Beschluss vom Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern (8. Senat) - L 8 AS 501/16 B
Tenor
Die Beschwerde des Klägers den Beschluss des Sozialgerichts Neubrandenburg vom 22. Juni 2016 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
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Der Kläger wehrt sich gegen eine Auferlegung von Kosten nach § 192 Abs. 1 SGG.
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Mit der am 8. August 2014 zum Sozialgericht Neubrandenburg erhobenen Klage begehrte der Kläger zunächst höhere Leistungen nach dem SGB II für die Monate Februar und März 2014. Der Klage vorausgegangen war ein Widerspruchsverfahren (W 439/14) gegen den Bescheid vom 11. März 2014, welches durch eine Abhilfe der Beklagten mit Bescheid 11. Juli 2014 endete. Die hierin zunächst getroffene Kostenentscheidung wurde mit Bescheid vom 1. September 2014 dahin abgeändert, dass die Kosten des Widerspruchsverfahrens von dem Beklagten erstattet werden.
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Zur Begründung der Klage hat die Prozessbevollmächtigte des Klägers zunächst unzutreffend vorgetragen, dass der Kläger mit Gas heize und seine Gasheizung über eine mit Strom betriebene Umwälzpumpe verfüge. Deren Kosten seien vom Beklagten zu erstatten. Auf den Hinweis des Beklagten, dass der Kläger nach den bisherigen Erkenntnissen mit Brikett heize und eine Schwerkraftheizung ohne elektrische Umwälzpumpe besitze, erfolgte zunächst keine Stellungnahme der Klägerseite. Erst auf eine Betreibensaufforderung des Gerichts wurde ohne Stellungnahme zu den Heizkosten am 4. August 2015 mitgeteilt, dass sich der Kläger nunmehr gegen die Kostenentscheidung des Beklagten im Widerspruchsverfahren wende. Auf den Hinweis des Sozialgerichts, dass die Kostenübernahme bereits mit Bescheid des Beklagten vom 1. September 2014 erfolgt sei, hat die Klägerseite nicht reagiert.
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Mit Schreiben vom 9. Februar 2016 hat das Sozialgericht die Beteiligten zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört. Gleichzeitig wurde dem Kläger die Auferlegung von 150,00 € Verschuldenskosten in Aussicht gestellt. Die Missbräuchlichkeit seiner Rechtsverfolgung ergebe sich daraus, dass das Klageverfahren in betrügerischer Weise ohne einen Klagegrund betrieben werde. Eine Reaktion des Klägers hierauf erfolgte nicht.
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Mit Gerichtsbescheid vom 1. April 2016 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und dem Kläger 150,00 € Verschuldenskosten auferlegt. Gegen diesen Gerichtsbescheid hat der Kläger ohne weitere inhaltliche Begründung die mündliche Verhandlung beantragt. Nach Ladung zur mündlichen Verhandlung für den 21. Juni 2016 hat der Kläger die Klage am 20. Juni 2016 zurückgenommen.
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Darauf hin hat das Sozialgericht dem Kläger mit Beschluss vom 22. Juni 2016 erneut auferlegt, 150,00 € Verschuldenskosten an die Staatskasse zu zahlen.
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Gemäß § 192 Abs. 1 SGG könne das Gericht, wenn das Verfahren anders als durch Urteil beendet wurde, durch Beschluss einem Beteiligten die Kosten auferlegen, die dadurch verursacht wurden, dass der Beteiligte den Rechtsstreit fortgeführt hat, obwohl ihm vom Vorsitzenden die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung dargelegt worden und er auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreites hingewiesen worden sei. Eine solche Entscheidung sei auch im Fall der Klagerücknahme möglich (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. § 192 Rn. 19).
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Trotz der Klagerücknahme sehe es das Gericht vorliegend aufgrund der sinnlosen Verschwendung von Steuergeldern durch den Kläger bzw. durch die von ihm beauftragte Prozessbevollmächtigte, deren Prozessverhalten sich der Kläger zurechnen lassen müsse, als gerechtfertigt an, dem Kläger die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Die Klage sei zunächst unter Behauptung falscher Tatsachen (Gasheizung mit strombetriebener Umwälzpumpe) erhoben und anschließend ohne Beschwer (Kosten des Widerspruchsverfahrens) fortgeführt worden. Darüber hinaus habe der Kläger das Verfahren auch nach Erlass des Gerichtsbescheides noch ohne eine Stellungnahme in der Sache weiter betrieben und die Rücknahme der Klage erst kurz vor der mündlichen Verhandlung erklärt, weshalb das Gericht den Termin auch nicht mehr für andere Verfahren habe nutzen können. In einem solchen Fall sei es gemäß § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGG möglich, dem Kläger die verursachten Kosten aufzuerlegen. Als verursachter Kostenbetrag gelte dabei gemäß § 192 Abs. 1 S. 3 SGG i.V.m. § 184 Abs. 2 SGG jedenfalls ein Betrag von 150,00 €.
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Der Kläger hat gegen die am 27. Juni 2016 zugestellte Entscheidung am 22. Juli 2016 Beschwerde erhoben. Die Beschwerde sei statthaft, da die vom Sozialgericht getroffene Kostenentscheidung nach § 192 Abs. 1 SGG nicht unter den Ausschlusstatbestand des § 172 Abs. 3 SGG falle. Die Beschwerde sei auch begründet, da es für den Beschluss an einer Rechtsgrundlage fehle. Das Gericht könne nach § 192 Abs. 1 SGG entweder durch Urteil (gleichstehend Gerichtsbescheid) oder bei anderer Beendigung des Verfahrens durch Beschluss entscheiden. Es sei jedoch nicht möglich, sowohl in der instanzbeendenden Entscheidung als auch in einem gesonderten Beschluss Verschuldenskosten zu verhängen. Dies folge auch daraus, dass gemäß § 192 Abs. 3 SGG die Kostenentscheidung im Urteil auch im Falle der nachträglichen Klagerücknahme bestehen bleibe. Mit der Entscheidung, durch Gerichtsbescheid zu entscheiden, habe das Gericht die Möglichkeit der Verhängung von Mutwillenskosten „verbraucht“, und zwar auch für den Fall, dass ein Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt und damit der Gerichtsbescheid einschließlich der enthaltenen Kostenentscheidung hinfällig wird. Es liege ein Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 GG vor, da das Sozialgericht die gesetzgeberische Grundentscheidung nicht respektiert habe. Die Entscheidung des Sozialgerichts verstoße auch gegen das Willkürverbot des Art. 3 Abs. 1 GG
II.
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Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.
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Zu Recht und mit zutreffender Begründung, welche sich der Senat ausdrücklich zu Eigen macht, hat das Sozialgericht dem Kläger die Mutwillenskosten in der gesetzlichen Mindesthöhe von 150,00 € auferlegt.
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Insbesondere fehlt der Entscheidung des Sozialgerichts nicht die notwendige Rechtsgrundlage, da § 192 Abs. 1 SGG die Verhängung durch Beschluss ausdrücklich für den Fall vorsieht, dass das Verfahren anders als durch Urteil beendet wird. Die Rechtsansicht der Klägervertreterin, dass der vorhergehende Gerichtsbescheid auch im Falle einer Fortsetzung des Verfahrens eine Entscheidung durch Beschluss hindere, erscheint ungeachtet der über mehrere Seiten ausgebreiteten Begründung bemerkenswert fernliegend. Wie die Prozessbevollmächtigte des Klägers richtig erkannt hat, gilt ein Gerichtsbescheid (einschließlich der enthaltenen Kostenentscheidung) nach § 105 Abs. 3 SGG als nicht ergangen, sofern ein Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt wird. Er verliert damit jegliche Wirkungen und schließt insbesondere auch nicht mehr das Verfahren gleich einem Urteil ab. Da die Erledigung des Rechtsstreits mithin erst durch die Klagerücknahme eingetreten ist, lagen die Voraussetzungen für eine Entscheidung durch Beschluss gemäß § 192 Abs. 1 SGG vor.
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Dass eine mutwillige Rechtsverfolgung vorliegt, wenn ohne eine tatsächliche Beschwer mit unwahren Behauptungen ein Rechtsstreit geführt wird, liegt auf der Hand und ist vom Kläger auch nicht in Zweifel gezogen worden.
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