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| Die Beschwerde, mit der sich die Klägerin gegen die Ablehnung ihres Antrags auf Gewährung von Prozessostenhilfe für das Klageverfahren S 2 AS 2510/20 vor dem Sozialgericht Mannheim (SG) wendet, ist gemäß §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig. Sie ist jedoch unbegründet. |
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| Gemäß § 114 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO), der nach § 73 a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auch im sozialgerichtlichen Verfahren Anwendung findet, erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. |
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| Vorliegend kann offenbleiben, ob die Klägerin hilfebedürftig ist, da jedenfalls keine hinreichende Aussicht auf Erfolg für das von ihr vor dem SG betriebene Klageverfahren besteht. Dies gilt auch unabhängig davon, dass die Klägerin weder ihren Widerspruch noch die Klage bisher begründet hat und damit insoweit Erfolgsaussichten nicht dargetan sind. Der Senat hält die Klage bereits für unzulässig wegen Nichteinhaltung der Klagefrist, teilt hierzu die Auffassung des angefochtenen Beschlusses des SG vom 09.12.2020 und weist die Beschwerde aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurück (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG). |
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| Lediglich ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass sich auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens keine abweichende Einschätzung ergibt. Soweit die Klägerin mit der Beschwerde vorträgt, dass sie am 09.04.2020 Herrn Rechtsanwalt A. persönlich mandatiert habe, der dann mit Schreiben vom 12.04.2020 gegen den Bescheid vom 27.03.2020 Widerspruch eingelegt habe, und dass die Anwaltskanzlei B., Str. in C seit dem 01.05.2020 nicht mehr existiere, ist dies aber bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides vom 25.08.2020 nicht gegenüber dem Beklagten im Außenverhältnis erklärt worden und damit nicht relevant. |
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| Nach § 13 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) kann sich ein Beteiligter im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen. Hierbei ist der Wortlaut „einen“ nicht im Sinne einer zahlenmäßigen Beschränkung zu verstehen; der Beteiligte kann auch gleichzeitig mehrere Bevollmächtigte bestellen (Roller in Schütze, SGB X, 9. Aufl. 2020, § 13 Rn. 5). Vorliegend hat die Klägerin nicht nur Herrn A. persönlich, sondern alle Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte der Anwaltskanzlei B. als Bevollmächtigte bestellt. In der Verwaltungsakte des Beklagten befinden sich zwei Widerspruchsschreiben der Anwaltskanzlei B. vom 12.04.2020, die zwar von Herrn A. unterzeichnet sind, aber in denen ausdrücklich erklärt wird: „wir“ zeigen an, dass „wir“ die rechtlichen Interessen der Klägerin vertreten, dass „wir“ namens und im Auftrag der Klägerin Widerspruch einlegen, dass „wir“ Akteneinsicht an die Adresse der Kanzlei beantragen und „wir“ innerhalb von vier Wochen die Widersprüche abschließend begründen werden. Mit den Widerspruchsschreiben wurde auch eine schriftliche Vollmacht der Klägerin vom 09.04.2020 betreffend die Erstattung von Leistungen eingereicht, die ebenfalls auf die Anwaltskanzlei B. ausgestellt wurde. Dass in Bezug auf eines oder beide Widerspruchsschreiben eine Einschränkung der Vollmacht auf einzelne Rechtsanwältinnen bzw. Rechtsanwälte der Anwaltskanzlei bestehe, lässt sich diesen Schriftstücken nicht entnehmen. |
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| Auch im weiteren Verlauf bis zu der an Herrn B erfolgten Bekanntgabe des Widerspruchsbescheids vom 25.08.2020, mit dem beide Widersprüche zurückgewiesen wurden, lässt sich der Verwaltungsakte eine solche Einschränkung nicht entnehmen. Einen solchen Widerruf behauptet die Klägerin mit ihrer Beschwerde auch gar nicht, indem sie vorträgt, sie habe von Anfang an nur Herrn A bevollmächtigt, was im Gegensatz zu der dem Beklagten vorgelegten Vollmacht steht. Der Widerruf der Vollmacht wird der Behörde gegenüber nur wirksam, wenn er ihr zugeht, § 13 Abs. 1 Satz 4 SGB X. Zwar bedarf der Widerruf der Vollmacht ebenso wie die Erteilung der Vollmacht keiner Form und kann auch in anderweitigen Mitteilungen enthalten sein. Aber in der bloßen Mitteilung der Rechtsanwaltskanzlei A & Kollegen, Str. in C vom 08.05.2020, dass die am 16.04.2020 übersandten Verwaltungsakten erst am 04.05.2020 zugegangen seien und eine Fristverlängerung begehrt werde, kann nicht der Widerruf der Herrn B erteilten Vollmacht gesehen werden. Weder ist ein solcher ausdrücklich erklärt noch eindeutig konkludent dem Schreiben zu entnehmen. Der Briefkopf ist zwar nicht gleichlautend mit demjenigen der Widerspruchsschreiben vom 12.04.2020 und es sind nur Rechtsanwalt A und C als Rechtsanwälte der Kanzlei aufgeführt. Auch sind eine neue Adresse, Telefonnummer und Kontoverbindung aufgeführt und die Bitte vermerkt, diese zu beachten. Allerdings enthält das Schreiben die gleiche E-Mail-Adresse zur Kontaktaufnahme wie die Widerspruchsschreiben vom 12.04.2020. Dem Schreiben insgesamt lässt sich nicht entnehmen, dass sich Änderungen in Bezug auf die der Anwaltskanzlei B erteilte Bevollmächtigung ergeben sollen. Dies wäre aber erforderlich, um einen wirksamen Widerruf der erteilten Vollmacht anzunehmen. Und bei anwaltlicher Vertretung wäre hierzu eine eindeutige Aussage zu erwarten gewesen. Selbst in der Anzeige der Bestellung eines neuen Bevollmächtigten kann nur dann der Widerruf der Bestellung eines früheren Bevollmächtigten gesehen werden, wenn zum Ausdruck kommt, dass der neue Bevollmächtigte anstelle des früheren bestellt werden soll (BSG, Beschluss vom 07.12.2000 - B 8 KN 11/00 U B -, Juris). Solange das Erlöschen der Prozessvollmacht des früheren Bevollmächtigten dem Gericht nicht mitgeteilt ist, kann dieser wirksame Prozesserklärungen abgeben (BSG, Beschluss vom 15.12.2008 - B 11 AL 115/08 B -, Juris). Nichts Anderes gilt im Verhältnis zur Behörde. |
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| Sonstige Erklärungen der Bevollmächtigten oder der Klägerin als Bevollmächtigender, dass die am 09.04.2020 erteilte Vollmacht nicht mehr für alle damaligen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte der Anwaltskanzlei B. gelten solle, sind beim Beklagten vor Abschluss des Widerspruchsverfahrens nicht eingegangen, so dass sie im Außenverhältnis gegenüber der Behörde, selbst wenn sie intern erfolgt sein sollten, keine Wirkung entfalten konnten. Damit konnte die elektronische Bekanntgabe des Widerspruchsbescheids wirksam an Herrn Rechtsanwalt B erfolgen. |
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| Soweit die Klägerin geltend macht, zumindest müsse ihr gemäß § 67 SGG Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden, da sie unverschuldet die Klagefrist versäumt habe und nicht für Versäumnisse des Beklagten oder des Herrn B, der bei Übergabe des Widerspruchsbescheides am 02.09.2020 an eine Mitarbeiterin der Rechtsanwaltskanzlei A & Kollegen die Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides über das besondere elektronische Anwaltspostfach am 25.08.2020 nicht mitgeteilt habe, einstehen müsse, führt auch dies nicht zur hinreichenden Erfolgsaussicht der Klage. Es sind keine ausreichenden Umstände dargelegt, die das SG zu einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand veranlassen könnten. Versäumnisse des Beklagten sind, wie oben dargelegt, nicht ersichtlich. Ein Verschulden ihrer Bevollmächtigter muss die Klägerin sich wie eigenes Verschulden zurechnen lassen, § 73 Abs. 4 Satz 1 SGG i. V. m. § 85 Abs. 2 ZPO). Es dürfte insbesondere auch der Sorgfalt, die einem gewissenhaften Prozessführenden nach den gesamten Umständen nach allgemeiner Verkehrsanschauung zuzumuten ist, entsprechen, bei der Übergabe eines Widerspruchsbescheides von einem Bevollmächtigten an einen anderen nicht dieses Übergabedatum als Eingangsdatum zur Fristberechnung heranzuziehen, sondern eigene Ermittlungen zum Bekanntgabedatum an den anderen Bevollmächtigten anzustellen, und wenn der eine Bevollmächtigte hierzu keine Angaben macht, notfalls bei der Behörde nachzufragen. |
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| Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden, § 177 SGG. |
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