Beschluss vom Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern (2. Senat) - L 2 AL 37/19 B ER

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Rostock vom 26. September 2019 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird auf 5.000,- € festgesetzt.

Gründe

I.

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Die Antragstellerin wendet sich im einstweiligen Rechtschutzverfahren gegen die Versagung der Verlängerung ihrer bis zum 25.07.2019 gültigen Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung.

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Die Antragstellerin ist im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung tätig. Sie beschäftigt in diesem Bereich durchschnittlich etwa 186 Arbeitnehmer. Dabei handelt es sich ausschließlich um Studenten, die auf geringfügiger Basis geführt werden. Der Einsatz erfolgt insbesondere in den Bereichen Housekeeping, Gepäckverladung und- verbringung, Bürohilfstätigkeiten, Aushilfsarbeiten in der Gastronomie und Eventbetreuung.

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Anfang 2016 beantragte die Antragstellerin erstmalig die Erteilung einer Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung. Im Rahmen der Prüfung durch die Antragsgegnerin wurden bereits zu diesem Zeitpunkt folgende Punkte beanstandet: Nichtbeachtung des Gleichstellungsgrundsatzes, Fehlen der Regelungen zum Garantielohnanspruch, Fehlen eindeutiger Arbeitszeitvereinbarungen. Die Antragstellerin ergänzte die eingereichten Musterverträge um die fehlenden Regelungen, so dass die Antragsgegnerin ihr mit Bescheid vom 21. Juli 2016 die Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung vom 26. Juli 2016 bis zum 25. Juli 2017 erteilte.

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Die Antragsgegnerin wies die Antragstellerin ausdrücklich darauf hin, dass diese bei einer Überlassung den Gleichstellungsgrundsatz des § 3 Abs. 1 Nr. 3 AÜG erfüllen müsse. Dies bedeute, dass sie die verbindlich eingereichten Leih- und Arbeitnehmerüberlassungsvertragsmuster auch tatsächlich in dieser Form nutzen müsse, sich vom Entleiher vor Beginn der Überlassung Auskünfte zu allen wesentlichen Arbeitsbedingungen für einen vergleichbaren Arbeitnehmer seines Betriebes geben lassen müsse, diese Arbeitsbedingungen den Leiharbeitnehmern mindestens gewähren und Nachweis darüber führen müsse.

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Im April 2017 beantragte die Antragstellerin eine Verlängerung der Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung bei der Antragsgegnerin. Sie reichte aktuelle Vertragsmuster ein. Die Antragsgegnerin verlängerte mit Bescheid vom 18. Juli 2017 danach die bestehende Erlaubnis bis zum 25. Juli 2018.

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Im April 2018 beantragte die Antragstellerin wiederum die Verlängerung der bestehenden Arbeitserlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung. Am 20. Juni 2018 erfolgte durch die Mitarbeiter der Antragsgegnerin erstmals eine Stichprobenprüfung bei der Antragstellerin. Mit Anhörungsschreiben vom 04. Juli 2018 beanstandete die Antragsgegnerin u.a., dass mit den Arbeitnehmern grundsätzlich eine in der Arbeitnehmerüberlassung unzulässige projektbezogene Befristung gemäß § 14 Abs. 1 TzBfG vereinbart worden sei. Zudem sei in mehreren Fällen gegen die Entgeltfortzahlung bei Nichtbeschäftigung, den sogenannten Garantielohnanspruch, verstoßen worden, da nur die erarbeiteten Stunden vergütet worden und nicht die vertraglich zugesicherten Mindeststunden ausgezahlt worden seien. In einer Vielzahl von Personalfällen sei zu beanstanden gewesen, dass bei den vereinbarten Leiharbeitnehmern die jeweils vertraglich vereinbarten monatlichen Arbeitszeitvolumina teilweise erheblich von den tatsächlich geleisteten Stunden abgewichen seien.

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Hierzu nahm die nunmehr anwaltlich vertretene Antragstellerin wie folgt Stellung:

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Sie räume Versäumnisse in der Vertragsgestaltung ein und sei um die Umgestaltung der Verträge bemüht. Sie habe den Willen, sich zukünftig rechtskonform zu verhalten. Es sei eine komplette Umgestaltung der Arbeitsverträge erfolgt. Alle in der Anhörung geltend gemachten Beanstandungen seien ausgeräumt worden. Da es sich bei sämtlichen Mitarbeitern um Studenten handele, die hauptberuflich ihrem Studium nachgehen würden, sei der Wunsch nach Befristung im Sinne von § 14 Abs. 2 TzBfG anzunehmen. Um dies jedoch zu verdeutlichen, werde die Antragstellerin zukünftig mit einer Anlage zum Arbeitsvertrag arbeiten, die die Mitarbeiter zu genau dieser Tatsache ausdrücklich befragen und Mitarbeiter handschriftlich Auskunft über die Beweggründe der gewünschten Befristung geben lasse. Die beanstandete Nichtzahlung einzelner Tage ergebe sich daraus, dass die Antragstellerin ihren Mitarbeitern z.T. Einsätze angeboten habe, diese dann aber aus zeitlichen Gründen nicht angenommen hätten. Lehne ein Mitarbeiter einen Einsatz ab, so sei der Arbeitgeber auch in der Zeitarbeit nicht verpflichtet, daraus resultierende Zeiten des Nichteinsatzes zu vergüten. Darin sei kein Garantielohnverstoß zu sehen. Aus Kulanzgründen sei nunmehr eine Nachzahlung erfolgt. Dem Schreiben war ein Musterarbeitsvertrag der beratenden Kanzlei beigefügt.

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Mit Bescheid vom 18. Juli 2018 verlängerte die Antragsgegnerin daraufhin die Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung bis zum 25. Juli 2019.

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In der Folgezeit änderte die Antragstellerin die Arbeitsvertragsgestaltung und schloss mit den Studenten jeweils formularmäßige befristete Rahmenvereinbarungen, in denen sie sich verpflichtete, den Mitarbeiter in eine Liste der Interessenten für Arbeitseinsätze im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung aufzunehmen. Laut Rahmenvereinbarung war die Antragstellerin nicht verpflichtet, Beschäftigungsangebote zu machen, die Arbeitnehmer nicht verpflichtet, Beschäftigungsangebote anzunehmen. Die Rahmenvereinbarung endete vor dem vereinbarten Ablaufdatum, sobald die Grenze von 70 Arbeitstagen erreicht bzw. wenn an mindestens fünf Tagen pro Woche gearbeitet wurde. Die Rahmenvereinbarung sah vor, dass wunschgemäß ein befristetes Arbeitsverhältnis gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 6 TzBfG zu Stande kommt, soweit tatsächlich Arbeitseinsätze geleistet werden.

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Weiter war festgehalten, dass der Mitarbeiter der Antragstellerin vor Beginn des Arbeitsverhältnisses mitgeteilt habe, dass er keine Anstellung im Rahmen eines unbefristeten Vertrages mit regelmäßigen, fest definierten Arbeitszeiten und Arbeitsumfang wünsche. In einem ebenfalls formularmäßigen „Fragebogen zur gewünschten Beschäftigung“ erklärten die Studenten jeweils, für welche Arbeitstätigkeiten, zu welchen Zeiten und in welchem Umfang sie einen Arbeitseinsatz wünschen. Weiter sieht der Fragebogen die Option zwischen einem „ununterbrochenen, unbefristeten“ Einsatz und einem befristeten Arbeitsvertrag vor, wobei die Studenten regelmäßig den befristeten Arbeitsvertrag wählten und in diesem Zusammenhang formularmäßig vorformuliert erklärten, sich offenhalten zu wollen, den Vertrag z.B. aus bestimmten studienbedingten Gründen (Prüfungszeiten, Pflichtpraktika, Auslandsaufenthalte) auszusetzen. Zur Dauer der Beschäftigung gaben die Studenten jeweils einen mehrmonatigen Zeitraum (z.B. 01.03.2019 bis 31.12.2019) an. Für die einzelnen Arbeitseinsätze wurden gesonderte Arbeitsverträge mit den Studenten geschlossen, die jeweils auf einen Tag befristet waren.

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Im April 2019 beantragte die Antragstellerin erneut die Verlängerung der Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung. Sie reichte dafür den oben genannten Mustervertrag „Rahmenvereinbarung für kurzfristige Beschäftigte“ ein und führte im Rahmen des Antragsverfahrens aus, sie habe sich auf den Verleih studentischer Kräfte spezialisiert und arbeite ausschließlich mit Mitarbeitern auf Minijob-Basis oder in sehr geringer Teilzeit Beschäftigung zusammen. Eine Abweichung der Verpflichtung zum Vorhalt liquider Mittel sei daher sinnvoll (nur 2000,00 € pro Leiharbeitnehmer).

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Weiter wies sie darauf hin, dass die prägende Eigenschaft in der Arbeit mit Studierenden sei, dass diese völlig frei entscheiden wollten, wann und wie viel sie arbeiten wollen und dann auch nur entsprechend ihren Bedürfnissen arbeiten würden. Ein Einwirken auf diese Mitarbeiter, mehr oder häufiger zu arbeiten, fruchte nicht oder nur sehr selten. Sie selbst habe ein eigenes großes Interesse daran, wenn Mitarbeiter mehr arbeiten würden. Dies sei aber schlichtweg nicht zu erreichen. Aus diesem Grunde arbeite sie mit Rahmenvereinbarungen, die den Studierenden die von diesen selbst gewünschte größtmögliche Flexibilität biete. Dies basiere ausschließlich auf dem Wunsch der Mitarbeiter. Dies lasse sie sich nunmehr auch bestätigen. Jeder Mitarbeiter gebe bei seiner Anstellung an, dass ihm ein unbefristeter Vertrag angeboten worden sei, er diesen aber nicht annehme.

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Am 19. Juni 2019 erfolgte erneut eine Stichprobenprüfung durch die Antragsgegnerin. Mit Schreiben vom 25. Juni 2019 hörte die Antragsgegnerin die Antragstellerin zur beabsichtigten Versagung der Verlängerung der Erlaubnis an. Die Prüfung habe Mängel ergeben, die auf die Unzuverlässigkeit als Verleiher hinweisen würden. Die Antragstellerin habe ihre Mitarbeiter aufgrund einer Rahmenvereinbarung in Verbindung mit einzelnen Arbeitsverträgen mehrfach befristet für einen Tag beschäftigt. Durch diese Befristungen würde die Antragstellerin das ihr als Verleiher obliegende Beschäftigungsrisiko unzulässig auf die Leiharbeitnehmer übertragen. Der Verleiher sei in Zeiten tatsächlicher Nichtbeschäftigung verpflichtet, die vereinbarte Vergütung einschließlich aller Nebenleistungen mit Entgeltcharakter entsprechend der vereinbarten Zeit weiter zu zahlen (sog. Garantielohn). Dieser gesetzliche Anspruch könne nicht durch Vertrag aufgehoben oder beschränkt werden. Genau dies erreiche die Antragstellerin jedoch mit der durch sie praktizierten Befristungspraxis. Die Befristungsmöglichkeit nach § 14 Abs. 1 Nr. 6 TzBfG sei stark beschränkt. Die Befristung von Arbeitsverträgen mit Studenten sei sachlich gerechtfertigt, wenn der Student dadurch die Möglichkeit erhalte, die Erfordernisse des Studiums mit denen des Arbeitsverhältnisses in Einklang zu bringen. Werde dem Interesse des Studenten, auf immer wieder wechselnde Anforderungen des Studiums zu reagieren und diese mit seiner Beschäftigung vereinbaren zu können, bereits durch eine entsprechend flexible Ausgestaltung des Arbeitsvertrages Rechnung getragen, könne die Befristung nicht mit der Anpassung der Erwerbstätigkeit an die Erfordernisse des Studiums und damit mit § 14 Abs. 1 Nr. 6 TzBfG begründet werden. In den geprüften Fällen sei deutlich geworden, dass die Arbeitnehmer anhand von Fragebögen arbeitszeitliche Präferenzen sowie den gewünschten Befristungszeitraum hätten angeben können. Keinem der geprüften Fragebögen sei ein Wunsch nach einer Tagesbefristung entnommen worden. Eine Umgehung des Garantielohnprinzips wiege schwer.

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Zudem habe die Antragstellerin die Mitarbeiter auf Basis einer kurzfristigen Beschäftigung nach § 8 Abs.1 Nr. 2 SGB IV beschäftigt. Entsprechend der tatsächlichen Beschäftigungspraxis sei dies jedoch nicht möglich. Werde ein Arbeitnehmer absehbar immer für kurze Arbeitseinsätze gebraucht werde, könne nicht von einer kurzfristigen Beschäftigung ausgegangen werden. Die Gesamtdauer, auch wenn 70 Tage im Jahr nicht überschritten werden, sei dabei irrelevant.

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Hierzu nahm die Antragstellerin wie folgt Stellung: Es sei offenkundig geworden, dass die Prüfer bei der Prüfung bedauerlicherweise jegliche Neutralität hätten vermissen lassen. Die Antragstellerin sei das gesamte letzte Jahr stark bestrebt gewesen, die Praxis ihrer Zeitarbeit zu verbessern, Mitarbeitern individuelle Lösungen anzubieten, die von diesen gewollt seien, und alle Voraussetzungen des AÜG gewissenhaft zu erfüllen. Eine Gefährdung der Interessen der Zeitarbeitnehmer habe zu keinem Zeitpunkt vorgelegen. Alle Mitarbeiter hätten jederzeit Arbeit zugewiesen bekommen und die ihnen zustehenden Löhne erhalten. Die Abwälzung des unternehmerischen Risikos habe nicht stattgefunden. Man habe ein Arbeitsmodell entwickelt, welches die Vereinbarkeit der großen Nachfrage nach Fach- und Hilfskräften mit den Möglichkeiten und zeitlichen Verfügbarkeiten von studentischen Mitarbeitern ermögliche. Bei den (ausnahmslos beschäftigten) Studenten sei es notwendig, dass durch das Jobben ein erfolgreicher Abschluss des Studiums nicht beeinträchtigt sein dürfe. Man übertrage das Direktionsrecht des Arbeitgebers hinsichtlich Wahl des Arbeitsinhaltes, Arbeitsortes und Arbeitszeit in der Art und Weise komplett auf den Mitarbeiter, dass dieser jeweils die ihm passenden und gewünschten Arbeitszeiten, -umfänge und –arten auswählen könne. Der Mitarbeiter könne sich jede Arbeitsschicht komplett selbst auswählen. Den studentischen Mitarbeitern werde generell ein Mindestauszahlungsbetrag pro Stunde angeboten, welcher generell nie unterschritten werde. Zusätzlich sei man bestrebt, die erreichbaren Vergütungen für die studentischen Mitarbeiter zu maximieren. Es gebe eine vollständige Transparenz hinsichtlich Stundenentlohnung und Gesamtertrag pro Arbeitseinsatz. Die Belegung richte sich ausschließlich nach dem Wunsch der Arbeitnehmer. Da die Nachfrage sehr hoch sei, seien einige Schichten nicht besetzt gewesen. Unrichtig sei die Auffassung, dass Rahmenvereinbarungen die Regelungen des AÜG aushebeln würden. Seit dem 1. Januar 2004 würden hier allein die Regelungen des allgemeinen Arbeitsrechts gelten. Die Besonderheit der Arbeitnehmerüberlassung im Verhältnis zu „Normalarbeitsverhältnissen“ liege heute nur noch in dem Verbot, die Annahmeverzugsregelung des § 615 BGB auszuschließen. Erst dann, wenn in einem bestehenden Arbeitsverhältnis Löhne oder Gehälter nicht oder nur teilweise gezahlt werden würden oder dem Arbeitnehmer seine zugesagte Arbeitszeit nicht angeboten bzw. bezahlt werde, liege ein Fall des Annahmeverzuges vor. Nur dann regele § 615 BGB, dass der Arbeitnehmer seine Vergütung trotz Nichtleistung behalte. Sie habe mit der Befristungsrechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes, um die es hier gehe, jedoch nicht im Ansatz etwas zu tun. Zudem gelte hier zunächst die Vermutungsregelung des § 17 TzBfG, wonach eine Befristung schon aus Rechtsgründen schwebend wirksam sei, aus der nur durch Erhebung einer Entfristungsklage eine im Rechtssinne unwirksame Befristung werden könne. Diesen Grundsatz, der durch entsprechenden Verweis wortgleich in § 7 KSchG stehe, wende die Antragsgegnerin im Falle von Kündigungen auch stets an. Auch die Auffassung, hinsichtlich der gewählten Form der kurzfristigen Beschäftigung läge ein Gestaltungsmissbrauch vor, werde nicht geteilt. Insbesondere habe die Auffassung, es müsse zwischen zwei Einsätzen eine Unterbrechung von 2 Monaten vorliegen, weder im Gesetz, noch in der Rechtsprechung oder in den Geringfügigkeits-Richtlinien 2019 eine Stütze. Mit der Zweimonatsfrist sei allein die Frist gemeint, die zwischen zwei Rahmenvereinbarungen mit jeweils 70 Einsatztagen liegen müsse. Auch das Merkmal der Unzuverlässigkeit sei nicht erfüllt. In der Literatur werde der Begriff der „Zuverlässigkeit“ in Anlehnung an § 35 Abs. 1 GewO definiert. Danach sei derjenige „unzuverlässig“, der keine Gewähr dafür biete, dass er sein Gewerbe in Zukunft ordnungsgemäß ausüben werde. Ereignisse aus der Vergangenheit dürften für die Prüfung der Zuverlässigkeit nur insoweit herangezogen werden, als sie für die zukünftige Gewerbeausübung Bedeutung besitzen würde. Die der Antragstellerin ohnehin zu Unrecht vorgeworfenen sozialrechtlichen Missstände ließen sich nicht den Regelbeispielen des § 3 Nr. 1 AÜG zuordnen. Die Urteile zur Frage der Zuverlässigkeit würden sich immer nur auf Pflichtverletzungen beziehen, die in nahezu krimineller und vor allem wiederholter Weise zu einer konkreten Gefährdung von Arbeitnehmerinteressen führen würden. Solches liege hier nicht vor. Es liege der uneingeschränkte Wille vor, die Regelungen des AÜG rechtskonform zu erfüllen und zukünftig beanstandungsfrei zu arbeiten.

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Die Antragstellerin fügte die von mehreren Arbeitnehmern ausgefüllten Fragebögen bei, wobei jeweils angegeben wurde, dass man sich offenhalten wolle, in bestimmten Zeiträumen den Vertrag aussetzen zu können (Pflichtpraktika u.ä.). Der gewünschte Zeitraum der Beschäftigung wurde jeweils mit mehreren Monaten angegeben. Der beigefügten Übersicht über die geleisteten Arbeitsstunden dieser Arbeitnehmer war zu entnehmen, dass diese jeden Monat tätig waren, wobei es Monate gab, in denen die vereinbarte Anzahl der Arbeitsstunden nicht erreicht wurde, allerdings auch Monate, in denen diese bei Weitem überschritten wurde.

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Mit Bescheid vom 22. Juli 2019 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag auf Verlängerung einer Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung ab. Die Erlaubnis könne nicht erteilt werden, da Mängel festgestellt worden seien, welche auf Unzuverlässigkeit als Verleiher hinweisen würden. Die stattgefundenen Befristungen würden unzulässig das der Antragstellerin als Verleiher obliegende Beschäftigungsrisiko auf die Leiharbeitnehmer übertragen. In den geprüften Fällen sei deutlich geworden, dass die Arbeitnehmer anhand von Fragebögen arbeitszeitliche Präferenzen sowie den gewünschten Befristungszeitraum hätten angeben können. In keinem der geprüften Fälle habe diesen Fragebögen der Wille der Arbeitnehmer nach lediglich Ein-Tages-Befristungen entnommen werden können. Es seien im Gegenteil längere Befristungszeiträume mit 30 – 40 Stunden monatlich angegeben worden. Eine Umgehung und damit ein Verstoß gegen die Verpflichtung aus § 11 Abs. 4 Satz 2 AÜG, wie hier angenommen, wiege schwer. Zudem liege ein Verstoß gegen die Regelungen über kurzfristige Beschäftigungen vor. Soweit darauf hingewiesen werde, dass das Direktionsrecht des Arbeitgebers hinsichtlich Wahl des Arbeitsinhaltes, Arbeitsorts und Arbeitszeit komplett auf den Arbeitnehmer übertragen werde, so entspreche dies nicht dem Gedanken im Sinne des BGB. Hier sei nicht klar, ob den Mitarbeitern der Arbeitnehmerstatus gänzlich abgesprochen werden solle. Tatsächlich sei richtig, dass die Sozialgerichte die Benachteiligung von Lohnarbeitnehmern als ausschließliches Versagungskriterium sehen könnten. Jedoch sei hier das Schlagwort „können“, so dass damit deutlich gemacht werde, dass es sich hierbei nicht um ein ausschließliches Kriterium angesehen werde. Bei den im § 3 Abs. 1 AÜG aufgezählten Regelbeispielen handele es sich nicht um eine abschließende Aufzählung. Zweck der Vorschrift sei es, im Interesse der Sicherheit des sozialen Schutzes der Leiharbeitnehmer unzuverlässige Verleiher aus dem Bereich der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung auszuschließen. Daher sei der Antragsteller als unzuverlässig anzusehen, wenn in seiner Person Tatsachen vorliegen würden, denen zufolge zu besorgen sei, dass er sein Gewerbe nicht im Einklang mit den bestehenden rechtlichen Vorschriften ausüben werde. Dabei handele es sich um eine Prognose. Im Rahmen dieser Prognose sei zu beachten, dass die Erlaubnisbehörde das Vorliegen des Versagungsgrundes nicht zu beweisen habe, sondern nur die Tatsachen, die diese Annahme rechtfertigen würden. Hier werde durch die Beschränkung der vertraglichen Arbeitszeit auf die Einsatzzeit der Leiharbeit die Nichteinsatzzeit zwischen zwei Überlassungen ausgeschlossen und das Betriebsrisiko auf den Leiharbeitnehmer übertragen. Eine solche Vertragsgestaltung, wie von der Antragstellerin praktiziert, könne nur in Ausnahmefällen durchgeführt werden. Dafür genüge der Umstand, dass es sich bei den Arbeitnehmern um Studenten handele, nicht. Vielmehr sei zu prüfen, ob auch ohne die oben angeführte Befristung die Erfordernisse des Studiums und die zu erbringende Arbeitsleistung in Einklang gebracht werden könnten. In der Stellungnahme werde erklärt, dass bereits durch die umfängliche Ausgestaltung der Arbeitsbedingungen, -zeiten und Anforderung eine Sicherstellung des Studienfokus sichergestellt werde. Hier könne also kein Sachgrund für die Befristung anerkannt werden. Im Übrigen sei von der Antragstellerin klar mitgeteilt worden, dass das gesamte Konzept auf eine solche befristete Art der Beschäftigung aufgebaut sei. Entsprechend könne trotz der Ankreuzmöglichkeit im Bogen nicht davon ausgegangen werden, dass eine reguläre unbefristete Beschäftigung tatsächlich ernsthaft angeboten worden sei. Die Arbeitnehmer hätten auch darauf hingewiesen werden müssen, dass die angebotene Beschäftigung Nachteile gegenüber einer regulären Beschäftigung biete. Gerade vor dem Hintergrund, dass gleichgelagerte Verstöße bereits 2018 ausdrücklich beanstandet worden seien, könne im Rahmen des Ermessens keine positive Prognose für die Zukunft über die Zuverlässigkeit gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 AÜG attestiert werden. Die Auflage als milderes Mittel könne nicht als geeignet betrachtet werden, da die Auflage nicht die korrekte und selbstverständliche Anwendung eines Gesetzes, sondern in der Arbeitnehmerüberlassung nur die nachprüfbare Dokumentation von Tun, Dulden oder Unterlassung versagen könne.

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Mit Schreiben vom 25. Juli 2019 legte die Antragstellerin Widerspruch gegen den ergangenen Bescheid ein.

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Zudem hat sie mit Schriftsatz vom 6. September 2019 beim Sozialgericht Rostock einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gestellt. Sie hat auf den bisherigen Vortrag verwiesen. Ergänzend hat sie vorgetragen, die Antragsgegnerin gehe von der Konzeption des AÜG bis zum 31. Dezember 2003 aus. Allerdings seien mit den Hartz-Reformen die entsprechenden Regelungen abgeschafft. Stattdessen solle das allgemeine Arbeitsrecht gelten. Die Besonderheit der Arbeitnehmerüberlassung im Verhältnis zu „Normalarbeitsverhältnissen“ liege heute nur noch in dem Verbot, die Annahmeverzugsregelung des § 615 BGB auszuschließen. Erst dann, wenn in einem bestehenden Arbeitsverhältnis Löhne und Gehälter nicht oder nur teilweise gezahlt würden oder dem Arbeitnehmer seine zugesagte Arbeitszeit nicht angeboten bzw. bezahlt werde, liege ein Fall des Annahmeverzuges vor. Nur dann regele § 615 BGB, dass der Arbeitnehmer seine Vergütung trotz Nichtleistung behalte. Diese Regelung könne in der Arbeitnehmerüberlassung nicht ausgeschlossen werden. Sie habe jedoch mit der Befristungsregelung nichts zu tun. Das Berufen auf die Besonderheiten der Arbeitnehmerüberlassung bei Anwendung des Befristungsrechts sei demnach ein offensichtlicher Rechtsfehler. Hier gelte zunächst die Vermutungsregelung des § 17 TzBfG, wonach eine Befristung schon aus Rechtsgründen schwebend wirksam sei, aus der nur durch Erhebung einer Entfristungsklage eine im Rechtssinne unwirksame Befristung werden könne. Grundlage des einstweiligen Verfahrens sei eine Abwägung widerstreitender Interessen. Die nicht genaue Benennung der einzelnen vermeintlich benachteiligten Mitarbeiter durch die Antragsgegnerin mache die summarische Prüfung und damit eine Abwägung der widerstreitenden Interessen unmöglich. Eine entsprechende Fehldokumentation seitens der Antragsgegnerin dürfe sich also nicht zu Lasten der Antragstellerin auswirken. Im Übrigen sei es hier zu gar keiner Benachteiligung der Mitarbeiter gekommen. Die Abwägung könne aufgrund der für die Antragstellerin zu erwartenden schweren Folgen nur zu Gunsten der Antragstellerin ausfallen. Hier sei zu Gunsten der Antragstellerin schon besonders zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin einen sehr großen Anteil ihrer Einnahmen aus der Arbeitnehmerüberlassung erziele und die Erlaubnis daher für sie eine herausragende wirtschaftliche Bedeutung habe. Ohne die Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung sei die Antragstellerin daher insgesamt wirtschaftlich ruiniert. Zusätzlich habe die Antragstellerin auch an ihrer eigenen Betriebspraxis bezüglich der Zeitarbeit und sozialrechtlichen Ausgestaltungen gearbeitet. Sie werde zukünftig stärker verstetigen und Mitarbeitern dann auch ein befristetes Dauerarbeitsverhältnis für den vom Mitarbeiter gewünschten Befristungszeitraum anbieten und in solchen Fällen ausdrücklich nicht mehr mit Rahmenverträgen oder Tagesbefristungen arbeiten. Hierzu werde die Antragstellerin weiterhin auf Grundlage einer handschriftlichen Abfrage bei ihren Mitarbeitern in Erfahrung bringen, wie die Mitarbeiter selbst arbeiten wollen. Es werde also in der Hand der Mitarbeiter liegen, welches Vertragsmodell gewünscht werde. Auch in der Vergangenheit sei die Antragstellerin davon ausgegangen, die Wünsche ihrer Mitarbeiter stets vollumfänglich zu erfüllen und habe für ihr mitarbeiterorientiertes Engagement auch stets positive Rückmeldungen der Mitarbeiter erhalten.

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Die Antragsgegnerin hat sich zur Begründung ihres Ablehnungsantrages auf den erlassenen Bescheid bezogen. Die Antragstellerin habe das gemäß § 11 Abs. 4 Satz 2 AÜG allein von ihr zu tragende Betriebsrisiko auf ihre Leiharbeitnehmer übertragen, indem sie die Leiharbeitnehmer aufgrund einer Rahmenvereinbarung mehrfach befristet für einen Tag im Sinne des § 14 Abs. 1 Nr. 6 TzBfG beschäftigt habe, ohne die Befristung auch tatsächlich durchzuführen. Mit der gewählten Vertragsgestaltung werde das Garantielohnprinzip nach § 11 Abs. 4 Satz 2 AÜG und damit eine Kernregelung der Arbeitnehmerüberlassung verletzt. Die Grundsätze der Arbeitnehmerüberlassung könnten nicht arbeitsvertraglich ausgeschlossen werden. Die Leiharbeitnehmer würden immer wieder, und zwar ohne größere zeitliche Abstände für jeweils einen Tag beschäftigt werden.

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Mit Beschluss vom 26. September 2019 hat das Sozialgericht Rostock den Antrag abgelehnt. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung komme nicht in Betracht, weil der angefochtene Bescheid vom 23.07.2019 rechtmäßig sei, sodass Widerspruch und gegebenenfalls eine Klage in der Hauptsache voraussichtlich keine Aussicht auf Erfolg haben würden. Die Antragsgegnerin habe eine Verlängerung der Erlaubnis über den 25. Juli 2019 hinaus zu Recht abgelehnt. Nach 3 Abs. 1 Nr. 1 AÜG sei eine Verlängerung der Erlaubnis für die Arbeitnehmerüberlassung zu versagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die Antragstellerin die für die Arbeitnehmerüberlassung erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitze. Die Antragsgegnerin habe vorliegend zutreffend angenommen, dass die Antragstellerin gegen arbeitsrechtliche Bestimmungen und gegen das AÜG verstoße. Die von der Antragstellerin anhaltend praktizierte Vertragsgestaltung, wonach mit Arbeitnehmern Rahmenvereinbarungen getroffen werden, auf deren Grundlage dann für einzelne Arbeitseinsätze Einzelvereinbarungen geschlossen werden, verstoße gegen Grundsätze der Arbeitnehmerüberlassung und die Rechte der Leiharbeitnehmer, die dadurch in eine rechtlich unsichere Situation geraten würden. Die Antragsgegnerin gehe zu Recht davon aus, dass diese Praxis gegen die Vorschrift des § 11 Abs. 4 S. 2 AÜG und das Garantielohnprinzip verstoße. Das sog. Garantielohnprinzip gewährleiste, dass der Verleiher auch für Nichteinsatzzeiten ein festgesetztes Mindeststundenentgelt zu zahlen habe. Vorliegend sei die wiederholte Befristung von Einzelarbeitsverträgen nicht mit den Bestimmungen des TzBfG vereinbar. Die Antragstellerin habe vorliegend keine konkreten sachlichen Gründe glaubhaft gemacht, die die von der Antragsgegnerin bei ihrer Prüfung am 19. Juni 2019 festgestellten Befristungen der Einzelarbeitsverträge rechtfertigen könnten. Kein Sachgrund für eine weitere Befristung im Sinne des § 14 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 TzBfG stelle die Beschäftigung für einen bestimmten Entleihauftrag dar, wenn es um das Risiko gehe, ob im Anschluss an diesen Entleihauftrag weitere Entleihungen möglich seien. Das Sozialgericht hat insoweit auf ein Urteil des LSG Hamburg vom 30. Januar 2019, L 2 AL 18/18 verwiesen. Auch die Beschäftigung von Studenten begründe keinen Sachgrund für eine Befristung der Einzelarbeitsverträge auf die Einsatztage im Sinne von § 14 Abs. 2 S. 1 Nr. 6 TzBfG. Die Befristung von Arbeitsverträgen mit Studenten, die neben dem Studium bezahlte Beschäftigungsmöglichkeiten suchen, sei sachlich nur gerechtfertigt, wenn die Befristung erforderlich sei, um die Erwerbstätigkeit den immer wieder wechselnden Erfordernissen ihres Studiums anzupassen. Werde dem Interesse des Studenten, die von ihm zu erbringende Arbeitsleistung mit den wechselnden Erfordernissen des Studiums in Einklang zu bringen, durch eine entsprechende flexible Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses Rechnung getragen, sei eine Befristung sachlich nicht gerechtfertigt (vgl. BAG, Urteil vom 10. August 1994, 7 AZR 695/93, BB 1994, 2494). Vorliegend ergäben sich keine Gesichtspunkte, die für Studenten zwingend eine Befristung der Arbeitsverträge auf die einzelnen Einsatztage gebieten. Nach dem Geschäftsmodell der Antragstellerin hätten die Studenten keine Aussicht auf erhebliche Arbeitseinsätze, die mit einem geregelten Studium unvereinbar gewesen wären. So würden sie nur geringfügig beschäftigt mit Arbeitsverdiensten von höchstens 450 € monatlich, was ausgehend von dem aktuellen Mindestlohn (9,19 € pro Stunde) einem Arbeitseinsatz von höchstens 50 Stunden monatlich (ca. 11 Stunden wöchentlich) entspreche. Darüber hinaus sei der Arbeitseinsatz auf höchstens 70 Arbeitstage im Jahr beschränkt. Die Antragstellerin habe selbst vorgetragen, dass sie den Studenten die Auswahl einer Vielzahl von Arbeitsmöglichkeiten und eine flexible Arbeitszeitgestaltung anbieten könne. Unter den gegebenen Umständen lasse sich die konkrete Befristung der Arbeitsverträge auf die Einsatztage nicht rechtfertigen. Es könne auch nicht angenommen werden, dass die Befristung auf die Einsatztage auf Wunsch der Arbeitnehmer erfolgt sei. Hiervon sei im Regelfall auszugehen, wenn die Initiative zur Befristung des Arbeitsverhältnisses vom Arbeitnehmer ausgegangen sei. Indiz hierfür sei, dass der Arbeitgeber ein unbefristetes Arbeitsverhältnis ernsthaft angeboten habe und der Leiharbeitnehmer nur zum Abschluss eines befristeten Arbeitsverhältnisses bereit gewesen sei. Es könne vorliegend dahingestellt bleiben, ob der vorformulierte Fragebogen überhaupt geeignet sei, um von einer Initiative des Arbeitnehmers für die betreffende Befristung auszugehen. Jedenfalls könne eine solche Initiative nur angenommen werden, wenn der Arbeitnehmer einen konkreten Befristungswunsch äußere, dem der Arbeitgeber (deckungsgleich) Rechnung trage. Diese Voraussetzungen sehe das Gericht aufgrund der Erklärungen im Fragebogen als nicht erfüllt an. So hätten die Studenten in dem Fragebogen regelmäßig auf die Frage zur Dauer der Beschäftigung längere Zeiträume angegeben (z.B. 01. März 2019 bis 31. Dezember 2019). Damit hätten die Studenten ihrerseits konkrete Befristungswünsche für die Dauer der Beschäftigung geäußert, denen die tageweise Befristung der Arbeitsverträge für die Einsatzzeiten nicht gerecht werde. Ein Arbeitsverhältnis, das den Befristungswünschen der Arbeitnehmer und der von ihnen angegebenen Arbeitszeitgestaltung Rechnung getragen habe, werde in den Fragebögen nicht angeboten. Vielmehr würden die Arbeitnehmer formularmäßig allein vor die Wahl gestellt, entweder ununterbrochen und unbefristet eingestellt zu werden (was für Studenten offensichtlich nicht in Betracht komme), oder jeweils aufgrund eines befristeten Einzelvertrages eingesetzt zu werden. Letzteres stelle nach der vorformulierten Erklärung im Fragebogen die einzige Möglichkeit dar, die Anforderungen des Studiums und des Arbeitseinsatzes in Einklang zu bringen. Darüber hinaus würden die Arbeitnehmer nicht darüber belehrt, welche Folgen die tageweise befristeten Arbeitsverträge für sie hätten. Letztendlich suggeriere der Fragebogen den Arbeitnehmern, dass die von ihnen gewählte Arbeitsvertragsgestaltung allein in ihrem Interesse erfolge und verschleiere, dass sie damit allein das Beschäftigungsrisiko übernehmen würden. Nach den Gesamtumständen des Falles könne daher nicht davon ausgegangen werden, dass die jeweils auf den Arbeitseinsatz befristeten Arbeitsverträge dem Wunsch der Studenten entsprochen habe. Soweit die Antragstellerin mit Schreiben vom 16. Juli 2019 angeboten habe, kurzfristig ihre Praxis zu ändern und bei jeder Einzelbefristung ein unbefristetes Beschäftigungsverhältnis anzubieten, ändere dieses nichts an der rechtlichen Bewertung, dass es sich um eine unzulässige Befristung handele. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin komme es nicht darauf an, ob die Arbeitnehmer wegen der Befristungen ihrer Arbeitsverhältnisse gemäß § 17 TzBfG das Arbeitsgericht angerufen und die Unwirksamkeit der Befristungen geltend gemacht hätten. Für die Verlängerung der Erlaubnis komme es allein darauf an, ob der Verleiher arbeits- und sozialrechtliche Vorschriften objektiv einhalte und Grundprinzipien der Arbeitnehmerüberlassung wahre. Das AÜG stelle die Arbeitnehmerüberlassung unter einen Erlaubnisvorbehalt um sicherzustellen, dass der Verleiher den sozialen Schutz der Leiharbeitnehmer gewährleiste und die im AÜG festgelegten Regeln einhalte (Schüren, in Hamann/Schüren, AÜG, § 3, Rn. 2). Der Erlaubnisvorbehalt rechtfertige sich aus den branchenspezifischen Besonderheiten der Arbeitnehmerüberlassung, die insbesondere für die betroffenen Leiharbeitnehmer ein erhöhtes Schutzbedürfnis begründen würden, und zwar unabhängig davon, ob sie individuell bereit und in der Lage seien, die Einhaltung der arbeitsrechtlicher Vorschriften vor einem Arbeitsgericht einzuklagen. Durch die rechtswidrigen Befristungen werde das Verbot nach § 11 Abs. 4 S. 2 AÜG umgangen. Tatsächlich verlagere die Antragstellerin durch ihre rechtswidrige Vertragspraxis in unzulässiger Weise das ihr als Arbeitgeber obliegende Beschäftigungsrisiko allein auf die Leiharbeitnehmer. Bei den genannten Verstößen gegen die arbeitsrechtlichen Befristungsbestimmungen und die Vorschriften des AÜG handele es sich um erhebliche Verstöße, die die Ablehnung der Verlängerung der Erlaubnis rechtfertigen würden. Betroffen seien nicht nur Einzelfälle, sondern im Ergebnis beruhe das gesamte „Geschäftsmodell“ der Klägerin auf der Vertragspraxis, sei wesentlicher Bestandteil des wirtschaftlichen Erfolgs und präge ihre Tätigkeit als Verleiher (vgl. Schüren, a.a.O., § 3 AÜG, Rn. 68). Die Einhaltung der Vorschriften über die Befristung gehöre zu den wesentlichen „Eckpfeilern“ des Bestandsschutzes. Die Vorschriften würden gerade im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung in besonderer Weise dem Arbeitnehmerschutz dienen und damit zu den wichtigsten erlaubnisrelevanten Pflichten zählen (Schüren, a.a.O., § 3, Rn. 75). Unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgebots kämen Auflagen als milderes Mittel nicht in Betracht, weil es sich nicht nur um geringe Verstöße handele, die die Antragstellerin anerkenne, sondern um erhebliche Rechtsverletzungen, die insbesondere mit Blick auf frühere Beanstandungen im Jahr 2018 keine positive Prognose hinsichtlich der Zuverlässigkeit der Antragstellerin zulassen würden. Nach alledem rechtfertige allein der Verstoß gegen das arbeitsrechtliche Befristungsrecht und gegen das AÜG die Ablehnung der Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung, so dass die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nicht in Betracht komme. Auch im Lichte des Art. 12 GG sei keine andere Entscheidung geboten, weil die Berufsausübung nach Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG durch Gesetz geregelt werden könne und der Gesetzgeber die Tätigkeit der Antragstellerin zulässiger Weise unter Erlaubnisvorbehalt gestellt habe. Ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die Antragstellerin darüber hinaus weitere sozialversicherungsrechtliche Vorschriften verletze, indem sie die Beschäftigungsverhältnisse als sozialversicherungsfreie Beschäftigungen im Sinne von § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV behandelt, könne vorliegend offen bleiben, weil allein die oben angeführten Verstöße die Versagung der Erlaubnis rechtfertigen würden.

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Am 30. Oktober 2019 hat die Antragstellerin form- und fristgerecht Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Rostock erhoben, den sie mit Schriftsatz vom 15. November 2019 begründet hat. Erstmalig mit der Beschwerdebegründung hat die Antragstellerin neue Arbeitsvertragsmuster vorgelegt. Hinsichtlich des Inhalts der Arbeitsvertragsmuster wird auf Bl. 243 ff der Gerichtsakte verwiesen.

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Zur Begründung ihrer Beschwerde führt die Antragstellerin aus, das Sozialgericht habe zu Unrecht angenommen, dass die Antragstellerin nicht bereit gewesen sei, mit ihren Mitarbeitern unbefristete Arbeitsverträge abzuschließen. Das Geschäftsmodell beruhe keinesfalls auf dem befristeten Einsatz studentischer Mitarbeiter, sondern sei auf den flexiblen Einsatzwunsch der Mitarbeiter ausgerichtet. Die Mitarbeiter seien auch zu keinem Zeitpunkt benachteiligt gewesen. Der sog. Garantielohnanspruch komme zum Tragen, wenn die Auftragslage schlecht sei und die Arbeitgeberin nicht genügend Aufträge und Einsätze zu vergeben habe. Dies sei bei der Antragstellerin jedoch gerade nicht der Fall gewesen. Sie habe stets mehr Aufträge als arbeitswillige Mitarbeiter gehabt. Es hätte daher nie zu einem Anspruch auf Garantielohn kommen können. Der Fachkräftemangel führe dazu, dass Arbeitgeber schlichtweg gezwungen seien, Mitarbeitern so flexible Arbeitsmöglichkeiten anzubieten, dass regelmäßig im Arbeitsverhältnis eine Umkehr des Weisungsrechts des Arbeitgebers auf den Arbeitnehmer zu betrachten sei. Dies stelle jedoch keinen arbeitsrechtlichen Verstoß dar, sondern bilde lediglich die Realität des Arbeitsmarktes ab. Zu keinem Zeitpunkt sei das Geschäftsmodell genutzt worden, um Mitarbeitern arbeitsrechtliche Vorteile vorzuenthalten. Sollte es in einigen Fällen zur Fehldeutung von Mitarbeiterwünschen gekommen sein, sei dies jedenfalls nicht vorsätzlich geschehen. Bei diesem Verhalten könne es sich im Ergebnis um eine arbeitsrechtliche Fehleinschätzung handeln, die jedoch keinesfalls aus bösem Vorsatz oder dem Wunsch arbeitsrechtlicher Schlechterstellung geschehen sei, sondern höchstens aus Unwissenheit, die von der Antragstellerin auch bedauert werde.

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Die ablehnende Entscheidung würde die Antragstellerin sehr schwer treffen. Das Unternehmen wäre gefährdet und damit auch die Arbeitsplätze der internen in Vollzeit tätigen Mitarbeiter. Die Antragstellerin habe ihre Betriebstätigkeit im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung zum 25. Juli 2019 einstellen und erhebliche Umsatzeinbußen hinnehmen müssen. Die Antragstellerin werde zukünftig allen Mitarbeitern einen unbefristeten Arbeitsvertrag anbieten. Mit den Mitarbeitern werde sie absprechen, in welchem Umfang diese tätig sein können und wollen. Die Antragstellerin werde also vollumfänglich von ihrer Befristungspraxis abweichen. Allein aus diesem Grund würden sich einige der von der Antragsgegnerin festgehaltenen Beanstandungen auflösen und für die Zukunft nicht wieder ergeben.

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Zukünftig werde entsprechend der geänderten Arbeitsvertragsmuster eine unbefristete Teilzeitarbeit vereinbart, sodass die Arbeitszeit im Rahmen des angewandten iGZ-Tarifvertrages verstetigt sei und ein Verstoß gegen § 11 Abs. 4 S.1 AÜG von vornherein ausscheide. Auch in den fachlichen Weisungen der Antragsgegnerin (FW S. 87, § 8 Nr.6) werde ausgeführt, dass die Höhe des für verleihfreie Zeiten zu zahlenden Arbeitsentgeltes nicht festgelegt sei und daher in einem Tarifvertrag für verleihfreie Zeiten eine geringere Vergütung als für Zeiten der Überlassung festgelegt werden könne. Demnach sei auch die tarifvertragliche Regelung über den Freizeitausgleich in Nichteinsatzzeiten im Rahmen der beabsichtigten Arbeitszeitkonten nicht zu beanstanden, zumal stets die vertraglich vereinbarte Vergütung zu zahlen sei. Selbst wenn die Antragsgegnerin die Anwendung von Arbeitszeitkonten für unzulässig erachten sollte, sei in den fachlichen Weisungen bestimmt, dass sich die Vorgehensweise hinsichtlich arbeitsrechtlicher Beanstandungen gegenüber Verleihern auf solche Punkte erstrecken solle, denen gesicherte Rechtspositionen zugrunde lägen. Eine gesicherte Rechtsposition zur Zulässigkeit von Arbeitszeitkonten existiere jedoch nicht.

27

Teilzeitarbeit sei ohne Stundenbegrenzung möglich. Auch bei Teilzeitarbeit könnten Arbeitszeitkonten – wenn auch mit einem angepassten Höchstwert – im Rahmen der Grenzwerte von Plus- und Minusstunden geführt werden. Sofern die Antragsgegnerin meine, die Antragstellerin beabsichtigte die Teilzeit dazu zu nutzen, ihre Flexibilisierungspotentiale durch deutliche Überschreitung einer vereinbarten Mindestarbeitszeit zu überschreiten, sei dies nicht belegt und würde auch § 12 TzBfG widersprechen.

28

Zukünftig werde sie nur noch in wenigen Ausnahmefällen mit Sachgrundbefristungen arbeiten, wenn die Arbeitnehmer dies ausdrücklich wünschten. In der Einsatzvereinbarung werde dann ein entsprechender handschriftlicher Vermerk unter ausdrücklicher Nennung des Befristungsgrundes genannt. Dies entspreche zu 100% der bei der Antragsgegnerin üblichen Auflagenpraxis.

29

Da eine Zukunftsprognose zu treffen sei, müsse diese zu Gunsten der Antragstellerin ausfallen.

30

Nachdem die Antragsgegnerin bereits mit Widerspruchsbescheid vom 11.November 2019 den Widerspruch der Antragstellerin zurückgewiesen hatte, hat die Antragstellerin hiergegen am 16. Dezember 2019 beim Sozialgericht Rostock Klage erhoben.

31

Die Antragstellerin beantragt nunmehr,

32

die aufschiebende Wirkung der Klage vom 16. Dezember 2019 gegen den Widerspruchsbescheid der Antragsgegnerin vom 11. November 2019 unter Aufhebung des Beschlusses des Sozialgerichts Rostock vom 27. September 2019 anzuordnen.

33

Die Antragsgegnerin beantragt,

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die Beschwerde zurückzuweisen.

35

Die Antragsgegnerin trägt vor, auch die von der Antragstellerin angekündigte Änderung des Arbeitsvertragsmusters lasse einen Schluss auf ein zukünftig rechtstreues Verhalten nicht zu. Die Ankündigung des Abschlusses unbefristeter Verträge genüge nicht. Es sei davon auszugehen, dass die Antragstellerin den Abschluss von Teilzeitarbeitsverträgen mit einer nur geringen Stundenzahl verfolge. Unzulässig sei es bei Vereinbarung eines sehr kleinen Arbeitszeitkontingents, den Garantielohnanspruch aus § 11 Abs. 4 Satz 2 AÜG zu unterlaufen. Soweit die Antragstellerin beabsichtigen sollte, die bisherigen tagesbefristeten Arbeitsverhältnisse durch die Vereinbarung einer Arbeit auf Abruf zu ersetzen, wäre hierzu gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 TzBfG zwingend die Festlegung einer wöchentlichen und täglichen Arbeitszeit erforderlich. Das vorgelegte Arbeitsvertragsmuster wäre daher allenfalls bei einer Vollzeitbeschäftigung anwendbar, nicht jedoch bei einer Teilzeitvereinbarung. Eine Vollzeitbeschäftigung entspreche nicht dem Geschäftsmodell der Antragstellerin. Eine Teilzeitvereinbarung, die im Rahmen einer Abrufbeschäftigung oder auf der Grundlage des Direktionsrechtes nach § 106 GewO dem Arbeitgeber die Verteilung der Arbeitszeit lediglich auf Verleihzeiten ermögliche, sei nicht zulässig. Die Behauptung, aufgrund der großen Nachfrage nach Arbeitskräften jeden Arbeitnehmerwunsch erfüllen zu können, überzeuge nicht. Konjunkturelle Schwankungen könnten nicht ausgeschlossen werden. Die Vorgehensweise sei bereits methodisch einer dauerhaften Anwendung nicht zugänglich. Die Antragsgegnerin stehe einem Geschäftsmodell, das darauf angelegt sei, das arbeitnehmerüberlassungstypische Risiko des Nichtverleihs und der Leistung des Garantielohns auszuschließen, grundsätzlich kritisch gegenüber.

36

Hierzu hat die Antragstellerin erneut Stellung genommen und ausgeführt, es sei lediglich ein Arbeitsvertragsmuster vorgelegt worden, das noch mit individuellen Angaben gefüllt werden müsse. Im Übrigen sei zwar eine monatliche Arbeitszeit anzugeben, es müsse aber nicht eine Verteilung auf bestimmte Termine oder Wochentage festgelegt werden. Eine einvernehmliche Vereinbarung flexibler Arbeitszeiten lasse das BAG ausdrücklich zu. Es werde nochmal betont, dass es sich bei echter unregelmäßiger Teilzeit nicht um Arbeit auf Abruf handele. Das Arbeitszeitkonto diene nicht dazu, das Beschäftigungsrisiko auf die Arbeitnehmer abzuwälzen. Es gebe zu jedem Zeitpunkt mehr Aufträge als einsetzbare Mitarbeiter. Im Übrigen könne das Arbeitszeitkonto durchaus dem Ausgleich schwankender Beschäftigungsmöglichkeiten dienen und solle dies auch. Die Antragsgegnerin habe viele Möglichkeiten, um sicherzustellen, dass die Antragstellerin nur solange im Besitz der Erlaubnis bleibe, wie sie die angekündigten Verbesserungen auch umsetze. Eine Erlaubnis unter Auflagen oder Widerrufsvorbehalt könne jederzeit erteilt werden.

37

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze sowie auf die Verwaltungsakte der Antragsgegnerin Bezug genommen.

II.

38

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das Sozialgericht hat es mit dem angegriffenen Beschluss zu Recht abgelehnt, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 23. Juli 2019 anzuordnen. Nichts anderes gilt für die am 16. Dezember 2019 vor dem Sozialgericht Rostock erhobene Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 11. November 2019.

39

Gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht in Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Widerspruch und Klage gegen die Änderung, Aufhebung oder Nichtverlängerung der befristeten Erteilung einer Erlaubnis zur Arbeitsnehmerüberlassung nach § 1 AÜG haben gemäß § 86a Abs. 4 Satz 1 SGG keine aufschiebende Wirkung.

40

Da sich nach § 2 Abs. 4 AÜG die befristet erteilte Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung bei rechtzeitiger Antragstellung um ein Jahr verlängert, wenn die Erlaubnisbehörde die Verlängerung nicht vor Ablauf des Jahres ablehnt, würde die von der Antragstellerin beantragte Anordnung der aufschiebenden Wirkung vorliegend dazu führen, dass die Wirkung der Versagung suspendiert wird und damit die Rechtswirkungen nach § 2 Abs. 4 Satz 2 AÜG eintreten, das heißt, die zuletzt für den Abschnitt vom 26. Juli 2018 bis 25. Juli 2019 erteilte Erlaubnis sich um ein Jahr verlängert.

41

Die Frage der Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist anhand einer Abwägung zu beurteilen zwischen dem Interesse der Antragstellerin, einstweilen von der belastenden Wirkung des streitigen Verwaltungsaktes verschont zu bleiben, und dem besonderen Interesse der die Verfügung erlassenden Verwaltung, das zur Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 86 a Abs. 2 Nr. 5 SGG geführt hat bzw. dem im Gesetz zum Ausdruck gekommenen besonderen allgemeinen Vollzugsinteresse. Zu berücksichtigen ist dabei die Grundentscheidung des Gesetzgebers über die fehlende aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs oder einer Klage, weshalb die Anordnung der aufschiebenden Wirkung eine mit gewichtigen Argumenten zu begründende Ausnahme bleiben muss. Auf der anderen Seite kann an der sofortigen Vollziehung eines ersichtlich rechtswidrigen Verwaltungsaktes kein überwiegendes Vollzugsinteresse bestehen, weshalb es bei der Interessenabwägung maßgeblich auf die konkreten Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens, das konkrete Vollzugsinteresse und die für die Dauer der möglichen aufschiebenden Wirkung drohende Rechtsbeeinträchtigung ankommt. Sind die Erfolgsaussichten nicht in dieser Weise abschätzbar, so hat eine allgemeine Interessenabwägung hinsichtlich der Folgen für die jeweiligen Beteiligten bei der Aufrechterhaltung der gesetzlich angeordneten sofortigen Vollziehung zu erfolgen (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 12. Aufl. 2017, § 86b Rn 12 ff).

42

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kommt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 11. November 2019 nicht in Betracht.

43

Die von der Antragstellerin angeführten wirtschaftlichen Folgen, die für sie mit der Versagung der Erlaubnisverlängerung verbunden sind, rechtfertigen ein Überwiegen ihres Aussetzungsinteresses gegenüber dem öffentlichen Vollzugsinteresse nicht, da an der Rechtmäßigkeit des Ablehnungsbescheides vom 23. Juli 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. November 2019 keine ernstlichen Zweifel bestehen.

44

Vielmehr hat die Antragsgegnerin die Verlängerung der Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung zu Recht abgelehnt.

45

Gemäß § 1 Abs. 1 AÜG bedürfen Arbeitgeber, die als Verleiher Dritten (Entleihern) Arbeitnehmer (Leiharbeitnehmer) im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit zur Arbeitsleistung überlassen (Arbeitnehmerüberlassung) wollen, der Erlaubnis. Die Erlaubnis oder ihre Verlängerung ist nach § 3 Abs. 1 AÜG zu versagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Antragsteller

46

1. die für die Ausübung der Tätigkeit nach § 1 erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt, insbesondere weil er die Vorschriften des Sozialversicherungsrechts, über die Einbehaltung und Abführung der Lohnsteuer, über die Arbeitsvermittlung, über die Anwerbung im Ausland oder über die Ausländerbeschäftigung, über die Überlassungshöchstdauer nach § 1 Abs. 1b, die Vorschriften des Arbeitsschutzrechts oder die arbeitsrechtlichen Pflichten nicht einhält;

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2. nach der Gestaltung seiner Betriebsorganisation nicht in der Lage ist, die üblichen Arbeitgeberpflichten ordnungsgemäß zu erfüllen;

48

3. dem Leiharbeitnehmer die ihm nach § 8 zustehenden Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts nicht gewährt.

49

Bei dem Begriff der Zuverlässigkeit i.S. der Nr.1 handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff ohne Beurteilungsspielraum. Die Frage der Zuverlässigkeit ist als Rechts- und Tatfrage gerichtlich voll überprüfbar. Entsprechend dem Schutzzweck des AÜG kommt es im Rahmen des § 3 Abs.1 Nr.1 darauf an, ob die Eigenschaften und Merkmale des Verleihers eine Gefährdung des sozialen Schutzes des Arbeitnehmers befürchten lassen. Die Behörde muss hierbei im Wege einer Prognose überprüfen, ob die ihr zur Beurteilung vorliegenden Tatsachen die Annahme begründen, dass der Antragsteller bei seiner künftigen Verleihertätigkeit die rechtlichen Vorschriften beachten wird. Der Zweck der Vorschrift liegt darin, im Interesse der Sicherheit des sozialen Schutzes der Leiharbeitnehmer unzuverlässige Verleiher aus dem Bereich der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung auszuschalten (BT-Drs. VI/2303, S.11). Als unzuverlässig ist ein Antragsteller danach anzusehen, wenn in seiner Person Tatsachen vorliegen, denen zufolge zu besorgen ist, dass er sein Gewerbe nicht im Einklang mit den bestehenden rechtlichen Vorschriften ausüben wird (BSG, Urteil vom 6. Februar 1992 - 7 RAr 140/90). Zwar wird es sich in der Regel um arbeitsrechtliche Verstöße im Kernbereich - z.B. Vergütung, Ansprüche auf Erholungsurlaub bzw. auf sonstige geldwerte Leistungen o.ä. - handeln (LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 10. November 2017 - L 2 AL 75/17 B ER -). Die Unzuverlässigkeit kann sich aber auch aus einer Summierung von Umständen und kleinen Verstößen gegen arbeitsrechtliche Vorschriften ergeben, die für sich allein keinen Versagungsgrund rechtfertigen könnten. Dabei ist eine Prognose für die Zukunft anzustellen. Maßgebend ist ein aus den vorhandenen tatsächlichen Umständen der Vergangenheit und der Gegenwart gezogener Schluss auf ein wahrscheinliches zukünftiges Verhalten des Antragstellers.

50

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Zuverlässigkeit bei eine isolierten Anfechtungsklage ist hierbei der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung und demnach hier der Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides (Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 25. August 2006, L 9 B 491/06 AL ER, LSG Rheinland-Pfalz vom 19.12.2002, Az.: L 1 AL 4/01).

51

Die von der Antragstellerin erst mit der Beschwerdebegründung vom 15. November 2019 eingereichten neuen Arbeitsvertragsmuster waren vorliegend nicht in die Prognoseentscheidung mit einzubeziehen, da diese erst nach Erlass des Widerspruchsbescheides vom 11. November 2019 vorgelegt worden sind.

52

Soweit in anderen Entscheidungen für die Beurteilung der Prognoseentscheidung auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Tatsachengericht abgestellt wird, lagen diesen Entscheidungen andere Sachverhalte zugrunde, in denen nicht die Verlängerung, sondern die Erteilung der Erlaubnis streitig und damit statthafte Klageart – anders als hier - die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage war (vgl. BSG, Urteil vom 6. Februar 1992, 7 RAr 140/90 Rn. 26, juris, Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 05. November 2019, L 7 AL 83/19 B ER, Rn. 25, juris).

53

Abgesehen davon, dass bei isolierten Anfechtungsklagen regelmäßig auf den Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung abzustellen ist, kann vorliegend auch aus dem materiellen Recht, insbesondere aus § 2 AÜG, gefolgert werden, dass die Frage der Zuverlässigkeit des Verleihers im Rahmen der Prüfung einer Verlängerung nach der Sachlage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung zu beurteilen ist. Denn nach § 2 Abs. 4 AÜG ist die Erlaubnis auf ein Jahr zu befristen. Der Antrag auf Verlängerung der Erlaubnis ist spätestens drei Monate vor Ablauf des Jahres zu stellen. Die Erlaubnis verlängert sich um ein Jahr, wenn die Erlaubnisbehörde die Verlängerung nicht vor Ablauf des Jahres ablehnt.

54

Die Verlängerung der Erlaubnis nach § 2 AÜG ist damit an zeitliche Vorgaben geknüpft und zwar nicht nur hinsichtlich der Antragstellung, sondern auch hinsichtlich des Zeitpunktes der von der Antragsgegnerin zu treffenden Ablehnungsentscheidung. Für die Frage, ob die Antragsgegnerin berechtigt war, die Verlängerung vor Ablauf des Jahres abzulehnen, kann es demzufolge nur auf die Sachlage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung ankommen.

55

Die bei Erlass des Widerspruchsbescheides vorhandenen Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass die Antragstellerin die notwendige Zuverlässigkeit nicht besitzt.

56

Das Sozialgericht hat überzeugend begründet, dass die von der Antragstellerin anhaltend praktizierte Vertragsgestaltung, wonach mit Arbeitnehmern unverbindliche Rahmenvereinbarungen getroffen worden sind, auf deren Grundlage dann für einzelne Arbeitseinsätze Einzelvereinbarungen geschlossen wurden, gegen § 11 Abs. 4 S. 2 AÜG und das Garantielohnprinzip verstößt. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Gründe des angefochtenen erstinstanzlichen Beschlusses Bezug genommen. Die dortigen Ausführungen macht sich der Senat nach eingehender Prüfung zu Eigen und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab, § 142 Abs. 2 Satz 3 SGG.

57

Ergänzend ist lediglich auszuführen, dass die Einwendungen der Antragsgegnerin im Beschwerdeverfahren keine andere Beurteilung zu rechtfertigen vermögen. Soweit die Antragstellerin vorträgt, ein Verstoß gegen das Garantielohnprinzip sei schon deshalb nicht gegeben, weil sie immer mehr Aufträge und Einsätze zu vergeben gehabt habe, als ihr arbeitswillige Mitarbeiter zur Verfügung gestanden hätten, überzeugt dies nicht. Zum einen kann es – wie gerade die „Coronakrise“ deutlich zeigt - immer zu unvorhersehbaren und plötzlichen Auftragseinbrüchen kommen, zum anderen ist es auch unerheblich, ob die Antragstellerin grundsätzlich ausreichend Einsatzmöglichkeiten hätte anbieten können. Denn auch Einsatzmöglichkeiten bieten keine Gewähr dafür, dass der einzelne Leiharbeitnehmer auch tatsächlich eingesetzt wird. Aufgrund der Vertragsgestaltung lag es hier in der Hand der Antragstellerin zu entscheiden, ob und wem welche Einsätze angeboten werden. Der Rahmenvertrag regelte ausdrücklich, dass eine Verpflichtung der Antragstellerin, Arbeitseinsätze anzubieten, nicht besteht. Da der Lohnanspruch an den tatsächlichen Einsatz gekoppelt war, wird mit dieser Vertragsgestaltung der Anspruch des Leiharbeitnehmers auf den Garantielohn umgangen.

58

Die Behauptung der Antragstellerin, das Geschäftsmodell sei auf den flexiblen Einsatzwunsch der Mitarbeiterin ausgerichtet gewesen, überzeugt nicht. Denn wie bereits das Sozialgericht ausgeführt hat, hat die Antragsgegnerin keine konkreten sachlichen Gründe glaubhaft gemacht, die eine Befristung der Einzelarbeitsverträge auf die Einsatztage gerechtfertigt hätte. Insbesondere ergibt sich ein entsprechender Wunsch aus den Erklärungen der Studenten in den jeweiligen Fragebögen nicht.

59

Die im erstinstanzlichen Verfahren erfolgte bloße Ankündigung der Antragstellerin, ihre Praxis kurzfristig zu ändern und bei jeder Einzelbefristung ein unbefristetes Beschäftigungsverhältnis anzubieten, kann schon deshalb zu keiner anderen Prognoseentscheidung führen, da die Antragstellerin zu diesem Zeitpunkt in keiner Weise dargelegt hat, wie die zukünftige Vertragsgestaltung im Einzelnen konkret aussehen soll. Dies erfolgte erstmals nach Erlass des Widerspruchsbescheides.

60

Ob die nach Erlass des Widerspruchsbescheides vorgelegten neuen Arbeitsvertragsmuster und die nach dem Vortrag der Antragstellerin beabsichtigte grundlegende Umgestaltung ihres betrieblichen Vorgehens den Vorgaben des AÜG entsprechen, war durch den Senat nicht zu entscheiden, da das neue Konzept - wie bereits ausgeführt - in die Prognoseentscheidung nicht miteinzubeziehen war und demnach für die Frage der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheides ohne Bedeutung ist.

61

Der Antragstellerin steht es frei, bei der Antragsgegnerin einen erneuten Antrag auf Erlaubniserteilung zu stellen. Bei der dann erneut zu prüfenden Zuverlässigkeit der Antragstellerin wären die neuen Arbeitsverträge durch die Antragsgegnerin zu berücksichtigen.

62

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG iVm § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung.

63

Der Streitwert richtet sich nach § 197a Abs. 1 S.1 SGG i.V.m. § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG). Aus dem Antrag der Antragstellerin ergeben sich keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Bestimmung des Streitwertes nach der wirtschaftlichen Bedeutung der Sache für sie. Es fehlt insbesondere an Anhaltspunkten für den im Verlängerungsjahr zu erwartenden Gewinn. Dieser lässt sich nicht anhand der von der Antragstellerin vorgelegten betriebswirtschaftlichen Auskünfte für die Zeit von Oktober 2018 bis Oktober 2019 ermitteln. Denn das monatliche Betriebsergebnis schwankte auch in Zeiten des Verleihs stark. Die Antragstellerin erzielte auch im Jahre 2018 regelmäßig in einzelnen Monaten negative Betriebsergebnisse.

64

Der Senat hält den Auffangstreitwert von EUR 5.000 ohne Abschlag für geboten, weil die Ablehnung des einstweiligen Rechtsschutzantrags die vorläufige Einstellung der gewerblichen Arbeitnehmerüberlassung der Antragstellerin zur Folge hat, die wirtschaftliche Bedeutung des Verfahrens für die Antragstellerin also praktisch der eines Hauptsacheverfahrens entspricht.

65

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar. Die Entscheidung über die Festsetzung des Streitwertes ist gemäß § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG unanfechtbar.

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