 60 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2 SGB I), Erklärungen (§ 60 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 3 SGB I) oder die Vorlage weiterer Beweisurkunden (§ 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB I) bei der Bearbeitung des Antrags mitzuwirken hat (§ 65 Abs. 1 und 3 SGB I). Denn das Gesetz nimmt im Interesse der Berechtigten an einem möglichst einfach gestalteten Zugang zu den Sozialleistungen (§ 17 Abs. 1 Nr. 3 SGB I) die mit einem notwendig typisierenden Vordruck unvermeidbar verbundene Pauschalierung der Anforderungen an einen "vollständigen" Leistungsantrag in Kauf. Andererseits legt es dem Antragsteller für den Einzelfall - abgesehen von der Pflicht zur Benutzung des Vordrucks (§ 60 Abs. 2 SGB I) - keine über §§ 60, 65 SGB I hinausgehenden Mitwirkungspflichten beim Antrag auf. Daher ist er auch bei Benutzung eines in genereller Betrachtung ermessensfehlerfrei ausgestalteten Antragsvordrucks nicht zu Angaben oder zur Vorlage von Beweisurkunden verpflichtet, soweit dies für die Leistung nicht erheblich (§ 60 Abs. 1 SGB I), unangemessen (§ 65 Abs. 1 Nr. 1 SGB I) oder unzumutbar (§ 65 Abs. 1 Nr. 2 SGB I) ist oder der Leistungsträger sich durch geringeren Aufwand als er die erforderlichen Kenntnisse selbst beschaffen kann (§ 65 Abs. 1 Nr. 3 SGB I) oder ein Verweigerungsrecht (§ 65 Abs. 3 SGB I) besteht. Ein Antrag kann also "vollständig" sein, obwohl der Antragsvordruck "unvollständig" ausgefüllt ist oder darin angeforderte Unterlagen nicht eingereicht worden sind, wenn im Einzelfall im Blick hierauf keine Mitwirkungspflicht (§§ 60 Abs. 1, 65 Abs. 1 und 3 SGB I) bestanden hat (vgl. BSG, a.a.O.).
22 
Danach war der 29. November 2005 wirksam gestellte Leistungsantrag des Klägers erst mit Eingang des von der Beklagten herausgegebenen und vom Kläger ausgefüllten Antragsvordruck am 28. September 2007 vollständig. Bis zu diesem Zeitpunkt fehlten u.a. insbesondere Angaben zum Krankenversicherungsschutz des Klägers, zum (laufenden) Bezug von Arbeitsentgelt und zur Bankverbindung. Ohne diese Angaben waren der Beklagten weder eine Entscheidung über den geltenden gemachten Anspruch auf Altersrente noch eine Auszahlung der evtl. bewilligten Rente möglich (zu den u.a. maßgeblich zu prüfenden Vorschriften hinsichtlich des Krankenversicherungsschutzes vgl. §§ 5 Abs. 1 Nr. 11, 255 Abs. 1 Satz 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch und § 106 SGB VI; zur Relevanz des Bezuges von Arbeitsentgelt neben einer Rente vgl. § 34 Abs. 2 SGB VI; zur regelmäßig erfolgenden Auszahlung der Rente auf ein Konto des Empfängers vgl. § 118 Abs. 1 SGB VI und § 17 Abs. 1 Nr. 1 SGB I). Ob daneben wegen der zunächst noch fehlenden Bestätigung der Personenstandsdaten des Klägers und seines Sohnes erst mit deren Eingang am 13. Dezember 2007 (vgl. Bl. 64 der Verwaltungsakte) von Vollständigkeit des Leistungsantrages ausgegangen werden kann, kann offen bleiben, weil dieser Zeitpunkt nach dem Zeitpunkt des Eingangs des Formantrages liegt und erst recht keinen Verzinsungsanspruch auslösen würde.
23 
Soweit der Kläger meint, die Beklagte habe aufgrund des zunächst unvollständigen Antrages die Möglichkeit gehabt, eine „Teilentscheidung“ über den erhobenen Anspruch aufgrund der im Rentenkonto gespeicherten Daten zu treffen, gibt es hierfür im Gesetz keine Grundlage. Vielmehr hat der Leistungsträger im Gegenteil darauf hinzuwirken, dass klare und sachdienliche Anträge gestellt und unvollständige Angaben ergänzt werden (§ 16 Abs. 3 SGB I). Dies ist vorliegend im Rahmen des Verwaltungsverfahrens geschehen. Dass der Kläger mit dem formlosen Antrag Vorschusszahlungen auf seine Rente begehrt hätte (zu dieser dem Ermessen der Verwaltung unterliegenden Möglichkeit vgl. § 42 SGB I), ist weder diesem Antrag noch seinem weiteren Vorbringen zu entnehmen.
24 
Schließlich kann - anders als der Kläger meint - auch nicht der Ablehnungsbescheid vom 6. März 2006 zur Grundlage einer am 6. April 2006 beginnenden Verzinsung gemacht werden. Zwar regelt § 44 Abs. 2, 2. Halbsatz SGB I, dass die Verzinsung einen Monat nach Bekanntgabe der Entscheidung über die Leistung beginnt, wenn ein Antrag fehlt. Denknotwendig setzt die Anwendung der Norm aber eine positive Entscheidung über den Leistungsanspruch voraus (vgl. Seewald in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, 73. Ergänzungslieferung 2012, § 44 SGB I, Rdnr. 24), weil es sonst bereits an einem verzinsbaren Kapital fehlt. So liegen die Verhältnisse hier, weil sich aufgrund der ablehnenden Entscheidung der Beklagten vom 6. März 2006 gerade keine Feststellung eines Leistungsanspruchs des Klägers und mithin kein verzinsbarer Betrag ergab. Ob der auf § 66 SGB I gestützte Ablehnungsbescheid rechtmäßig oder rechtswidrig war, ist dabei unerheblich, denn auch bei Rechtswidrigkeit der damaligen Ablehnungsentscheidung kann ein Verzinsungsanspruch nicht entstehen, weil der Verzinsungsbeginn bei ablehnenden Entscheidungen nicht gesetzlich geregelt ist. Das gilt auch dann, wenn die Leistung später zugestanden wird (vgl. Seewald, a.a.O., Rdnr. 25). Abzustellen ist damit für den Verzinsungsbeginn nach § 44 Abs. 2, 2. Halbsatz SGB I auf die Bekanntgabe der positiven Entscheidung über die Rentengewährung, also den Rentenbescheid der Beklagten vom 13. Februar 2008. Danach hätte eine Verzinsung erst am 1. April 2008 zu beginnen. Zu diesem Zeitpunkt war die Leistung bereits ausgezahlt. Die Konstellation, in der sich die Beteiligten durch (außergerichtlichen) Vergleich auf die Gewährung der Leistung einigen mit der Folge, dass der Zeitpunkt des Abschlusses des Vergleiches als „Entscheidung“ über die Leistung anzusehen ist (vgl. BSG, Urteil vom 30. Januar 1991, SozR 3-1200 § 44 Nr. 3) liegt nicht vor. Denn die am 16. Oktober 2007 vor dem LSG Baden-Württemberg (L 11 R 4254/07) abgegebene beiderseitige Erledigungserklärung ist zum Einen kein Vergleich und erkennt zum Anderen keinen Leistungsanspruch zu.
25 
Die Berufung ist jedoch begründet, soweit der Kläger mit der Anfechtungsklage den Widerspruchsbescheid vom 5. September 2008 angreift. Dieser Widerspruchsbescheid ist aufzuheben, weil er ein unstatthafter zweiter Widerspruchsbescheid ist. Denn der Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 13. Februar 2008 war durch den Widerspruchsbescheid vom 7. Juli 2008 wirksam und damit abschließend beschieden worden, auch wenn die Beklagte dabei - offenbar versehentlich - die Widerspruchsbegründung des Klägers außer Acht gelassen hatte.
26 
Der Widerspruchsbescheid vom 5. September 2008 hat denjenigen vom 7. Juli 2008 nicht aufgehoben. Dies ist weder ausdrücklich erfolgt, noch kann der zweite Widerspruchsbescheid derart ausgelegt oder umgedeutet werden.
27 
Der Widerspruchsbescheid vom 5. September 2008 ist, auch wenn er denjenigen vom 7. Juli 2008 in seinem Regelungsgehalt weder geändert noch ersetzt, sondern lediglich wiederholt hat, nach § 96 SGG Gegenstand des anhängigen Gerichtsverfahrens geworden. Neuer Verwaltungsakt im Sinne des § 96 SGG kann auch ein Widerspruchsbescheid sein (BSG, Urteil vom 4. Mai 1994, SozR 3-4100 § 249c Nr. 4). Es erscheint angemessen, § 96 SGG jedenfalls entsprechend anzuwenden, wenn ein Widerspruch während eines anhängigen Klageverfahrens erneut beschieden wird. Hierdurch wird der Rechtsschutz des Klägers nicht aus Gründen so genannter Prozessökonomie in verfassungswidriger Weise (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 des Grundgesetzes) eingeschränkt (vgl. BSG, Urteil vom 14. Dezember 1994, SozR 3-5850 § 1 Nr. 1).
28 
Der Widerspruchsbescheid vom 5. September 2008 ist rechtswidrig und war daher aufzuheben. In zulässiger objektiver Klagehäufung (§ 56 SGG) hat der Kläger auch eine Anfechtungsklage dagegen erhoben, dass sein Widerspruch - erneut - zurückgewiesen wurde. Die Widerspruchsstelle der Beklagten war jedenfalls nicht befugt, während des Gerichtsverfahrens einen zweiten Widerspruchsbescheid zu erlassen. Das Widerspruchsverfahren als notwendige Prozessvoraussetzung war nämlich mit Erlass des Widerspruchsbescheides vom 7. Juli 2008 abgeschlossen. Damit endeten prozessrechtlich Zuständigkeit und Kompetenz der Widerspruchsstelle; sie durfte nach Erlass des Widerspruchsbescheides nicht mehr tätig werden, weil ein Widerspruch, über den sie hätte befinden müssen, nicht mehr anhängig war (vgl. BSG, a.a.O.; Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 6. Juli 1992 - 12 UE 262/91 - ; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage, § 85 Rdnr. 7b). Mit Anhängigkeit der Anfechtungsklage war die Verfahrensherrschaft auf das Gericht übergegangen. Der zuvor mit dem Widerspruch angefochtene Bescheid war in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Juli 2008 (§ 95 SGG) Gegenstand der Klage geworden.
29 
Erstmals im Berufungsverfahren hat der Kläger die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 6. März 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Mai 2006 begehrt. Hiermit bezieht der Kläger in das ursprüngliche Klageverfahren ein weiteres Klagebegehren ein. Diese als Klageänderung anzusehende Klageerweiterung wäre nach § 99 Abs. 1 SGG jedoch nur zulässig, wenn entweder die übrigen Beteiligten einwilligen würden oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hielte oder ein Fall des § 99 Abs. 3 SGG vorläge, der hier jedoch nicht gegeben ist. Auch eine Einwilligung der Beklagten in die Klageänderung ist weder ausdrücklich noch stillschweigend erfolgt. Insbesondere hat sich die Beklagte auf die Klageänderung weder in einem Schriftsatz noch in der mündlichen Verhandlung eingelassen (Leitherer, a.a.O., § 99 Rdnrn. 8a und 9, jeweils m.w.N.).
30 
Eine Sachdienlichkeit der Klageerweiterung ist nicht gegeben. Eine Klageänderung ist stets dann sachdienlich, wenn sie dazu führt, dass der Streit zwischen den Beteiligten in einem Verfahren beigelegt und endgültig bereinigt werden kann, so dass ein neuer Prozess vermieden wird (Leitherer, a.a.O., § 99 Rdnr. 10 m.w.N.). Nicht sachdienlich ist hingegen eine Klageänderung dann, wenn sie dazu führt, dass der Rechtsstreit auf eine völlig neue Grundlage gestellt wird (Leitherer, a.a.O., § 99 Rdnr. 10a m.w.N.) oder es sich um Klageanträge handelt, bei denen erkennbar nicht alle Prozessvoraussetzungen gegeben sind und über die daher ohnehin nicht in der Sache entschieden werden kann (BSG, Urteil vom 23. März 1993 - 4 RA 39/91 - ; Leitherer, a.aO., § 99 Rdnr. 10a).
31 
Der Senat kann ohnehin über den vom Kläger erhobenen Feststellungsantrag nicht entscheiden, weil dieser Antrag unzulässig ist. Damit fehlt es auch an einer Sachdienlichkeit der Klageänderung. Mit einer Feststellungsklage kann - was allein hier in Betracht kommt - die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG) begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Das Feststellungsinteresse stellt eine besondere Form des Rechtsschutzbedürfnisses dar (Castendiek in Hk-SGG, 3. Auflage, § 55 Rdnr. 26).
32 
Der Senat kann offen lassen, ob § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG erweiternd dahingehend ausgelegt werden kann, dass mit einer Feststellungsklage (nachträglich) auch die Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsaktes, insbesondere eines erledigten Verwaltungsaktes, festgestellt werden kann (zweifelnd BSG, Urteil vom 24. Juli 1996 - 7 KlAr 1/95 - ). Denn die Voraussetzungen für eine zulässige Feststellungklage liegen ohnehin nicht vor. Der Bescheid vom 6. März 2006 hat sich durch die mit Bescheid vom 13. Februar 2008 erfolgte Rentenbewilligung erledigt (§ 39 Abs. 2 SGB X). Er ist gegenstandslos geworden, denn die Beklagte hält an der mit dem Bescheid vom 6. März 2006 verfügten Rentenversagung nicht mehr fest. Vielmehr hat sie die Rente auf der Grundlage der Antragstellung vom 29. November 2005 rückwirkend in vollem Umfang bewilligt. Der Bescheid kann ein aktuelles Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten damit nicht mehr regeln. Zwar können grundsätzlich auch vergangene Rechtsverhältnisse Gegenstand einer Feststellungsklage sein (vgl. BSG, Urteil vom 15. März 1995, SozR 3-2500 § 120 Nr. 5; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 55 Rdnr. 8), doch fehlt es insoweit an einem Feststellungsinteresse des Klägers. Ein solches kommt nur in besonderen Fällen in Entsprechung zu den Grundsätzen bei der Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG in Betracht, nämlich bei Wiederholungsgefahr, Rehabilitationsinteresse oder zur Vorbereitung eines Amtshaftungsprozesses (vgl. Keller, a.a.O., Rdnr. 15b m. w. N.). Keine dieser Konstellationen wird vom Kläger behauptet (zur Substantiierungspflicht vgl. BSG, Urteil vom 28. August 2007 - B 7/7a AL 16/06 R - m.w.N. ) oder ergibt sich aus der Aktenlage. Dass der Kläger meint, er könne aus der evtl. Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 6. März 2006 einen Zinsanspruch herleiten, ist - wie bereits dargelegt - von vornherein unzutreffend und kann deshalb ein Interesse (Rechtsschutzbedürfnis) für eine entsprechende Feststellung nicht begründen.
33 
Auch als Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 131 Abs. 1 Satz 3 SGG) ist der Antrag nicht zulässig. Nach § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. Ein berechtigtes Interesse, das erledigte ursprüngliche Verfahren mit dem veränderten Ziel einer Feststellung der Rechtswidrigkeit fortzusetzen, kann nach der Rechtsprechung (vgl. z.B. BSG Urteil vom 18. Mai 2011, SozR 4-2500 § 33 Nr. 34; Keller, a.a.O., § 131 Rdnr. 7b m.w.N.) in Betracht kommen bei Wiederholungsgefahr, Rehabilitationsinteresse und Präjudiziabilität des Verfahrens für einen anderen Rechtsstreit. Diese Voraussetzungen liegen jedoch beim Kläger schon deshalb nicht vor, weil es an einem vorangegangenen Verfahren, das als Fortsetzungsfeststellungsklage fortgeführt werden könnte, fehlt. Die Fortsetzungsfeststellungsklage setzt nämlich voraus, dass sich während des Rechtsstreits ein mit der Anfechtungsklage angegriffener Verwaltungsakt erledigt (vgl. Keller, a.a.O. Rdnr. 7, 7b m.w.N.). Der Zweck jener Klageart liegt darin, den Kläger nicht um die Früchte des Rechtsstreits zu bringen, wenn sich der angefochtene Bescheid erledigt. Zwar hatte vorliegend der Kläger den Bescheid vom 6. März 2006 ursprünglich mit einer Anfechtungsklage vor dem SG angegriffen (S S 11 R 2304/06), doch wurde der Rechtsstreit in der Berufungsinstanz (L 11 R 4254/07) durch beiderseitige Erledigungserklärungen beendet. Eine Grundlage für eine Fortsetzungsfeststellungsklage besteht daher nicht mehr.
34 
Eine Sachdienlichkeit im dargestellten Sinne liegt damit nicht vor. Die im Begehren auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 6. März 2006 zu sehende Klageänderung ist somit mangels Sachdienlichkeit unzulässig; die hierauf gerichtete Klage (als unzulässig) abzuweisen (Leitherer, a.a.O., § 99 Rdnr. 14; Roller in Hk-SGG, a.a.O., § 99 Rdnr. 17).
35 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Angesichts des geringen Anteils des klägerischen Obsiegens bestand im Rahmen der zu treffenden Kostenentscheidung keine Veranlassung für den Senat, der Beklagten die Erstattung außergerichtlicher Kosten des Klägers (zum Teil) aufzuerlegen.
36 
Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG), liegen nicht vor.

Gründe

 
14 
Die nach § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, insbesondere statthaft (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Die Beschwerdewertgrenze von mehr als 750,- EUR ist angesichts der erheblichen Höhe der im Falle eines Obsiegens des Klägers zu verzinsenden Nachzahlung (31.232,52 EUR), der (gesetzlichen) Zinshöhe von vier vom Hundert und der Dauer des geltend gemachten Zinszeitraumes (6. April 2006 bis Januar 2008) ersichtlich überschritten.
15 
Die Berufung hat jedoch in der Sache nur insoweit Erfolg, als der Kläger mit seiner gemäß § 54 Abs. 1 SGG erhobenen Anfechtungsklage (auch) den Widerspruchsbescheid vom 5. September 2008 angreift. Im Übrigen hat das SG die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 13. Februar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Juli 2008 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der mit dem angefochtenen Bescheid festgesetzte Nachzahlungsbetrag, der in unmittelbarem Anschluss zur Auszahlung gelangte, ist nicht zu verzinsen.
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Gemäß § 44 Abs. 1 SGB I sind Ansprüche auf Geldleistungen nach Ablauf eines Kalendermonats nach dem Eintritt ihrer Fälligkeit bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung mit vier vom Hundert zu verzinsen. Ansprüche auf Sozialleistungen werden nach § 41 Abs. 1 SGB I mit ihrem Entstehen fällig. Sie entstehen, sobald ihre im Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen (§ 40 Abs. 1 SGB I). Ungeachtet einer bereits eingetretenen Fälligkeit beginnt die Verzinsung nach § 44 Abs. 2 SGB I allerdings frühestens nach Ablauf von sechs Kalendermonaten nach Eingang des vollständigen Leistungsantrags beim zuständigen Leistungsträger bzw. beim Fehlen eines Antrags nach Ablauf eines Kalendermonats nach der Bekanntgabe der Entscheidung über die Leistung.
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Bei der vorliegend im Streit stehenden Altersrente handelt es sich um eine Leistung, die nur auf Antrag gewährt wird (§ 115 Abs. 1 Satz 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch ). Damit richtet sich die Verzinsung nach § 44 Abs. 1, 2 Halbsatz 1 SGB I, weshalb die Verzinsungspflicht sechs Monate nach vollständigem Eingang des Leistungsantrags beginnt. Vollständiger Leistungsantrag in diesem Sinne war erst der Antrag des Klägers vom 28. September 2007, mit dem er die Rente unter Verwendung des von der Rentenversicherung herausgegebenen Antragsvordrucks „R 100“ beantragte. Entsprechend hätte die Verzinsung - wie die Beklagte zutreffend ausführt - frühestens am 1. April 2008, nämlich sechs Kalendermonate nach Antragseingang, beginnen können, also erst zu einem Zeitpunkt, zu dem die Nachzahlung bereits ausgezahlt war, weshalb diese nicht zu verzinsen ist.
18 
Für den Eingang des vollständigen Leistungsantrags im Sinne der genannten Regelung ist nicht auf den formlosen Rentenantrag vom 26. November 2005 (Eingang bei der Beklagten am 29. November 2005) abzustellen. Denn dieser Antrag war nicht vollständig und versetzte die Beklagte nicht in die Lage, über die begehrte Rente in vollem Umfang zu entscheiden. Eine teilweise Entscheidung über den Antrag - wie sie der Kläger für möglich hält - sieht das Gesetz nicht vor und wäre aufgrund fehlender Daten ohnehin nicht möglich gewesen.
19 
Wie das Bundessozialgericht (BSG) in Fortsetzung einer ständigen Rechtsprechung bereits klargestellt hat (BSG SozR 1200 § 44 Nr. 16 m.w.N.), liegt - woran keine strengen Anforderungen zu stellen sind (vgl. BSG USK 82246 S. 1133) - ein "vollständiger" Leistungsantrag im Sinne von § 44 Abs. 2, 1. Alternative SGB I vor, wenn der zuständige Leistungsträger durch ihn in die Lage versetzt wird, den geltend gemachten Anspruch nach Grund und Höhe zu überprüfen, d. h. die von Amts wegen durchzuführende (§ 20 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch ) Ermittlung des Sachverhalts zügig aufzunehmen und die ggf. noch erforderlichen tatsächlichen Feststellungen zu treffen und die begehrte Leistung zu bewilligen (BSG, Urteil vom 22. Juni 1989, SozR 1200 § 44 Nr. 24). Für den Antragsteller bedeutet Vollständigkeit des Leistungsantrags, die Amtsermittlung des Leistungsträgers in dem im Rahmen seiner Mitwirkungsmöglichkeit und -pflichten (§ 60, 65 SGB I) zumutbaren Umfang vorzubereiten und zu ermöglichen. Ein Leistungsantrag ist daher nicht erst dann "vollständig" im Sinne des Gesetzes, wenn der Leistungsträger allein schon durch ihn in die Lage versetzt wird, das Leistungsbegehren abschließend zu verbescheiden (BSG a.a.O.; Bundesverwaltungsgericht Buchholz 436.0 § 5 Nr. 3). In diesem Sinne reicht es aus, wenn der Antrag alle Tatsachen enthält, die der Antragsteller zur Bearbeitung seines Antrags angeben muss (BSG, a.a.O.).
20 
Unverkennbar ist nach alledem der genaue Zeitpunkt des Fristbeginns wegen der wechselseitigen Abhängigkeit von Amtsermittlung (§§ 20 ff SGB X) und Mitwirkungsobliegenheiten bei der Antragstellung (§§ 60, 65 SGB I) im Einzelfall unter Umständen von Zufälligkeiten abhängig und nur unter abwägender Beurteilung der beiderseitigen Handlungspflichten feststellbar. Dies widerstreitet dem Konzept des Gesetzgebers, die Verzinsung aus Gründen größtmöglicher Verwaltungsvereinfachung ausschließlich vom Zeitablauf (BT-Drucks 7/868, S. 30), also von einem objektiv bestimmten und leicht feststellbaren Kriterium abhängig zu machen. In diesem Zusammenhang erlangt Bedeutung, dass der Gesetzgeber die Grundlinien des Zusammenwirkens von Leistungsträgern und Berechtigten bei der Antragstellung modellhaft vorgezeichnet hat: Gemäß § 17 Abs. 1 Nr. 3 SGB I sind die Leistungsträger verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass der Zugang zu den Sozialleistungen möglichst einfach gestaltet wird, insbesondere durch Verwendung allgemein verständlicher Antragsvordrucke. Sie haben nach § 16 Abs. 3 SGB I auch darauf hinzuwirken, dass klare und sachdienliche Anträge gestellt werden. Entsprechend sollen die Antragsteller nach § 60 Abs. 2 SGB I vorgesehene Antragsvordrucke für die Angaben benutzen, die sie nach § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 SGB I zu machen haben. Sind die Angaben "unvollständig", hat der Leistungsträger gemäß § 16 Abs. 3 SGB I unverzüglich auf ihre Ergänzung hinzuwirken. Ersichtlich ermächtigt das Gesetz die Leistungsträger, denen bekannt ist, welche Angaben und Unterlagen für die zügige Bearbeitung eines Antrags typischerweise erforderlich sind, nach pflichtgemäßem Ermessen unter Beachtung der Grenzen der Mitwirkungspflichten (§§ 60, 65 SGB I) zweckmäßig gestaltete Antragsvordrucke zur - obligatorischen - Benutzung (§ 60 Abs. 2 SGB I) durch die Antragsteller herauszugeben, um es diesen zu ermöglichen, einen von vornherein vollständigen Leistungsantrag zu stellen (vgl. BSG, a.a.O.).
21 
Dem ist bei Auslegung und Anwendung des § 44 Abs. 2 SGB I Rechnung zu tragen: Wenn ein Leistungsträger Antragsvordrucke (§ 17 Abs. 1 Nr. 3 SGB I) herausgegeben hat, liegt ein vollständiger Leistungsantrag spätestens vor, sobald der Antragsteller den Vordruck für den Antrag auf die begehrte Leistung vollständig ausgefüllt und auch die darin als beizubringend bezeichneten (§ 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB I) Unterlagen eingereicht hat. Dies gilt auch dann, wenn der Antragsteller - etwa aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls - über den Antragsvordruck hinaus durch weitere erhebliche Angaben (§ 60 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2 SGB I), Erklärungen (§ 60 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 3 SGB I) oder die Vorlage weiterer Beweisurkunden (§ 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB I) bei der Bearbeitung des Antrags mitzuwirken hat (§ 65 Abs. 1 und 3 SGB I). Denn das Gesetz nimmt im Interesse der Berechtigten an einem möglichst einfach gestalteten Zugang zu den Sozialleistungen (§ 17 Abs. 1 Nr. 3 SGB I) die mit einem notwendig typisierenden Vordruck unvermeidbar verbundene Pauschalierung der Anforderungen an einen "vollständigen" Leistungsantrag in Kauf. Andererseits legt es dem Antragsteller für den Einzelfall - abgesehen von der Pflicht zur Benutzung des Vordrucks (§ 60 Abs. 2 SGB I) - keine über §§ 60, 65 SGB I hinausgehenden Mitwirkungspflichten beim Antrag auf. Daher ist er auch bei Benutzung eines in genereller Betrachtung ermessensfehlerfrei ausgestalteten Antragsvordrucks nicht zu Angaben oder zur Vorlage von Beweisurkunden verpflichtet, soweit dies für die Leistung nicht erheblich (§ 60 Abs. 1 SGB I), unangemessen (§ 65 Abs. 1 Nr. 1 SGB I) oder unzumutbar (§ 65 Abs. 1 Nr. 2 SGB I) ist oder der Leistungsträger sich durch geringeren Aufwand als er die erforderlichen Kenntnisse selbst beschaffen kann (§ 65 Abs. 1 Nr. 3 SGB I) oder ein Verweigerungsrecht (§ 65 Abs. 3 SGB I) besteht. Ein Antrag kann also "vollständig" sein, obwohl der Antragsvordruck "unvollständig" ausgefüllt ist oder darin angeforderte Unterlagen nicht eingereicht worden sind, wenn im Einzelfall im Blick hierauf keine Mitwirkungspflicht (§§ 60 Abs. 1, 65 Abs. 1 und 3 SGB I) bestanden hat (vgl. BSG, a.a.O.).
22 
Danach war der 29. November 2005 wirksam gestellte Leistungsantrag des Klägers erst mit Eingang des von der Beklagten herausgegebenen und vom Kläger ausgefüllten Antragsvordruck am 28. September 2007 vollständig. Bis zu diesem Zeitpunkt fehlten u.a. insbesondere Angaben zum Krankenversicherungsschutz des Klägers, zum (laufenden) Bezug von Arbeitsentgelt und zur Bankverbindung. Ohne diese Angaben waren der Beklagten weder eine Entscheidung über den geltenden gemachten Anspruch auf Altersrente noch eine Auszahlung der evtl. bewilligten Rente möglich (zu den u.a. maßgeblich zu prüfenden Vorschriften hinsichtlich des Krankenversicherungsschutzes vgl. §§ 5 Abs. 1 Nr. 11, 255 Abs. 1 Satz 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch und § 106 SGB VI; zur Relevanz des Bezuges von Arbeitsentgelt neben einer Rente vgl. § 34 Abs. 2 SGB VI; zur regelmäßig erfolgenden Auszahlung der Rente auf ein Konto des Empfängers vgl. § 118 Abs. 1 SGB VI und § 17 Abs. 1 Nr. 1 SGB I). Ob daneben wegen der zunächst noch fehlenden Bestätigung der Personenstandsdaten des Klägers und seines Sohnes erst mit deren Eingang am 13. Dezember 2007 (vgl. Bl. 64 der Verwaltungsakte) von Vollständigkeit des Leistungsantrages ausgegangen werden kann, kann offen bleiben, weil dieser Zeitpunkt nach dem Zeitpunkt des Eingangs des Formantrages liegt und erst recht keinen Verzinsungsanspruch auslösen würde.
23 
Soweit der Kläger meint, die Beklagte habe aufgrund des zunächst unvollständigen Antrages die Möglichkeit gehabt, eine „Teilentscheidung“ über den erhobenen Anspruch aufgrund der im Rentenkonto gespeicherten Daten zu treffen, gibt es hierfür im Gesetz keine Grundlage. Vielmehr hat der Leistungsträger im Gegenteil darauf hinzuwirken, dass klare und sachdienliche Anträge gestellt und unvollständige Angaben ergänzt werden (§ 16 Abs. 3 SGB I). Dies ist vorliegend im Rahmen des Verwaltungsverfahrens geschehen. Dass der Kläger mit dem formlosen Antrag Vorschusszahlungen auf seine Rente begehrt hätte (zu dieser dem Ermessen der Verwaltung unterliegenden Möglichkeit vgl. § 42 SGB I), ist weder diesem Antrag noch seinem weiteren Vorbringen zu entnehmen.
24 
Schließlich kann - anders als der Kläger meint - auch nicht der Ablehnungsbescheid vom 6. März 2006 zur Grundlage einer am 6. April 2006 beginnenden Verzinsung gemacht werden. Zwar regelt § 44 Abs. 2, 2. Halbsatz SGB I, dass die Verzinsung einen Monat nach Bekanntgabe der Entscheidung über die Leistung beginnt, wenn ein Antrag fehlt. Denknotwendig setzt die Anwendung der Norm aber eine positive Entscheidung über den Leistungsanspruch voraus (vgl. Seewald in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, 73. Ergänzungslieferung 2012, § 44 SGB I, Rdnr. 24), weil es sonst bereits an einem verzinsbaren Kapital fehlt. So liegen die Verhältnisse hier, weil sich aufgrund der ablehnenden Entscheidung der Beklagten vom 6. März 2006 gerade keine Feststellung eines Leistungsanspruchs des Klägers und mithin kein verzinsbarer Betrag ergab. Ob der auf § 66 SGB I gestützte Ablehnungsbescheid rechtmäßig oder rechtswidrig war, ist dabei unerheblich, denn auch bei Rechtswidrigkeit der damaligen Ablehnungsentscheidung kann ein Verzinsungsanspruch nicht entstehen, weil der Verzinsungsbeginn bei ablehnenden Entscheidungen nicht gesetzlich geregelt ist. Das gilt auch dann, wenn die Leistung später zugestanden wird (vgl. Seewald, a.a.O., Rdnr. 25). Abzustellen ist damit für den Verzinsungsbeginn nach § 44 Abs. 2, 2. Halbsatz SGB I auf die Bekanntgabe der positiven Entscheidung über die Rentengewährung, also den Rentenbescheid der Beklagten vom 13. Februar 2008. Danach hätte eine Verzinsung erst am 1. April 2008 zu beginnen. Zu diesem Zeitpunkt war die Leistung bereits ausgezahlt. Die Konstellation, in der sich die Beteiligten durch (außergerichtlichen) Vergleich auf die Gewährung der Leistung einigen mit der Folge, dass der Zeitpunkt des Abschlusses des Vergleiches als „Entscheidung“ über die Leistung anzusehen ist (vgl. BSG, Urteil vom 30. Januar 1991, SozR 3-1200 § 44 Nr. 3) liegt nicht vor. Denn die am 16. Oktober 2007 vor dem LSG Baden-Württemberg (L 11 R 4254/07) abgegebene beiderseitige Erledigungserklärung ist zum Einen kein Vergleich und erkennt zum Anderen keinen Leistungsanspruch zu.
25 
Die Berufung ist jedoch begründet, soweit der Kläger mit der Anfechtungsklage den Widerspruchsbescheid vom 5. September 2008 angreift. Dieser Widerspruchsbescheid ist aufzuheben, weil er ein unstatthafter zweiter Widerspruchsbescheid ist. Denn der Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 13. Februar 2008 war durch den Widerspruchsbescheid vom 7. Juli 2008 wirksam und damit abschließend beschieden worden, auch wenn die Beklagte dabei - offenbar versehentlich - die Widerspruchsbegründung des Klägers außer Acht gelassen hatte.
26 
Der Widerspruchsbescheid vom 5. September 2008 hat denjenigen vom 7. Juli 2008 nicht aufgehoben. Dies ist weder ausdrücklich erfolgt, noch kann der zweite Widerspruchsbescheid derart ausgelegt oder umgedeutet werden.
27 
Der Widerspruchsbescheid vom 5. September 2008 ist, auch wenn er denjenigen vom 7. Juli 2008 in seinem Regelungsgehalt weder geändert noch ersetzt, sondern lediglich wiederholt hat, nach § 96 SGG Gegenstand des anhängigen Gerichtsverfahrens geworden. Neuer Verwaltungsakt im Sinne des § 96 SGG kann auch ein Widerspruchsbescheid sein (BSG, Urteil vom 4. Mai 1994, SozR 3-4100 § 249c Nr. 4). Es erscheint angemessen, § 96 SGG jedenfalls entsprechend anzuwenden, wenn ein Widerspruch während eines anhängigen Klageverfahrens erneut beschieden wird. Hierdurch wird der Rechtsschutz des Klägers nicht aus Gründen so genannter Prozessökonomie in verfassungswidriger Weise (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 des Grundgesetzes) eingeschränkt (vgl. BSG, Urteil vom 14. Dezember 1994, SozR 3-5850 § 1 Nr. 1).
28 
Der Widerspruchsbescheid vom 5. September 2008 ist rechtswidrig und war daher aufzuheben. In zulässiger objektiver Klagehäufung (§ 56 SGG) hat der Kläger auch eine Anfechtungsklage dagegen erhoben, dass sein Widerspruch - erneut - zurückgewiesen wurde. Die Widerspruchsstelle der Beklagten war jedenfalls nicht befugt, während des Gerichtsverfahrens einen zweiten Widerspruchsbescheid zu erlassen. Das Widerspruchsverfahren als notwendige Prozessvoraussetzung war nämlich mit Erlass des Widerspruchsbescheides vom 7. Juli 2008 abgeschlossen. Damit endeten prozessrechtlich Zuständigkeit und Kompetenz der Widerspruchsstelle; sie durfte nach Erlass des Widerspruchsbescheides nicht mehr tätig werden, weil ein Widerspruch, über den sie hätte befinden müssen, nicht mehr anhängig war (vgl. BSG, a.a.O.; Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 6. Juli 1992 - 12 UE 262/91 - ; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage, § 85 Rdnr. 7b). Mit Anhängigkeit der Anfechtungsklage war die Verfahrensherrschaft auf das Gericht übergegangen. Der zuvor mit dem Widerspruch angefochtene Bescheid war in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Juli 2008 (§ 95 SGG) Gegenstand der Klage geworden.
29 
Erstmals im Berufungsverfahren hat der Kläger die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 6. März 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Mai 2006 begehrt. Hiermit bezieht der Kläger in das ursprüngliche Klageverfahren ein weiteres Klagebegehren ein. Diese als Klageänderung anzusehende Klageerweiterung wäre nach § 99 Abs. 1 SGG jedoch nur zulässig, wenn entweder die übrigen Beteiligten einwilligen würden oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hielte oder ein Fall des § 99 Abs. 3 SGG vorläge, der hier jedoch nicht gegeben ist. Auch eine Einwilligung der Beklagten in die Klageänderung ist weder ausdrücklich noch stillschweigend erfolgt. Insbesondere hat sich die Beklagte auf die Klageänderung weder in einem Schriftsatz noch in der mündlichen Verhandlung eingelassen (Leitherer, a.a.O., § 99 Rdnrn. 8a und 9, jeweils m.w.N.).
30 
Eine Sachdienlichkeit der Klageerweiterung ist nicht gegeben. Eine Klageänderung ist stets dann sachdienlich, wenn sie dazu führt, dass der Streit zwischen den Beteiligten in einem Verfahren beigelegt und endgültig bereinigt werden kann, so dass ein neuer Prozess vermieden wird (Leitherer, a.a.O., § 99 Rdnr. 10 m.w.N.). Nicht sachdienlich ist hingegen eine Klageänderung dann, wenn sie dazu führt, dass der Rechtsstreit auf eine völlig neue Grundlage gestellt wird (Leitherer, a.a.O., § 99 Rdnr. 10a m.w.N.) oder es sich um Klageanträge handelt, bei denen erkennbar nicht alle Prozessvoraussetzungen gegeben sind und über die daher ohnehin nicht in der Sache entschieden werden kann (BSG, Urteil vom 23. März 1993 - 4 RA 39/91 - ; Leitherer, a.aO., § 99 Rdnr. 10a).
31 
Der Senat kann ohnehin über den vom Kläger erhobenen Feststellungsantrag nicht entscheiden, weil dieser Antrag unzulässig ist. Damit fehlt es auch an einer Sachdienlichkeit der Klageänderung. Mit einer Feststellungsklage kann - was allein hier in Betracht kommt - die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG) begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Das Feststellungsinteresse stellt eine besondere Form des Rechtsschutzbedürfnisses dar (Castendiek in Hk-SGG, 3. Auflage, § 55 Rdnr. 26).
32 
Der Senat kann offen lassen, ob § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG erweiternd dahingehend ausgelegt werden kann, dass mit einer Feststellungsklage (nachträglich) auch die Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsaktes, insbesondere eines erledigten Verwaltungsaktes, festgestellt werden kann (zweifelnd BSG, Urteil vom 24. Juli 1996 - 7 KlAr 1/95 - ). Denn die Voraussetzungen für eine zulässige Feststellungklage liegen ohnehin nicht vor. Der Bescheid vom 6. März 2006 hat sich durch die mit Bescheid vom 13. Februar 2008 erfolgte Rentenbewilligung erledigt (§ 39 Abs. 2 SGB X). Er ist gegenstandslos geworden, denn die Beklagte hält an der mit dem Bescheid vom 6. März 2006 verfügten Rentenversagung nicht mehr fest. Vielmehr hat sie die Rente auf der Grundlage der Antragstellung vom 29. November 2005 rückwirkend in vollem Umfang bewilligt. Der Bescheid kann ein aktuelles Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten damit nicht mehr regeln. Zwar können grundsätzlich auch vergangene Rechtsverhältnisse Gegenstand einer Feststellungsklage sein (vgl. BSG, Urteil vom 15. März 1995, SozR 3-2500 § 120 Nr. 5; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 55 Rdnr. 8), doch fehlt es insoweit an einem Feststellungsinteresse des Klägers. Ein solches kommt nur in besonderen Fällen in Entsprechung zu den Grundsätzen bei der Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG in Betracht, nämlich bei Wiederholungsgefahr, Rehabilitationsinteresse oder zur Vorbereitung eines Amtshaftungsprozesses (vgl. Keller, a.a.O., Rdnr. 15b m. w. N.). Keine dieser Konstellationen wird vom Kläger behauptet (zur Substantiierungspflicht vgl. BSG, Urteil vom 28. August 2007 - B 7/7a AL 16/06 R - m.w.N. ) oder ergibt sich aus der Aktenlage. Dass der Kläger meint, er könne aus der evtl. Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 6. März 2006 einen Zinsanspruch herleiten, ist - wie bereits dargelegt - von vornherein unzutreffend und kann deshalb ein Interesse (Rechtsschutzbedürfnis) für eine entsprechende Feststellung nicht begründen.
33 
Auch als Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 131 Abs. 1 Satz 3 SGG) ist der Antrag nicht zulässig. Nach § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. Ein berechtigtes Interesse, das erledigte ursprüngliche Verfahren mit dem veränderten Ziel einer Feststellung der Rechtswidrigkeit fortzusetzen, kann nach der Rechtsprechung (vgl. z.B. BSG Urteil vom 18. Mai 2011, SozR 4-2500 § 33 Nr. 34; Keller, a.a.O., § 131 Rdnr. 7b m.w.N.) in Betracht kommen bei Wiederholungsgefahr, Rehabilitationsinteresse und Präjudiziabilität des Verfahrens für einen anderen Rechtsstreit. Diese Voraussetzungen liegen jedoch beim Kläger schon deshalb nicht vor, weil es an einem vorangegangenen Verfahren, das als Fortsetzungsfeststellungsklage fortgeführt werden könnte, fehlt. Die Fortsetzungsfeststellungsklage setzt nämlich voraus, dass sich während des Rechtsstreits ein mit der Anfechtungsklage angegriffener Verwaltungsakt erledigt (vgl. Keller, a.a.O. Rdnr. 7, 7b m.w.N.). Der Zweck jener Klageart liegt darin, den Kläger nicht um die Früchte des Rechtsstreits zu bringen, wenn sich der angefochtene Bescheid erledigt. Zwar hatte vorliegend der Kläger den Bescheid vom 6. März 2006 ursprünglich mit einer Anfechtungsklage vor dem SG angegriffen (S S 11 R 2304/06), doch wurde der Rechtsstreit in der Berufungsinstanz (L 11 R 4254/07) durch beiderseitige Erledigungserklärungen beendet. Eine Grundlage für eine Fortsetzungsfeststellungsklage besteht daher nicht mehr.
34 
Eine Sachdienlichkeit im dargestellten Sinne liegt damit nicht vor. Die im Begehren auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 6. März 2006 zu sehende Klageänderung ist somit mangels Sachdienlichkeit unzulässig; die hierauf gerichtete Klage (als unzulässig) abzuweisen (Leitherer, a.a.O., § 99 Rdnr. 14; Roller in Hk-SGG, a.a.O., § 99 Rdnr. 17).
35 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Angesichts des geringen Anteils des klägerischen Obsiegens bestand im Rahmen der zu treffenden Kostenentscheidung keine Veranlassung für den Senat, der Beklagten die Erstattung außergerichtlicher Kosten des Klägers (zum Teil) aufzuerlegen.
36 
Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG), liegen nicht vor.

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