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| Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg. |
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| Die nach den §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig, jedoch unbegründet. Das SG hat zu Recht die Klage auf Zahlung von 5.504,92 EUR abgewiesen. Zu Recht hat die Beklagte in dieser Höhe gegen eine andere (unstreitige) Forderung der Klägerin aufgerechnet. |
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| Die Klägerin hat mit der erhobenen (echten) Leistungsklage nach § 54 Abs 5 SGG die richtige Klageart gewählt (dazu nur Bundessozialgericht 14.10.2014, B 1 KR 25/13; BSG 14.10.2014, B 1 KR 26/13 R, SozR 4-2500 § 301 Nr 3). Es handelt sich um einen sog Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt, kein Vorverfahren durchzuführen und eine Klagefrist nicht zu beachten ist (BSG 28.11.2013, B 3 KR 33/12 R, SozR 4-5562 § 9 Nr 5). |
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| Der Klägerin steht der geltend gemachte Vergütungsanspruch iHv 5.504,92 EUR nicht zu. Zwar hatte die Beklagte ursprünglich den gesamten von der Klägerin für die Behandlung des Versicherten geltend gemachten Betrag iHv 13.012,27 EUR gezahlt, jedoch nachträglich den Vergütungsanspruch mit einem zwischen den Beteiligten nicht streitigen Vergütungsanspruch der Klägerin aus einem anderen Behandlungsfall gegen die Beklagte iHv 5.504,92 EUR verrechnet. Da die Beklagte sich ausschließlich im Wege der Primäraufrechnung mit einer Gegenforderung verteidigt, steht die Hauptforderung selbst außer Streit (BSG 28.11.2013, B 3 KR 33/12 R, aaO; BSG 01.07.2014, B 1 KR 24/13 R, SozR 4-2500 § 301 Nr 2). |
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| Die für eine Aufrechnung erforderliche Gegenforderung der Beklagten, mit der sie gegen die Hauptforderung der Klägerin wegen Überzahlung der Vergütung für die Krankenhausbehandlung des Versicherten analog § 387 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) aufrechnen kann (zur Aufrechnung analog § 387 BGB BSG 01.07.2014, B 1 KR 24/13 R, aaO), liegt vor. Der Beklagten steht als Grundlage für ihre Gegenforderung ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch iHv 5.504,92 EUR zu (zum öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch bei Überzahlung von Krankenhausentgelten BSG 28.11.2013, B 3 KR 33/12 R; BSG 01.07.2014, B 1 KR 24/13 R), denn die ursprüngliche Zahlung der Beklagten erfolgte insoweit ohne Rechtsgrund. Ein (weiterer) Vergütungsanspruch der Klägerin iHv 5.504,92 EUR gegen die Beklagte für die Behandlung des Versicherten vom 13.10. bis 30.10.2012 bestand nicht. |
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| Rechtsgrundlage des Vergütungsanspruchs ist § 109 Abs 4 Satz 3 SGB V (idF vom 26.03.2007, BGBl I 378) in Verbindung mit § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) und § 9 Abs 1 Satz 1 Nr 1 KHEntgG (jeweils idF vom 22.12.2010, BGBl I 2309) sowie § 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG; idF durch das Krankenhausfinanzierungsreformgesetz vom 17.03.2009, BGBl I 534) und die Vereinbarung zum Fallpauschalensystem für Krankenhäuser für das Jahr 2012 (Fallpauschalenvereinbarung 2012 - FPV-2012). |
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| Der Vergütungsanspruch für die Krankenhausbehandlung eines gesetzlich Krankenversicherten und damit korrespondierend die Zahlungspflicht einer Krankenkasse entsteht - unabhängig von einer Kostenzusage - unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus erfolgt und im Sinne von § 39 Abs 1 Satz 2 SGB V erforderlich und wirtschaftlich ist (BSG 14.10.2014, B 1 KR 25/13 R; BSG, Urt. v. 14.10.2014, B 1 KR 26/13 R). Bei der Klägerin handelt es sich um ein zugelassenes Plankrankenhaus; die medizinische Notwendigkeit der vollstationären Krankenhausbehandlung des Versicherten war gegeben und wird von der Beklagten auch nicht in Zweifel gezogen. |
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| In seiner Höhe wird der Vergütungsanspruch durch Normsetzungsverträge konkretisiert. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und der Verband der privaten Krankenversicherung gemeinsam vereinbaren nach § 9 Abs 1 Satz 1 Nr 1 KHEntgG mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft als Vertragsparteien auf Bundesebene mit Wirkung für die Vertragsparteien nach § 11 KHEntgG einen Fallpauschalen-Katalog einschließlich der Bewertungsrelation sowie Regelungen zur Grenzverweildauer und der in Abhängigkeit von diesen zusätzlich zu zahlenden Entgelte oder vorzunehmenden Abschläge. Ferner vereinbaren sie insoweit Abrechnungsbestimmungen in der Fallpauschalenvereinbarung auf der Grundlage des § 9 Abs 1 Satz 1 Nr 3 KHEntgG. |
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| Der Fallpauschalenkatalog ist nach Fallgruppen (DRG = Diagnosis Related Groups) geordnet. Welche DRG-Position abzurechnen ist, ergibt sich rechtsverbindlich nicht aus einem schriftlich festgelegten abstrakten Tatbestand, sondern aus der Eingabe von im Einzelnen von einem Programm vorgegebenen, abzufragenden Daten in ein automatisches Datenverarbeitungssystem und dessen Anwendung (dazu und zum Folgenden BSG 14.10.2014, B 1 KR 25/13 R; BSG 14.10.2014, B 1 KR 26/13 R, jeweils unter Hinweis auf BSGE 109, 236 ff.). Nach § 1 Abs 6 Satz 1 FPV sind in diesem Sinne zur Einstufung des Behandlungsfalles in die jeweils abzurechnende Fallpauschale Programme (Grouper) einzusetzen. Zugelassen sind nur solche Programme, die von der InEK GmbH - Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus, einer gemeinsamen Einrichtung der in § 17b Abs 2 Satz 1 KHG und § 9 Abs 1 Satz 1 Nr 1 KHEntgG genannten Vertragspartner auf Bundesebene, zertifiziert worden sind. |
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| Das den Algorithmus enthaltende und ausführende Programm greift dabei auch auf Dateien zurück, die entweder als integrale Bestandteile des Programms mit vereinbart sind, zB die Zuordnung von ICD-10-Diagnosen und Prozeduren zu bestimmten Untergruppen im zu durchlaufenden Entscheidungsbaum, oder an anderer Stelle vereinbarte Regelungen wiedergeben. Zu letzteren gehören die Fallpauschalen selbst, aber auch die Internationale Klassifikation der Krankheiten (ICD-10) in der jeweiligen vom DIMDI im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) herausgegebenen deutschen Fassung sowie die Klassifikationen des vom DIMDI im Auftrag des BMG herausgegebenen Operationen- und Prozedurenschlüssels (hier in der Version 2012). Die Verbindlichkeit der in dem jeweiligen Vertragswerk angesprochenen Klassifikationssysteme folgt allein aus dem Umstand, dass sie in die zertifizierten Grouper einbezogen sind (BSG 14.10.2014, B 1 KR 25/13 R und B 1 KR 26/13 R). |
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| Die Anwendung der DKR und der FPV-Abrechnungsbestimmungen einschließlich des ICD-10-GM und des OPS ist nicht automatisiert und unterliegt als Mitsteuerung der prozesshaften Tatbestandsbildung im Zusammenspiel mit den Vorgaben zertifizierter Grouper ihrerseits grundsätzlich den allgemeinen Auslegungsmethoden der Rechtswissenschaft (dazu und zum Folgenden: BSG 14.10.2014, B 1 KR 25/13 R und B 1 KR 26/13 R). Die Abrechnungsbestimmungen sind gleichwohl wegen ihrer Funktion im Gefüge der Ermittlung des Vergütungstatbestandes innerhalb eines vorgegebenen Vergütungssystems eng am Wortlaut orientiert und unterstützt durch systematische Erwägungen auszulegen. Eine Vergütungsregelung, die für die routinemäßige Abwicklung von zahlreichen Behandlungsfällen vorgesehen ist, kann ihren Zweck nur erfüllen, wenn sie allgemein streng nach ihrem Wortlaut sowie den dazu vereinbarten Anwendungsregeln gehandhabt wird und keinen Spielraum für weitere Bewertungen sowie Abwägungen belässt. Demgemäß sind Vergütungsregelungen stets eng nach ihrem Wortlaut und allenfalls ergänzend nach ihrem systematischen Zusammenhang auszulegen. Da das DRG-basierte Vergütungssystem vom Gesetzgeber als jährlich weiterzuentwickelndes und damit „lernendes“ System angelegt ist, sind bei zutage tretenden Unrichtigkeiten oder Fehlsteuerungen in erster Linie die Vertragsparteien berufen, dies mit Wirkung für die Zukunft zu beseitigen (BSG 14.10.2014, B 1 KR 25/13 R und B 1 KR 26/13 R, SozR 4-2500 § 301 Nr 3; BSG 21.04.2015, B 1 KR 8/15 R). |
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| Unstreitig sind die Hauptdiagnose (S02.1 – Schädelbasisfraktur), weitere Nebendiagnosen und die durchgeführten Prozeduren. Streitig ist zwischen den Beteiligten allein, ob die Klägerin zu Recht die Nebendiagnose J96.09 kodiert hat, denn das Vorliegen bereits dieser Nebendiagnose entscheidet darüber, ob die von der Klägerin angesetzte DRG B02C (Komplexe Kraniotomie oder Wirbelsäulen-Operation, Alter < 6 Jahre oder Alter < 18 Jahre mit großem intrakraniellen Eingriff und äußerst schweren CC oder mit komplizierender Konstellation oder mit verschiedenartiger komplexer Prozedur) im Groupierungsvorgang angesteuert wird oder die von der Beklagten angenommene DRG B20D (Kraniotomie oder große Wirbelsäulen-Operation mit komplexer Prozedur, Alter <15 Jahre, ohne intraoperatives neurophysiologisches Monitoring, ohne komplexe Diagnose), was zu der hier streitigen Entgeltdifferenz von 5.504,92 EUR führt. Die Nebendiagnose T81.1 (Sonstige Komplikationen bei Eingriffen, andernorts nicht klassifiziert) ist nicht abrechnungsrelevant. Der Senat teilt die Auffassung des SG, dass hier weder J96.09 (Akute respiratorische Insuffizienz, anderenorts nicht klassifiziert: Typ nicht näher bezeichnet) noch J95.2 (Akute pulmonale Insuffizienz nach nicht am Thorax vorgenommener Operation) als Nebendiagnosen zu kodieren waren. |
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| Nach DKR 2012 D003i ist die Nebendiagnose definiert als: „Eine Krankheit oder Beschwerde, die entweder gleichzeitig mit der Hauptdiagnose besteht oder sich während des Krankenhausaufenthalts entwickelt.“ |
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| Für Kodierungszwecke müssen Nebendiagnosen als Krankheiten interpretiert werden, die das Patientenmanagement in der Weise beeinflussen, dass irgendeiner der folgenden Faktoren erforderlich ist: |
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| - therapeutische Maßnahmen - diagnostische Maßnahmen - erhöhter Betreuungs-, Pflege- und/oder Überwachungsaufwand. |
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| Die maßgeblichen Regelungen nach ICD-10-GM 2012 und die Auslegungskriterien entsprechend der Rechtsprechung des BSG hat das SG zutreffend und umfassend dargestellt, auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil wird daher Bezug genommen (§ 153 Abs 2 SGG). |
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| Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme lag bei dem Versicherten jedenfalls am 23.10.2012 zwischen ca 19:55 und 20:10 Uhr eine akute respiratorische Insuffizienz vor. Der Senat schließt sich insoweit den zutreffenden und überzeugenden Ausführungen des SG an und stützt sich diesbezüglich ebenfalls auf das Sachverständigengutachten von Dr. K.. Eine Kodierung nach J96.- kommt jedoch schon deshalb nicht in Betracht, weil nach dem geregelten Exklusivum zu J96.- für respiratorische Insuffizienz nach medizinischen Maßnahmen die Diagnosen nach J95.- vorrangig sind. Am 23.10.2012 wurde bei dem Versicherten in Allgemeinanästhesie eine Jochbeinreposition und Osteosynthese, Schädelbasisrevision über eine Inzision in der rechten Augenbraue und Abdichtung des Liquorlecks mittels Galea-Periostlappen durchgeführt. Um 16:30 Uhr wurde der Versicherte aus dem Aufwachraum zur weiteren Beobachtung auf die Intensivstation verlegt. Der Sachverständige Dr. K. hat ausdrücklich das Vorliegen der festgestellten akuten respiratorischen Insuffizienz zeitlich und sachlich mit der postoperativen Situation einschließlich der Auswirkungen der Narkose auf die Atmung begründet. Die Subsumtion des medizinischen Sachverhalts unter die zutreffende Diagnose nach den Vorgaben des ICD-10 ist Aufgabe des Gerichts und nicht des Sachverständigen, worauf die Beklagte zu Recht hinweist. Unter Beachtung der Systematik des ICD-10 kommt die Kodierung der Nebendiagnose J96.09 hier nicht in Betracht. |
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| Der Senat schließt sich auch der weiteren Auslegung des SG an, wonach die Voraussetzungen des Kodes J95.2 nicht vorliegen. Ob schon der Begriff „akute pulmonale Insuffizienz“ in diesem Zusammenhang einschränkend dahin auszulegen ist, dass damit nur Sachverhalte gemeint sein können, bei denen im Sinne einer Komplikation – außerhalb des üblichen Ablaufs und unabhängig von der Größe der Operation – postoperativ akute, von der Lunge ausgehende respiratorische Zustände eingetreten sind (so die SEG-4 Empfehlung KDE-10 vom 08.08.2005), kann dahinstehen. Jedenfalls ist das Patientenmanagement durch den sehr kurzzeitigen Sauerstoffabfall von ca 15 Minuten in keiner Weise beeinflusst worden. Der Versicherte wurde routinemäßig nach dem Eingriff auf der Intensivstation überwacht mit Sauerstoffinsufflation von 2 l pro Minute. Daran hat sich auch während der kurzen Zeit des Sauerstoffabfalls nichts geändert, weder wurde der Flow erhöht noch wurden sonstige zusätzliche Maßnahmen eingeleitet neben der ohnehin stattfindenden Registrierung der Sauerstoffsättigung. Insoweit sieht sich der Senat in Übereinstimmung mit dem Kommentar der FoKA zur SEG-4 Kodierempfehlung, dass der Kode J95.2 nicht geeignet ist, um die routinemäßige kurzzeitige Sauerstoffgabe (< 24 h) nach operativen Eingriffen, die regelhaft mit einer vorübergehenden respiratorischen Beeinträchtigung einhergehen (zB Beeinträchtigung des Atemantriebs nach langen Operationszeiten) oder die ebenfalls routinemäßige Nachbeatmung zur postoperativen Stabilisierung der Homöostase (Kreislauf, Gerinnung, Wärmehaushalt) abzubilden. |
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| Nach alledem trifft die von der Beklagten vorgenommene Berechnung auf der Grundlage der DRG B20D zu, weshalb die Klägerin keinen Anspruch auf weitere Vergütung iHv 5.504,92 EUR hat. |
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| Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 SGG iVm § 154 Abs 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), da weder Klägerin noch Beklagte zu den in § 183 SGG genannten Personen gehören. |
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| Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 HS. 1 SGG iVm § 63, § 52 Abs 1, 3, § 47 Gerichtskostengesetz. |
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