Urteil vom Landessozialgericht Baden-Württemberg - L 2 AS 491/20

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 16. Januar 2020 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten für das Berufungsverfahren zu erstatten.

Tatbestand

 
Streitig ist, ob der Kläger für die Zeit vom 01.02.2019 bis 31.07.2019 einen Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) als Zuschuss anstatt als Darlehen hat.
Der am 1962 geborene Kläger, der über kein Einkommen verfügt, erwarb im Jahr 1987 eine 73 qm große Dachgeschosswohnung in der S. Straße in E. (vgl. Bl. 34 ff. VA) zu einem Kaufpreis von 143.000,00 DM (= 73.114,74 Euro) (Bl. 152 VA Bd. IV). Zunächst war der Kläger Alleineigentümer. Seit 04.09.1987 sind die Ehefrau des Klägers, M. N., von der er seit 1999 dauerhaft getrennt lebt, und der Kläger je hälftige Miteigentümer dieser Wohnung (Bl. 34 VA Bd. IV). Die Eheleute sind nicht geschieden und die Ehefrau lebt mit den beiden erwachsenen Kindern in der Wohnung. Eine der Töchter absolvierte im streitigen Zeitraum eine Ausbildung zur Zahnmedizinischen Fachangestellten, die andere Tochter studiert (vgl. Bl. 80,88 VA Bd. IV). Die Ehefrau des Klägers ist schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 100 (Bl. 77 VA Bd. IV). Sie leidet an einer schweren Nierenerkrankung, die alle zwei Tage eine Dialysebehandlung erforderlich macht (Bl. 89, 294 VA Bd. IV). Sie bezieht eine Rente wegen voller Erwerbsminderung (ab 01.07.2018 in Höhe von monatlich 725,63 Euro, Bl. 75 VA Bd. IV). Nach eigenen Angaben kann und möchte die Ehefrau des Klägers den Miteigentumsanteil des Klägers nicht kaufen (Bl. 79 VA Bd. IV).
Der Kläger, der selbst in einer Mietwohnung in E. lebt, bezieht seit Februar 2007 vom Beklagten Leistungen nach dem SGB II. Zunächst wurden diese Leistungen als Zuschuss gewährt.
Im Jahr 2014 ermittelte der Beklagte den Verkehrswert der Eigentumswohnung (vgl. Bl. 484 ff. VA Bd. II), der von der Gemeinde E. mit 60.000,00 Euro beziffert wurde. Auf der Wohnung lasten keine Verbindlichkeiten mehr (vgl. Bl 450 VA Bd. II). Seither fordert der Beklagte den Kläger auf, seinen Miteigentumsanteil - durch Belastung und Verkauf - zu verwerten. Die Bemühungen des Klägers, seinen Miteigentumsanteil mit Hilfe eines Maklers oder einer Bank zu verkaufen oder zu beleihen, hatten allesamt keinen Erfolg. Diverse Banken haben auf jeweilige Anfrage des Klägers die Hingabe eines Darlehens ausdrücklich abgelehnt (vgl. z.B. Bl. 517 ff., 523 ff., 634 ff., 718 ff., 741 ff. jeweils VA Bd. III, Bl. 337 VA Bd. IV). Außerdem hat sich der Kläger an verschiedene Makler gewandt, die eine Vermittlung abgelehnt haben, weil ein Miteigentumsanteil an einer durch den anderen Miteigentümer bewohnten Eigentumswohnung nicht marktgängig sei (z.B. Schreiben der E. GmbH vom 20.03.2017, Bl. 643 VA Bd. III; E-Mail der E. & V. GmbH vom 25.02.2017, Bl. 636 VA Bd. III; Schreiben der Volksbank G. eG vom 28.09.2016, Bl. 605 VA Bd. III; Schreiben der Immobilien H. B. G. vom 07.09.2015, Bl. 518 VA Bd. III, Schreiben E. & V vom 22.10.2019, Bl. 345 Bd. IV VA). Die getrennt lebende Ehefrau des Klägers hat mit Schreiben vom 20.09.2018 unmissverständlich erklärt, dass sie weder willens noch in der Lage sei, den Miteigentumsanteil des Klägers zu kaufen, und zudem die Wohnung gemeinsam mit den beiden Kindern weiter bewohnen wolle.
Im Rahmen des Weiterbewilligungsantrages des Klägers vom 26.06.2018 forderte der Beklagte den Kläger erstmals unter Fristsetzung auf, bzgl. seines Miteigentumsanteils beim zuständigen Amtsgericht (AG) Göppingen eine Teilungsversteigerung zu beantragen und hierüber Nachweise vorzulegen. Nachdem der Kläger dem nicht nachgekommen war, versagte der Beklagte die Leistungen ab dem 01.08.2018 mit Bescheid vom 15.08.2018 (Bl. 39 Bd. IV). Der vom Kläger bereits am 13.08.2018 beim Sozialgericht (SG) Ulm gestellte Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung war insoweit erfolgreich, als dass der Beklagte verpflichtet wurde, dem Kläger bis 31.01.2019 Arbeitslosengeld II in Höhe von monatlich 879,00 Euro als Zuschuss zu gewähren (-S 6 AS 2489/18 ER-). Die hiergegen vom Beklagten erhobene Beschwerde wurde vom Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg mit Beschluss vom 02.10.2018 zurückgewiesen (- L 7 AS 3215/18 ER-B -).
Daraufhin bewilligte der Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 29.10.2018 (Bl. 130 Bd. IV) für die Zeit vom 01.08.2018 bis 31.01.2019 Arbeitslosengeld II in Höhe von monatlich 879,00 Euro als Zuschuss.
Der Beklagte erkundigte sich ferner beim AG Göppingen zum Ablauf eines Zwangsvollstreckungsverfahrens. Dieses teilte dem Beklagten am 05.11.2018 (Bl. 140 VA Bd. IV) schriftlich mit, dass ein Zwangsversteigerungsverfahren ohne Einwendungen eines Beteiligten voraussichtlich innerhalb von sechs bis sieben Monaten abgewickelt werden könne. Sollten Einwendungen hiergegen erhoben werden, sei eine verlässliche Prognose nicht mehr möglich. So dürfte die Verzögerung, wenn sich die Einwendungen durch eine Entscheidung des AG erledigen, weitere drei Monate betragen. Sollte dagegen Beschwerde zum Landgericht (LG) erhoben werden, so sei derzeit mit einer weiteren Verzögerung von etwa neun Monaten zu rechnen. Welcher Wert bei einer Versteigerung zu erzielen sei, könne nicht abschließend beantwortet werden. Das Meistgebot dürfte wohl aber mindestens in der Höhe des geschätzten Verkehrswerts liegen. In einer weiteren Auskunft teilte das AG dem Beklagten mit Schreiben vom 24.01.2019 (Bl. 185 VA Bd. IV) mit, dass bei einer Teilungsversteigerung alle Miteigentumsanteile versteigert würden, die Verfahrenskosten richteten sich nach dem Verkehrswert. Es sei vorliegend mit Kosten in Höhe von etwa 5.000,00 Euro zu rechnen.
In einem Kurzgutachten bestätigte der Gutachterausschuss des Gemeindeverwaltungsverband V. der Gemeinden E. und H. auf Anfrage des Beklagten einen Verkehrswert der Eigentumswohnung von 60.000,00 Euro zum Stichtag 29.10.2018 (Bl. 203ff. VA Bd. IV).
Mit Bescheid vom 29.01.2019 (Bl. 15 SG-Akte) bewilligte der Beklagte dem Kläger auf seinen Weiterbewilligungsantrag vom 10.01.2019 hin Leistungen in Höhe von monatlich 892,60 Euro für die Zeit vom 01.02.2019 bis 31.07.2019 als zinsloses Darlehen. Bei der Berechnung wurden der Regelsatz in Höhe von 424,00 Euro zzgl. der Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 468,60 Euro (310,00 Euro Grundmiete, 133,60 Heizkosten und 25,00 Euro Nebenkosten) berücksichtigt. Der Kläger habe nachgewiesen, dass der sofortige Verbrauch der grundsätzlich zu berücksichtigenden Immobilie nicht möglich bzw. eine besondere Härte bedeuten würde. Der hälftige Miteigentumsanteil an der Eigentumswohnung sei aber grundsätzlich als verwertbares Vermögen zu berücksichtigen. Denn man sei überzeugt, dass der Miteigentumsanteil des Klägers durch Betreibung einer Teilungsversteigerung zu verwerten sei. Nach der Auskunft des AG Göppingen sei eine solche Teilungsversteigerung in absehbarer Zeit, zumindest aber innerhalb des Bewilligungszeitraumes möglich. Mit diesem Verfahren bestehe die Möglichkeit, die Miteigentümereigenschaft aufzuheben und somit das genannte Vermögen zu verwerten. Da man nach der Auffassung des AG Göppingen davon ausgehe, dass als Erlös mindestens der Verkehrswert der Wohnung erreicht werden könne, verbleibe nach Abzug der Freibeträge (9.150,00 Euro) ein verwertbares Vermögen von 20.850,00 Euro. Selbst unter Berücksichtigung der Kosten für eine solche Teilungsversteigerung und des ursprünglich gezahlten Kaufpreises sei eine solche Verwertung auch nicht unwirtschaftlich.
10 
Hiergegen hat der Kläger am 14.02.2019 Widerspruch erhoben und sich gegen die darlehensweise Gewährung der Leistungen gewandt.
11 
Mit Änderungsbescheid vom 07.03.2019 (Bl. 231 VA Bd. IV) bewilligte der Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 01.03.2019 bis 31.03.2019 weitere Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II in Höhe 155,40 Euro als zinsloses Darlehen, da in dieser Höhe Müllgebühren für das Jahr 2019 angefallen waren.
12 
Auch hiergegen erhob der Kläger Widerspruch und trug zur Begründung vor, dass die Verwertung des Miteigentumsanteils nicht zumutbar sei, da sie eine besondere Härte darstelle. Im Übrigen sei eine Verwertung innerhalb eines halben Jahres nicht möglich. Zudem sei bei einer Teilungsversteigerung von Unwirtschaftlichkeit auszugehen.
13 
Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 09.05.2019 (Bl. 245 VA Bd. IV) als unbegründet zurück. Die Verwertung des hälftigen Miteigentumsanteils an der Eigentumswohnung sei dem Grunde nach möglich. Die Gewährung der Leistungen als Darlehen sei daher nicht zu beanstanden. Auf die ausführliche Darstellung im Bescheid vom 29.01.2019 werde verwiesen.
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Den am 15.07.2019 gestellten Weitergewährungsantrag (Bl. 276 VA Bd. IV) des Klägers lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 28.08.2019 (Bl. 299 VA Bd. IV) ab. Ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II bestehe nicht, da der Kläger über vorrangig zu verwertendes Vermögen in Form des Miteigentumsanteils an der Eigentumswohnung verfüge. Auch hiergegen erhob der Kläger Widerspruch. Er stellte zudem beim SG Ulm einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (- S 6 AS 3221/19 ER -). Dieser Antrag war erfolgreich und das SG hat den Beklagten mit Beschluss vom 16.09.2019 verpflichtet, dem Kläger Arbeitslosengeld II in Höhe von monatlich 892,60 Euro für die Zeit vom 06.09.2018 bis 28.02.2018 zu gewähren. Die hiergegen vom Beklagten erhobene Beschwerde ist vom LSG Baden-Württemberg mit Beschluss vom 24.10.2019 zurückgewiesen worden (- L 9 AS 3399/19 ER-B -).
15 
Bereits am 11.06.2019 hat der Kläger Klage gegen die Bescheide vom 29.01.2019 und 07.03.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.05.2019 zum SG Ulm erheben lassen. Er begehrt die zuschussweise Gewährung von Leistungen nach dem SGB II im streitigen Zeitraum. Es stelle eine besondere Härte dar, wenn er die Wohnung verwerten müsse, da die schwerbehinderte Ehefrau des Klägers in der Wohnung lebe und ihr der hälftige Miteigentumsanteil an der Wohnung zustehe. Es bestehe ferner weder die Möglichkeit der Darlehensaufnahme noch sei die Verwertung allein des Miteigentumsanteils möglich. Der Kläger habe in der Vergangenheit bereits nachgewiesen, dass die geforderte Teilungsversteigerung nicht zumutbar sei. Es sei hier auch nicht davon auszugehen, dass die Verwertung innerhalb des Bewilligungszeitraumes möglich sei.
16 
Der Beklagte ist dem Begehren entgegen getreten und hat u.a. ausgeführt, dass nach Auskunft des Amtsgerichts Göppingen eine Teilungsversteigerung innerhalb von sechs Monaten möglich sei. Theoretisch mögliche Einwendungen von Dritten, die zu einer Einstellung oder Verzögerung des Verfahrens führen könnten, seien im Rahmen der Prognose nicht zu berücksichtigen. Auch sei nicht nachvollziehbar, warum eine Verwertung unwirtschaftlich sein sollte. Darüber hinaus sei bislang die Erheblichkeit der Behinderung der Ehefrau des Klägers nicht nachgewiesen worden.
17 
Das SG hat mit Urteil vom 16.01.2020 den Beklagten unter Abänderung der streitgegenständlichen Bescheide verurteilt, das dem Kläger für Februar, sowie April bis Juli 2019 in Höhe von 892,60 Euro und für März 2019 in Höhe von 1.048,00 Euro gewährte Arbeitslosengeld II als Zuschuss zu bewilligen. Der Bescheid vom 29.01.2019, der Änderungsbescheid vom 07.03.2019 und der Widerspruchsbescheid vom 09.05.2019 seien rechtswidrig und verletzten den Kläger in seinen Rechten, insoweit die ihm bestandskräftig gewährten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nur als Darlehen bewilligt worden seien. Der Kläger sei hilfsbedürftig im Sinne des § 9 SGB II. Er verfüge unstreitig nicht über Einkommen, entgegen der Ansicht des Beklagten auch nicht über zu berücksichtigenden Vermögen. Es könne hierbei dahinstehen, ob der hälftige Miteigentumsanteil an der von der getrennt lebenden Ehefrau bewohnten Eigentumswohnung mit einem Verkehrswert von 27.500,00 Euro prognostisch innerhalb eines Bewilligungszeitraumes tatsächlich verwertet werden könne, die Berücksichtigung des Miteigentumsanteils scheitere aber daran, dass es sich um Schonvermögen gemäß § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 SGB II handle. Denn die Eigentumswohnung diene hier den Wohnzwecken einer behinderten Person, nämlich der vom Kläger getrennt lebenden Ehefrau und der gemeinsamen Kinder. Es sei gerade nicht Voraussetzung für die Anwendung der Norm, dass die behinderte Person mit dem Vermögensinhaber zusammenlebe oder gar eine Bedarfsgemeinschaft bilde. Sinn und Zweck sei allein der Schutz von Vermögen, das dem Wohnen einer behinderten Person diene. Die Wohnung sei auch angemessen für die getrennt lebende Ehefrau des Klägers (die im Übrigen sogar mit den beiden Kindern zusammenlebe) und schließlich würde durch die Verwertung des Miteigentumsanteils der Wohnbedarf der Ehefrau gefährdet. Denn diese müsse auch bei einer erfolgreichen Teilungsversteigerung die Wohnung verlassen, da bei einem Zuschlag an einen Dritten, das Eigentum verloren gehe und die Ehefrau keinen besonderen Schutz genieße, da sie nicht wie eine Mieterin auf § 566 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) berufen könne. Darüber hinaus könne die Ehefrau des Klägers die Wohnung auch nicht selbst erwerben, da sie lediglich über eine Erwerbsminderungsrente verfüge und in ihrem Haushalt Kinder lebten, die noch in Ausbildung seien. Nach alledem seien dem Kläger die Leistungen als Zuschuss zu gewähren. Die Voraussetzungen für eine darlehensweise Gewährung lägen nicht vor.
18 
Am 07.02.2020 hat der Beklagte gegen das ihm am 23.01.2020 gegen Empfangsbekenntnis zugestellte Urteil Berufung zum LSG Baden-Württemberg erhoben. Zur Begründung hat er vorgetragen, dass man der Auslegung des SG im angefochtenen Urteil widerspreche und § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 SGB II die „baldige Beschaffung oder Erhaltung“ verlange. Nur diese Rücklagen seien hiermit geschützt.
19 
Ergänzend hat der Beklagte ausgeführt, dass für den Prognosezeitraum für eine mögliche Verwertung auch berücksichtigt werden müsse, ob eine Verweigerung der Durchführung von Verwertungsbemühungen vorliege. Es sei nicht erkennbar, dass gegenüber der getrennt lebenden Ehefrau ernsthaft versucht worden sei, eine Zustimmung zur Teilungsversteigerung zur erreichen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) könne aber die Weigerung der Durchführung von Verwertungsbemühungen sogar dazu führen, dass gar kein Anspruch mehr auf Leistungen nach dem SGB II bestehe. Erst recht müsse bei einer Verweigerung von Verwertungsbemühungen dann gelten, dass nur darlehensweise Leistungen gewährt werden könnten. Es erscheine zudem nicht fernliegend, dass ein Darlehen zur Finanzierung des Miteigentumsanteils durch die Ehefrau möglich wäre. Zudem würde eine Verwertung für den Kläger selbst gerade kein besonderes Opfer bedeuten.
20 
Die Beklagte beantragt,
21 
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 16. Januar 2020 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
22 
Der Kläger beantragt,
23 
die Berufung zurückzuweisen.
24 
Zur Begründung wird auf die angefochtene Entscheidung verwiesen.
25 
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
26 
Die form- und fristgerecht (vgl. § 151 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) eingelegte Berufung ist auch im Übrigen zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.
27 
Die Berufung des Beklagten ist aber nicht begründet.
28 
Das SG hat den Beklagten zu Recht unter Abänderung der Bescheide vom 29.01.2019 und vom 07.03.2019 sowie des Widerspruchsbescheides vom 09.05.2019 verurteilt, dem Kläger die gewährten Leistungen nach dem SGB II als Zuschuss anstatt bisher nur darlehensweise zu gewähren.
29 
Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zunächst zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II (§ 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II in Verbindung mit §§ 9, 19 SGB II) dargelegt und zutreffend festgestellt, dass der Kläger erwerbsfähig ist, die maßgebliche Altersgrenze noch nicht erreicht hat und kein sonstiger Leistungsausschluss besteht.
30 
Nicht streitig ist zwischen den Beteiligten die Höhe der im streitigen Zeitraum gewährten Leistungen nach dem SGB II. Fehler in der Berechnung sind auch nicht ersichtlich, insoweit wird auf die Berechnungsbögen der angefochtenen Bescheide Bezug genommen.
31 
Weiter hat das SG zu Recht ausgeführt, dass der Kläger weder über Einkommen noch verwertbares Vermögen verfügt, das zum Wegfall seiner Hilfebedürftigkeit im Sinne des § 9 Abs. 1 SGB II führt.
32 
Entgegen der Auffassung des Beklagten stellt nach Überzeugung des Senats auch nicht der hälftige Miteigentumsanteil des Klägers an der von seiner dauerhaft getrennt lebenden Ehefrau sowie den gemeinsamen erwachsenen, aber zumindest im streitigen Zeitraum sich noch in Ausbildung befindenden Töchtern, bewohnten Eigentumswohnung vorrangig zu verwertendes Vermögen dar, so dass der Kläger einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II als Zuschuss für die Zeit vom 01.02.2019 bis 31.07.2019 hat.
33 
Als Vermögen sind gemäß § 12 Abs. 1 SGB II alle verwertbaren Vermögensgegenstände zu berücksichtigen. Vermögen ist verwertbar, wenn seine Gegenstände verbraucht, übertragen oder belastet werden können. Der Begriff der Verwertbarkeit ist ein rein wirtschaftlicher und beurteilt sich sowohl nach den tatsächlichen als auch den rechtlichen Verhältnissen (ständige Rechtsprechung; vgl. zuletzt etwa BSG, Urteil vom 12.10.2017 - B 4 AS 19/17 R - juris Rdnr. 22 m.w.N.; Urteil vom 30.08.2017 - B 14 AS 30/16 R - juris Rdnr. 15; Urteil vom 20.02.2014 - B 14 AS 10/13 R - BSGE 115, 148 - juris Rdnr. 22). Tatsächlich nicht verwertbar sind danach Vermögensgegenstände, für die in absehbarer Zeit kein Käufer zu finden sein wird, etwa, weil Gegenstände dieser Art nicht (mehr) marktgängig sind oder weil sie über den Marktwert hinaus belastet sind. Rechtlich nicht verwertbar ist ein Vermögensgegenstand, für den Verfügungsbeschränkungen bestehen, deren Aufhebung der Inhaber nicht erreichen kann.
34 
Der Kläger ist hier hälftiger Miteigentümer einer Eigentumswohnung mit einem Verkehrswert von 60.000,00 Euro. Dieses Vermögen des Klägers übersteigt auch grundsätzlich die ihm aus § 12 Abs. 2 SGB II zustehenden Freibeträge. Diese berechnen sich wie folgt: Gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 1 SGB II ist vom Vermögen ein Grundfreibetrag in Höhe von 150,00 Euro je vollendetem Lebensjahr für jede in der Bedarfsgemeinschaft lebende volljährige Person anzusetzen, mindestens aber 3.100, 00 Euro. Der Kläger war zu Beginn des streitigen Leistungszeitzeitraumes 56 Jahre alt, so dass sein Freibetrag nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 SGB II 8.400,00 Euro betragen hat. Hinzu kommt nach § 12 Abs. 2 Nr. 4 SGB II ein Freibetrag für notwendige Anschaffungen in Höhe von 750,00 Euro, so dass insgesamt ein Vermögensfreibetrag von 9.150,00 Euro zu berücksichtigen war. Dem stand ein Vermögen zum Zeitpunkt der Antragstellung in Höhe von insgesamt 30.000,00 Euro gegenüber.
35 
Von einer Verwertbarkeit des Vermögens im Rahmen des § 12 Abs. 1 SGB II kann aber weiter nur dann ausgegangen werden, wenn der Berechtigte in der Lage ist, die Verwertung innerhalb einer bei Antragstellung feststehenden Zeitspanne durch eigenes Handeln - autonom - herbeizuführen. Ist dagegen völlig ungewiss, wann eine für die Verwertbarkeit notwendige Bedingung eintritt, so liegt eine generelle Unverwertbarkeit vor (BSG, Urteil vom 06.12.2007 – B 14/7b AS 46/06 R –, juris). Maßgebend für die Prognose, dass ein rechtliches oder tatsächliches Verwertungshindernis wegfällt, ist im Regelfall der Zeitraum, für den die Leistungen bewilligt werden (BSG, Urteile vom 27.01.2009 - B 14 AS 42/07 R - und vom 30.08.2010 - B 4 AS 70/09 R -, beide juris). Eine Festlegung für darüber hinaus gehende Zeiträume ist demgegenüber nicht erforderlich und wegen der Unsicherheiten, die mit einer langfristigen Prognose verbunden sind, auch nicht geboten. Nach Ablauf des jeweiligen Bewilligungszeitraumes ist bei fortlaufendem Leistungsbezug erneut und ohne Bindung an die vorangegangene Einschätzung zu überprüfen, wie für einen weiteren Bewilligungszeitraum die Verwertungsmöglichkeiten zu beurteilen sind (vgl. hierzu Eicher/Luik/Lange, SGB II, 4. Aufl. 2017, § 12 Rn. 45, m. w. N.).
36 
Der Prognosezeitraum dürfte nach der Verlängerung des Regelbewilligungszeitraums wohl grds. ein Jahr betragen (vgl. § 41 Abs. 3 Satz 1 SGB II in der ab 01.08.2016 geltenden Fassung). Allerdings hat der Beklagte im streitigen Zeitraum die Leistungen nur für die Dauer von sechs Monaten bewilligt (vgl. Bescheid vom 29.01.2019, mit dem Leistungen für vom 01.02.2019 bis 31.07.2019 bewilligt worden sind). Letztlich kann der Senat es aber vorliegend sogar offen lassen, ob für die Prognose vorliegend ein Jahr oder sechs Monate maßgeblich sind, da die Verwertung selbst im längeren Zeitraum hier nicht möglich ist.
37 
Wie bereits in den vorherangegangenen Eilverfahren vom 7. und 9. Senat des LSG festgestellt, geht auch der Senat vorliegend unter Berücksichtigung der vom Kläger vorgelegten Unterlagen davon aus, dass es nicht möglich ist, den Miteigentumsanteil an der Eigentumswohnung im Wege des Verkaufs an einen Dritten oder durch Beleihung tatsächlich verwerten zu können. Der Kläger hat sich hier umfangreich und über einen längeren Zeitraum bemüht, den Miteigentumsanteil über einen Makler zu verkaufen bzw. von Banken ein Darlehen zu bekommen. In zahlreichen Antworten haben Immobilienmakler ihr Interesse an einer Verwertung abgelehnt und (nachvollziehbar) dargelegt, dass ein Miteigentumsanteil, wenn wie hier der weitere Eigentümer noch in der Wohnung lebt, keinen Käufer findet. Die vom Kläger angefragten Banken haben auch durchweg die Beleihung der Wohnung und die Gewährung eines Darlehens abgelehnt.
38 
Eine Verwertung ist nach Überzeugung des Senats weiter auch nicht innerhalb eines Jahres durch eine Teilungsversteigerung möglich. Der Beklagte hat inzwischen zwar Auskünfte über die mögliche Dauer einer solchen Teilungsversteigerung beim zuständigen AG Göppingen eingeholt. Entgegen der Ansicht des Beklagten ergibt sich aber aus diesen gerade nicht, dass mit einem Abschluss des Verfahrens innerhalb eines Jahres zu rechnen ist. Vielmehr ergibt sich unter Berücksichtigung der Besonderheiten des vorliegenden Falles eine längere Dauer eines solchen Verfahren. Das Amtsgericht hat zwar angegeben, dass ein solches Zwangsvollstreckungsverfahren ohne Einwendungen innerhalb von sechs bis sieben Monaten abzuwickeln ist. Sollten aber Einwendungen erhoben werden, ist eine verlässliche Prognose nach Ausführungen des Amtsgerichts nicht mehr möglich. Hinzu kämen bis zu eine Entscheidung durch das Amtsgericht weitere drei Monate und bei Einschaltung des Beschwerdegerichts (hier das Landgericht) bis zu weiteren neun Monaten, so dass von einer Dauer von weit über einem Jahr ausgegangen werden muss. Entgegen den Ausführungen des Beklagten ist vorliegend nicht erkennbar, dass der Kläger sich einer Verwertung durch eine Teilungsversteigerung verweigert und sich damit nicht ausreichend um eine Verwertung bemüht, so dass er deshalb schon keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II hat.
39 
Hierbei hält es der Senat für ausreichend, dass der Kläger das Schreiben der getrennt lebenden Ehefrau vom September 2018 vorgelegt hat, in der diese unmissverständlich darlegt, dass sie weder den Miteigentumsanteil des Klägers kaufen kann noch will und auch einem Verkauf ihres Anteils nicht zustimmen wird, da sie weiter in der Wohnung leben möchte. Aus diesem Schreiben wird eindeutig klar, dass die Ehefrau auch nicht einer Teilungsversteigerung zustimmen wird, da diese auch die Versteigerung ihres Miteigentumsanteils bedeuten würde, was wiederum mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit den Verlust der Möglichkeit in der Wohnung zu wohnen auch für die Ehefrau bedeuten würde, da sie - anders als z.B. ein Mieter - nicht über § 566 BGB beim Verkauf/ der Versteigerung der Wohnung geschützt wäre und die Wohnung nach einer Teilungsversteigerung ebenfalls verlassen müsste. Anhaltspunkte dafür, dass dies im streitigen Zeitraum (lediglich ca. ein halbes Jahr nach Abgabe dieser Erklärung) nicht so wäre, sind nicht ersichtlich, so dass einer (erneuten) Erklärung durch die Ehefrau nicht bedurfte.
40 
Weiter wird die Vermutung des Beklagten, dass die Teilungsversteigerung hier innerhalb des regelmäßigen Verlaufs abgeschlossen wird, dem vorliegenden Sachverhalt nicht gerecht. Die im Miteigentum stehende Eigentumswohnung wird derzeit von der vom Kläger getrennt lebenden Ehefrau und den beiden gemeinsamen Kindern bewohnt. Die Ehefrau des Klägers bezieht Rente wegen voller Erwerbsminderung (im streitigen Zeitraum in Höhe von 725,63 Euro), sie ist dialyse-pflichtig und zu 100% als schwerbehinderter Mensch anerkannt. Die beiden Töchter, die zusammen mit der Mutter die nur 73 m² große Wohnung bewohnen, befinden sich derzeit in Ausbildungsverhältnissen. Vor diesem Hintergrund ist kaum zu erwarten, dass die Ehefrau des Klägers entgegen der bereits abgegebenen Erklärung vom 20.09.2018 (Bl. 44, L 7 AS 3215/18 ER-B) einer Teilungsversteigerung zustimmen wird, da hierdurch nachvollziehbar der Lebensmittelpunkt der Ehefrau des Klägers und deren Kinder verloren ginge und eine den Einkommensverhältnissen entsprechende Wohnung aufgegeben werden müsste. Es ist daher davon auszugehen, dass die getrennt lebende Ehefrau des Klägers Einwendungen erheben und Rechtsmittel ausschöpfen wird, so dass sich das Verfahren entsprechend verlängert und eine Verwertung nicht innerhalb eines Jahres (und erst recht nicht innerhalb von sechs Monaten) möglich sein wird. Weitere Ermittlungen hierzu sieht der Senat nicht als erforderlich an.
41 
Nach alledem ist im streitigen Zeitraum schon keine Verwertbarkeit des Vermögens gegeben gewesen, so dass die Leistungen an den Kläger als Zuschuss und nicht als Darlehen zu gewähren waren.
42 
Der Senat kann demnach offen lassen, ob es sich bei dem Miteigentumsanteil des Klägers - wie das SG meint - um geschütztes Vermögen i.S. des § 12 Abs. 3 Nr. 5 SGB II, wonach Vermögen, solange es nachweislich zur baldigen Beschaffung oder Erhaltung eines Hausgrundstücks von angemessener Größe bestimmt ist, soweit dieses zu Wohnzwecken behinderter oder pflegebedürftiger Menschen dient oder dienen soll und dieser Zweck durch den Einsatz oder die Verwertung des Vermögens gefährdet würde, geschützt ist, handelt.
43 
Ebenfalls nicht entscheiden musste der Senat ferner, ob hier auch ein Schutz des Vermögens nach § 12 Abs. 3 Nr. 6 SGB II in Betracht kommt, wonach als Vermögen nicht zu berücksichtigen ist, soweit dessen Verwertung für den Betroffenen eine besondere Härte bedeuten würde. Die Vorschrift ist eine generalklauselartige Auffangnorm und dient dazu, atypische, von den ausdrücklichen Regelungen nicht erfasste Sachverhalte unter Einbeziehung von Zumutbarkeitserwägungen angemessen zu berücksichtigen. Es müssen außergewöhnliche Umstände vorliegen, die dem Betroffenen ein deutlich größeres Opfer abverlangen als eine einfache Härte und erst recht als die mit der Vermögensverwertung stets verbundenen Einschnitte, und die nicht durch die ausdrücklichen Freistellungen über das Schonvermögen erfasst werden. Das erfordert eine Abwägungsentscheidung zwischen dem Interesse des Leistungsberechtigten an dem Erhalt des Vermögens und dem öffentlichen Interesse des sparsamen Umgangs mit Steuergeldern (vgl. Formann in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Aufl., § 12 (Stand: 15.10.2020), Rn. 190ff.). Im vorliegenden Fall wäre hier wohl zu berücksichtigen, dass bei einer Teilungsversteigerung die getrennt lebende Ehefrau des Klägers aus der Wohnung ausziehen müsste, was ihr aufgrund der schweren Erkrankung - an deren Vorliegen der Senat aufgrund der vorliegenden Unterlagen keinerlei Zweifel hat - kaum zuzumuten ist, zumal die Wohnung für die Ehefrau selbst angemessen wäre und sie ggf. dann nach einem Umzug in eine Mietwohnung selbst gezwungen wäre, Sozialleistungen zu beantragen, weil die von ihr bezogene Rente wegen Erwerbsminderung nicht ausreichen dürfte, um den Lebensunterhalt inklusive Mietkosten zu bezahlen.
44 
Nach alledem war die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
45 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
46 
Gründe für die Zulassung der Revision (§160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.

Gründe

 
26 
Die form- und fristgerecht (vgl. § 151 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) eingelegte Berufung ist auch im Übrigen zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.
27 
Die Berufung des Beklagten ist aber nicht begründet.
28 
Das SG hat den Beklagten zu Recht unter Abänderung der Bescheide vom 29.01.2019 und vom 07.03.2019 sowie des Widerspruchsbescheides vom 09.05.2019 verurteilt, dem Kläger die gewährten Leistungen nach dem SGB II als Zuschuss anstatt bisher nur darlehensweise zu gewähren.
29 
Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zunächst zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II (§ 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II in Verbindung mit §§ 9, 19 SGB II) dargelegt und zutreffend festgestellt, dass der Kläger erwerbsfähig ist, die maßgebliche Altersgrenze noch nicht erreicht hat und kein sonstiger Leistungsausschluss besteht.
30 
Nicht streitig ist zwischen den Beteiligten die Höhe der im streitigen Zeitraum gewährten Leistungen nach dem SGB II. Fehler in der Berechnung sind auch nicht ersichtlich, insoweit wird auf die Berechnungsbögen der angefochtenen Bescheide Bezug genommen.
31 
Weiter hat das SG zu Recht ausgeführt, dass der Kläger weder über Einkommen noch verwertbares Vermögen verfügt, das zum Wegfall seiner Hilfebedürftigkeit im Sinne des § 9 Abs. 1 SGB II führt.
32 
Entgegen der Auffassung des Beklagten stellt nach Überzeugung des Senats auch nicht der hälftige Miteigentumsanteil des Klägers an der von seiner dauerhaft getrennt lebenden Ehefrau sowie den gemeinsamen erwachsenen, aber zumindest im streitigen Zeitraum sich noch in Ausbildung befindenden Töchtern, bewohnten Eigentumswohnung vorrangig zu verwertendes Vermögen dar, so dass der Kläger einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II als Zuschuss für die Zeit vom 01.02.2019 bis 31.07.2019 hat.
33 
Als Vermögen sind gemäß § 12 Abs. 1 SGB II alle verwertbaren Vermögensgegenstände zu berücksichtigen. Vermögen ist verwertbar, wenn seine Gegenstände verbraucht, übertragen oder belastet werden können. Der Begriff der Verwertbarkeit ist ein rein wirtschaftlicher und beurteilt sich sowohl nach den tatsächlichen als auch den rechtlichen Verhältnissen (ständige Rechtsprechung; vgl. zuletzt etwa BSG, Urteil vom 12.10.2017 - B 4 AS 19/17 R - juris Rdnr. 22 m.w.N.; Urteil vom 30.08.2017 - B 14 AS 30/16 R - juris Rdnr. 15; Urteil vom 20.02.2014 - B 14 AS 10/13 R - BSGE 115, 148 - juris Rdnr. 22). Tatsächlich nicht verwertbar sind danach Vermögensgegenstände, für die in absehbarer Zeit kein Käufer zu finden sein wird, etwa, weil Gegenstände dieser Art nicht (mehr) marktgängig sind oder weil sie über den Marktwert hinaus belastet sind. Rechtlich nicht verwertbar ist ein Vermögensgegenstand, für den Verfügungsbeschränkungen bestehen, deren Aufhebung der Inhaber nicht erreichen kann.
34 
Der Kläger ist hier hälftiger Miteigentümer einer Eigentumswohnung mit einem Verkehrswert von 60.000,00 Euro. Dieses Vermögen des Klägers übersteigt auch grundsätzlich die ihm aus § 12 Abs. 2 SGB II zustehenden Freibeträge. Diese berechnen sich wie folgt: Gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 1 SGB II ist vom Vermögen ein Grundfreibetrag in Höhe von 150,00 Euro je vollendetem Lebensjahr für jede in der Bedarfsgemeinschaft lebende volljährige Person anzusetzen, mindestens aber 3.100, 00 Euro. Der Kläger war zu Beginn des streitigen Leistungszeitzeitraumes 56 Jahre alt, so dass sein Freibetrag nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 SGB II 8.400,00 Euro betragen hat. Hinzu kommt nach § 12 Abs. 2 Nr. 4 SGB II ein Freibetrag für notwendige Anschaffungen in Höhe von 750,00 Euro, so dass insgesamt ein Vermögensfreibetrag von 9.150,00 Euro zu berücksichtigen war. Dem stand ein Vermögen zum Zeitpunkt der Antragstellung in Höhe von insgesamt 30.000,00 Euro gegenüber.
35 
Von einer Verwertbarkeit des Vermögens im Rahmen des § 12 Abs. 1 SGB II kann aber weiter nur dann ausgegangen werden, wenn der Berechtigte in der Lage ist, die Verwertung innerhalb einer bei Antragstellung feststehenden Zeitspanne durch eigenes Handeln - autonom - herbeizuführen. Ist dagegen völlig ungewiss, wann eine für die Verwertbarkeit notwendige Bedingung eintritt, so liegt eine generelle Unverwertbarkeit vor (BSG, Urteil vom 06.12.2007 – B 14/7b AS 46/06 R –, juris). Maßgebend für die Prognose, dass ein rechtliches oder tatsächliches Verwertungshindernis wegfällt, ist im Regelfall der Zeitraum, für den die Leistungen bewilligt werden (BSG, Urteile vom 27.01.2009 - B 14 AS 42/07 R - und vom 30.08.2010 - B 4 AS 70/09 R -, beide juris). Eine Festlegung für darüber hinaus gehende Zeiträume ist demgegenüber nicht erforderlich und wegen der Unsicherheiten, die mit einer langfristigen Prognose verbunden sind, auch nicht geboten. Nach Ablauf des jeweiligen Bewilligungszeitraumes ist bei fortlaufendem Leistungsbezug erneut und ohne Bindung an die vorangegangene Einschätzung zu überprüfen, wie für einen weiteren Bewilligungszeitraum die Verwertungsmöglichkeiten zu beurteilen sind (vgl. hierzu Eicher/Luik/Lange, SGB II, 4. Aufl. 2017, § 12 Rn. 45, m. w. N.).
36 
Der Prognosezeitraum dürfte nach der Verlängerung des Regelbewilligungszeitraums wohl grds. ein Jahr betragen (vgl. § 41 Abs. 3 Satz 1 SGB II in der ab 01.08.2016 geltenden Fassung). Allerdings hat der Beklagte im streitigen Zeitraum die Leistungen nur für die Dauer von sechs Monaten bewilligt (vgl. Bescheid vom 29.01.2019, mit dem Leistungen für vom 01.02.2019 bis 31.07.2019 bewilligt worden sind). Letztlich kann der Senat es aber vorliegend sogar offen lassen, ob für die Prognose vorliegend ein Jahr oder sechs Monate maßgeblich sind, da die Verwertung selbst im längeren Zeitraum hier nicht möglich ist.
37 
Wie bereits in den vorherangegangenen Eilverfahren vom 7. und 9. Senat des LSG festgestellt, geht auch der Senat vorliegend unter Berücksichtigung der vom Kläger vorgelegten Unterlagen davon aus, dass es nicht möglich ist, den Miteigentumsanteil an der Eigentumswohnung im Wege des Verkaufs an einen Dritten oder durch Beleihung tatsächlich verwerten zu können. Der Kläger hat sich hier umfangreich und über einen längeren Zeitraum bemüht, den Miteigentumsanteil über einen Makler zu verkaufen bzw. von Banken ein Darlehen zu bekommen. In zahlreichen Antworten haben Immobilienmakler ihr Interesse an einer Verwertung abgelehnt und (nachvollziehbar) dargelegt, dass ein Miteigentumsanteil, wenn wie hier der weitere Eigentümer noch in der Wohnung lebt, keinen Käufer findet. Die vom Kläger angefragten Banken haben auch durchweg die Beleihung der Wohnung und die Gewährung eines Darlehens abgelehnt.
38 
Eine Verwertung ist nach Überzeugung des Senats weiter auch nicht innerhalb eines Jahres durch eine Teilungsversteigerung möglich. Der Beklagte hat inzwischen zwar Auskünfte über die mögliche Dauer einer solchen Teilungsversteigerung beim zuständigen AG Göppingen eingeholt. Entgegen der Ansicht des Beklagten ergibt sich aber aus diesen gerade nicht, dass mit einem Abschluss des Verfahrens innerhalb eines Jahres zu rechnen ist. Vielmehr ergibt sich unter Berücksichtigung der Besonderheiten des vorliegenden Falles eine längere Dauer eines solchen Verfahren. Das Amtsgericht hat zwar angegeben, dass ein solches Zwangsvollstreckungsverfahren ohne Einwendungen innerhalb von sechs bis sieben Monaten abzuwickeln ist. Sollten aber Einwendungen erhoben werden, ist eine verlässliche Prognose nach Ausführungen des Amtsgerichts nicht mehr möglich. Hinzu kämen bis zu eine Entscheidung durch das Amtsgericht weitere drei Monate und bei Einschaltung des Beschwerdegerichts (hier das Landgericht) bis zu weiteren neun Monaten, so dass von einer Dauer von weit über einem Jahr ausgegangen werden muss. Entgegen den Ausführungen des Beklagten ist vorliegend nicht erkennbar, dass der Kläger sich einer Verwertung durch eine Teilungsversteigerung verweigert und sich damit nicht ausreichend um eine Verwertung bemüht, so dass er deshalb schon keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II hat.
39 
Hierbei hält es der Senat für ausreichend, dass der Kläger das Schreiben der getrennt lebenden Ehefrau vom September 2018 vorgelegt hat, in der diese unmissverständlich darlegt, dass sie weder den Miteigentumsanteil des Klägers kaufen kann noch will und auch einem Verkauf ihres Anteils nicht zustimmen wird, da sie weiter in der Wohnung leben möchte. Aus diesem Schreiben wird eindeutig klar, dass die Ehefrau auch nicht einer Teilungsversteigerung zustimmen wird, da diese auch die Versteigerung ihres Miteigentumsanteils bedeuten würde, was wiederum mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit den Verlust der Möglichkeit in der Wohnung zu wohnen auch für die Ehefrau bedeuten würde, da sie - anders als z.B. ein Mieter - nicht über § 566 BGB beim Verkauf/ der Versteigerung der Wohnung geschützt wäre und die Wohnung nach einer Teilungsversteigerung ebenfalls verlassen müsste. Anhaltspunkte dafür, dass dies im streitigen Zeitraum (lediglich ca. ein halbes Jahr nach Abgabe dieser Erklärung) nicht so wäre, sind nicht ersichtlich, so dass einer (erneuten) Erklärung durch die Ehefrau nicht bedurfte.
40 
Weiter wird die Vermutung des Beklagten, dass die Teilungsversteigerung hier innerhalb des regelmäßigen Verlaufs abgeschlossen wird, dem vorliegenden Sachverhalt nicht gerecht. Die im Miteigentum stehende Eigentumswohnung wird derzeit von der vom Kläger getrennt lebenden Ehefrau und den beiden gemeinsamen Kindern bewohnt. Die Ehefrau des Klägers bezieht Rente wegen voller Erwerbsminderung (im streitigen Zeitraum in Höhe von 725,63 Euro), sie ist dialyse-pflichtig und zu 100% als schwerbehinderter Mensch anerkannt. Die beiden Töchter, die zusammen mit der Mutter die nur 73 m² große Wohnung bewohnen, befinden sich derzeit in Ausbildungsverhältnissen. Vor diesem Hintergrund ist kaum zu erwarten, dass die Ehefrau des Klägers entgegen der bereits abgegebenen Erklärung vom 20.09.2018 (Bl. 44, L 7 AS 3215/18 ER-B) einer Teilungsversteigerung zustimmen wird, da hierdurch nachvollziehbar der Lebensmittelpunkt der Ehefrau des Klägers und deren Kinder verloren ginge und eine den Einkommensverhältnissen entsprechende Wohnung aufgegeben werden müsste. Es ist daher davon auszugehen, dass die getrennt lebende Ehefrau des Klägers Einwendungen erheben und Rechtsmittel ausschöpfen wird, so dass sich das Verfahren entsprechend verlängert und eine Verwertung nicht innerhalb eines Jahres (und erst recht nicht innerhalb von sechs Monaten) möglich sein wird. Weitere Ermittlungen hierzu sieht der Senat nicht als erforderlich an.
41 
Nach alledem ist im streitigen Zeitraum schon keine Verwertbarkeit des Vermögens gegeben gewesen, so dass die Leistungen an den Kläger als Zuschuss und nicht als Darlehen zu gewähren waren.
42 
Der Senat kann demnach offen lassen, ob es sich bei dem Miteigentumsanteil des Klägers - wie das SG meint - um geschütztes Vermögen i.S. des § 12 Abs. 3 Nr. 5 SGB II, wonach Vermögen, solange es nachweislich zur baldigen Beschaffung oder Erhaltung eines Hausgrundstücks von angemessener Größe bestimmt ist, soweit dieses zu Wohnzwecken behinderter oder pflegebedürftiger Menschen dient oder dienen soll und dieser Zweck durch den Einsatz oder die Verwertung des Vermögens gefährdet würde, geschützt ist, handelt.
43 
Ebenfalls nicht entscheiden musste der Senat ferner, ob hier auch ein Schutz des Vermögens nach § 12 Abs. 3 Nr. 6 SGB II in Betracht kommt, wonach als Vermögen nicht zu berücksichtigen ist, soweit dessen Verwertung für den Betroffenen eine besondere Härte bedeuten würde. Die Vorschrift ist eine generalklauselartige Auffangnorm und dient dazu, atypische, von den ausdrücklichen Regelungen nicht erfasste Sachverhalte unter Einbeziehung von Zumutbarkeitserwägungen angemessen zu berücksichtigen. Es müssen außergewöhnliche Umstände vorliegen, die dem Betroffenen ein deutlich größeres Opfer abverlangen als eine einfache Härte und erst recht als die mit der Vermögensverwertung stets verbundenen Einschnitte, und die nicht durch die ausdrücklichen Freistellungen über das Schonvermögen erfasst werden. Das erfordert eine Abwägungsentscheidung zwischen dem Interesse des Leistungsberechtigten an dem Erhalt des Vermögens und dem öffentlichen Interesse des sparsamen Umgangs mit Steuergeldern (vgl. Formann in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Aufl., § 12 (Stand: 15.10.2020), Rn. 190ff.). Im vorliegenden Fall wäre hier wohl zu berücksichtigen, dass bei einer Teilungsversteigerung die getrennt lebende Ehefrau des Klägers aus der Wohnung ausziehen müsste, was ihr aufgrund der schweren Erkrankung - an deren Vorliegen der Senat aufgrund der vorliegenden Unterlagen keinerlei Zweifel hat - kaum zuzumuten ist, zumal die Wohnung für die Ehefrau selbst angemessen wäre und sie ggf. dann nach einem Umzug in eine Mietwohnung selbst gezwungen wäre, Sozialleistungen zu beantragen, weil die von ihr bezogene Rente wegen Erwerbsminderung nicht ausreichen dürfte, um den Lebensunterhalt inklusive Mietkosten zu bezahlen.
44 
Nach alledem war die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
45 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
46 
Gründe für die Zulassung der Revision (§160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.

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