Urteil vom Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern (8. Senat) - L 8 AS 119/09
Tenor
Die Berufung des Beklagten wird als unzulässig verworfen.
Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Kläger im Berufungsverfahren.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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In dem vor dem Sozialgericht (SG) Rostock in erster Instanz anhängig gewesenen Rechtsstreit haben sich die Beteiligten darüber gestritten, inwieweit der Beklagte zu Gunsten der Kläger die Nachforderungen ihres Vermieters aus den Betriebskostenabrechnungen für die Jahre 2005 und 2006 in Höhe von 1.351,13 € bzw. 1.056,70 € über die von dem Beklagten anerkannten Beträge von 586,06 € bzw. 295,00 € hinaus zu übernehmen hat.
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Das SG hat den Beklagten mit Urteil vom 23. September 2009 unter Abänderung der hierzu jeweils ergangenen Bescheide verurteilt, die Nachzahlungen an den Vermieter für die Jahre 2005 und 2006 in Höhe von 1.110,17 € bzw. 711,23 € jeweils unter Anrechnung bereits geleisteter Zahlungen zu übernehmen.
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Das mit einer ordnungsgemäßen Rechtsmittelbelehrung versehene Urteil ist dem Beklagten in Ausfertigung am 06. Oktober 2009 zugestellt worden.
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Am 05. November 2009 ist eine zweiseitige Berufungsschrift des Beklagten mit gleichen Datum ohne Anlagen bei dem Landessozialgericht (LSG) Mecklenburg-Vorpommern per Fax eingegangen. Das Schriftstück endet mit den Worten „In Vertretung Dr. Becker“ und enthält keine eigenhändige Unterschrift. Die am 17. November 2009 im Original beim LSG eingegangene Berufungsschrift vom 05. November 2009 ist dagegen eigenhändig unterschrieben.
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Der Beklagte hält das angefochtene Urteil in der Sache überwiegend für nicht zutreffend.
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Der Beklagte beantragt,
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das Urteil des Sozialgerichts Rostock vom 23. September 2009 aufzuheben, soweit der Beklagte verurteilt worden ist, aus der Nachzahlung an den Vermieter für das Jahr 2005 mehr als 709,48 € und aus der Nachzahlung an den Vermieter für das Jahr 2006 mehr als 361,07 € jeweils unter Anrechnung der bereits geleisteten Zahlungen zu übernehmen.
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Die Kläger beantragen schriftsätzlich,
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die Berufung als unzulässig zu verwerfen.
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Der Senat hat den Beklagten mit Schriftsatz vom 23. Februar 2011 darauf hingewiesen, dass die Berufung innerhalb der Berufungsfrist nicht formgerecht eingelegt worden sei. Die Berufungsschrift vom 05. November 2009, die bei dem LSG am selben Tage per Fax eingegangen sei, weise im Gegensatz zu dem am 17. November 2009 eingegangenen Original, keine eigenhändige Unterschrift auf.
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Nach Auffassung des Beklagten sei die Berufung dennoch zulässig. Die am 05. November 2009 per Telefax übermittelte Berufungsschrift entspreche dem Schriftformerfordernis des § 151 Abs. 1 SGG. So sei eine Ausnahme von dem Erfordernis einer eigenhändigen Unterschrift dann gegeben, wenn der Berufungsschrift der Inhalt der Erklärung, die abgegeben werden solle, und die Person, von der sie ausgehe, hinreichend zuverlässig zu entnehmen sei und feststehe, dass es sich bei dem Schriftstück nicht nur um einen Entwurf handele, sondern es mit Wissen und Wollen des Berechtigten dem Gericht zugeleitet worden sei. Diesen Anforderungen genüge die Berufungsschrift des Beklagten. Ihr seien der Berufungskläger und die Berufungsbeklagten und ausführliche Angaben zum erstinstanzlichen Verfahren zu entnehmen. Die Berufungsschrift enthalte den offiziellen Briefkopf und ein internes Aktenzeichen des Beklagten. Die Übersendung des Schriftstückes sei unter einer Faxnummer des Beklagten erfolgt. In der Unterschriftszeile sei in Vertretung des Geschäftsführers des Beklagten die Person angeführt, für die eine Generalterminsvollmacht beim LSG hinterlegt sei. Die absichtliche Zuleitung des Schriftsatzes ergebe sich aus dem Hinweis auf den notwendigen fristwahrenden Charakter des Schreibens und dem Faxbericht.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe
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Die Berufung war gem. § 158 Satz 1 SGG als unzulässig zu verwerfen, weil die in der Berufungsfrist eingegangene Berufungsschrift des Beklagten nicht dem Schriftformerfordernis des § 151 Abs. 1 SGG genügt.
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Danach ist die Berufung innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Landessozialgericht - bzw. nach § 151 Abs. 2 Satz 1 SGG bei dem Sozialgericht - einzulegen.
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Unter „schriftlicher“ Einlegung ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG zu verstehen, dass die Berufungsschrift grundsätzlich vom Berufungskläger oder einer für ihn vertretungsberechtigten Person handschriftlich unterschrieben sein muss. Die Schriftform soll aus Gründen der Rechtssicherheit gewährleisten, dass aus dem Schriftstück der Inhalt der Erklärung, die abgegeben werden soll, und die Person, von der sie ausgeht, hinreichend zuverlässig entnommen werden können. Außerdem muss feststehen, dass es sich bei dem Schriftstück nicht nur um einen Entwurf handelt, sondern dass es mit Wissen und Willen des Berechtigten dem Gericht zugeleitet worden ist (vgl. zuletzt BSG, Urteil vom 30. Januar 2002, B 5 RJ 10/01 R, juris, Rn. 15; Urteil vom 21. Juni 2001, B 13 RJ 5/01 R, juris, Rn. 16f.; Urteil vom 06. Mai 1998, B 13 RJ 85/97 R, juris, Rn. 13f., jeweils m.w.N.).
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Von dem Erfordernis einer eigenhändigen Unterschrift hat die Rechtsprechung der obersten Bundesgerichte jedoch Ausnahmen zugelassen, wenn sich aus dem betreffenden Rechtsmittelschriftsatz allein oder in Verbindung mit beigefügten Unterlagen die Urheberschaft und der Wille, das Schreiben in den Verkehr zu bringen, hinreichend sicher ergeben, ohne dass darüber Beweis erhoben werden müsste (vgl. BSG, wie vor).
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Einen solchen Ausnahmefall von dem Erfordernis einer eigenhändigen Unterschrift hat das BSG im Fall einer mit sogenanntem Computerfax übermittelten Berufung vor allem deswegen angenommen, weil der Berufungskläger in der Berufungsschrift, die mit seinem Namen und Anschrift abschloss, durch die Hinzufügung des Hinweises "dieser Brief wurde maschinell erstellt, wird nicht eigenhändig unterschrieben" deutlich gemacht hat, dass aus technischen Gründen eine eigenhändige Unterschrift fehlt (vgl. BSG, Beschluss vom 15. Oktober 1996, 14 BEg 9/96, juris, missverständlich wiedergegeben bei Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 151 SGG, Rn. 3d). Das Schriftlichkeitserfordernis des § 151 Abs. 1 SGG kann ausnahmsweise auch dann erfüllt sein, wenn der Berufungsschriftsatz dem Gericht in einem Umschlag zugeht, der nach seinem äußeren Erscheinungsbild von dem Berufungskläger selbst mit einer handschriftlichen Absender- und Empfängerangabe versehen worden ist (vgl. BSG, Urteil vom 06. Mai 1998, B 13 RJ 85/97 R, juris, Rn. 14). Auch ist anerkannt, dass eine gleichzeitig eingereichte beglaubigte Abschrift, die der Rechtsanwalt unterzeichnet hat, die fehlende Unterschrift auf der Urschrift ersetzen kann. Dies gilt jedoch nur, wenn zum Zeitpunkt des Fristablaufs kein Zweifel mehr möglich ist, dass der bestimmende Schriftsatz von dem Unterschriftleistenden herrührt (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Juni 2004, VI ZB 9/04, juris, Rn. 5). Die Berufungsschrift einer Behörde entspricht der gesetzlichen Schriftform, wenn der in Maschinenschrift wiedergegebene Name des Verfassers mit einem Beglaubigungsvermerk versehen ist (vgl. BSG, Urteil vom 20. Dezember 1979, 4 RJ 120/77, juris).
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Diesen Anforderungen an das Schriftformerfordernis des § 151 Abs. 1 SGG genügt die Berufungsschrift des Beklagten, die in der einmonatigen Berufungsfrist eingegangen ist, nicht.
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Die einmonatige Berufungsfrist begann nach der am 06. Oktober 2009 dem Beklagten gegenüber erfolgten Zustellung der Ausfertigung des vollständigen und mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung i. S. v. § 66 Abs. 1 SGG versehenen Urteils des SG gem. § 64 Abs. 1 SGG am Folgetag (also dem 07. Oktober 2009) und endete gem. § 64 Abs. 2 und 3 SGG mit Ablauf des 06. November 2009, einem Freitag.
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In dieser Frist ging lediglich bei dem LSG am 05. November 2009 per Telefax eine Berufungsschrift des Beklagten ein, deren Ausdruck keine eigenhändige Unterschrift aufweist. Da es sich um ein Telefax handelte, wäre es - im Gegensatz zu einem Computerfax - technisch möglich und daher grundsätzlich auch erforderlich gewesen, die Berufungsschrift mit einer eigenhändigen Unterschrift zu versehen. Das Fax-Schreiben enthält keinen amtlichen Beglaubigungsvermerk, dass die Berufungsschrift im Original bereits eigenhändig unterschrieben war. Schließlich sind der zweiseitigen Berufungsschrift, der keine Anlagen beigefügt waren, keine Umstände zu entnehmen, die unabhängig von der fehlenden Unterschrift die Urheberschaft und den Willen hinreichend sicher belegen, dass ein Berechtigter des Beklagten mit dem Fax-Schreiben willentlich Berufung eingelegt hat. Dass die Berufungsschrift - wie von dem Beklagten vorgetragen - ansonsten alle Anforderungen an eine ordnungsgemäße Berufungsschrift erfüllt, in der Unterschriftszeile einen Mitarbeiter anführt, für den eine Generalterminsvollmacht bei dem LSG hinterlegt ist, und von einem Faxgerät des Beklagten einen Tag vor Ablauf der Berufungsfrist versandt worden ist, führt zu keinem anderen Ergebnis. Auch dann ist anhand der Berufungsschrift nicht hinreichend sicher belegt, dass es sich nicht um einen Entwurf gehandelt hat, der versehentlich versandt worden ist. Hierfür könnte im Übrigen sprechen, dass das eigenhändig unterschriebene Original der Berufungsschrift erst 12 Tage später bei dem LSG eingegangen ist.
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Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 67 SGG, die auch in Betracht kommt, wenn eine fristgebundene Prozesshandlung zwar rechtzeitig, jedoch wegen fehlender Unterschrift unwirksam ist (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 151 SGG Rn. 5b, § 67 SGG Rn. 2a jeweils m.w.N.), hat der Beklagte nicht dargetan und sind auch sonst nicht ersichtlich.
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Die Revision war nicht zuzulassen, da ein Revisionsgrund im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG nicht vorlag.
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Referenzen
- SGG § 66 1x
- SGG § 67 2x
- 13 RJ 85/97 2x (nicht zugeordnet)
- 14 BEg 9/96 1x (nicht zugeordnet)
- 5 RJ 10/01 1x (nicht zugeordnet)
- SGG § 158 1x
- 4 RJ 120/77 1x (nicht zugeordnet)
- SGG § 64 2x
- SGG § 151 7x
- 13 RJ 5/01 1x (nicht zugeordnet)
- SGG § 193 1x
- VI ZB 9/04 1x (nicht zugeordnet)
- SGG § 160 1x