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| Der beigeladene Rentenversicherungsträger wendet sich mit seiner Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim (SG), mit dem die beklagte Krankenkasse zur Versorgung des Klägers mit dem Hörgerät Sivantos Pure 13 7Nx S, soweit die Kosten den Festbetrag übersteigen, verurteilt worden ist. Sie befürchtet, der Beklagten die Kosten erstatten zu müssen, weil das SG den Anspruch des Klägers auf einen spezifisch berufsbedingten Bedarf gestützt habe. Die Beigeladene ist der Auffassung, das Hörgerät sei von der Beklagten in eigener Zuständigkeit zu erbringen. |
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| Der 1961 geborene und bei der Beklagten versicherte Kläger ist gelernter Schreinermeister und Betriebswirt und war als technischer Betriebswirt bei der K. Büroeinrichtungen GmbH in Vollzeit tätig. Sein Aufgabengebiet umfasste die Beratung und den Verkauf von Büromöbeln sowie die Betreuung von Bauobjekten ab Rohbau bis zur Schlüsselübergabe. Seit April 2020 ist der Kläger arbeitslos. |
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| Am 15.03.2018 stellte der Kläger bei der Beigeladenen unter Vorlage einer von der Fachärztin für HNO-Heilkunde Dr. K. am 29.01.2018 ausgestellten ohrenärztlichen Verordnung von Hörhilfen mit der Diagnose Innenohrschwerhörigkeit beidseits, eines Sprach- und Tonaudiogramms sowie eines Anpass- und Abschlussberichts des Hörakustikers K. Hörgeräte GmbH vom 05.02.2018 (Datum der Messung 23.01.2018) und drei Kostenvoranschlägen für die Hörgeräte Sivantos Pure 13 7Nx (Gesamtpreis von 5.501,95 EUR), Sivantos Pure 13 3Nx (Gesamtpreis 3.533,95 EUR) und des Phonak Baseo Q15-M (Gesamtpreis 1.481,95 EUR) der K. Hörgeräte GmbH vom 08.03.2018 sowie eines Schreibens seines Arbeitsgebers vom 05.03.2018 über seinen Tätigkeitsbereich einen Antrag auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (berufliche Rehabilitation). Ausweislich des Anpass- und Abschlussberichts erzielte der Kläger mit dem Gerät Sivantos sDEMO Pure 13 7Nx im Freiburger Sprachtest mit 65 dB Nutzschall ein Sprachverstehen von 100 %, mit zusätzlich 60 dB Störschall ein Sprachverstehen von 75 %. Das streitgegenständliche Gerät Sivantos Pure 13 7 Nx sowie das aufzahlungsfreie Phonak Baseo Q15-M brachten jeweils mit Nutzschall von 65 dB ein Sprachverstehen von 95 % und mit zusätzlich 60 dB Störschall ein Sprachverstehen von 70%. |
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| Mit Schreiben vom 21.03.2018 leitete die Beigeladene den Antrag an die Beklagte weiter. Nach Auffassung der Beigeladenen handelt es sich bei den in Betracht kommenden Leistungen nicht um Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Die Höranforderungen für die Berufsausübung als Verkäufer/Objektbetreuung beinhalte keine spezifisch berufsbedingte Notwendigkeit der Hörgeräteversorgung. Persönliche oder telefonische Kommunikation im Zweier- oder Gruppengespräch - auch bei ungünstigen akustischen Bedingungen bzw störenden Umgebungsgeräuschen am Arbeitsplatz - stelle eine Anforderung an das Hörvermögen dar, die bei nahezu jeder Berufsausübung bestehe und daher keine spezifisch berufsbedingte Bedarfslage begründen könne. Zugleich informierte die Beigeladene den Kläger über die Weiterleitung. |
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| Mit Bescheid vom 17.04.2018 bewilligte die Beklagte den Festbetrag für die Hörgeräteversorgung in Höhe von 1.514,00 EUR als Beteiligung an dem begehrten Gerät Pure 7px S. Sie führte aus, die Beigeladene habe leider die erforderlichen Leistungsvoraussetzungen nicht bestätigen können, da die Anforderung in der Berufstätigkeit des Klägers keine spezifische berufsbedingte Notwendigkeit für die beantragte Hörgeräteversorgung erkennen lasse. Dagegen erhob der Kläger mit der Begründung Widerspruch, dass aus beruflichen Gründen ein Hörgerät zur Grundversorgung nicht ausreiche. Er sei aufgrund seiner Tätigkeit immer wieder verschiedenen akustischen Situationen ausgesetzt, die es für ihn zwingend erforderlich machten, geeignete Hörgeräte zu tragen, die dieses breite Spektrum abdecken könnten. Durch seine Aufgabe in der Beratung und Betreuung von Kunden sowie der Lieferanten sei er immer wieder verschiedenen akustischen Situationen ausgesetzt. Dazu gehörten Baubesprechungen mit wechselnden akustischen Begleitgeräuschen, wie Hall auf Rohbauten oder Hintergrundgeräusche durch andere Gesprächsteilnehmer, Verkehrs- und Baulärm. Zusätzlich sei ein besonderer Schwerpunkt in seinem Aufgabengebiet die Beratung der Kunden zu wirksamen akustischen Maßnahmen vor Ort. Daher beantrage er gegenüber der Beklagten die Übernahme der Mehrkosten für das begehrte Hörgerät. |
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| Die Beklagte nahm mehrfach Kontakt zum Hörakustiker auf, weil die im Anpass- und Abschlussbericht und auch anschließend genannten Hörgerätmodelle jeweils nicht zur dazu mitgeteilten Hilfsmittelnummer passten. Es wurde anschließend noch einmal ein Anpass- und Abschlussbericht des Hörgeräteakustikers vom 01.06.2018 (Datum der Messung: 23.01.2018) vorgelegt, wonach der Kläger mit dem zuzahlungsfreien Hörgerät Phonak Baseo Q 15-M sowie mit dem nicht aufzahlungsfreien Sivantos sDEMO Pure 13 3Nx ein 95 %iges Sprachverstehen im Freifeld und ein 70%iges Sprachverstehen im Störschall erreichen konnte, gegenüber einem 100%i-gem Sprachverstehen im Freifeld und einem 75%igem Sprachverstehen im Störschall bei dem begehrten Gerät Sivantos sDEMO Pure 13 7 Nx S. |
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| Anschließend wertete ein Akustik-Spezialist der Beklagten die Unterlagen aus. Dieser kam zu dem Ergebnis, dass mit den eigenanteilsfreien Hörsystem Phonak Baseo Q15-M objektiv ein bestmögliches Sprachverstehen erzielt werden könne. Aufgrund der Hörkurve sei eine vierkanalige Signalverarbeitung, mit adaptiver Rückkopplungs- und Störgeräuschunterdrückung und einer Verstärkerleistung inklusive 10 dB Reserve von 45 dB empfehlenswert. Das Versorgungsziel eines dBopt-nahen Ergebnisses sei mit allen Systemen erreicht worden. Aufgrund des verwendeten Freiburger Sprachtests habe ein Wort bei der Austestung eine Wertigkeit von 5%. Die Ergebnisse lägen innerhalb der Messtoleranz. In Bezug auf die im Schreiben angegebenen beruflichen Anforderungen sei aus den Messwerten des normierten Freiburger Sprachtest abzuleiten, dass die Signalverarbeitung grundsätzlich für den objektiven Ausgleich auch im Alltag bzw bei Störgeräuschen und bei Gesprächen in Gruppen geeignet sei. Wenn die Signalverarbeitung nicht passend sei, spiegele sich das in den Messwerten wieder. Des Weiteren sei es möglich, mit jedem Hörgerät auch ohne Zubehör zu telefonieren. Dafür sei der Hörer des Telefons nicht auf das Ohr sondern auf die Mikrofone der Geräte zu halten. Ein individuelles Hörprogramm könne hinterlegt werden. Mittels einer im Zubehörhandel erhältlichen Bluetooth-Schnittstelle könne mit jedem Hörsystem, das über eine Telefonspule verfüge, ein beidohriges Telefonieren und Nutzung der Schnittstelle als Freisprecheinrichtung ermöglicht werden. Eine direkte Ankopplung des Handys sei bei den begehrten Geräten nur mit einem Apple I-Phone möglich, für andere Smartphones werde herstellerspezifisches Zubehör benötigt. Aufgrund von anderen Regelungszeiten und Komfortmodi in der Störgeräuschunterdrückung, einer kosmetisch kleinen Bauform sowie einer Steuerung der Hörgeräte per Smartphone-App sei es nachvollziehbar, dass das begehrte Gerät subjektiv angenehmer erscheine. Jedoch seien diese Funktionen dem Komfort zuzuschreiben und nicht für einen objektiven Ausgleich grundlegend erforderlich. |
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| Am 05.12.2018 kaufte der Kläger von der Firma K. Hörgeräte GmbH zwei Hörgeräte der Marke Pure 13 3Nx zu einem Preis von insgesamt 3.594,02 EUR. Von dem Kaufpreis zog die Verkäuferin einen Kassenanteil iHv 1.534,02 EUR ab; den restlichen Kaufpreis von 2.060,00 EUR zahlte der Kläger bar. Diesen Sachverhalt teilte er allerdings erst im Berufungsverfahren (Schreiben vom 25.09.2020) mit. |
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| Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 07.02.2019 zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass die Krankenkassen gemäß § 33 Abs 1 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) nicht dazu verpflichtet seien, jede gewünschte, von den Versicherten für optimal gehaltene Versorgung zur Verfügung zu stellen. Ausgeschlossen seien danach Ansprüche auf teure Hilfsmittel, wenn eine kostengünstigere Versorgung für den angestrebten Nachteilsausgleich funktionell ebenfalls geeignet sei. In diesem Fall hätten Versicherte die Mehrkosten und dadurch bedingte höhere Folgekosten selbst zu tragen. Hinsichtlich der beruflichen Komponente habe die Beigeladene, die für die Sicherstellung der beruflichen Rehabilitation zuständig sei, geprüft und entschieden, dass die Voraussetzungen für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht erfüllt seien. Vor diesem Hintergrund sei die Weiterleitung an die Beklagte erfolgt. Aus den maßgeblichen Messwerten ergebe sich, dass mit der eigenanteilsfreien Technik ein bestmögliches Sprachverstehen im Alltag bzw im Störgeräusch und bei Gesprächen in Gruppen habe erreicht werden können. Es werde auf die mit der Bundesinnung der Hörgeräteakustiker und weiteren Hörgeräteakustikern geschlossenen Verträge über die Versorgung mit Hörhilfen und die darin festgelegten Versorgungspauschalen verwiesen. Bei dem eigenanteilsfreien Hörgerät, welches der Kläger getestet habe, handele es sich um ein hochwertiges Versorgungsangebot, was von den Funktionen her technisch geeignet sei, den Hörverlust objektiv auszugleichen. Dies werde auch durch die Messung des Akustikers belegt. |
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| Hiergegen hat der Kläger am 07.03.2019 Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben. Zur Begründung hat er die Ausführungen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt. |
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| Mit Beschluss vom 02.05.2019 hat das SG die Deutsche Rentenversicherung Bund beigeladen. Im Erörterungstermin am 13.06.2019 hat der Kläger weitere Ausführungen zu seiner beruflichen Tätigkeit gemacht. Außerdem hat das SG den Geschäftsführer der damaligen Arbeitgeberin des Klägers (Herrn M. K.) zu dessen beruflicher Tätigkeit sowie den Hörakustiker Herrn A. D. als Zeugen vernommen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll über den Erörterungstermin Bezug genommen. |
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| Mit Gerichtsbescheid vom 18.06.2019 hat das SG die Beklagte zur Versorgung des Klägers mit den streitgegenständlichen Hörgeräten verurteilt. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, dass die Beklagte nicht als Krankenkasse zur Leistung verpflichtet gewesen sei, wohl aber als zweitangegangener Leistungsträger nach den für die Beigeladene geltenden Vorschriften. Mit den Hörgeräten sei für den Kläger ausschließlich ein arbeitsplatzspezifischer Gebrauchsvorteil verbunden, dieser Vorteil sei für die weitere Berufsausübung notwendig. Er sei als Projektleiter für einzelne Projekte von der Baubetreuung bis zur Fertigstellung der entsprechenden Bürogebäude zuständig. Bei dieser Tätigkeit müsse er im Büro sowie bei Außenterminen auf einer Baustelle mit mehreren Menschen im Rahmen von Baubesprechungen und Bausitzungen kommunizieren. Die Besprechungen auf den Baustellen fänden selten in Baucontainern oder Besprechungszimmern, oft hingegen in anderen Situationen wie zB direkt auf der Baustelle statt, je nach Bereitstellung durch den jeweiligen Bauträger. Die Anzahl der Teilnehmer an den Besprechungen schwanke in der Personenzahl. Bei diesen Besprechungen komme es in besonderem Maße auf ein uneingeschränkt exaktes Hörverständnis von Zahlen und Gesprächsinhalten seitens des Klägers an. Er müsse - wie sich aus dem Schreiben des Geschäftsführers und seiner Zeugenaussage ergebe - den Gesprächen problemlos folgen können, damit er die dabei gefällten Anweisungen und Entscheidungen an die ausführenden Architekten lückenlos und fehlerfrei weitergeben könne. Zudem müsse der Kläger auch Messungen vor Ort im Team vornehmen. Fehlverhalten und Fehlinterpretationen aufgrund einer verminderten Hörfähigkeit des Klägers hätten Gefahren für die korrekte Fertigstellung der Projekte bedeutet und damit einen erheblichen finanziellen Verlust der Firma. Insbesondere bei diesen Besprechungen auf den Baustellen sei der Kläger im Rahmen seiner Tätigkeit wechselnden Geräuschkulissen ausgesetzt. Selbst wenn bestimmte geräuschintensive Geräte auf entsprechende Anfrage zeitweise ausgeschaltet würden, herrsche auf (Groß-)Baustellen stets ein gewisser Grundpegel an Lärm, wie der Zeuge K. und der Kläger im Termin zur Beweisaufnahme anschaulich dargelegt hätten. Darüber hinaus fänden die Besprechungen insbesondere bei Bauabnahmen in verschiedenen Räumen mit unterschiedlichen Geräuschkulissen statt. Der Arbeitsplatz des Klägers stelle daher aufgrund der inhomogenen und durch technische Maßnahmen kaum zu beeinflussenden Geräuschkulissen hohe Anforderungen an sein Hörvermögen. Der Kläger sei bei seiner Tätigkeit deshalb im Hinblick auf den Erhalt seiner Erwerbsfähigkeit auf eine entsprechend hochwertige Hörgeräteversorgung dringend angewiesen. Die vom Kläger getesteten eigenanteilsfreien Hörgeräte seien hierfür nicht geeignet. Mit dem eigenanteilsfreien Hörgerät wäre wohl eine ausreichende Versorgung des Klägers möglich gewesen, solange die Besprechungen in Büroräumen erfolgten, die Gesprächspartner ihre räumliche Position zum Kläger nicht wechselten und Störschall stets von der gleichen Richtung komme. Hierfür sprächen die von der Beklagten veranlasste audiologische Auswertung durch den Hörgeräteakustiker D. sowie der Anpassungsbericht desselben. Danach habe der Nachweis mittels Freiburger Sprachtest zum Hörgewinn bei der Hörgeräteversorgung fast das gleiche Sprachverstehen mit und ohne Störschall (100 % bzw 75 %) bei dem getesteten Hörgerätesystem Sivantos (streitiges Hörgerätesystem) und 95 % bzw 70% bei dem aufzahlungsfreien Phonak Baseo ergeben. Allerdings spreche einiges dafür, dass der prozentuale Grad der Verbesserung des Sprachverständnisses in schwierigen Hörsituationen mit dem streitigen Hörgerätesystem tatsächlich erheblich höher sein könne als im Freiburger Sprachtest, da dieser weder lebendige Sprache noch realistische Störgeräusche beinhalte. So komme nach den Angaben des Zeugen D. bei der Hörgeräteanpassung unter Störschall dieser zB immer aus derselben Richtung und werde als gleichmäßiges Rauschen zugeführt. Der Kläger sei nach seinen Angaben bei seiner beruflichen Tätigkeit aber vielfachen Störgeräuschen auch unterschiedlicher Ausprägung ausgesetzt. Auf Baustellen gebe es diverse Geräusche, die in verschiedener Lautstärke und von unterschiedlichen und auch aus schnell wechselnden Richtungen kämen, auch sogenannte Spontanimpulse (plötzlicher kurz auftretender Lärm- wie bspw Türknallen). Auch die räumliche Position der Gesprächsteilnehmer zueinander ändere sich insbesondere bei Baubesprechungen auf Großbaustellen häufig. Insoweit sei der Kläger Geräuschkulissen ausgesetzt, die mit einem Tischgespräch in einem Büroraum nicht zu vergleichen seien. Auch sei es dem Kläger in den meisten Besprechungssituationen nicht möglich, zunächst seine Hörgeräte einzeln manuell einzustellen, um dem Gespräch mit der für seine berufliche Tätigkeit erforderlichen Exaktheit folgen und sich adäquat auf die jeweilige Geräuschkulisse einstellen zu können. Das streitige Hörgerätesystem hingegen passe sich - wie der Hörgeräteakustiker D. ausgeführt hat - bei veränderter Geräuschkulisse automatisch an, ohne dass der Kläger manuell Einstellungen an den Hörgeräten vornehmen müsse. Das Hörgerätesystem könne sich in Besprechungen in großen Gruppen wie auch bei Hintergrundstörgeräuschen automatisch anpassen. Zudem habe es eine stärkere Störgeräuschunterdrückung sowie einen Impulsstopp. Die besonderen Anforderungen an das Hörvermögen gingen auch deutlich über die elementaren Grundbedürfnisse hinaus. Der Einwand der Beigeladenen, dass entsprechende Anforderungen an das Hörverständnis auch im Alltagsleben aufträten und daher keinen berufsbedingten Mehrbedarf auslösten, sei nicht überzeugend. Anders als im beruflichen Alltag könnten die Betroffenen im Privatleben die Situationen, in denen es auf ein gutes Hörverstehen ankomme, in der Regel beeinflussen und damit behinderungsentsprechend gestalten. Bei der Tätigkeit des Klägers, häufig auf Baustellen, mit der Regelung gerade auch akustischer Problemfelder bei der Einrichtung von Büroräumen, sei dies hingegen regelmäßig nicht möglich. Diese Situationen seien für den Kläger zumeist vorgegeben und die entsprechenden Geräuschkulissen sind durch ihn kaum zu beeinflussen. |
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| Hiergegen richtet sich die am 05.07.2019 eingelegte Berufung der Beigeladenen. Sie führt aus, die Berufung richte sich gegen die Zuordnung einer allgemein üblichen Höranforderung zum Leistungsauftrag des Rentenversicherungsträgers statt zum Träger der allgemeinen Krankenversorgung. Die Prüfung des SG zu der unzureichenden Versorgungssituation des Klägers im Festbetragshörgerätebereich erfolge ausschließlich bei der Prüfung der Leistungsverpflichtung der Beigeladenen, also des Rehabilitationsträgers, weil das SG bei der Tätigkeit des Klägers eine schwierige Hörsituation annehme, ohne zu definieren, welche Hörsituationen nicht schwierig sein sollen, wenn es generell um Störlärm gehe, und ob nicht jeder Mensch regelmäßig in schwierige Hörsituationen geraten könne. Für jeden hörgeschädigten Arbeitnehmer sei es wichtig, Gesprächsinhalte vollständig und richtig zu hören, und zwar ohne eine erhebliche Konzentrationsleistung, weil er sonst nicht mit einem gesunden Hörenden gleichziehen könne. Die Beweisaufnahme des SG habe erhebliche Defizite der Festbetragsversorgung aufgezeigt. Überraschenderweise habe das SG dennoch festgestellt, dass die Krankenversorgung das Niveau des unmittelbaren Behinderungsausgleichs erfülle. Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zur Krankenversorgung von hörgeschädigten Menschen habe festgestellt, dass Hörgeräte dem unmittelbaren Behinderungsausgleich dienten. Die Krankenkasse müsse allen ihren hörgeschädigten Versicherten ein Hörgerät zur Verfügung stellen, das das Gleichziehen mit einem gesunden Hörenden unter Beachtung des technischen und medizinischen Fortschritts sicherstelle. Nach den tatsächlichen Feststellungen des SG könne nicht davon ausgegangen werden, dass dieser Maßstab für den Kläger durch die Festbetragsversorgung erreicht worden sei. Das BSG habe ausdrücklich festgestellt, dass die Krankenversorgung nicht nur die Gewährleistung des Sprachverständnisses in Einzelgesprächen schulde, sondern „auch das Hören und Verstehen in größeren Räumen und bei störenden Umgebungsgeräuschen“. Die Beklagte sehe anscheinend ihren Versorgungsauftrag auf einen rein privaten Versorgungsbereich begrenzt an. Die Annahme einer Beschränkung des Krankenversorgungsauftrags auf das Sprachverstehen im außerberuflichen Bereich verkenne die BSG-Rechtsprechung zum Krankenversorgungsumfang, da die Möglichkeit der Ausübung einer beruflichen Tätigkeit ohne Sprachverständnis im Störlärm kaum möglich sein dürfte, also stets eine Nachversorgung notwendig wäre, wenn die Kläger - so wie hier - mit der bewilligten Krankenversorgungsqualität bei einer geräuschvollen Kommunikationssituation noch nicht zufrieden seien. Die Beklagte lege als ausschließlichen Maßstab zur Feststellung ihrer Leistungsverpflichtung die Messwerte des Freiburger Sprachtests zugrunde. Wenn das von der Beklagten angewandte Testverfahren beweise, dass dem Kläger durch ein Festbetragshörgerät das Gleichziehen mit einem gesunden Hörvermögen gelungen sei, stelle sich die Frage, weshalb der Kläger dann noch Probleme bei einer Beratung mit Kunden oder bei einem Gespräch in Gruppensituationen haben sollte. |
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| Die Beigeladene beantragt, |
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| den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 18.06.2019 aufzuheben und die Klage abzuweisen. |
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| Der Kläger und die Beklagte beantragen, |
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| die Berufung der Beigeladenen zurückzuweisen. |
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| Die Beklagte hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Der berufliche Alltag bilde einen konkret eingrenzbaren Ausschnitt mit den dort vorgefundenen Besonderheiten ab. Würde man dem Verständnis der Beigeladenen folgen, müsste man einen berufsbedingten Mehrbedarf generell - also in jedwedem Beruf - verneinen. Ein Mangel der Festbetragsversorgung läge nicht vor. Zwischen der Beklagten und der Bundesinnung der Hörgeräteakustiker (BIHA) bestünden Verträge über die Versorgung mit Hörgeräten. Darin seien technische Mindestvoraussetzungen für aufzahlungsfrei angebotene Geräte enthalten. Es stünde dem Akustiker frei, über diese Mindeststandards hinauszugehen, wenn er eine technisch weitergehende Ausstattung für erforderlich halte, um die Schwerhörigkeit objektiv ausgleichen zu können. Die Erzeugung tauglicher Messwerte erfolge mittels Freiburger Sprachtest. Dabei handele es sich um ein in den Hilfsmittelrichtlinien normiertes und nach DIN zertifiziertes Prüfverfahren. Im Freiburger Sprachtest würden einsilbige oder ähnlich klingende Worte in Gruppen zu je 20 Silben geprüft, jeder Silbe komme dabei eine Wertigkeit von 5% zu. Darüber hinaus bestehe die Schwierigkeit darin, ähnlich klingende Silben/Worte wie "Maus", "Laus" oder "raus" richtig zu verstehen, die sich nur um einen Konsonanten am Wortanfang unterschieden. Das Verstehen erfordere starke Konzentration und Mitarbeit des Schwerhörigen. Das Verstehen einsilbiger Worte stelle einen sehr hohen Schwierigkeitsgrad dar und kommt im täglichen Leben so kaum vor. Allgemein würden im täglichen Leben Sätze gesprochen, deren Sinn man auch verstehe, wenn einzelne Worte nicht eindeutig verstanden würden, also aus dem Satzzusammenhang. In den Vorgaben an die Hörgeräteerprobung und -versorgung sei eine maximale Messtoleranz von 5% des eigenanteilsfreien Gerätes im Vergleich zum Mehrkostengerät festgelegt. Werde diese überschritten, fordere die Krankenkasse den Akustiker zur Nachbesserung durch erneute Testung auf. Bei dieser würden idR Einstellungen am Gerät verändert, um ein besseres Sprachverstehen zu erzielen. Ein Fehlverhalten des Akustikers bzw ein Versorgungsdefizit sei nicht erkennbar. Die Berufungsklägerin möge technisch-audiologisch darlegen, warum der definierte Mindeststandard eine mangelhafte Festbetragsversorgung begründen soll. |
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| Der Kläger hat unter Vorlage einer nicht unterzeichneten Auftrags-/Empfangsbestätigung vom 05.10.2020 mitgeteilt, dass ein Austausch der Hörgeräte stattgefunden habe. Die Firma K. Hörgeräte GmbH habe ihm die Hörgeräte Sivantos Pure 13 7Nx unbezahlt zur Verfügung gestellt. Wenn im Gerichtstermin keine endgültige Entscheidung gefallen sei sollte, werde er die Hörgeräte unter Anrechnung der für die Geräte Sivantos Pure 13 3Nx gezahlten 2.060 EUR also die restlichen 1.988 EUR bezahlen. Der Kaufpreis der bislang angeschafften Hörgeräte werde dann angerechnet. |
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| Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten und der Beigeladenen und die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen. |
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