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| Streitgegenstand ist der Bescheid der Beklagten vom 28. Februar 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. April 2020, mit dem sie die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB XII abgelehnt hat. Hiergegen wendet sich der Kläger zutreffend mit der Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1, 4 SGG). |
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| Die Berufung der Beklagten ist nicht begründet. |
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| Gemäß § 19 Abs. 2 Satz 1 SGB XII in der seit dem 1. Januar 2011 geltenden Fassung ist Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII Personen zu leisten, die die Altersgrenze nach § 41 Abs. 2 SGB XII erreicht haben oder das 18. Lebensjahr vollendet haben und dauerhaft voll erwerbsgemindert sind, sofern sie ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus ihrem Einkommen und Vermögen, bestreiten können. Gemäß § 19 Abs. 2 SGB XII haben Anspruch auf Grundsicherungsleistungen (nur) Personen, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus ihrem Einkommen und Vermögen, bestreiten können. Nach § 41 Abs. 1 SGB XII sind Personen mit gewöhnlichem Aufenthalt im Inland, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus Einkommen und Vermögen nach § 43 SGB XII bestreiten können, leistungsberechtigt nach dem Vierten Kapitel des SGB XII, wenn sie die Voraussetzungen nach Absatz 2, 3 oder 3a SGB XII erfüllen. |
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| Der Kläger hatte im streitigen Zeitraum seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland. Er hatte des 18. Lebensjahr vollendet und war auch unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage dauerhaft voll erwerbsgemindert im Sinne des § 43 Abs. 2 SGB VI. |
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| Der Kläger war auch bedürftig. Die im März 2020 fällige Jahresabfallgebühr 2020 ist als Bedarf im Monat März 2020 bei den Kosten der Unterkunft nach § 35 SGB XII zu berücksichtigen. Der Kläger konnte seinen Bedarf, der sich im Monat März 2020 auf insgesamt 962,15 Euro belaufen hat (Regelbedarf für Alleinstehende 432,00 Euro, laufende angemessene Kosten der Unterkunft und Heizung 378,95 Euro, Jahresabfallgebühr 2020 151,20 Euro), nicht aus seinem Einkommen in Höhe von 827,27 Euro (Rente 579,27 Euro, Wohngeld 248,00 Euro) decken, so dass ein Leistungsanspruch in Höhe von 134,88 Euro besteht. |
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| Das SG hat im angefochtenen Urteil zutreffend ausgeführt, dass die Abfallgebühren als Teil der Kosten der Unterkunft in dem Monat zu berücksichtigen sind, in dem sie anfallen, und nicht auf monatliche Teilbeträge aufzuteilen war. Es hat weiter zutreffend ausgeführt, dass der Kläger nicht verpflichtet war, im Rahmen der Selbsthilfe nach § 2 SGB XII eine Verteilung der Abfallgebühren auf zwölf Monate mit dem Gläubiger zu vereinbaren. Hierauf wird gem. § 153 Abs. 2 SGG Bezug genommen. |
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| Ergänzend ist auszuführen, dass sich auch aus dem Vortrag des Beklagten im Berufungsverfahren keine andere Beurteilung ergibt. |
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| Einem Anspruch des Klägers steht zunächst nicht entgegen, dass gem. § 7 Abs. 1 Nr. 5 Wohngeldgesetz (WoGG) die Empfänger und Empfängerinnen von Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII vom Wohngeld ausgeschlossen sind. Dieser Leistungsausschluss betrifft nur den - vorliegend nicht streitigen - Anspruch auf Wohngeld. Eine entsprechende Ausschlussnorm, wonach Empfänger von Wohngeld vom Bezug von Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB XII ausgeschlossen sind, enthält das SGB XII nicht. |
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| Der Kläger kann auch nicht auf eine aus § 2 SGB XII resultierende Kostensenkungsobliegenheit in der Weise verwiesen werden, dass er mit dem Gläubiger der Jahresabfallgebühr eine Ratenzahlungsvereinbarung schließt. Eine solche Ratenzahlungsvereinbarung ist zwar grundsätzlich möglich, wie der Auskunft der ASF GmbH vom 5. März 2021 entnommen werden kann. Eine Verpflichtung hierzu folgt jedoch nicht aus § 2 Abs. 1 SGB XII (sog. Nachranggrundsatz). Danach erhält Sozialhilfe nicht, wer sich vor allem durch den Einsatz seiner Arbeitskraft, seines Einkommens und seines Vermögens selbst helfen kann oder wer die erforderliche Leistung von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält. Diese Vorschrift ist keine eigenständige Ausschlussnorm. Hierfür spricht zunächst der Wortlaut der Norm, der nicht auf bestehende andere Leistungsansprüche, sondern auf den Erhalt anderer Leistungen abstellt. Ebenso spricht hierfür die Stellung im Gesetz in den Allgemeinen Vorschriften des Ersten Kapitels des SGB XII und nicht in den Vorschriften über die Leistungen (Zweites bis Neuntes Kapitel des SGB XII) sowie der Umstand, dass das SGB XII konkrete Leistungsausschlussnormen enthält, wie etwa § 39a SGB XII. § 2 SGB XII kommt deshalb regelmäßig nur im Zusammenhang mit ergänzenden bzw. konkretisierenden sonstigen Vorschriften des SGB XII Bedeutung zu. |
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| Dies steht auch in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 23. März 2021 - B 8 SO 2/20 R - Terminbericht Nr. 13/21). Danach stellt der Nachranggrundsatz grundsätzlich keine isolierte Ausschlussnorm, sondern als Programmsatz lediglich ein Gebot der Sozialhilfe dar, aus dem sich auch bei extremen Ausnahmefällen keine unmittelbaren Rechtsfolgen ableiten lassen. Der Nachrang wird vielmehr ausreichend durch spezielle, den Nachranggrundsatz konkretisierende Normen umgesetzt. |
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| Vorliegend ist darüber hinaus zu berücksichtigen, dass nach dem Wortlaut des § 2 Abs. 1 SGB XII nur auf vorrangige anderweitige Möglichkeiten zur Deckung eines bestehenden Bedarfs - Einsatz der Arbeitskraft, des Einkommens und Vermögens oder Leistungen Dritter - verwiesen wird. Demgegenüber ist die vorliegende Konstellation dadurch gekennzeichnet, dass der Kläger seinen Bedarf im streitigen Zeitraum senken soll. |
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| Etwas anderes folgt auch nicht aus der von der Beklagten angeführten Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 15. November 2012 - B 8 SO 25/11 R - juris Rdnr. 21), wonach bei einem Umzug im Rahmen des § 35 SGB XII nur die unvermeidbaren Kosten zu übernehmen sind. Denn hierbei ist zu berücksichtigen, dass den Kläger keine Kostensenkungsobliegenheit nach § 35 Abs. 2 Satz 2 SGB XII getroffen hat. Diese greift nur ein, wenn die Aufwendungen für die Unterkunft den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen. Durch die Berücksichtigung der Abfallgebühren werden die angemessenen Kosten jedoch nicht überschritten, so dass insoweit auch keine aus § 35 Abs. 2 Satz 2 SGB XII resultierende Kostensenkungsverpflichtung besteht (vgl. LSG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 10. Januar 2019 - L 8 AS 247/18 B ER - juris Rdnr. 27; a.A. LSG Thüringen, Urteil vom 14. März 2013 - L 9 AS 1302/10 - juris Rdnr. 32). |
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| Eine andere Beurteilung ergibt sich schließlich auch nicht aus dem Umstand, dass das SGB XII auch Abweichungen vom Monatsprinzip wie z. B. in § 82 Abs. 7 Abs. 2 SGB XII enthält, wonach einmalige Einnahmen, bei deren Berücksichtigung in einem Monat der Leistungsanspruch entfiele, auf einen Zeitraum von sechs Monaten gleichmäßig zu verteilen sind. Denn hierbei handelt es sich nicht um Normen, die eine Obliegenheit des Leistungsempfängers begründen, sondern lediglich um Berechnungsvorschriften, die im Übrigen einen Leistungsanspruch begründen, der bei einer strikten Einhaltung des Zuflussprinzips nicht gegeben wäre. |
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| Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1, 2 SGG) liegen nicht vor, nachdem das BSG mit Urteil vom 23. März 2021 die vorliegend maßgebliche Rechtsfrage, ob und inwieweit § 2 SGB XII eine Ausschlussnorm darstellt, geklärt hat. |
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