Urteil vom Landessozialgericht Baden-Württemberg - L 11 KR 516/19

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 14.01.2019 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf 5.504,92 EUR festgesetzt.

Tatbestand

 
Zwischen den Beteiligten ist die Vergütung einer stationären Krankenhausbehandlung streitig.
Die Klägerin betreibt ein nach § 108 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) zugelassenes Krankenhaus, in dem der bei der Beklagten versicherte C. E. (im Folgenden: Versicherter) vom 13.10. bis 30.10.2012 nach einem Verkehrsunfall notfallmäßig stationär behandelt wurde.
Die Klägerin stellte der Beklagten mit Endabrechnung vom 11.12.2012 für die Behandlung 13.012,27 EUR in Rechnung auf der Grundlage der Diagnosis Related Group (DRG) B02C (Komplexe Kraniotomie oder Wirbelsäulen-Operation, Alter < 6 Jahre oder Alter < 18 Jahre mit großem intrakraniellen Eingriff und äußerst schweren CC oder mit komplizierender Konstellation oder mit verschiedenartiger komplexer Prozedur). Die entsprechende DRG ermittelte die Klägerin unter anderem aus der Hauptdiagnose S06.0 (Gehirnerschütterung), den Nebendiagnosen S02.1 (Schädelbasisfraktur), F10.1 (Psychische und Verhaltensstörungen durch Alkohol: Schädlicher Gebrauch), T81.8 (Sonstige Komplikationen bei Eingriffen, andernorts nicht klassifiziert), J96.09 (Akute respiratorische Insuffizienz, anderenorts nicht klassifiziert: Typ nicht näher bezeichnet) sowie aus diversen weiteren Nebendiagnosen und Prozeduren.
Die Beklagte beglich die Rechnung zunächst vollständig. Anschließend beauftragte sie den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) mit der Überprüfung des Behandlungsfalles. Mit Gutachten vom 09.10.2013 (Dr. M.-J.) kam der MDK zu dem Ergebnis, dass die Kodierung des Behandlungsfalls unzutreffend erfolgt sei. Zutreffende Hauptdiagnose sei die Schädelbasisfraktur nach S02.1, da diese unter den verschiedenen Aufnahmediagnosen jene mit dem größten Ressourcenverbrauch gewesen sei. Die Nebendiagnose F10.1 dürfe nicht berücksichtigt werden, da diese das Patientenmanagement nicht beeinflusst habe. Die Nebendiagnosen T81.8 sowie J96.09 könnten der Dokumentation nicht entnommen werden. Dadurch falle die Behandlung unter die geringer bewertete DRG B20D (Kraniotomie oder große Wirbelsäulen-Operation mit komplexer Prozedur, Alter <15 Jahre, ohne intraoperatives neurophysiologisches Monitoring, ohne komplexe Diagnose). Die durchgeführten Prozeduren seien nicht streitig.
Die Klägerin widersprach dem Gutachten, war jedoch mit der Änderung der Hauptdiagnose in S02.1 und der Streichung der Nebendiagnose F10.1 einverstanden, was ebenfalls zur DRG B02C führt. In dem weiteren von der Beklagten eingeholten Gutachten des MDK vom 29.11.2016 (Dr. M.) blieb es bei der Streichung der Nebendiagnosen J96.09 und T81.8, was zum Ansatz der DRG B20D führt.
Am 21.12.2016 verrechnete die Beklagte einen Betrag iHv 5.504,92 EUR mit einer unstreitigen Forderung der Klägerin.
Hiergegen richtet sich die am 20.03.2017 zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhobene Klage. Der Rechnung sei zutreffend die DRG B02C zugrunde gelegt worden. Dies gelte auch dann, wenn als Hauptdiagnose die Schädelbasisfraktur S02.1 berücksichtigt und die Nebendiagnosen F10.1 und T81.8 ersatzlos gestrichen würde. Gleichwohl habe auch die Nebendiagnose T81.8 vorgelegen, denn postoperativ sei ein Serom im Bereich des chirurgischen Zugangs entlastet worden. Die Nebendiagnose J96.09 ergebe sich aus der dokumentierten Sauerstoffgabe von 2 1/min in der Zeit vom 23.10.2012 16:00 Uhr bis 24.10.2012 6:00 Uhr. Zunächst habe die Sauerstoff-Sättigung bei 90%, anschließend bei 93% gelegen. Einer Blutgasanalyse (BGA) habe es nicht bedurft.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat ein weiteres Gutachten des MDK vom 30.05.2017 (Dr. M.) vorgelegt. Darin wird zur Nebendiagnose T81.8 ausgeführt, zwar werde im Entlassungsbericht angegeben, dass postoperativ ein Serom im Bereich des chirurgischen Zugangs entlastet worden sei, es liege noch eine Drainagelasche. Dies sei jedoch in der gesamten Patientenakte nicht dokumentiert, auch nicht der Eingriff selbst. Bezüglich der Nebendiagnose J96.09 finde sich ein Überwachungsprotokoll für den OP-Tag (23.10.2012) von 16.30 bis 06:00 Uhr mit Eintragung einer durchgängigen O2 Gabe mit 2 l von 16:30 bis 02:00 Uhr ohne Angaben hinsichtlich Messung der Sauerstoffsättigung oder BGA. Intraoperativ finde sich eine BGA vom 23.10.2012 um 10:56 Uhr sowie Trendprotokolle vom 23.10.2012 (16:30 Uhr) bis 24.10.2012 (05:35 Uhr). Hier fänden sich Sättigungswerte zwischen 90% und 99%; die minimal gemessenen Werte seien zwischen 19:55 und 20:05 am 23.10.2012 aufgetreten. Durchgängig sei eine Sauerstoffvorlage ab Übernahme aus dem Aufwachraum um 16:30 Uhr erfolgt. Aufgrund der kurzzeitig erniedrigten Sättigungswerte habe sich keine Beeinflussung des Patientenmanagements ergeben.
Das SG hat den Facharzt für Innere Medizin und Pneumologie Dr. K. zum gerichtlichen Sachverständigen ernannt. Dieser hat mit Gutachten vom 26.07.2018 ausgeführt, die respiratorische Insuffizienz sei am 23.10.2012 in der Zeit zwischen 19:50 und 20:10 Uhr zweifelsfrei durch die kontinuierliche Protokollierung gesichert und dokumentiert. In dieser Zeitspanne sei der Versicherte auf Intensivstation postoperativ überwachungspflichtig gewesen. Zu diesem frühen postoperativen Zeitpunkt sei der Versicherte noch eingeschränkt in der Spontanatmung gewesen. Die Sauerstoffinsufflation von 2 l/min sei medizinisch notwendig gewesen. Dem Argument des MDK, es habe sich keine Beeinflussung des Patientenmanagements ergeben, sei entgegenzuhalten, dass während einer Überwachung auf einer Intensivstation ständig Beeinflussungen des Patientenmanagements erfolgten, auch wenn dies nicht im Einzelnen protokolliert sein könne. Unstreitig bestehe bei einer Intensivüberwachung ein erhöhter Betreuungs-, Pflege- und Überwachungsaufwand. Eine akute respiratorische Insuffizienz habe vorgelegen.
10 
Mit Urteil vom 14.01.2019 hat das SG die Klage abgewiesen. Der unstreitige Vergütungsanspruch der Klägerin iHv 5.504,92 EUR wegen der Behandlung anderer bei der Beklagten versicherter Patienten sei untergegangen, da die Beklagte wirksam aufgerechnet habe wegen Überzahlung der Vergütung für die Behandlung des Versicherten. Der Klägerin habe kein Anspruch nach der DRG B02C zugestanden, sondern lediglich nach der niedriger bewerteten DRG B20D. Der darauf entfallende Betrag sei von der Beklagten bereits beglichen worden. Entscheidend für die Einordnung der Behandlung in die DRG B02C oder B20D sei allein die Nebendiagnose J96.09. Die Nebendiagnose T81.8 sei nicht abrechnungsrelevant. Hinsichtlich des Ansatzes der Hauptdiagnose S02.1 (Schädelbasisfraktur) bestehe zwischen den Beteiligten Einigkeit. Nach den Deutschen Kodierrichtlinien (DKR) des Jahres 2012 müsse sich die Nebendiagnose auf das Versorgungsgeschehen tatsächlich im Sinne eines zusätzlichen Aufwands auswirken; sie sei gemäß Ziffer D003i definiert als „eine Krankheit oder Beschwerde, die entweder gleichzeitig mit der Hauptdiagnose besteht oder sich während des Krankenhausaufenthaltes entwickelt.“ Nach diesen Grundsätzen dürfe die Ziff J96.09 der Abrechnung nicht zugrunde gelegt werden.
11 
Der streitgegenständliche Teil des ICD-10-GM 2012 laute unter dem Kapitel X - Krankheiten des Atmungssystems (J00-J99):
12 
„Sonstige Krankheiten des Atmungssystems (J95-.199) [...]
13 
J95.- Krankheiten der Atemwege nach medizinischen Maßnahmen, anderenorts nicht klassifiziert
14 
J95.1 Akute pulmonale Insuffizienz nach Thoraxoperation
15 
J95.2 Akute pulmonale Insuffizienz nach nicht am Thorax vorgenommener Operation
[...]
16 
J96.- Respiratorische Insuffizienz, anderenorts nicht klassifiziert
17 
Exkl.:
18 
[...]
Respiratorische Insuffizienz nach medizinischen Maßnahmen (J95.-)
19 
Die folgenden fünften Stellen sind bei den Subkategorien J96.0-J96.9 zu benutzen:
20 
0 Typ I [hypoxisch]
1 Typ II [hyperkapnisch]
9 Typ nicht näher bezeichnet
21 
J96.0- Akute respiratorische Insuffizienz, anderenorts nicht klassifiziert
[...]“
22 
Unter einer respiratorischen Insuffizienz sei danach eine Störung bzw Funktionsschwäche der Atmung zu verstehen. Das Adjektiv akut bedeute im medizinischen Kontext plötzlich auftretend und/oder schnell und heftig verlaufend in Bezug auf Krankheiten und Schmerz. Der Sachverständige Dr. K. führe zum Begriff der akuten respiratorischen Insuffizienz ergänzend aus, dass dieser akute Störungen des respiratorischen Systems umfasse. Er begründe das Vorliegen einer entsprechenden akuten respiratorischen Insuffizienz im streitigen Behandlungsfall sowohl zeitlich als auch gegenständlich mit der postoperativen Situation. Zum Zeitpunkt der Aufnahme hätten keine Insuffizienzzeichen bestanden, es seien auch keine Traumafolgen an Hals, Brust und Bauch festgestellt worden. Postoperativ während der erforderlichen Intensivüberwachung sei eine Depression des Blutsauerstoffgehaltes festgestellt worden. Auch wenn dem Gutachten folgend der postoperative Zustand als akute respiratorische Insuffizienz bezeichnet werden könne, dürfe die Nebendiagnose J96.09 gleichwohl nicht kodiert werden. Die Verschlüsselung dieses Kodes sei durch das Exklusivum in J96.- ausgeschlossen. Danach seien vorrangig die Ziffern J95.- „Krankheiten der Atemwege nach medizinischen Maßnahmen, anderenorts nicht klassifiziert". Dieses Exklusivum sei einschlägig, weil der Sachverständige das Vorliegen der akuten respiratorischen Insuffizienz alleine mit den Folgen der Operation einschließlich der Narkose und deren Auswirkungen auf die Atmung begründe. Innerhalb der Ziffer J95.- komme die Kodierung der J95.2 (Akute pulmonale Insuffizienz nach nicht am Thorax vorgenommener Operation) in Betracht, welche ebenfalls zur höher bewerteten B02C führe. Jedoch könne auch die Ziff J95.2 den vom Sachverständigen beschriebenen Zustand nicht erfassen, denn dies setze schon nach den Kodierrichtlinien für die Nebendiagnose voraus, dass die akute pulmonale Insuffizienz nach nicht am Thorax vorgenommener Operation nicht allein ein regelmäßiger Folgezustand des vorangehenden Eingriffs sei. Vielmehr setze die J95.2 einen akuten Krankheitszustand voraus, der außerhalb des üblichen Ablaufs und unabhängig von der Größe der Operation eingetreten sei und eine Nachbetreuung mit einem Aufwand nach sich ziehe, die über die gewöhnlichen Folgen des Eingriffs hinausgehe. Das SG sehe sich in dieser Auslegung des J95.2 durch die (nicht bindenden) SEG-4 Kodierempfehlungen und den entsprechenden Konsens des Fachausschusses für ordnungsgemäße Kodierung und Abrechnung (FoKA) der Deutschen Gesellschaft für Medizincontrolling bestärkt. Die SEG-4 Expertengruppe und der FoKA gingen übereinstimmend davon aus, dass der Kode J95.2 „nicht geeignet ist, um die routinemäßige kurzzeitige Sauerstoffgabe (<24 h) nach operativen Eingriffen, die regelhaft mit einer vorübergehenden respiratorischen Beeinträchtigung einhergehen (z.B. Reduktion funktioneller Lungenvolumina nach Oberbaucheingriffen oder Beeinträchtigung des Atemantriebes nach langen Operationszeiten) [...] abzubilden“. Der Sachverständige beschreibe indes zur Begründung der akuten respiratorischen Insuffizienz genau einen solchen Zustand.
23 
Gegen das ihren Bevollmächtigten am 18.01.2019 zugestellte Urteil richtet sich die am 14.02.2019 eingelegte Berufung der Klägerin. Das Urteil beruhe auf unzutreffenden rechtlichen Erwägungen und stehe auch im Widerspruch zu den Einschätzungen des Sachverständigen. Eine akute respiratorische Insuffizienz werde vom Sachverständigen bestätigt. Es liege auf der Hand, dass deswegen mit engmaschiger Kontrolle und zusätzlicher Applikation von Sauerstoff ein erhöhter Behandlungsaufwand verbunden gewesen sei. Dies stelle das SG auch nicht in Abrede. Es vertrete die unzutreffende Auffassung, in den ersten 24 Stunden nach einem operativen Eingriff scheide die Kodierung der Nebendiagnosen J96.09 und J95.2 von vornherein aus. Das SG unterliege auch einem Irrtum, indem es davon ausgehe, dass das plötzliche Auftreten einer respiratorischen Insuffizienz beim Versicherten einem Zustand entsprochen habe, der nicht über die nach operativen Eingriffen regelmäßig zu erwartende Entwicklung hinausgegangen sei. Das SG habe nicht über die fachliche Qualifikation verfügt, um dies annehmen zu können. Eine solche akute Verschlechterung der respiratorischen Situation sei vielmehr eher die Ausnahme als die Regel.
24 
Die Klägerin beantragt,
25 
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 14.01.2019 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 5.504,92 EUR nebst Zinsen iHv 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 22.12.2016 zu bezahlen.
26 
Die Beklagte beantragt,
27 
die Berufung zurückzuweisen.
28 
Die Argumentation der Klägerin, dass doch der Sachverständige das Vorliegen einer respiratorischen Insuffizienz (J96.-) bestätigt habe, greife nicht durch. Der medizinische Sachverständige habe den Sachverhalt vielmehr nur aus medizinischer Sicht bewertet. Hierzu sei die Einholung eines Gutachtens auch zwingend erforderlich, da das SG keine medizinische Fachkompetenz besitze. Die medizinische Bewertung unter die Vorgaben der Abrechnungsbestimmungen zu subsumieren, stelle allerdings eine exklusive Aufgabe des Gerichts dar. Dieser Aufgabe sei das SG rechtsfehlerfrei nachgekommen. Es habe die medizinische Bewertung des Sachverständigen zugrunde gelegt, wonach die akute respiratorische Insuffizienz sowohl zeitlich als auch gegenständlich durch die postoperative Situation begründet sei (unter Hinweis auf S 11 des Gutachtens). Damit sei widerlegt, dass es sich bei dem Versicherten um einen plötzlich aufgetretenen Zustand gehandelt habe, welcher in keiner Verbindung mit der postoperativen Situation gestanden habe. Das SG habe zutreffend auf das Exklusivum in J96.- verwiesen, wonach die Ziff J95.- vorrangig seien. Ebenso habe es zutreffend erkannt, dass die Voraussetzungen der J95.2 nicht gegeben seien. Die Klägerin benenne keine alternativen Ursachen für die Atmungsstörung und lege nicht dar, worin hier ein akuter Krankheitszustand außerhalb des üblichen Ablaufs eingetreten sei und eine Nachbetreuung mit einem Aufwand nach sich ziehe, der über die gewöhnlichen Folgen des Eingriffs hinausgehe. Allein die Behauptung, das Auftreten einer respiratorischen Insuffizienz sei eher die Ausnahme als die Regel, dürfe nicht ausreichend sein. Aus Sicht der Beklagten sei auch nicht belegt, dass in der kurzen Zeit ein zwingend erforderlicher Ressourcenverbrauch erfolgt sei.
29 
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge, die Verwaltungsakten der Beklagten und die Patientenakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
30 
Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.
31 
Die nach den §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig, jedoch unbegründet. Das SG hat zu Recht die Klage auf Zahlung von 5.504,92 EUR abgewiesen. Zu Recht hat die Beklagte in dieser Höhe gegen eine andere (unstreitige) Forderung der Klägerin aufgerechnet.
32 
Die Klägerin hat mit der erhobenen (echten) Leistungsklage nach § 54 Abs 5 SGG die richtige Klageart gewählt (dazu nur Bundessozialgericht 14.10.2014, B 1 KR 25/13; BSG 14.10.2014, B 1 KR 26/13 R, SozR 4-2500 § 301 Nr 3). Es handelt sich um einen sog Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt, kein Vorverfahren durchzuführen und eine Klagefrist nicht zu beachten ist (BSG 28.11.2013, B 3 KR 33/12 R, SozR 4-5562 § 9 Nr 5).
33 
Der Klägerin steht der geltend gemachte Vergütungsanspruch iHv 5.504,92 EUR nicht zu. Zwar hatte die Beklagte ursprünglich den gesamten von der Klägerin für die Behandlung des Versicherten geltend gemachten Betrag iHv 13.012,27 EUR gezahlt, jedoch nachträglich den Vergütungsanspruch mit einem zwischen den Beteiligten nicht streitigen Vergütungsanspruch der Klägerin aus einem anderen Behandlungsfall gegen die Beklagte iHv 5.504,92 EUR verrechnet. Da die Beklagte sich ausschließlich im Wege der Primäraufrechnung mit einer Gegenforderung verteidigt, steht die Hauptforderung selbst außer Streit (BSG 28.11.2013, B 3 KR 33/12 R, aaO; BSG 01.07.2014, B 1 KR 24/13 R, SozR 4-2500 § 301 Nr 2).
34 
Die für eine Aufrechnung erforderliche Gegenforderung der Beklagten, mit der sie gegen die Hauptforderung der Klägerin wegen Überzahlung der Vergütung für die Krankenhausbehandlung des Versicherten analog § 387 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) aufrechnen kann (zur Aufrechnung analog § 387 BGB BSG 01.07.2014, B 1 KR 24/13 R, aaO), liegt vor. Der Beklagten steht als Grundlage für ihre Gegenforderung ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch iHv 5.504,92 EUR zu (zum öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch bei Überzahlung von Krankenhausentgelten BSG 28.11.2013, B 3 KR 33/12 R; BSG 01.07.2014, B 1 KR 24/13 R), denn die ursprüngliche Zahlung der Beklagten erfolgte insoweit ohne Rechtsgrund. Ein (weiterer) Vergütungsanspruch der Klägerin iHv 5.504,92 EUR gegen die Beklagte für die Behandlung des Versicherten vom 13.10. bis 30.10.2012 bestand nicht.
35 
Rechtsgrundlage des Vergütungsanspruchs ist § 109 Abs 4 Satz 3 SGB V (idF vom 26.03.2007, BGBl I 378) in Verbindung mit § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) und § 9 Abs 1 Satz 1 Nr 1 KHEntgG (jeweils idF vom 22.12.2010, BGBl I 2309) sowie § 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG; idF durch das Krankenhausfinanzierungsreformgesetz vom 17.03.2009, BGBl I 534) und die Vereinbarung zum Fallpauschalensystem für Krankenhäuser für das Jahr 2012 (Fallpauschalenvereinbarung 2012 - FPV-2012).
36 
Der Vergütungsanspruch für die Krankenhausbehandlung eines gesetzlich Krankenversicherten und damit korrespondierend die Zahlungspflicht einer Krankenkasse entsteht - unabhängig von einer Kostenzusage - unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus erfolgt und im Sinne von § 39 Abs 1 Satz 2 SGB V erforderlich und wirtschaftlich ist (BSG 14.10.2014, B 1 KR 25/13 R; BSG, Urt. v. 14.10.2014, B 1 KR 26/13 R). Bei der Klägerin handelt es sich um ein zugelassenes Plankrankenhaus; die medizinische Notwendigkeit der vollstationären Krankenhausbehandlung des Versicherten war gegeben und wird von der Beklagten auch nicht in Zweifel gezogen.
37 
In seiner Höhe wird der Vergütungsanspruch durch Normsetzungsverträge konkretisiert. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und der Verband der privaten Krankenversicherung gemeinsam vereinbaren nach § 9 Abs 1 Satz 1 Nr 1 KHEntgG mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft als Vertragsparteien auf Bundesebene mit Wirkung für die Vertragsparteien nach § 11 KHEntgG einen Fallpauschalen-Katalog einschließlich der Bewertungsrelation sowie Regelungen zur Grenzverweildauer und der in Abhängigkeit von diesen zusätzlich zu zahlenden Entgelte oder vorzunehmenden Abschläge. Ferner vereinbaren sie insoweit Abrechnungsbestimmungen in der Fallpauschalenvereinbarung auf der Grundlage des § 9 Abs 1 Satz 1 Nr 3 KHEntgG.
38 
Der Fallpauschalenkatalog ist nach Fallgruppen (DRG = Diagnosis Related Groups) geordnet. Welche DRG-Position abzurechnen ist, ergibt sich rechtsverbindlich nicht aus einem schriftlich festgelegten abstrakten Tatbestand, sondern aus der Eingabe von im Einzelnen von einem Programm vorgegebenen, abzufragenden Daten in ein automatisches Datenverarbeitungssystem und dessen Anwendung (dazu und zum Folgenden BSG 14.10.2014, B 1 KR 25/13 R; BSG 14.10.2014, B 1 KR 26/13 R, jeweils unter Hinweis auf BSGE 109, 236 ff.). Nach § 1 Abs 6 Satz 1 FPV sind in diesem Sinne zur Einstufung des Behandlungsfalles in die jeweils abzurechnende Fallpauschale Programme (Grouper) einzusetzen. Zugelassen sind nur solche Programme, die von der InEK GmbH - Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus, einer gemeinsamen Einrichtung der in § 17b Abs 2 Satz 1 KHG und § 9 Abs 1 Satz 1 Nr 1 KHEntgG genannten Vertragspartner auf Bundesebene, zertifiziert worden sind.
39 
Das den Algorithmus enthaltende und ausführende Programm greift dabei auch auf Dateien zurück, die entweder als integrale Bestandteile des Programms mit vereinbart sind, zB die Zuordnung von ICD-10-Diagnosen und Prozeduren zu bestimmten Untergruppen im zu durchlaufenden Entscheidungsbaum, oder an anderer Stelle vereinbarte Regelungen wiedergeben. Zu letzteren gehören die Fallpauschalen selbst, aber auch die Internationale Klassifikation der Krankheiten (ICD-10) in der jeweiligen vom DIMDI im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) herausgegebenen deutschen Fassung sowie die Klassifikationen des vom DIMDI im Auftrag des BMG herausgegebenen Operationen- und Prozedurenschlüssels (hier in der Version 2012). Die Verbindlichkeit der in dem jeweiligen Vertragswerk angesprochenen Klassifikationssysteme folgt allein aus dem Umstand, dass sie in die zertifizierten Grouper einbezogen sind (BSG 14.10.2014, B 1 KR 25/13 R und B 1 KR 26/13 R).
40 
Die Anwendung der DKR und der FPV-Abrechnungsbestimmungen einschließlich des ICD-10-GM und des OPS ist nicht automatisiert und unterliegt als Mitsteuerung der prozesshaften Tatbestandsbildung im Zusammenspiel mit den Vorgaben zertifizierter Grouper ihrerseits grundsätzlich den allgemeinen Auslegungsmethoden der Rechtswissenschaft (dazu und zum Folgenden: BSG 14.10.2014, B 1 KR 25/13 R und B 1 KR 26/13 R). Die Abrechnungsbestimmungen sind gleichwohl wegen ihrer Funktion im Gefüge der Ermittlung des Vergütungstatbestandes innerhalb eines vorgegebenen Vergütungssystems eng am Wortlaut orientiert und unterstützt durch systematische Erwägungen auszulegen. Eine Vergütungsregelung, die für die routinemäßige Abwicklung von zahlreichen Behandlungsfällen vorgesehen ist, kann ihren Zweck nur erfüllen, wenn sie allgemein streng nach ihrem Wortlaut sowie den dazu vereinbarten Anwendungsregeln gehandhabt wird und keinen Spielraum für weitere Bewertungen sowie Abwägungen belässt. Demgemäß sind Vergütungsregelungen stets eng nach ihrem Wortlaut und allenfalls ergänzend nach ihrem systematischen Zusammenhang auszulegen. Da das DRG-basierte Vergütungssystem vom Gesetzgeber als jährlich weiterzuentwickelndes und damit „lernendes“ System angelegt ist, sind bei zutage tretenden Unrichtigkeiten oder Fehlsteuerungen in erster Linie die Vertragsparteien berufen, dies mit Wirkung für die Zukunft zu beseitigen (BSG 14.10.2014, B 1 KR 25/13 R und B 1 KR 26/13 R, SozR 4-2500 § 301 Nr 3; BSG 21.04.2015, B 1 KR 8/15 R).
41 
Unstreitig sind die Hauptdiagnose (S02.1 – Schädelbasisfraktur), weitere Nebendiagnosen und die durchgeführten Prozeduren. Streitig ist zwischen den Beteiligten allein, ob die Klägerin zu Recht die Nebendiagnose J96.09 kodiert hat, denn das Vorliegen bereits dieser Nebendiagnose entscheidet darüber, ob die von der Klägerin angesetzte DRG B02C (Komplexe Kraniotomie oder Wirbelsäulen-Operation, Alter < 6 Jahre oder Alter < 18 Jahre mit großem intrakraniellen Eingriff und äußerst schweren CC oder mit komplizierender Konstellation oder mit verschiedenartiger komplexer Prozedur) im Groupierungsvorgang angesteuert wird oder die von der Beklagten angenommene DRG B20D (Kraniotomie oder große Wirbelsäulen-Operation mit komplexer Prozedur, Alter <15 Jahre, ohne intraoperatives neurophysiologisches Monitoring, ohne komplexe Diagnose), was zu der hier streitigen Entgeltdifferenz von 5.504,92 EUR führt. Die Nebendiagnose T81.1 (Sonstige Komplikationen bei Eingriffen, andernorts nicht klassifiziert) ist nicht abrechnungsrelevant. Der Senat teilt die Auffassung des SG, dass hier weder J96.09 (Akute respiratorische Insuffizienz, anderenorts nicht klassifiziert: Typ nicht näher bezeichnet) noch J95.2 (Akute pulmonale Insuffizienz nach nicht am Thorax vorgenommener Operation) als Nebendiagnosen zu kodieren waren.
42 
Nach DKR 2012 D003i ist die Nebendiagnose definiert als: „Eine Krankheit oder Beschwerde, die entweder gleichzeitig mit der Hauptdiagnose besteht oder sich während des Krankenhausaufenthalts entwickelt.“
43 
Für Kodierungszwecke müssen Nebendiagnosen als Krankheiten interpretiert werden, die das Patientenmanagement in der Weise beeinflussen, dass irgendeiner der folgenden Faktoren erforderlich ist:
44 
- therapeutische Maßnahmen
- diagnostische Maßnahmen
- erhöhter Betreuungs-, Pflege- und/oder Überwachungsaufwand.
45 
Die maßgeblichen Regelungen nach ICD-10-GM 2012 und die Auslegungskriterien entsprechend der Rechtsprechung des BSG hat das SG zutreffend und umfassend dargestellt, auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil wird daher Bezug genommen (§ 153 Abs 2 SGG).
46 
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme lag bei dem Versicherten jedenfalls am 23.10.2012 zwischen ca 19:55 und 20:10 Uhr eine akute respiratorische Insuffizienz vor. Der Senat schließt sich insoweit den zutreffenden und überzeugenden Ausführungen des SG an und stützt sich diesbezüglich ebenfalls auf das Sachverständigengutachten von Dr. K.. Eine Kodierung nach J96.- kommt jedoch schon deshalb nicht in Betracht, weil nach dem geregelten Exklusivum zu J96.- für respiratorische Insuffizienz nach medizinischen Maßnahmen die Diagnosen nach J95.- vorrangig sind. Am 23.10.2012 wurde bei dem Versicherten in Allgemeinanästhesie eine Jochbeinreposition und Osteosynthese, Schädelbasisrevision über eine Inzision in der rechten Augenbraue und Abdichtung des Liquorlecks mittels Galea-Periostlappen durchgeführt. Um 16:30 Uhr wurde der Versicherte aus dem Aufwachraum zur weiteren Beobachtung auf die Intensivstation verlegt. Der Sachverständige Dr. K. hat ausdrücklich das Vorliegen der festgestellten akuten respiratorischen Insuffizienz zeitlich und sachlich mit der postoperativen Situation einschließlich der Auswirkungen der Narkose auf die Atmung begründet. Die Subsumtion des medizinischen Sachverhalts unter die zutreffende Diagnose nach den Vorgaben des ICD-10 ist Aufgabe des Gerichts und nicht des Sachverständigen, worauf die Beklagte zu Recht hinweist. Unter Beachtung der Systematik des ICD-10 kommt die Kodierung der Nebendiagnose J96.09 hier nicht in Betracht.
47 
Der Senat schließt sich auch der weiteren Auslegung des SG an, wonach die Voraussetzungen des Kodes J95.2 nicht vorliegen. Ob schon der Begriff „akute pulmonale Insuffizienz“ in diesem Zusammenhang einschränkend dahin auszulegen ist, dass damit nur Sachverhalte gemeint sein können, bei denen im Sinne einer Komplikation – außerhalb des üblichen Ablaufs und unabhängig von der Größe der Operation – postoperativ akute, von der Lunge ausgehende respiratorische Zustände eingetreten sind (so die SEG-4 Empfehlung KDE-10 vom 08.08.2005), kann dahinstehen. Jedenfalls ist das Patientenmanagement durch den sehr kurzzeitigen Sauerstoffabfall von ca 15 Minuten in keiner Weise beeinflusst worden. Der Versicherte wurde routinemäßig nach dem Eingriff auf der Intensivstation überwacht mit Sauerstoffinsufflation von 2 l pro Minute. Daran hat sich auch während der kurzen Zeit des Sauerstoffabfalls nichts geändert, weder wurde der Flow erhöht noch wurden sonstige zusätzliche Maßnahmen eingeleitet neben der ohnehin stattfindenden Registrierung der Sauerstoffsättigung. Insoweit sieht sich der Senat in Übereinstimmung mit dem Kommentar der FoKA zur SEG-4 Kodierempfehlung, dass der Kode J95.2 nicht geeignet ist, um die routinemäßige kurzzeitige Sauerstoffgabe (< 24 h) nach operativen Eingriffen, die regelhaft mit einer vorübergehenden respiratorischen Beeinträchtigung einhergehen (zB Beeinträchtigung des Atemantriebs nach langen Operationszeiten) oder die ebenfalls routinemäßige Nachbeatmung zur postoperativen Stabilisierung der Homöostase (Kreislauf, Gerinnung, Wärmehaushalt) abzubilden.
48 
Nach alledem trifft die von der Beklagten vorgenommene Berechnung auf der Grundlage der DRG B20D zu, weshalb die Klägerin keinen Anspruch auf weitere Vergütung iHv 5.504,92 EUR hat.
49 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 SGG iVm § 154 Abs 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), da weder Klägerin noch Beklagte zu den in § 183 SGG genannten Personen gehören.
50 
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
51 
Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 HS. 1 SGG iVm § 63, § 52 Abs 1, 3, § 47 Gerichtskostengesetz.

Gründe

 
30 
Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.
31 
Die nach den §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig, jedoch unbegründet. Das SG hat zu Recht die Klage auf Zahlung von 5.504,92 EUR abgewiesen. Zu Recht hat die Beklagte in dieser Höhe gegen eine andere (unstreitige) Forderung der Klägerin aufgerechnet.
32 
Die Klägerin hat mit der erhobenen (echten) Leistungsklage nach § 54 Abs 5 SGG die richtige Klageart gewählt (dazu nur Bundessozialgericht 14.10.2014, B 1 KR 25/13; BSG 14.10.2014, B 1 KR 26/13 R, SozR 4-2500 § 301 Nr 3). Es handelt sich um einen sog Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt, kein Vorverfahren durchzuführen und eine Klagefrist nicht zu beachten ist (BSG 28.11.2013, B 3 KR 33/12 R, SozR 4-5562 § 9 Nr 5).
33 
Der Klägerin steht der geltend gemachte Vergütungsanspruch iHv 5.504,92 EUR nicht zu. Zwar hatte die Beklagte ursprünglich den gesamten von der Klägerin für die Behandlung des Versicherten geltend gemachten Betrag iHv 13.012,27 EUR gezahlt, jedoch nachträglich den Vergütungsanspruch mit einem zwischen den Beteiligten nicht streitigen Vergütungsanspruch der Klägerin aus einem anderen Behandlungsfall gegen die Beklagte iHv 5.504,92 EUR verrechnet. Da die Beklagte sich ausschließlich im Wege der Primäraufrechnung mit einer Gegenforderung verteidigt, steht die Hauptforderung selbst außer Streit (BSG 28.11.2013, B 3 KR 33/12 R, aaO; BSG 01.07.2014, B 1 KR 24/13 R, SozR 4-2500 § 301 Nr 2).
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Die für eine Aufrechnung erforderliche Gegenforderung der Beklagten, mit der sie gegen die Hauptforderung der Klägerin wegen Überzahlung der Vergütung für die Krankenhausbehandlung des Versicherten analog § 387 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) aufrechnen kann (zur Aufrechnung analog § 387 BGB BSG 01.07.2014, B 1 KR 24/13 R, aaO), liegt vor. Der Beklagten steht als Grundlage für ihre Gegenforderung ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch iHv 5.504,92 EUR zu (zum öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch bei Überzahlung von Krankenhausentgelten BSG 28.11.2013, B 3 KR 33/12 R; BSG 01.07.2014, B 1 KR 24/13 R), denn die ursprüngliche Zahlung der Beklagten erfolgte insoweit ohne Rechtsgrund. Ein (weiterer) Vergütungsanspruch der Klägerin iHv 5.504,92 EUR gegen die Beklagte für die Behandlung des Versicherten vom 13.10. bis 30.10.2012 bestand nicht.
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Rechtsgrundlage des Vergütungsanspruchs ist § 109 Abs 4 Satz 3 SGB V (idF vom 26.03.2007, BGBl I 378) in Verbindung mit § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) und § 9 Abs 1 Satz 1 Nr 1 KHEntgG (jeweils idF vom 22.12.2010, BGBl I 2309) sowie § 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG; idF durch das Krankenhausfinanzierungsreformgesetz vom 17.03.2009, BGBl I 534) und die Vereinbarung zum Fallpauschalensystem für Krankenhäuser für das Jahr 2012 (Fallpauschalenvereinbarung 2012 - FPV-2012).
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Der Vergütungsanspruch für die Krankenhausbehandlung eines gesetzlich Krankenversicherten und damit korrespondierend die Zahlungspflicht einer Krankenkasse entsteht - unabhängig von einer Kostenzusage - unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus erfolgt und im Sinne von § 39 Abs 1 Satz 2 SGB V erforderlich und wirtschaftlich ist (BSG 14.10.2014, B 1 KR 25/13 R; BSG, Urt. v. 14.10.2014, B 1 KR 26/13 R). Bei der Klägerin handelt es sich um ein zugelassenes Plankrankenhaus; die medizinische Notwendigkeit der vollstationären Krankenhausbehandlung des Versicherten war gegeben und wird von der Beklagten auch nicht in Zweifel gezogen.
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In seiner Höhe wird der Vergütungsanspruch durch Normsetzungsverträge konkretisiert. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und der Verband der privaten Krankenversicherung gemeinsam vereinbaren nach § 9 Abs 1 Satz 1 Nr 1 KHEntgG mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft als Vertragsparteien auf Bundesebene mit Wirkung für die Vertragsparteien nach § 11 KHEntgG einen Fallpauschalen-Katalog einschließlich der Bewertungsrelation sowie Regelungen zur Grenzverweildauer und der in Abhängigkeit von diesen zusätzlich zu zahlenden Entgelte oder vorzunehmenden Abschläge. Ferner vereinbaren sie insoweit Abrechnungsbestimmungen in der Fallpauschalenvereinbarung auf der Grundlage des § 9 Abs 1 Satz 1 Nr 3 KHEntgG.
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Der Fallpauschalenkatalog ist nach Fallgruppen (DRG = Diagnosis Related Groups) geordnet. Welche DRG-Position abzurechnen ist, ergibt sich rechtsverbindlich nicht aus einem schriftlich festgelegten abstrakten Tatbestand, sondern aus der Eingabe von im Einzelnen von einem Programm vorgegebenen, abzufragenden Daten in ein automatisches Datenverarbeitungssystem und dessen Anwendung (dazu und zum Folgenden BSG 14.10.2014, B 1 KR 25/13 R; BSG 14.10.2014, B 1 KR 26/13 R, jeweils unter Hinweis auf BSGE 109, 236 ff.). Nach § 1 Abs 6 Satz 1 FPV sind in diesem Sinne zur Einstufung des Behandlungsfalles in die jeweils abzurechnende Fallpauschale Programme (Grouper) einzusetzen. Zugelassen sind nur solche Programme, die von der InEK GmbH - Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus, einer gemeinsamen Einrichtung der in § 17b Abs 2 Satz 1 KHG und § 9 Abs 1 Satz 1 Nr 1 KHEntgG genannten Vertragspartner auf Bundesebene, zertifiziert worden sind.
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Das den Algorithmus enthaltende und ausführende Programm greift dabei auch auf Dateien zurück, die entweder als integrale Bestandteile des Programms mit vereinbart sind, zB die Zuordnung von ICD-10-Diagnosen und Prozeduren zu bestimmten Untergruppen im zu durchlaufenden Entscheidungsbaum, oder an anderer Stelle vereinbarte Regelungen wiedergeben. Zu letzteren gehören die Fallpauschalen selbst, aber auch die Internationale Klassifikation der Krankheiten (ICD-10) in der jeweiligen vom DIMDI im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) herausgegebenen deutschen Fassung sowie die Klassifikationen des vom DIMDI im Auftrag des BMG herausgegebenen Operationen- und Prozedurenschlüssels (hier in der Version 2012). Die Verbindlichkeit der in dem jeweiligen Vertragswerk angesprochenen Klassifikationssysteme folgt allein aus dem Umstand, dass sie in die zertifizierten Grouper einbezogen sind (BSG 14.10.2014, B 1 KR 25/13 R und B 1 KR 26/13 R).
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Die Anwendung der DKR und der FPV-Abrechnungsbestimmungen einschließlich des ICD-10-GM und des OPS ist nicht automatisiert und unterliegt als Mitsteuerung der prozesshaften Tatbestandsbildung im Zusammenspiel mit den Vorgaben zertifizierter Grouper ihrerseits grundsätzlich den allgemeinen Auslegungsmethoden der Rechtswissenschaft (dazu und zum Folgenden: BSG 14.10.2014, B 1 KR 25/13 R und B 1 KR 26/13 R). Die Abrechnungsbestimmungen sind gleichwohl wegen ihrer Funktion im Gefüge der Ermittlung des Vergütungstatbestandes innerhalb eines vorgegebenen Vergütungssystems eng am Wortlaut orientiert und unterstützt durch systematische Erwägungen auszulegen. Eine Vergütungsregelung, die für die routinemäßige Abwicklung von zahlreichen Behandlungsfällen vorgesehen ist, kann ihren Zweck nur erfüllen, wenn sie allgemein streng nach ihrem Wortlaut sowie den dazu vereinbarten Anwendungsregeln gehandhabt wird und keinen Spielraum für weitere Bewertungen sowie Abwägungen belässt. Demgemäß sind Vergütungsregelungen stets eng nach ihrem Wortlaut und allenfalls ergänzend nach ihrem systematischen Zusammenhang auszulegen. Da das DRG-basierte Vergütungssystem vom Gesetzgeber als jährlich weiterzuentwickelndes und damit „lernendes“ System angelegt ist, sind bei zutage tretenden Unrichtigkeiten oder Fehlsteuerungen in erster Linie die Vertragsparteien berufen, dies mit Wirkung für die Zukunft zu beseitigen (BSG 14.10.2014, B 1 KR 25/13 R und B 1 KR 26/13 R, SozR 4-2500 § 301 Nr 3; BSG 21.04.2015, B 1 KR 8/15 R).
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Unstreitig sind die Hauptdiagnose (S02.1 – Schädelbasisfraktur), weitere Nebendiagnosen und die durchgeführten Prozeduren. Streitig ist zwischen den Beteiligten allein, ob die Klägerin zu Recht die Nebendiagnose J96.09 kodiert hat, denn das Vorliegen bereits dieser Nebendiagnose entscheidet darüber, ob die von der Klägerin angesetzte DRG B02C (Komplexe Kraniotomie oder Wirbelsäulen-Operation, Alter < 6 Jahre oder Alter < 18 Jahre mit großem intrakraniellen Eingriff und äußerst schweren CC oder mit komplizierender Konstellation oder mit verschiedenartiger komplexer Prozedur) im Groupierungsvorgang angesteuert wird oder die von der Beklagten angenommene DRG B20D (Kraniotomie oder große Wirbelsäulen-Operation mit komplexer Prozedur, Alter <15 Jahre, ohne intraoperatives neurophysiologisches Monitoring, ohne komplexe Diagnose), was zu der hier streitigen Entgeltdifferenz von 5.504,92 EUR führt. Die Nebendiagnose T81.1 (Sonstige Komplikationen bei Eingriffen, andernorts nicht klassifiziert) ist nicht abrechnungsrelevant. Der Senat teilt die Auffassung des SG, dass hier weder J96.09 (Akute respiratorische Insuffizienz, anderenorts nicht klassifiziert: Typ nicht näher bezeichnet) noch J95.2 (Akute pulmonale Insuffizienz nach nicht am Thorax vorgenommener Operation) als Nebendiagnosen zu kodieren waren.
42 
Nach DKR 2012 D003i ist die Nebendiagnose definiert als: „Eine Krankheit oder Beschwerde, die entweder gleichzeitig mit der Hauptdiagnose besteht oder sich während des Krankenhausaufenthalts entwickelt.“
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Für Kodierungszwecke müssen Nebendiagnosen als Krankheiten interpretiert werden, die das Patientenmanagement in der Weise beeinflussen, dass irgendeiner der folgenden Faktoren erforderlich ist:
44 
- therapeutische Maßnahmen
- diagnostische Maßnahmen
- erhöhter Betreuungs-, Pflege- und/oder Überwachungsaufwand.
45 
Die maßgeblichen Regelungen nach ICD-10-GM 2012 und die Auslegungskriterien entsprechend der Rechtsprechung des BSG hat das SG zutreffend und umfassend dargestellt, auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil wird daher Bezug genommen (§ 153 Abs 2 SGG).
46 
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme lag bei dem Versicherten jedenfalls am 23.10.2012 zwischen ca 19:55 und 20:10 Uhr eine akute respiratorische Insuffizienz vor. Der Senat schließt sich insoweit den zutreffenden und überzeugenden Ausführungen des SG an und stützt sich diesbezüglich ebenfalls auf das Sachverständigengutachten von Dr. K.. Eine Kodierung nach J96.- kommt jedoch schon deshalb nicht in Betracht, weil nach dem geregelten Exklusivum zu J96.- für respiratorische Insuffizienz nach medizinischen Maßnahmen die Diagnosen nach J95.- vorrangig sind. Am 23.10.2012 wurde bei dem Versicherten in Allgemeinanästhesie eine Jochbeinreposition und Osteosynthese, Schädelbasisrevision über eine Inzision in der rechten Augenbraue und Abdichtung des Liquorlecks mittels Galea-Periostlappen durchgeführt. Um 16:30 Uhr wurde der Versicherte aus dem Aufwachraum zur weiteren Beobachtung auf die Intensivstation verlegt. Der Sachverständige Dr. K. hat ausdrücklich das Vorliegen der festgestellten akuten respiratorischen Insuffizienz zeitlich und sachlich mit der postoperativen Situation einschließlich der Auswirkungen der Narkose auf die Atmung begründet. Die Subsumtion des medizinischen Sachverhalts unter die zutreffende Diagnose nach den Vorgaben des ICD-10 ist Aufgabe des Gerichts und nicht des Sachverständigen, worauf die Beklagte zu Recht hinweist. Unter Beachtung der Systematik des ICD-10 kommt die Kodierung der Nebendiagnose J96.09 hier nicht in Betracht.
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Der Senat schließt sich auch der weiteren Auslegung des SG an, wonach die Voraussetzungen des Kodes J95.2 nicht vorliegen. Ob schon der Begriff „akute pulmonale Insuffizienz“ in diesem Zusammenhang einschränkend dahin auszulegen ist, dass damit nur Sachverhalte gemeint sein können, bei denen im Sinne einer Komplikation – außerhalb des üblichen Ablaufs und unabhängig von der Größe der Operation – postoperativ akute, von der Lunge ausgehende respiratorische Zustände eingetreten sind (so die SEG-4 Empfehlung KDE-10 vom 08.08.2005), kann dahinstehen. Jedenfalls ist das Patientenmanagement durch den sehr kurzzeitigen Sauerstoffabfall von ca 15 Minuten in keiner Weise beeinflusst worden. Der Versicherte wurde routinemäßig nach dem Eingriff auf der Intensivstation überwacht mit Sauerstoffinsufflation von 2 l pro Minute. Daran hat sich auch während der kurzen Zeit des Sauerstoffabfalls nichts geändert, weder wurde der Flow erhöht noch wurden sonstige zusätzliche Maßnahmen eingeleitet neben der ohnehin stattfindenden Registrierung der Sauerstoffsättigung. Insoweit sieht sich der Senat in Übereinstimmung mit dem Kommentar der FoKA zur SEG-4 Kodierempfehlung, dass der Kode J95.2 nicht geeignet ist, um die routinemäßige kurzzeitige Sauerstoffgabe (< 24 h) nach operativen Eingriffen, die regelhaft mit einer vorübergehenden respiratorischen Beeinträchtigung einhergehen (zB Beeinträchtigung des Atemantriebs nach langen Operationszeiten) oder die ebenfalls routinemäßige Nachbeatmung zur postoperativen Stabilisierung der Homöostase (Kreislauf, Gerinnung, Wärmehaushalt) abzubilden.
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Nach alledem trifft die von der Beklagten vorgenommene Berechnung auf der Grundlage der DRG B20D zu, weshalb die Klägerin keinen Anspruch auf weitere Vergütung iHv 5.504,92 EUR hat.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 SGG iVm § 154 Abs 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), da weder Klägerin noch Beklagte zu den in § 183 SGG genannten Personen gehören.
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Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
51 
Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 HS. 1 SGG iVm § 63, § 52 Abs 1, 3, § 47 Gerichtskostengesetz.

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