Urteil vom Landessozialgericht Baden-Württemberg - L 11 R 2083/15

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 24.03.2015 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird endgültig auf 18.270,83 EUR festgesetzt.

Tatbestand

 
Die Beteiligten streiten im Rahmen der Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen aufgrund einer Betriebsprüfung über die Sozialversicherungspflicht der Beigeladenen zu 1).
Der Kläger betreibt als eingetragener Kaufmann ein Bestattungshaus mit mehreren Filialen. Die 1963 geborene Beigeladene zu 1) meldete ab 01.04.2003 ein Gewerbe an. Seit 2003 ist sie auch für den Kläger tätig und verrichtet dort „Dienstleistungen rund ums Haus“, dh insbesondere Gebäudereinigung und Botengänge zu Standesämtern. Schriftliche Verträge gibt es hierzu nicht. Die Beigeladene zu 1) stellte für ihre Tätigkeit monatlich Rechnungen mit einem Stundensatz von 8,50 EUR (2004) bis 10 EUR (2007) zuzüglich Umsatzsteuer. Für die Nutzung ihres eigenen Pkw zu Botengängen erhielt sie Auslagenersatz (0,30 EUR pro km). Zu Beginn der Tätigkeit war die Beigeladene zu 1) für den Kläger im Schnitt vier Stunden täglich tätig, dies steigerte sich kontinuierlich bis auf ca sieben Stunden täglich 2007.
Die Beklagte führte beim Kläger in der Zeit vom 01.08.2008 bis 16.02.2009 eine Betriebsprüfung durch. Die Beigeladene zu 1) führte in einem schriftlichen Fragebogen aus, Reinigungsgeräte und -mittel würden gestellt, sie benutze jedoch ihr eigenes Fahrzeug. Arbeitnehmer habe sie nicht beschäftigt, sie sei jedoch nicht verpflichtet, die Tätigkeiten in eigener Person zu erbringen. Die Arbeitszeit sei frei gestaltbar, es gebe keine Vorgaben, sie sei auch nicht organisatorisch eingebunden. 2004 bis 2007 habe sie neben der Tätigkeit für den Kläger noch Reinigungsarbeiten auf 400 EUR-Basis für einen Steuerberater (ihren Schwager) erbracht und stundenweise für drei weitere Kunden gearbeitet. Es gebe keinen Urlaubsanspruch oder Lohnfortzahlung im Krankheitsfall.
Nach Anhörung mit Schreiben vom 19.02.2009 forderte die Beklagte von der Klägerin mit Bescheid vom 08.06.2009 Gesamtsozialversicherungsbeiträge und Umlagen iHv insgesamt 18.270,83 EUR nach für den Zeitraum 01.01.2004 bis 31.12.2007. Dabei legte die Beklagte die von der Beigeladenen zu 1) in Rechnung gestellten Beträge für die geleisteten Arbeitsstunden ohne Umsatzsteuer zugrunde. Säumniszuschläge wurden nicht festgesetzt. Die Beigeladene zu 1) sei seit 01.01.2004 sozialversicherungspflichtig beschäftigt gewesen. Ihr seien bei erstmaliger Aufnahme der Tätigkeit alle Modalitäten (Ort, Zeit, Ablauf, Dauer etc) mitgeteilt worden. Weitere Einzelweisungen seien bei Ausübung dieser einfachen Tätigkeit weitestgehend überflüssig gewesen, da sich die notwendigen Verrichtungen aus der Natur der Sache ergeben hätten. Zwar habe die Beigeladene zu 1) angegeben, dass sie ihre Arbeitszeit frei gestalten könne, die Reinigung könne jedoch nur erfolgen, wenn die Räume nicht benutzt würden. Absprachen müssten daher erfolgen. Da sich der zeitliche Ablauf aus der Natur der Sache ergebe, sei die Tätigkeit als zeitlich weisungsgebunden anzusehen. Der Arbeitsort werde vom Vertragspartner zugewiesen. Von einem freien Arbeitsort könne nicht gesprochen werden, wenn der überwiegende Teil der Arbeit an vorgegebenen Orten stattfinde (Betrieb und Standesämter). Die Beigeladene zu 1) sei in den Betrieb des Klägers eingegliedert, eine Zusammenarbeit und Koordinierung mit anderen Arbeitnehmern des Betriebs sei erforderlich. Im Internet werde die Beigeladene zu 1) im Jahresrückblick 2006 als treue und zuverlässige Mitarbeiterin erwähnt: „…Deswegen hier ein kleiner Einblick in die Fähigkeiten und besonderen Eigenheiten der Mitarbeiter, die schon etwas länger bei uns sind: … H. S. bindet weiterhin treu, zuverlässig und liebevoll unsere Broschüren von Hand mit roten Bändern zusammen, sorgt dafür, dass Papiere von und zu den Standesämtern kommen und dafür, dass unsere Kunden immer in schöne Räume kommen, in denen es Kaffee, Milch und Süßes gibt …“. Verbunden mit der umfassenden Weisungsbefugnis ergebe sich eine persönliche Abhängigkeit der Beigeladenen zu 1). Ein unternehmerisches Auftreten am Markt sei bei ihr nicht zu erkennen. Der erhaltene Stundenlohn zwischen 8,50 EUR und 10 EUR entspreche der typischen Entlohnung eines abhängig Beschäftigten.
Mit weiterem Bescheid vom 08.06.2009 stellte die Beklagte gegenüber der Beigeladenen zu 1) im Tenor fest, dass ein Beschäftigungsverhältnis in der als „Dienstleistungen rund ums Haus“ ausgeübten Tätigkeit nicht bestehe, führte aber in der Begründung aus, dass die Beigeladene zu 1) beim Kläger abhängig beschäftigt sei.
Der Kläger und die Beigeladene zu 1) erhoben jeweils Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheiden vom 20.11.2009 zurückwies.
Am 14.12.2009 erhob die Beigeladene zu 1) Klage zum Sozialgericht Stuttgart ( Az: S 5 R 8449/09). Das Verfahren erledigte sich dadurch, dass die Beklagte die gegenüber der Beigeladenen zu 1) erlassenen Bescheide aus formalen Gründen aufhob.
Am 21.12.2009 hat der Kläger Klage zum SG erhoben (S 17 R 8648/09). Aus der Tatsache, dass die Reinigungsarbeiten in den Räumen des Klägers ausgeführt werden müssten, könne nicht auf eine örtliche Weisungsgebundenheit geschlossen werden. Das Binden von Broschüren und die Botengänge zu den Standesämtern fänden gerade nicht in den Betriebsräumen statt. Eine zeitliche Weisungsgebundenheit liege nicht vor, die Beigeladene zu 1) habe Schlüssel für sämtliche Filialen und könne ihre Arbeit frei einteilen. Es bestehe auch keine fachliche Weisungsgebundenheit, die Beigeladene zu 1) unterliege keinerlei Aufsicht, der Kläger habe auch kein Mitspracherecht hinsichtlich Planung und Ausführung der Botengänge. Die Beigeladene zu 1) nehme auch nicht an betrieblichen Ausflügen oder Schulungen teil, sie habe keinen E-Mail Account im Betrieb und sei im firmeneigenen Terminkalender nicht registriert. Die niedrigen Stundensätze resultierten daher, dass die Beigeladene zu 1) 2004 noch recht neu am Markt gewesen sei. Sie sei jedoch werbend am Markt tätig, verfüge über eigene Visitenkarten und einen Pkw, der mit dem Firmenlogo beklebt sei. Da sich die Beigeladene zu 1) selbst um die Beschaffung und Zufriedenstellung ihrer Kunden kümmern müsse, trage sie ein wirtschaftliches Risiko. Das Vorhandensein weiterer Auftraggeber spreche in der Gesamtschau für eine selbstständige Tätigkeit.
Das SG hat das Verfahren zunächst mit Blick auf das Parallelverfahren der Klägerin zum Ruhen gebracht und nach Abschluss dieses Verfahrens ohne materielle Entscheidung fortgeführt (unter dem Az S 17 R 3360/12). Mit Urteil vom 24.03.2015 hat das SG nach persönlicher Anhörung des Klägers und der Beigeladenen zu 1) die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beklagte habe zu Recht festgestellt, dass die Beigeladene zu 1) beim Kläger vom 01.01.2004 bis 31.12.2007 in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis gestanden habe und Sozialversicherungsbeiträge iHv 18.270,83 EUR nachgefordert. Da keine schriftlichen Verträge vorlägen, seien die Umstände der Tätigkeit, wie sie sich aus dem Akteninhalt und dem Vorbringen der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung ergeben hätten, zu Grunde gelegt worden. Die Beigeladene zu 1) sei während der Arbeit vollständig in den Betrieb des Klägers und damit in eine ihr einseitig vorgegebene Organisation eingegliedert gewesen. Die Beigeladene zu 1) sei hauptsächlich in den Betriebsräumen des Klägers tätig geworden, die Reinigungsutensilien habe der Kläger gestellt bzw die hierfür aufgewendeten Mittel erstattet. In zeitlicher Hinsicht habe sie die üblichen Geschäftszeiten zu beachten gehabt und insbesondere die öffentlichen Räume im Erdgeschoss jeweils nach Nutzung reinigen müssen. Daran ändere nichts, dass die Beigeladene zu 1) angegeben habe, zeitlich flexibel gewesen zu sein und manchmal morgens, manchmal nachmittags geputzt zu haben. Eine gewisse Freiheit in zeitlicher Hinsicht sei auch bei Teilzeitbeschäftigungen zu finden. Dass keine Einzelweisungen erteilt worden seien, solange stets gründlich gereinigt worden sei, sei unerheblich. Zudem habe der Kläger in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, in Einzelfällen doch von seinem Weisungsrecht Gebrauch gemacht zu haben. So habe er die Beigeladene zu 1) einmal angewiesen, eine bestimmte Filiale aufzusuchen, als dort ein Wasserschaden aufgetreten sei, der eine sofortige Reinigung notwendig gemacht habe. Allein diese Einlassung zeige, dass die Beteiligten grundsätzlich vom Bestehen eines Weisungsrechts ausgegangen seien. Die Beigeladene zu 1) habe zudem über keine eigene Betriebsstätte verfügt und kein ins Gewicht fallendes Unternehmerrisiko getragen. Ein Vergütungsrisiko sei mit Ausnahme des auch Arbeitnehmer treffenden Insolvenzrisikos nicht ersichtlich. Die Beigeladene zu 1) sei erfolgsunabhängig für die tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden entlohnt worden, wobei auch die Höhe für eine abhängige Beschäftigung spreche. Der Lohn liege nur unwesentlich über dem im März 2007 eingeführten Mindestlohn für das Gebäudereinigerhandwerk von 8,15 EUR. Soweit die Beigeladene zu 1) ausführe, sie habe sich allein für die Arbeit beim Kläger ein Auto angeschafft, überzeuge dies nicht. Zum einen sei bereits vorher ein Fahrzeug vorhanden gewesen, das aufgrund eines Totalschadens ersetzt worden sei. Zum anderen habe die Beigeladene zu 1) ausgeführt, sie habe sich ohne die Tätigkeit für den Kläger kein Auto leisten können, dies spreche jedoch nicht für einen Kapitaleinsatz gerade im Hinblick auf die übernommene Tätigkeit. Die Überbürdung sozialer Risiken durch fehlenden Urlaubsanspruch und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall sei nur dann ein Indiz für unternehmerisches Handeln, wenn damit auch tatsächlich unternehmerische Chancen verbunden seien. Hierfür sei vorliegend nichts ersichtlich. Auch die Tätigkeit für andere Auftraggeber spreche jedenfalls nicht gegen eine abhängige Tätigkeit. Jedes Vertragsverhältnis sei voneinander getrennt zu betrachten. Zudem habe die Beigeladene zu 1) schon aufgrund des zeitlichen Umfangs ihrer Tätigkeit für den Kläger anderen Auftraggebern nur begrenzt zur Verfügung gestanden. Die Nachforderung sei auch nicht verjährt, da die vierjährige Verjährungsfrist bereits mit Beginn der Arbeitgeberprüfung im August 2008 gehemmt worden sei.
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Gegen das seinem Bevollmächtigten am 15.04.2015 zugestellte Urteil richtet sich die am 13.05.2015 eingelegte Berufung des Klägers. Die Beigeladene zu 1) sei in den Betrieb des Klägers nicht eingegliedert. Nicht entscheidend sei der Aspekt der räumlichen Integration. Eine dienende Teilhabe am Arbeitsprozess habe nicht vorgelegen. Nach der Rechtsprechung finde die „Verfeinerung“ des Eingliederungskriteriums nur bei Diensten höherer Art Anwendung, eine Ausdehnung auf einfache Putzkräfte sei unzulässig. Unternehmensgegenstand sei die Vornahme von Bestattungen, an denen die Beigeladene zu 1) nicht teilgehabt habe, nicht die Vornahme von Reinigungsarbeiten. Es habe keine Arbeitsprozesse gegeben, in die die Beigeladene zu 1) eingegliedert gewesen sei. Diese habe unternehmerisch handelnd und eigenständig entschieden, auf welche Art und Weise die Reinigung erfolgen solle. Der betriebsorganisatorische Zusammenhang sei nur ein äußerlicher, indem er sich in der Rücksichtnahme auf die geschäftsüblichen Zeiten erschöpfe. Die Verpflichtung zur Durchführung der Reinigungsarbeiten beruhe auf vertraglicher Vereinbarung, nicht einseitiger Weisung des Klägers und könne daher denklogisch nicht Gegenstand eines Weisungsrechts sein. Die geschuldete Leistung sei hinreichend bestimmt gewesen; Botengänge seien stets im Einzelfall vereinbart worden, die Beigeladene zu 1) habe sie nur ausgeführt, wenn sie dafür Zeit gehabt habe. Hausmeistertätigkeiten habe sie nicht ausgeübt. Die Beigeladene zu 1) habe selbstverständlich gewusst, dass man aus Gründen der Pietät nicht während der Nutzung der Räumlichkeiten eines Bestattungshauses habe putzen können, dies sei nicht Folge einer Weisung. Die Beigeladene zu 1) sei in der Bestimmung ihrer Arbeitszeit frei gewesen, was ein besonders schwerwiegender Umstand im Rahmen der Gesamtabwägung sei. Fachliche Weisungen seien nicht erfolgt. Die Beigeladene zu 1) sei auch nicht zur Reinigung einer bestimmten Filiale angewiesen worden, sondern habe sich mit dem Kläger auf die Reinigung dieser Filiale verständigt. Hilfsweise wäre es methodisch verfehlt, von einer einzigen Weisung in vier Jahren auf eine Versicherungspflicht zu schließen. Ein Wasserschaden sei ein Ausnahmefall, der keine Rückschlüsse auf die Abwicklung des Vertragsverhältnisses in allen anderen Fällen zulasse. Das SG habe wesentliche Anhaltspunkte für Selbstständigkeit verkannt. Aufgrund des Akquisitionsrisikos bestehe ein Unternehmerrisiko. Im Dienstleistungssektor könnten an den Kapitaleinsatz keine hohen Ansprüche gestellt werden. Zudem sei ein eigener Pkw zur Abwicklung eingesetzt worden. Unternehmerische Chancen hätten bestanden, die Beigeladene zu 1) habe ihre Honorarsätze im Laufe der Zeit erheblich steigern können, sie lägen zudem über der üblichen Vergütung für angestellte Putzfrauen. Die Beigeladene zu 1) hätte die Arbeiten auch durch andere Kräfte erbringen lassen können, sie habe auch andere Auftraggeber gehabt und sei damit unternehmerisch am Markt aufgetreten. Gewerbeanmeldung, Versteuerung der eigenen Einnahmen und Stellung eigener Rechnungen seien zudem keine untergeordneten Gesichtspunkte, sondern stützten die hier zu bejahende Selbstständigkeit.
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Der Kläger beantragt,
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das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 24.03.2015 und den Bescheid der Beklagten vom 08.06.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.11.2009 aufzuheben.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Ein schriftlicher Vertrag liege nicht vor. Die Beigeladene zu 1) sei letztlich für eine Vielzahl unterschiedlicher Tätigkeiten als eine Art „Mädchen für alles“ zuständig. Die von ihre geschuldete Leistung sei derart unbestimmt, dass sie erst durch weitere Vorgaben oder eine Eingliederung in den Betrieb habe konkretisiert werden können (vgl Anweisung hinsichtlich des Wasserschadens). Die Verfügung über Schlüssel mit der Möglichkeit, jederzeit die Geschäftsräume betreten zu können, spreche gegen eine selbstständige Tätigkeit. Die Verfeinerung des Eingliederungskriteriums gelte zwar vornehmlich bei Diensten höherer Art, das Bundessozialgericht (BSG) habe jedoch entsprechend argumentiert beim Berufsbild des Ausbeiners. Bei der Beurteilung der fachlichen Weisungsgebundenheit sei zu berücksichtigen, inwieweit üblicherweise Arbeitsanweisungen erteilt würden. Die Beigeladene zu 1) habe weitgehend freie Hand gehabt, wie sie die Räumlichkeiten reinigte, wegen der Einfachheit der Tätigkeit hätten auch keine Weisungen erteilt werden müssen, solange keine mangelhafte Arbeitsleistung festgestellt worden sei. Bei untergeordneten Tätigkeiten sei eher eine Eingliederung in den Betrieb des Auftraggebers anzunehmen als bei gehobenen Tätigkeiten. Die Beigeladene zu 1) habe mit ihren Tätigkeiten durchaus am „Bestattungsverfahren“ mitgewirkt. So hätten die Reinigungen vor und nach den Bestattungen durchgeführt werden müssen, auch der Service bezüglich der Bereitstellung von Kaffee sei zeitlich gebunden. Unternehmerisches Handeln und das Tragen von unternehmerischem Risiko lägen nicht einmal im Ansatz vor. Im Übrigen habe die Beigeladene zu 1) selbst angegeben, ua auch für Hausmeisterservice und Gartenarbeiten zuständig zu sein. Für die Gerätschaften echter selbstständiger Reinigungskräfte und Hausmeister sei eine Betriebsstätte mit Lagerräumen angezeigt, was vorliegend nicht der Fall sei. Die Beigeladene zu 1) habe wie jeder abhängig Beschäftigte ihr Fahrzeug für den Weg zur Arbeit genutzt. Die Anschaffung des Fahrzeugs stehe nicht in Zusammenhang mit der ausgeübten Tätigkeit. Die Vergütungshöhe entspreche keinesfalls einem Unternehmerlohn. Die Beigeladene zu 1) sei nicht in ihrem eigenen Betrieb, sondern dem Betrieb des Klägers tätig gewesen.
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Die Beigeladenen haben sich im Berufungsverfahren nicht geäußert und keine Anträge gestellt.
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Bezüglich des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
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Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
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Die Berufung ist nach §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig. Sie ist form- und fristgerecht nach § 151 SGG erhoben worden. Ein Berufungsausschlussgrund nach § 144 Abs 1 SGG ist nicht gegeben, denn die Berufung betrifft eine Beitragsforderung iHv 18.270,83 EUR.
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Die Berufung ist allerdings unbegründet. Das SG hat zu Recht die Klage abgewiesen. Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist der gegen den Kläger gerichtete Bescheid der Beklagten vom 08.06.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.11.2009. Dieser ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in eigenen Rechten. Die Beklagte konnte nach § 28p Abs 1 Satz 5 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) die Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung erlassen. Dies gilt auch in Bezug auf die Nachforderung von Umlagen zum Ausgleich der Arbeitgeberaufwendungen bei Krankheit und Mutterschutz (U 1/U 2) nach dem Aufwendungsausgleichsgesetz, weil Gegenstand der Betriebsprüfung ebenfalls die Umlagen U 1 und U 2 sind (so in Bezug auf die insoweit vergleichbare Rechtslage nach dem Lohnfortzahlungsgesetz BSG 30.10.2002, B 1 KR 19/01 R, SozR 3-2400, § 28p Nr 1; siehe auch: Roßbach, in: Kreikebohm/Spellbrink/Waltermann (Hg.), Kommentar zum Sozialrecht, 3. Aufl 2013, § 28p SGB IV RdNr 4, 12).
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Der Bescheid der Beklagten vom 08.06.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.11.2009 ist formell rechtmäßig. Nach § 28p Abs 1 Satz 1 SGB IV prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach diesem Gesetzbuch, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen, und sie sind nach § 28p Abs 1 Satz 5 SGB IV auch für den Erlass der entsprechenden Verwaltungsakte einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber dem Arbeitgeber zuständig. Die Prüfung umfasst ua nach § 28p Abs 1 Satz 4 SGB IV auch die Prüfung der Entgeltunterlagen der Beschäftigten, für die keine Beiträge gezahlt wurden. Die vor Erlass des Bescheides vom 20.08.2010 nach § 24 Abs 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) erforderliche Anhörung hat die Beklagte mit Anhörungsschreiben vom 19.02.2009 vorgenommen. Die Stellungnahme des Klägers ist im Bescheid vom 08.06.2009 berücksichtigt worden.
22 
Der Bescheid der Beklagten vom 08.06.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.11.2009 ist auch materiell rechtmäßig. Die Beigeladene zu 1) ist in Bezug auf die Tätigkeit für den Kläger im Zeitraum vom 01.01.2004 bis 31.12.2007 als Beschäftigte im Sinne des § 7 Abs 1 SGB IV tätig gewesen und unterliegt damit, da die Beschäftigung auch gegen Entgelt (§ 14 Abs 1 Satz 1 SGB IV) erfolgte, der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 1 Abs 1 Nr 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch), der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 5 Abs 1 Nr 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch), der sozialen Pflegeversicherung (§ 20 Abs 1 Satz 2 Nr 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch) und der Arbeitslosenversicherung (§ 25 Abs 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch).
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Nach § 7 Abs 1 Satz 1 SGB IV ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis; gemäß § 7 Abs 1 Satz 2 SGB IV sind Anhaltspunkte für eine Beschäftigung eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG 20.03.2013, B 12 R 13/10 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 19) erfordert eine Beschäftigung, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann eingeschränkt und zur funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeiten über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt ist oder selbständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit: Bundesverfassungsgericht 20.05.1996, 1 BvR 21/96, SozR 3-2400 § 7 Nr 11). Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung (vgl BSG 24.01.2007, B 12 KR 31/06 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 7).
24 
Nach den genannten Grundsätzen überwiegen zur Überzeugung des Senats in der Zusammenschau aller Aspekte die Einzelaspekte, die für eine Beschäftigung sprechen, so dass nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung eine Beschäftigung gegeben ist.
25 
Ausgangspunkt für die Beurteilung ist zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt (Senatsurteil vom 18.07.2013, L 11 R 1083/12 - juris). Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehungen geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so, wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist (BSG 29.08.2012, B 12 KR 25/10 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 17).
26 
Ein schriftlicher Vertrag über die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) liegt nicht vor. Dies schließt eine Beschäftigung nicht aus, denn eine solche kann sowohl mündlich vereinbart werden als auch durch faktischen Vollzug entstehen. Vorliegend spricht die nur mündliche Vereinbarung allerdings eher gegen eine selbstständige Tätigkeit, denn üblicherweise wird außerhalb von Privathaushalten bei der Vergabe von Reinigungstätigkeiten an selbstständige Unternehmer wegen des fehlenden Weisungsrechts genau und schriftlich geregelt, welche Tätigkeiten in welchen Intervallen zu verrichten sind (Fenster putzen, feucht wischen, Staub wischen, Müll entsorgen etc) und eine feste Vergütung für die auszuführenden Arbeiten vereinbart.
27 
Nach den Feststellungen des Senats auf der Grundlage der Akten und insbesondere des Vorbringens der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vor dem SG war die Hauptaufgabe der Beigeladenen zu 1) die Reinigung der Räumlichkeiten des Klägers. Dies betraf hauptsächlich im Erdgeschoss die Feierhalle, den Aufbahrungsraum und das Foyer sowie eine Toilette (insgesamt 182 qm) sowie Büroräume im ersten Stock. Diese Räumlichkeiten wurden in der Regel täglich gereinigt, wobei die Beigeladene zu 1) anhand eines im Betrieb geführten Kalenders gewusst hat, wann Trauerfeiern stattfinden. Durch die Vergrößerung des Betriebs kamen Filialen (ohne Publikumsverkehr) hinzu, die von der Beigeladenen zu 1) ebenfalls gereinigt wurden. Nach den insoweit glaubhaften Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hatte er für seine Filialen – im streitigen Zeitraum ca 10 im Raum S. – eine Art Gutscheinsystem eingeführt, wonach jede Filiale zweimal jährlich eine Grundreinigung in Anspruch nehmen konnte. Diese Grundreinigung in den Filialen wurde ebenfalls von der Beigeladenen zu 1) durchgeführt und wie die sonstigen Tätigkeiten abgerechnet. Reinigungsmittel und -gerätschaften wurden dabei vom Kläger in der Form zur Verfügung gestellt, dass die Beigeladene zu 1) diese anschafft und der Kläger die Kosten hierfür erstattet. Einzelweisungen hinsichtlich der Art und Weise der Reinigungstätigkeit wurden nicht erteilt. Daneben hat die Beigeladene zu 1) die Buxbäume vor dem Haus gewässert. Zusätzlich hat sie nach gesonderter Vereinbarung ca drei bis vier Mal wöchentlich Botengänge zu den Standesämtern übernommen, allerdings nur wenn sie Zeit hatte; sie konnte die Durchführung der Botengänge auch ablehnen. Für ihre Tätigkeit hat die Beigeladene zu 1) einen festen Stundenlohn erhalten, der zu Beginn des Prüfzeitraums 8,50 EUR betrug und 2007 bei 10 EUR lag. Für die Fahrten zu Standesämtern hat die Beigeladene zu 1) ihren eigenen Pkw eingesetzt und hierfür eine Kostenerstattung von 0,30 EUR pro km erhalten. Die Beigeladene zu 1) hat insoweit monatlich gegenüber dem Kläger abgerechnet unter Ansatz von Umsatzsteuer. Bezahlter Urlaub oder Lohnfortzahlung im Krankheitsfall wurde nicht geleistet.
28 
Ausgehend hiervon liegt ein Unternehmerrisiko als wesentliches Merkmal selbstständiger Tätigkeit nicht vor. Die Beigeladene zu 1) setzte letztlich nur ihre Arbeitskraft und keine wesentlichen Arbeitsmittel mit der ungewissen Aussicht darauf, Einnahmen zu erzielen ein. Die Belastung mit Risiken gerade im Zusammenhang mit der - hier im Vordergrund stehenden - Verwertung der Arbeitskraft spricht jedoch nur dann für Selbstständigkeit, wenn ihr auch eine größere Freiheit bei der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs des Einsatzes der eigenen Arbeitskraft gegenüber steht (vgl BSG 13.07.1978, 12 RK 14/78, SozR 2200 § 1227 Nr 17; BSG 04.06.1998, B 12 KR 5/97 R, SozR 3-2400 § 7 Nr 13 mwN). Dies war hier aber nicht der Fall. Da für die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) ein pauschaler Stundensatz im Voraus vorgesehen war, war sie nicht der Gefahr eines finanziellen Verlusts ausgesetzt. Soweit das Unternehmerrisiko darin gesehen werden könnte, keine Aufträge zu erhalten, ist das Risiko, nicht durchgehend und kontinuierlich arbeiten zu können, ein Risiko, das jeden Arbeitnehmer treffen kann, der nur auf Abruf beschäftigt ist. Ein Unternehmensrisiko kann nur dann angenommen werden, wenn eine Gefahr vorliegt, die über diejenige hinausgeht, kein Entgelt zu erzielen. Dies ist der Fall, wenn bei Auftragsmangel nicht nur kein Einkommen erzielt wird, sondern auch zusätzliche Kosten für betriebliche Investitionen brach liegen (LSG Sachsen 04.03.2014, L 5 R 425/12 - juris). Hierfür bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte. Die Stundenvergütung entspricht – auch der Höhe nach - einem aus einer abhängigen Beschäftigung resultierenden Arbeitsentgelt. Bei Ausübung ihrer Tätigkeit für den Kläger benutzte die Beigeladene zu 1) Betriebsmittel des Klägers, eigene Reinigungsgeräte oder Putzmittel hat sie nicht verwendet. Lediglich für die Botengänge zu Standesämtern setzte sie ihr eigenes Fahrzeug ein und erhielt hierfür eine Kostenerstattung. Hierzu hat die Beigeladene zu 1) vor dem SG laut Sitzungsniederschrift vom 24.03.2015 ausgeführt, sie habe ein Auto besessen, das ihr älterer Sohn zu Schrott gefahren habe. Sie habe deshalb einen Meriva geleast, um zur Arbeitsstelle kommen zu können. Sonst wäre sie mit der Bahn gefahren und hätte kein Auto gebraucht, ohne den Verdienst beim Kläger hätte sie sich ohnehin kein Auto leisten können. Der Pkw kann insoweit – in Bezug auf die hier streitige Tätigkeit – nicht als wesentliches Betriebsmittel angesehen werden, denn für die vertraglich geschuldete Reinigungstätigkeit war er nicht erforderlich. Die Filialen musste die Klägerin nur selten aufsuchen, nach dem eigenen Vortrag des Klägers insgesamt nur an maximal 20 Tagen im Jahr; entsprechend wurde auch keine Aufwandsentschädigung gezahlt für die Fahrten zu den Filialen, es handelte sich vielmehr um eine Tätigkeit mit wechselnden Einsatzorten. Die zusätzlich übernommenen Botengänge geben der Tätigkeit nicht das Gepräge, die Beigeladene zu 1) konnte diese übernehmen, musste dies aber nicht.
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Die Beigeladene zu 1) war auch in die Arbeitsorganisation des Klägers eingebunden und unterlag im Sinne der ständigen Rechtsprechung des BSG einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Klägers. Ein Anknüpfungskriterium ist zunächst, dass die Beigeladene zu 1) hinsichtlich der hier streitigen Tätigkeit nicht über eine eigene Arbeitsorganisation verfügte, sondern vielmehr funktionsgerecht dienend in einer fremden Arbeitsorganisation tätig und mit ihrer Tätigkeit in den Betriebsablauf des Klägers planmäßig eingebunden war. Die Reinigungsarbeiten im Hauptbetrieb mussten täglich erfolgen, dabei ergaben sich zeitliche Einschränkungen nicht nur aus den üblichen Geschäftszeiten, sondern auch aus den festgelegten Zeitpunkten der Trauerfeiern, welche die Beigeladene zu 1) aus einem Kalender entnehmen konnte. Sie hatte dafür zu sorgen, dass die Räume rechtzeitig vorbereitet, sauber und ansprechend waren und ggf „Kaffee, Milch und Süßes“ bereit stand. Abgesehen von den Botengängen hat die Beigeladene zu 1) die Tätigkeit ausschließlich in den Räumen des Klägers ausgeübt. Andere Arbeiten wie Kränze oder Schleifen um Broschüren binden hat sie nach eigenen glaubhaften Angaben nicht regelmäßig durchgeführt, sondern gerade die im Jahresrückblick 2006 erwähnte Tätigkeit der Aufmachung der Broschüren nur einmal. Dass die Beteiligten ganz selbstverständlich vom Bestehen eines Weisungsrechts ausgingen, zeigt sich auch nach Auffassung des Senats ganz klar an dem Fall des Wasserschadens in einer Filiale, der zu einer klaren Weisung des Klägers an die Beigeladene zu 1) geführt hat und - nach den Ausführungen der Beteiligten vor dem SG – gerade nicht zu einer vertraglichen Absprache. Diese von dem üblichen Ablauf abweichende Ausnahmekonstellation zeigt klar, dass der Kläger, soweit erforderlich, der Beigeladenen zu 1) sehr wohl Weisungen erteilen konnte und erteilt hat. Dem steht nicht entgegen, dass im üblichen Ablauf konkrete Weisungen nicht erforderlich waren, da für die Beigeladene zu 1) angesichts der einfachen Tätigkeit ohnehin klar war, was sie zu tun hat. Auch das vom Kläger vor dem Senat geschilderte Gutscheinsystem spricht eher für als gegen eine Eingliederung in die betrieblichen Abläufe, denn die Filialleiter konnten für die Grundreinigung die Beigeladene zu 1) anfordern, wobei der Termin selbstverständlich – schon wegen der im Haupthaus anfallenden Aufgaben – abgesprochen werden musste. Außer Zweifel steht, dass die Beigeladene zu 1) durchaus erhebliche Freiheiten hinsichtlich der Arbeitszeit genoss, allerdings bestand diese Freiheit nur im Rahmen der vorgegebenen betrieblichen Ordnung. Im Übrigen sind Freiheiten bezüglich der Einteilung der Arbeitszeit heutzutage auch bei abhängig Beschäftigten nicht unüblich.
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Hinsichtlich des äußeren Erscheinungsbilds der Tätigkeit spricht die Erwähnung der Beigeladenen zu 1) in dem im Internet veröffentlichten Jahresrückblick 2006 als langjährige und verdiente Mitarbeiterin für eine Eingliederung. Auf der anderen Seite hat die Beigeladene zu 1) an den jährlichen Sommerfesten des Klägers für die Betriebsangehörigen nicht teilgenommen. Zumindest zeitweise hatte sie auf ihrem Pkw auch Werbung für den eigenen Betrieb geklebt. Die Tatsache, dass sie an Schulungen nicht teilgenommen hat und keinen eigenen E-Mail Account im Betrieb des Klägers hat, ergibt sich aus der Art der von ihr verrichteten Tätigkeit und ist daher ohne Aussagekraft. Insoweit ergibt sich insgesamt bezogen auf die Außenwirkung kein einheitliches Bild.
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Für eine selbstständige Tätigkeit spricht, dass die Beigeladene zu 1) nach dem übereinstimmenden Vorbringen mit dem Kläger die Leistung nicht höchstpersönlich zu erbringen hatte, was arbeitnehmertypisch wäre (vgl BSG 17.12.2014, B 12 R 13/13 R, SozR 4-2600 § 28p Nr 4). Angesichts der tatsächlichen Ausgestaltung, dass die Beigeladene zu 1) nämlich zu keinem Zeitpunkt eigene Arbeitnehmer beschäftigt hat und auch der ihr gezahlte Lohn kaum die Einstellung von Hilfskräften erlaubt hätte, misst der Senat der somit nur theoretisch bestehenden Möglichkeit der Erbringung der Leistung durch Hilfskräfte jedenfalls keine entscheidende Bedeutung bei. Tatsächlich hat der Kläger die Reinigungsarbeiten bei Verhinderung der Beigeladenen zu 1), etwa durch Urlaub, durch eigene Beschäftigte erbringen lassen.
32 
Zwar kann die Möglichkeit, Aufträge anzunehmen oder abzulehnen, die im Rahmen der Botengänge bestand, als Indiz für das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit angesehen werden, weil damit die Beigeladene zu 1) über den Umfang ihrer Tätigkeit (teilweise) selbst bestimmte. Doch sind ebenso im Rahmen abhängiger Beschäftigung Vertragsgestaltungen nicht unüblich, die es weitgehend dem Beschäftigten überlassen, wie er im Anforderungsfall tätig werden will oder ob er eine Anfrage ablehnt (LSG Baden-Württemberg 18.07.2013, L 11 R 1083/12 - juris). In Abruf- oder Aushilfsbeschäftigungsverhältnissen, in denen auf Abruf oder in Vertretungssituationen, beispielsweise bei Erkrankung und Ausfall von Mitarbeitern, lediglich im Bedarfsfall auf bestimmte Kräfte zurückgegriffen wird, kann die Möglichkeit eingeräumt sein, eine Anfrage abzulehnen. Wird allerdings die Anfrage angenommen, so wird die Tätigkeit in persönlicher Abhängigkeit in einem fremden Betrieb und damit im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung ausgeübt und stellt die Tätigkeit nicht allein wegen der vorhandenen Ablehnungsmöglichkeiten eine selbständige Tätigkeit dar. Wenn die Beigeladene zu 1) den Auftrag angenommen hatte, musste sie auftragsgemäß handeln; mit der Annahme eines Auftrags wurden sie auch zeitlich gebunden. Abgesehen davon stellten die Botengänge nicht die eigentliche Haupttätigkeit der Beigeladenen zu 1) dar.
33 
Die Gewerbeanmeldung der Beigeladenen zu 1) kann nicht als wesentliches Indiz dafür herangezogen werden, dass sie selbstständig tätig gewesen ist, denn eine Überprüfung durch das Gewerbeaufsichtsamt hinsichtlich des Vorliegens einer Beschäftigung findet nicht statt. Die Anmeldung eines Gewerbes und die Vergütung in Form von Rechnungen setzen eine selbständige Tätigkeit voraus, begründen aber für sich allein keine solche (Beschluss des Senats vom 19.07.2012, L 11 KR 1789/12 ER-B, juris). Gleiches gilt dafür, dass keine Arbeitnehmerschutzrechte wie Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder bezahlter Urlaub vereinbart waren. Solche Vertragsgestaltungen sind als typisch anzusehen, wenn bei Seiten eine selbstständige freie Mitarbeit wollten.
34 
Angesichts der gesamten Durchführung der Tätigkeiten für den Kläger kommt dem Willen der Vertragspartner, keine abhängige Beschäftigung zu begründen, keine maßgebende Relevanz für die Qualifizierung der Tätigkeit zu, unabhängig davon, dass die rechtliche Qualifikation, ob Sozialversicherungspflicht besteht, nicht der Vereinbarung zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 1) obliegt. Maßgebend für die Abgrenzung von Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit sind nicht die subjektiven Vorstellungen und Wünsche der Beteiligten, sondern entscheidend ist das Gesamtbild der Arbeitsleistung, so wie es sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten ergibt und im Rahmen des rechtlich zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Das sich daraus ergebende Gesamtbild steht in Widerspruch zu dem Willen der Beteiligten zu einer selbstständigen Tätigkeit; dieser hat insoweit keinen entscheidenden Ausdruck in der Tätigkeit gefunden. Die gesamten Umstände, wie die Tätigkeit zu erfolgen hat und erfolgt ist, sprechen gegen eine selbständige Tätigkeit.
35 
Die Beklagte hat ausgehend von einer abhängigen Beschäftigung zu Recht als Gesamtsozialversicherungsbeitrag die Beiträge zur gesetzlichen Renten-, Kranken-, Pflege- und zur Arbeitslosenversicherung sowie die Umlagen U 1, U 2 und Umlagen für das Insolvenzgeld geltend gemacht. Die Höhe der nachgeforderten Beiträge ist nicht zu beanstanden und ergibt sich nach den tatsächlich gezahlten Entgelten und den im jeweiligen Zweig der Sozialversicherung geltenden Beitragssatz. Einwendung gegen die dem Bescheid in Anlage beigefügten Rechenwerke werden von den Beteiligten auch nicht vorgebracht. Die Beitragsforderung ist auch nicht verjährt. Insoweit wird auf die Ausführungen des SG Bezug genommen und die Berufung aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung zurückgewiesen.
36 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG iVm § 154 Abs 2 Verwaltungsgerichtsordnung.
37 
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, 52 Abs 3, 47 Gerichtskostengesetz. Die Höhe des Streitwerts entspricht dem mit Bescheid vom 08.06.2009 geforderten Betrag.
38 
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.

Gründe

 
18 
Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
19 
Die Berufung ist nach §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig. Sie ist form- und fristgerecht nach § 151 SGG erhoben worden. Ein Berufungsausschlussgrund nach § 144 Abs 1 SGG ist nicht gegeben, denn die Berufung betrifft eine Beitragsforderung iHv 18.270,83 EUR.
20 
Die Berufung ist allerdings unbegründet. Das SG hat zu Recht die Klage abgewiesen. Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist der gegen den Kläger gerichtete Bescheid der Beklagten vom 08.06.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.11.2009. Dieser ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in eigenen Rechten. Die Beklagte konnte nach § 28p Abs 1 Satz 5 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) die Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung erlassen. Dies gilt auch in Bezug auf die Nachforderung von Umlagen zum Ausgleich der Arbeitgeberaufwendungen bei Krankheit und Mutterschutz (U 1/U 2) nach dem Aufwendungsausgleichsgesetz, weil Gegenstand der Betriebsprüfung ebenfalls die Umlagen U 1 und U 2 sind (so in Bezug auf die insoweit vergleichbare Rechtslage nach dem Lohnfortzahlungsgesetz BSG 30.10.2002, B 1 KR 19/01 R, SozR 3-2400, § 28p Nr 1; siehe auch: Roßbach, in: Kreikebohm/Spellbrink/Waltermann (Hg.), Kommentar zum Sozialrecht, 3. Aufl 2013, § 28p SGB IV RdNr 4, 12).
21 
Der Bescheid der Beklagten vom 08.06.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.11.2009 ist formell rechtmäßig. Nach § 28p Abs 1 Satz 1 SGB IV prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach diesem Gesetzbuch, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen, und sie sind nach § 28p Abs 1 Satz 5 SGB IV auch für den Erlass der entsprechenden Verwaltungsakte einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber dem Arbeitgeber zuständig. Die Prüfung umfasst ua nach § 28p Abs 1 Satz 4 SGB IV auch die Prüfung der Entgeltunterlagen der Beschäftigten, für die keine Beiträge gezahlt wurden. Die vor Erlass des Bescheides vom 20.08.2010 nach § 24 Abs 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) erforderliche Anhörung hat die Beklagte mit Anhörungsschreiben vom 19.02.2009 vorgenommen. Die Stellungnahme des Klägers ist im Bescheid vom 08.06.2009 berücksichtigt worden.
22 
Der Bescheid der Beklagten vom 08.06.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.11.2009 ist auch materiell rechtmäßig. Die Beigeladene zu 1) ist in Bezug auf die Tätigkeit für den Kläger im Zeitraum vom 01.01.2004 bis 31.12.2007 als Beschäftigte im Sinne des § 7 Abs 1 SGB IV tätig gewesen und unterliegt damit, da die Beschäftigung auch gegen Entgelt (§ 14 Abs 1 Satz 1 SGB IV) erfolgte, der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 1 Abs 1 Nr 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch), der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 5 Abs 1 Nr 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch), der sozialen Pflegeversicherung (§ 20 Abs 1 Satz 2 Nr 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch) und der Arbeitslosenversicherung (§ 25 Abs 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch).
23 
Nach § 7 Abs 1 Satz 1 SGB IV ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis; gemäß § 7 Abs 1 Satz 2 SGB IV sind Anhaltspunkte für eine Beschäftigung eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG 20.03.2013, B 12 R 13/10 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 19) erfordert eine Beschäftigung, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann eingeschränkt und zur funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeiten über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt ist oder selbständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit: Bundesverfassungsgericht 20.05.1996, 1 BvR 21/96, SozR 3-2400 § 7 Nr 11). Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung (vgl BSG 24.01.2007, B 12 KR 31/06 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 7).
24 
Nach den genannten Grundsätzen überwiegen zur Überzeugung des Senats in der Zusammenschau aller Aspekte die Einzelaspekte, die für eine Beschäftigung sprechen, so dass nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung eine Beschäftigung gegeben ist.
25 
Ausgangspunkt für die Beurteilung ist zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt (Senatsurteil vom 18.07.2013, L 11 R 1083/12 - juris). Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehungen geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so, wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist (BSG 29.08.2012, B 12 KR 25/10 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 17).
26 
Ein schriftlicher Vertrag über die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) liegt nicht vor. Dies schließt eine Beschäftigung nicht aus, denn eine solche kann sowohl mündlich vereinbart werden als auch durch faktischen Vollzug entstehen. Vorliegend spricht die nur mündliche Vereinbarung allerdings eher gegen eine selbstständige Tätigkeit, denn üblicherweise wird außerhalb von Privathaushalten bei der Vergabe von Reinigungstätigkeiten an selbstständige Unternehmer wegen des fehlenden Weisungsrechts genau und schriftlich geregelt, welche Tätigkeiten in welchen Intervallen zu verrichten sind (Fenster putzen, feucht wischen, Staub wischen, Müll entsorgen etc) und eine feste Vergütung für die auszuführenden Arbeiten vereinbart.
27 
Nach den Feststellungen des Senats auf der Grundlage der Akten und insbesondere des Vorbringens der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vor dem SG war die Hauptaufgabe der Beigeladenen zu 1) die Reinigung der Räumlichkeiten des Klägers. Dies betraf hauptsächlich im Erdgeschoss die Feierhalle, den Aufbahrungsraum und das Foyer sowie eine Toilette (insgesamt 182 qm) sowie Büroräume im ersten Stock. Diese Räumlichkeiten wurden in der Regel täglich gereinigt, wobei die Beigeladene zu 1) anhand eines im Betrieb geführten Kalenders gewusst hat, wann Trauerfeiern stattfinden. Durch die Vergrößerung des Betriebs kamen Filialen (ohne Publikumsverkehr) hinzu, die von der Beigeladenen zu 1) ebenfalls gereinigt wurden. Nach den insoweit glaubhaften Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hatte er für seine Filialen – im streitigen Zeitraum ca 10 im Raum S. – eine Art Gutscheinsystem eingeführt, wonach jede Filiale zweimal jährlich eine Grundreinigung in Anspruch nehmen konnte. Diese Grundreinigung in den Filialen wurde ebenfalls von der Beigeladenen zu 1) durchgeführt und wie die sonstigen Tätigkeiten abgerechnet. Reinigungsmittel und -gerätschaften wurden dabei vom Kläger in der Form zur Verfügung gestellt, dass die Beigeladene zu 1) diese anschafft und der Kläger die Kosten hierfür erstattet. Einzelweisungen hinsichtlich der Art und Weise der Reinigungstätigkeit wurden nicht erteilt. Daneben hat die Beigeladene zu 1) die Buxbäume vor dem Haus gewässert. Zusätzlich hat sie nach gesonderter Vereinbarung ca drei bis vier Mal wöchentlich Botengänge zu den Standesämtern übernommen, allerdings nur wenn sie Zeit hatte; sie konnte die Durchführung der Botengänge auch ablehnen. Für ihre Tätigkeit hat die Beigeladene zu 1) einen festen Stundenlohn erhalten, der zu Beginn des Prüfzeitraums 8,50 EUR betrug und 2007 bei 10 EUR lag. Für die Fahrten zu Standesämtern hat die Beigeladene zu 1) ihren eigenen Pkw eingesetzt und hierfür eine Kostenerstattung von 0,30 EUR pro km erhalten. Die Beigeladene zu 1) hat insoweit monatlich gegenüber dem Kläger abgerechnet unter Ansatz von Umsatzsteuer. Bezahlter Urlaub oder Lohnfortzahlung im Krankheitsfall wurde nicht geleistet.
28 
Ausgehend hiervon liegt ein Unternehmerrisiko als wesentliches Merkmal selbstständiger Tätigkeit nicht vor. Die Beigeladene zu 1) setzte letztlich nur ihre Arbeitskraft und keine wesentlichen Arbeitsmittel mit der ungewissen Aussicht darauf, Einnahmen zu erzielen ein. Die Belastung mit Risiken gerade im Zusammenhang mit der - hier im Vordergrund stehenden - Verwertung der Arbeitskraft spricht jedoch nur dann für Selbstständigkeit, wenn ihr auch eine größere Freiheit bei der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs des Einsatzes der eigenen Arbeitskraft gegenüber steht (vgl BSG 13.07.1978, 12 RK 14/78, SozR 2200 § 1227 Nr 17; BSG 04.06.1998, B 12 KR 5/97 R, SozR 3-2400 § 7 Nr 13 mwN). Dies war hier aber nicht der Fall. Da für die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) ein pauschaler Stundensatz im Voraus vorgesehen war, war sie nicht der Gefahr eines finanziellen Verlusts ausgesetzt. Soweit das Unternehmerrisiko darin gesehen werden könnte, keine Aufträge zu erhalten, ist das Risiko, nicht durchgehend und kontinuierlich arbeiten zu können, ein Risiko, das jeden Arbeitnehmer treffen kann, der nur auf Abruf beschäftigt ist. Ein Unternehmensrisiko kann nur dann angenommen werden, wenn eine Gefahr vorliegt, die über diejenige hinausgeht, kein Entgelt zu erzielen. Dies ist der Fall, wenn bei Auftragsmangel nicht nur kein Einkommen erzielt wird, sondern auch zusätzliche Kosten für betriebliche Investitionen brach liegen (LSG Sachsen 04.03.2014, L 5 R 425/12 - juris). Hierfür bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte. Die Stundenvergütung entspricht – auch der Höhe nach - einem aus einer abhängigen Beschäftigung resultierenden Arbeitsentgelt. Bei Ausübung ihrer Tätigkeit für den Kläger benutzte die Beigeladene zu 1) Betriebsmittel des Klägers, eigene Reinigungsgeräte oder Putzmittel hat sie nicht verwendet. Lediglich für die Botengänge zu Standesämtern setzte sie ihr eigenes Fahrzeug ein und erhielt hierfür eine Kostenerstattung. Hierzu hat die Beigeladene zu 1) vor dem SG laut Sitzungsniederschrift vom 24.03.2015 ausgeführt, sie habe ein Auto besessen, das ihr älterer Sohn zu Schrott gefahren habe. Sie habe deshalb einen Meriva geleast, um zur Arbeitsstelle kommen zu können. Sonst wäre sie mit der Bahn gefahren und hätte kein Auto gebraucht, ohne den Verdienst beim Kläger hätte sie sich ohnehin kein Auto leisten können. Der Pkw kann insoweit – in Bezug auf die hier streitige Tätigkeit – nicht als wesentliches Betriebsmittel angesehen werden, denn für die vertraglich geschuldete Reinigungstätigkeit war er nicht erforderlich. Die Filialen musste die Klägerin nur selten aufsuchen, nach dem eigenen Vortrag des Klägers insgesamt nur an maximal 20 Tagen im Jahr; entsprechend wurde auch keine Aufwandsentschädigung gezahlt für die Fahrten zu den Filialen, es handelte sich vielmehr um eine Tätigkeit mit wechselnden Einsatzorten. Die zusätzlich übernommenen Botengänge geben der Tätigkeit nicht das Gepräge, die Beigeladene zu 1) konnte diese übernehmen, musste dies aber nicht.
29 
Die Beigeladene zu 1) war auch in die Arbeitsorganisation des Klägers eingebunden und unterlag im Sinne der ständigen Rechtsprechung des BSG einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Klägers. Ein Anknüpfungskriterium ist zunächst, dass die Beigeladene zu 1) hinsichtlich der hier streitigen Tätigkeit nicht über eine eigene Arbeitsorganisation verfügte, sondern vielmehr funktionsgerecht dienend in einer fremden Arbeitsorganisation tätig und mit ihrer Tätigkeit in den Betriebsablauf des Klägers planmäßig eingebunden war. Die Reinigungsarbeiten im Hauptbetrieb mussten täglich erfolgen, dabei ergaben sich zeitliche Einschränkungen nicht nur aus den üblichen Geschäftszeiten, sondern auch aus den festgelegten Zeitpunkten der Trauerfeiern, welche die Beigeladene zu 1) aus einem Kalender entnehmen konnte. Sie hatte dafür zu sorgen, dass die Räume rechtzeitig vorbereitet, sauber und ansprechend waren und ggf „Kaffee, Milch und Süßes“ bereit stand. Abgesehen von den Botengängen hat die Beigeladene zu 1) die Tätigkeit ausschließlich in den Räumen des Klägers ausgeübt. Andere Arbeiten wie Kränze oder Schleifen um Broschüren binden hat sie nach eigenen glaubhaften Angaben nicht regelmäßig durchgeführt, sondern gerade die im Jahresrückblick 2006 erwähnte Tätigkeit der Aufmachung der Broschüren nur einmal. Dass die Beteiligten ganz selbstverständlich vom Bestehen eines Weisungsrechts ausgingen, zeigt sich auch nach Auffassung des Senats ganz klar an dem Fall des Wasserschadens in einer Filiale, der zu einer klaren Weisung des Klägers an die Beigeladene zu 1) geführt hat und - nach den Ausführungen der Beteiligten vor dem SG – gerade nicht zu einer vertraglichen Absprache. Diese von dem üblichen Ablauf abweichende Ausnahmekonstellation zeigt klar, dass der Kläger, soweit erforderlich, der Beigeladenen zu 1) sehr wohl Weisungen erteilen konnte und erteilt hat. Dem steht nicht entgegen, dass im üblichen Ablauf konkrete Weisungen nicht erforderlich waren, da für die Beigeladene zu 1) angesichts der einfachen Tätigkeit ohnehin klar war, was sie zu tun hat. Auch das vom Kläger vor dem Senat geschilderte Gutscheinsystem spricht eher für als gegen eine Eingliederung in die betrieblichen Abläufe, denn die Filialleiter konnten für die Grundreinigung die Beigeladene zu 1) anfordern, wobei der Termin selbstverständlich – schon wegen der im Haupthaus anfallenden Aufgaben – abgesprochen werden musste. Außer Zweifel steht, dass die Beigeladene zu 1) durchaus erhebliche Freiheiten hinsichtlich der Arbeitszeit genoss, allerdings bestand diese Freiheit nur im Rahmen der vorgegebenen betrieblichen Ordnung. Im Übrigen sind Freiheiten bezüglich der Einteilung der Arbeitszeit heutzutage auch bei abhängig Beschäftigten nicht unüblich.
30 
Hinsichtlich des äußeren Erscheinungsbilds der Tätigkeit spricht die Erwähnung der Beigeladenen zu 1) in dem im Internet veröffentlichten Jahresrückblick 2006 als langjährige und verdiente Mitarbeiterin für eine Eingliederung. Auf der anderen Seite hat die Beigeladene zu 1) an den jährlichen Sommerfesten des Klägers für die Betriebsangehörigen nicht teilgenommen. Zumindest zeitweise hatte sie auf ihrem Pkw auch Werbung für den eigenen Betrieb geklebt. Die Tatsache, dass sie an Schulungen nicht teilgenommen hat und keinen eigenen E-Mail Account im Betrieb des Klägers hat, ergibt sich aus der Art der von ihr verrichteten Tätigkeit und ist daher ohne Aussagekraft. Insoweit ergibt sich insgesamt bezogen auf die Außenwirkung kein einheitliches Bild.
31 
Für eine selbstständige Tätigkeit spricht, dass die Beigeladene zu 1) nach dem übereinstimmenden Vorbringen mit dem Kläger die Leistung nicht höchstpersönlich zu erbringen hatte, was arbeitnehmertypisch wäre (vgl BSG 17.12.2014, B 12 R 13/13 R, SozR 4-2600 § 28p Nr 4). Angesichts der tatsächlichen Ausgestaltung, dass die Beigeladene zu 1) nämlich zu keinem Zeitpunkt eigene Arbeitnehmer beschäftigt hat und auch der ihr gezahlte Lohn kaum die Einstellung von Hilfskräften erlaubt hätte, misst der Senat der somit nur theoretisch bestehenden Möglichkeit der Erbringung der Leistung durch Hilfskräfte jedenfalls keine entscheidende Bedeutung bei. Tatsächlich hat der Kläger die Reinigungsarbeiten bei Verhinderung der Beigeladenen zu 1), etwa durch Urlaub, durch eigene Beschäftigte erbringen lassen.
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Zwar kann die Möglichkeit, Aufträge anzunehmen oder abzulehnen, die im Rahmen der Botengänge bestand, als Indiz für das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit angesehen werden, weil damit die Beigeladene zu 1) über den Umfang ihrer Tätigkeit (teilweise) selbst bestimmte. Doch sind ebenso im Rahmen abhängiger Beschäftigung Vertragsgestaltungen nicht unüblich, die es weitgehend dem Beschäftigten überlassen, wie er im Anforderungsfall tätig werden will oder ob er eine Anfrage ablehnt (LSG Baden-Württemberg 18.07.2013, L 11 R 1083/12 - juris). In Abruf- oder Aushilfsbeschäftigungsverhältnissen, in denen auf Abruf oder in Vertretungssituationen, beispielsweise bei Erkrankung und Ausfall von Mitarbeitern, lediglich im Bedarfsfall auf bestimmte Kräfte zurückgegriffen wird, kann die Möglichkeit eingeräumt sein, eine Anfrage abzulehnen. Wird allerdings die Anfrage angenommen, so wird die Tätigkeit in persönlicher Abhängigkeit in einem fremden Betrieb und damit im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung ausgeübt und stellt die Tätigkeit nicht allein wegen der vorhandenen Ablehnungsmöglichkeiten eine selbständige Tätigkeit dar. Wenn die Beigeladene zu 1) den Auftrag angenommen hatte, musste sie auftragsgemäß handeln; mit der Annahme eines Auftrags wurden sie auch zeitlich gebunden. Abgesehen davon stellten die Botengänge nicht die eigentliche Haupttätigkeit der Beigeladenen zu 1) dar.
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Die Gewerbeanmeldung der Beigeladenen zu 1) kann nicht als wesentliches Indiz dafür herangezogen werden, dass sie selbstständig tätig gewesen ist, denn eine Überprüfung durch das Gewerbeaufsichtsamt hinsichtlich des Vorliegens einer Beschäftigung findet nicht statt. Die Anmeldung eines Gewerbes und die Vergütung in Form von Rechnungen setzen eine selbständige Tätigkeit voraus, begründen aber für sich allein keine solche (Beschluss des Senats vom 19.07.2012, L 11 KR 1789/12 ER-B, juris). Gleiches gilt dafür, dass keine Arbeitnehmerschutzrechte wie Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder bezahlter Urlaub vereinbart waren. Solche Vertragsgestaltungen sind als typisch anzusehen, wenn bei Seiten eine selbstständige freie Mitarbeit wollten.
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Angesichts der gesamten Durchführung der Tätigkeiten für den Kläger kommt dem Willen der Vertragspartner, keine abhängige Beschäftigung zu begründen, keine maßgebende Relevanz für die Qualifizierung der Tätigkeit zu, unabhängig davon, dass die rechtliche Qualifikation, ob Sozialversicherungspflicht besteht, nicht der Vereinbarung zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 1) obliegt. Maßgebend für die Abgrenzung von Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit sind nicht die subjektiven Vorstellungen und Wünsche der Beteiligten, sondern entscheidend ist das Gesamtbild der Arbeitsleistung, so wie es sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten ergibt und im Rahmen des rechtlich zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Das sich daraus ergebende Gesamtbild steht in Widerspruch zu dem Willen der Beteiligten zu einer selbstständigen Tätigkeit; dieser hat insoweit keinen entscheidenden Ausdruck in der Tätigkeit gefunden. Die gesamten Umstände, wie die Tätigkeit zu erfolgen hat und erfolgt ist, sprechen gegen eine selbständige Tätigkeit.
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Die Beklagte hat ausgehend von einer abhängigen Beschäftigung zu Recht als Gesamtsozialversicherungsbeitrag die Beiträge zur gesetzlichen Renten-, Kranken-, Pflege- und zur Arbeitslosenversicherung sowie die Umlagen U 1, U 2 und Umlagen für das Insolvenzgeld geltend gemacht. Die Höhe der nachgeforderten Beiträge ist nicht zu beanstanden und ergibt sich nach den tatsächlich gezahlten Entgelten und den im jeweiligen Zweig der Sozialversicherung geltenden Beitragssatz. Einwendung gegen die dem Bescheid in Anlage beigefügten Rechenwerke werden von den Beteiligten auch nicht vorgebracht. Die Beitragsforderung ist auch nicht verjährt. Insoweit wird auf die Ausführungen des SG Bezug genommen und die Berufung aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung zurückgewiesen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG iVm § 154 Abs 2 Verwaltungsgerichtsordnung.
37 
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, 52 Abs 3, 47 Gerichtskostengesetz. Die Höhe des Streitwerts entspricht dem mit Bescheid vom 08.06.2009 geforderten Betrag.
38 
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.

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