Urteil vom Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern (3. Senat) - L 3 VE 6/15

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Anerkennung einer Innenohrschwerhörigkeit und eines Tinnitus auf dem linken Ohr als Folgen einer Wehrdienstbeschädigung und die Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem Soldatenversorgungsgesetz (SVG) in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG).

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Der 1966 geborene Kläger ist von Beruf Elektromeister und Oberleutnant der Reserve. Vom 30. Juni 2011 bis 28. November 2011 leistete er als Wehrübender bei der Bundeswehr Wehrdienst in einem Pionierregiment und wurde im Rahmen einer besonderen Auslandsverwendung vom 7. Juli 2011 bis 2. November 2011 beim Auslandseinsatz der Bundeswehr im K. eingesetzt.

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Nach seiner Rückkehr wurde – im Vergleich zum Hörtest bei der Musterung vor dem Einsatz am 24. Januar 2011 ohne einen Befund – bei der Abschlussuntersuchung am 6. Dezember 2011 eine erhebliche Hörminderung links stärker als rechts festgestellt.

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Hierauf erfolgte am 20. Dezember 2011 eine Untersuchung durch die Fachärztin für HNO-Heilkunde Dr. B.. Diese stellte bei dem Kläger eine Schallempfindungsschwerhörigkeit mittelgradig links und geringgradig rechts, eine Rhinopharyngitis chronica und einen Zustand nach Rhinitis fest. Nach der Anamnese bestehe seit Mitte September/Anfang Oktober eine Hörminderung hauptsächlich auf dem linken Ohr nach einer Erkältung. Der Kläger „wäre einfach aus dem Auto gestiegen und hätte nichts mehr gehört.“ Nach Abklingen der Erkältung sei keine Besserung eingetreten. Jetzt bestehe ein Druckgefühl auf dem linken Ohr, manchmal auch ein Rauschen. Dr. B. hielt einen Zustand nach Hörsturz von Mitte September 2011 für möglich und empfahl ein MRT des Kopfes.

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Am 21. Februar 2012 wurde auf Antrag des Klägers bei der Beklagten ein WDB-Blatt angelegt. Darin gab der Kläger an, er habe bei einer Dienstfahrt nach C. im A. beim Aussteigen aus dem Auto bemerkt, dass er auf dem linken Ohr fast nichts mehr gehört habe. Er habe dies mit der ständigen Erkältung in Verbindung gebracht und sei deshalb nicht zum Arzt gegangen. Bei der Nachuntersuchung sei ein Hörsturz festgestellt worden.

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Unter dem 9. März 2012 gab der Kläger in einem Fragebogen an, im Zeitpunkt des Eintritts der Schädigung habe er sich im KFOR-Auslandseinsatz im K. befunden. Für die geltend gemachte Gesundheitsstörung habe er keine Erklärung. Er sei aus dem Kraftfahrzeug ausgestiegen und habe bemerkt, dass er links nicht mehr hören könne. Er sei mit seiner Einheit in D. gewesen, um die deutschen Einsatzkompanien während der Unruhen im Norden des K. mit Material zu versorgen und Instandsetzungen auszuführen. Nach dem Hörsturz vom 8. oder 12. Oktober 2011 sei gelegentlich ein Tinnitus aufgetreten. Der Hörsturz sei durch ihn nicht wahrgenommen worden, da alle durch die Klimaanlage starke Erkältungen gehabt hätten. Als es nicht weggegangen sei, sei das schlechte Hörvermögen bei der Abschlussuntersuchung am 6. Dezember 2011 festgestellt worden.

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Am 22. März 2012 wurde ein MRT des Kopfes durchgeführt. Das Ergebnis war ohne Befund. Am 26. März 2012 wurde ein weiteres Tonaudiogramm erstellt.

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Die Beklagte gab den Vorgang sodann zuständigkeitshalber ab an das L. – dem früheren Beklagten –.

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Auf eine schriftliche Befragung durch das L. gab der Kläger am 26. März 2012 an, er sei am 8. oder 12. Oktober 2011 in den Norden zum E.-Bataillon gefahren. Es seien Instandhaltungen durchgeführt und Material zur Einsatzkompanie gebracht worden. Er sei aus dem Auto ausgestiegen und habe links fast nichts mehr hören können.

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In der von dem L. veranlassten versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 23. Mai 2012 gelangte Dr. F. zu dem Ergebnis, dass ein ursächlicher Zusammenhang nicht wahrscheinlich sei. Aus den vorliegenden HNO-Befunden lasse sich zwar eine Hörstörung auf dem linken Ohr feststellen, es fehle jedoch der schädigungsbedingte ursächliche Zusammenhang. Zudem verweise Dr. B. in der Anamnese bereits auf eine seit Mitte September/Anfang Oktober bestehende hauptsächliche Hörminderung auf dem linken Ohr nach einer Erkältung. Diese sei jedoch als schädigungsunabhängig und als wahrscheinlich wesentliche Bedingung zu bewerten. Die Fahrt mit dem Auto bzw. der Ausstieg sei im weiteren Zusammenhang wahrscheinlich als „Gelegenheitsursache“ zu bestimmen, wobei der nachfolgende Gesundheitsschaden wahrscheinlich auch ohne das angeschuldigte Ereignis zustande gekommen wäre und der Gesundheitsschaden wahrscheinlich vielmehr im Zusammenhang mit dem diagnostizierten schädigungsunabhängigen Hörsturz unter zusätzlicher Beachtung der diagnostizierten schädigungsunabhängigen Rhinopharyngitis chronica zu erklären sei.

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Mit Bescheid vom 1. Juni 2012 lehnte das L. den Antrag auf Beschädigtenversorgung ab und nahm zur Begründung im Wesentlichen Bezug auf die versorgungsärztliche Stellungnahme vom 23. Mai 2012.

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Hiergegen legte der Kläger am 20. Juni 2012 Widerspruch ein. Er begründete diesen – nunmehr vertreten durch seinen jetzigen Prozessbevollmächtigten – damit, dass Dr. B. im Befundbericht vom 20. Dezember 2011 einen Zustand nach Hörsturz Mitte September 2011 benenne, was ungefähr den Angaben des Klägers zum Zeitpunkt des Hörsturzes entspreche. Gegenüber der Gehörprobe am 24. Januar 2011 sei bei den Untersuchungen am 15. und 20. Dezember 2011 jedoch ein erheblich vermindertes Hörvermögen festgestellt worden. Deshalb sei die Schädigung während der Wehrübung des Klägers vom 30. Juni 2011 bis zum 28. November 2011 eingetreten. Die ursächlichen Zusammenhänge bei einem Hörsturz seien in der medizinischen Fachliteratur nicht endgültig geklärt. Hierzu würden verschiedene Faktoren herangezogen werden, zu denen u.a. auch eine Dauererkältung zählen könne, wie sie der Kläger beschrieben habe, aber auch Stress und ungewöhnliche Lebensumstände.

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Das L. holte hierauf ein Gutachten des Chefarztes für HNO-Heilkunde Dr. G. vom 10. Dezember 2012 ein. Dieser führte in der Anamnese aus, dass der Kläger nach seinen Angaben vom 7. Juli 2011 bis 2. November 2011 an dem K.-Einsatz der Bundeswehr teilgenommen habe. Dort sei er vor allem mit der Installation und Instandhaltung von Elektroanlagen beauftragt gewesen. Die Arbeitsplätze seien dabei oft sehr lärmintensiv gewesen (Hupkonzerte der Anwohner, Krawalle, Maschinenlärm der Stromgeneratoren). Bei einer Dienstfahrt am 10. oder 12. Oktober 2011 sei ihm nach dem Aussteigen eine Hörminderung links aufgefallen. Da er diese im Zusammenhang mit einer akuten respiratorischen Erkrankung gesehen habe, habe er diesbezüglich während des Auslandsaufenthaltes nichts unternommen. Eine Schwindelsymptomatik oder Ohrgeräusche seien primär nicht bemerkt worden. Erst nach seiner Rückkehr nach Deutschland sei eine Untersuchung im Sanitätszentrum L. erfolgt und eine Hörminderung links diagnostiziert worden. Aktuell beklage er weiterhin eine Hörminderung links mit einem bestehenden Ohrgeräusch links. Durch das Ohrgeräusch fühle er sich stark beeinträchtigt. Ein Knall- oder Schädeltrauma während des Diensteinsatzes lasse sich nicht eruieren.

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Dr. G. führte in seiner Bewertung aus, bei dem Kläger liege eine Schwerhörigkeit rechts und links vor sowie ein Innenohrschaden links. Aus dem Sprachaudiogramm ergebe sich ein prozentualer Hörverlust rechts von 0 % und links von 20 %. Dies würde einem GdS für beide Ohren von unter 10 entsprechen. Unter Berücksichtigung des Tinnitus mit einem GdS von 5 ergäbe sich ein Gesamt-GdS von 10. Da die bestehende Hörstörung links akut und ohne erkennbare Ursache eingetreten sei und es sich um eine Innenohrschädigung handele, liege ein Hörsturz vor. Epidemiologisch trete der Hörsturz in Deutschland ca. 160 bis 400mal im Jahr pro 100.000 Einwohner auf. Das bevorzugte Erkrankungsalter liege um das 50. Lebensjahr. Die Ätiologie und Pathogenese des Hörsturzes seien weitestgehend unbekannt. Besondere Risiken, wie sie bei dem Kläger vorliegen könnten (Bluthochdruck, Übergewicht oder Stress), würden in der Literatur kontrovers diskutiert. Als Ursache für den vom Kläger erlittenen Hörsturz des linken Ohres sei somit weder die Wehrdienstverrichtung noch ein während der Ausübung des Wehrdienstes erlittener Unfall oder die durch den Wehrdienst bestehenden eigentümlichen Verhältnisse verantwortlich zu machen. Eine Wehrdienstbeschädigung liege somit nicht vor. Der absolvierte Auslandseinsatz im K. sei nicht ursächlich für den Hörsturz des linken Ohres.

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In seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 9. Januar 2013 schloss sich Dr. F. dem Gutachten von Dr. G. an.

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Mit Widerspruchsbescheid vom 7. Februar 2013 wies das L. den Widerspruch zurück und machte sich in seiner Begründung das Gutachten von Dr. G. zu eigen.

17

Hiergegen hat der Kläger am 8. März 2013 bei dem Sozialgericht Neubrandenburg Klage erhoben und sein Begehren weiterverfolgt. Zur Begründung hat er auf sein bisheriges Vorbringen Bezug genommen und ergänzend ausgeführt, das L. habe nicht darlegen können, dass der Hörsturz mangels Ursächlichkeit keine Wehrdienstbeschädigung darstelle. Im K.-Einsatz habe der Kläger als Elektromeister am Stationierungsort in M. keine festen Arbeitszeiten gehabt. Die Einsätze seien auf Abruf bei ständiger Bereitschaft erfolgt. So habe der Kläger auch einmal in der Nacht zusammen mit seiner Einheit zum Feldlager der französischen KFOR-Truppen ausrücken müssen, um die Wasser- und Elektroversorgung im dortigen Zeltlager sicherzustellen. Die Einsätze seien so realisiert worden, dass der Konvoi auf der Weiterfahrt von N. nach O. unter schwerbewaffnetem Geleitschutz gestanden habe. Dort seien technische Arbeiten im Feldlager der Einsatzkompanie der Bundeswehr durchgeführt worden. Der Kläger sei insoweit für die Aufrechterhaltung der Elektroversorgung zuständig gewesen. Es habe eine Bedrohung durch serbische und albanische Truppen bestanden. Die Einsatztruppe sei mehrfach sowohl von albanischen als auch serbischen Gruppen durch das Errichten von Barrikaden – auch über Tage hinweg – festgesetzt worden. Dabei habe es sich um eine erhebliche Stresssituation gehandelt, die auch als Grund für den Hörsturz anzusehen sei. Der Kläger habe bei dem Einsatz von September bis Anfang Oktober 2011 gegenüber anwesenden Kameraden berichtet, dass er nichts mehr hören könne, da er plötzlich auf den Ohren kaum noch etwas habe wahrnehmen können.

18

Dem Klagbegehren ist das L. entgegengetreten und hat unter Bezugnahme auf eine weitere versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. F. vom 19. Juni 2013 ausgeführt, dass die nach den Angaben des Klägers im K. durchgemachten Stresssituationen nicht angezweifelt würden. Allerdings seien gerade diese als unspezifisch für die geltend gemachte Gesundheitsstörung anzusehen.

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Das Sozialgericht hat sodann Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens des Facharztes für HNO-Krankheiten P. vom 18. Februar 2014. Im Rahmen der Anamnese habe der Kläger angegeben, er habe auf einer Dienstfahrt zwischen dem 10. und 12. Oktober 2011 nach dem Verlassen eines Fahrzeuges eine Hörminderung auf dem linken Ohr bemerkt. Zu diesem Zeitpunkt habe auch ein akuter Infekt bestanden, weshalb zunächst keine medizinische Vorstellung erfolgt sei. Akutereignisse wie Lärmtraumata oder andere Traumen habe der Kläger verneint. Als Diagnosen hat der Gutachter eine geringe Innenohrschwerhörigkeit rechts und eine mittelgradige Innenohrschwerhörigkeit links sowie einen Tinnitus links benannt. Es bestehe ein prozentualer Hörverlust rechts von 20 % und links von 40 %. Seit der letzten Begutachtung sei eine geringe Zunahme der Schwerhörigkeit auf beiden Ohren zu verzeichnen. Unter Berücksichtigung des Tinnitus betrage der GdB nunmehr 20. Eine mögliche Ursache der im Oktober 2011 im K. erlittenen Hörstörung wäre ein Hörsturz, dessen Ätiologie und Pathogenese aber noch weitgehend unbekannt seien. Da der Kläger während des Ereignisses unter einem Erkältungsinfekt gelitten habe, wäre auch eine virale Genese in Betracht zu ziehen. Eine Wehrdienstbeschädigung liege nicht vor. Mangels akutem akustischem Ereignis und wegen des bestehenden grippalen Infekts sei der Ursachenzusammenhang mit den Ereignissen während des Auslandseinsatzes unwahrscheinlich. Seine Befunde und Bewertungen wichen in keiner Weise von dem Gutachten von Dr. G. ab.

20

Zu dem Gutachten hat der Kläger mitgeteilt, dass er einen örtlichen, zeitlichen und räumlichen Zusammenhang seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen mit dem Wehrdienst ausreichend nachgewiesen habe. Andere Risikofaktoren seien von den Gutachtern ausgeschlossen worden.

21

Nach Beiladung der Beklagten mit Beschluss vom 4. März 2014 hat das L. im November 2014 mitgeteilt, dass die Akten der Beklagten übersandt würden, weil diese ab 1. Januar 2015 das gesamte Soldatenversorgungsgesetz bearbeiten werde.

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Der Kläger hat beantragt,

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den Bescheid vom 1. Juni 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Februar 2013 aufzuheben und bei dem Kläger eine mittelgradige Innenohrschwerhörigkeit links sowie einen Tinnitus links als Folgen einer Wehrdienstbeschädigung anzuerkennen und auf Grund dessen Beschädigtenversorgung nach dem Soldatenversorgungsgesetz zu gewähren.

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Die Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Die Beklagte hat zur Begründung auf die von ihr vorgelegte versorgungsmedizinische Stellungnahme des Facharztes für HNO-Heilkunde Dr. Q. vom 26. April 2014 Bezug genommen. Danach lasse sich ein Zusammenhang mit der wehrdienstlichen Tätigkeit bzw. den äußeren Einflüssen im Auslandseinsatz und den danach beklagten Gesundheitsschäden in Form von Schwerhörigkeit links mit Tinnitus nicht herstellen und werde deshalb für unwahrscheinlich eingeschätzt. Auch eine Kann-Versorgung scheide aus. Dazu müssten Anforderungen, die über das übliche Ausmaß der körperlichen und seelischen Beanspruchung eines Wehrdienstleistenden in vergleichbarer Position erheblich hinausgingen, vorgelegen haben, denen der Kläger jedoch nicht ausgesetzt gewesen sei. Hupkonzerte, Krawalle und Maschinenlärm der Stromgeneratoren reichten dazu nicht aus. Der alleinige zeitliche und örtliche Zusammenhang sei zur Anerkennung einer Kannversorgung ebenso wenig ausreichend.

27

In der mündlichen Verhandlung vom 25. Februar 2015 hat der Kläger persönlich erklärt, dass das betreffende Ereignis seiner Erinnerung nach nunmehr am 8. Oktober 2011 stattgefunden haben dürfte. Es sei um die Elektroversorgung der Einsatzkompanie gegangen. Während der Hinfahrt zu dieser Einsatzkompanie im Norden seien serbische Truppen an dem Auto, einem T 4, vorbeigefahren, hätten gehupt und aus einer Entfernung von ca. 80 bis 90 m mehrmals in die Luft geschossen. Während dieses Ereignisses seien sie im Auto gefahren und hätten sich im Auto auch noch normal unterhalten. Der Kläger sei dann aus dem Auto ausgestiegen und habe in diesem Moment bemerkt, dass sein Hörvermögen auf dem linken Ohr erheblich eingeschränkt gewesen sei. Bereits seit August 2011 habe während der Tätigkeiten eine erhebliche Belastung und ein erheblicher Stress bestanden. Es habe keine regulären Arbeitszeiten gegeben. Vielmehr sei er zu jeder Zeit auf Abruf gewesen. Er habe wöchentlich 80 bis 90 Stunden gearbeitet. Dies habe bei ihm zu erheblichem Stress geführt, was auch noch durch die allgemeinen Umstände vor Ort, insbesondere die Lebensumstände der Leute, verstärkt worden sei.

28

Mit Urteil vom 25. Februar 2015 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und in der Begründung zunächst darauf hingewiesen, dass auf Beklagtenseite zum 1. Januar 2015 ein Beteiligtenwechsel kraft Gesetzes erfolgt sei, da die Soldatenversorgung auch für die Zeit nach der Wehrdienstbeendigung von den bisher zuständigen Bundesländern bzw. vorliegend dem L. auf die Beklagte übergegangen sei.

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Der Bescheid vom 1. Juni 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Februar 2013 sei rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger habe gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Anerkennung einer mittelgradigen Innenohr-schwerhörigkeit links sowie eines Tinnitus links als Folgen einer Wehrdienstbeschädigung und ebenfalls keinen Anspruch auf Beschädigtenversorgung nach dem SVG.

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Nach § 80 Satz 1 SVG erhalte ein Soldat, der eine Wehrdienstbeschädigung erlitten habe, nach Beendigung des Wehrdienstverhältnisses wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Wehrdienstbeschädigung auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes, soweit in diesem Gesetz nichts Abweichendes bestimmt sei. Nach § 81 Abs. 1 SVG sei eine Wehrdienstbeschädigung eine gesundheitliche Schädigung, die durch eine Wehrdienstverrichtung, durch einen während der Ausübung des Wehrdienstes erlittenen Unfall oder durch die dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnisse herbeigeführt worden sei. Nach § 1 Abs. 3 Satz 1 BVG genüge zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs.

31

Bei der jeweils vorzunehmenden Kausalitätsbeurteilung seien im sozialen Entschädigungsrecht die bis Ende 2008 in verschiedenen Fassungen geltenden Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit (AHP) anzuwenden und zu berücksichtigen. Es handele sich dabei um eine Zusammenfassung medizinischen Erfahrungswissens und damit um sogenannte antizipierte Sachverständigengutachten (vgl. BSG, Urteil vom 7. April 2011, B 9 VJ 1/10 R). Die AHP seien in den Bereichen des sozialen Entschädigungsrechts und im Schwerbehindertenrecht generell anzuwenden und wirkten dadurch wie eine Rechtsnorm normähnlich (BSG, a.a.O.). Die AHP enthielten in allen Fassungen seit 1996 unter den Nrn. 53 bis 143 Hinweise zur Kausalitätsbeurteilung bei einzelnen Krankheitszuständen, wobei die Nr. 86 Innenohrschäden zum Inhalt habe.

32

Die seit dem 1. Januar 2009 an die Stelle der AHP getretene Versorgungsmedizinverordnung (VersMedV) sei eine allgemein verbindliche Rechtsverordnung (BSG, a.a.O.) Anders als die AHP 1996 bis 2008 enthalte die VersMedV keine Bestimmungen über die Kausalitätsbeurteilung bei einzelnen Krankheitsbildern, sodass insoweit entweder auf die letzte Fassung der AHP (2008) zurückgegriffen werden müsse oder bei Anzeichen dafür, dass diese den aktuellen Kenntnisstand der medizinischen Wissenschaft nicht mehr beinhalten würden, andere Erkenntnisquellen, insbesondere Sachverständigengutachten genutzt werden müssten (BSG, a.a.O.). Dabei seien alle medizinischen Fragen, insbesondere zur Kausalität von Gesundheitsstörungen, auf der Grundlage des im Entscheidungszeitpunkt neuesten medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisstandes zu beantworten (BSG, a.a.O.).

33

Bezüglich der notwendigen Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs sei der Vollbeweis des Kausalzusammenhangs nicht erforderlich. Es genüge aber auch nicht nur die Möglichkeit des Zusammenhangs oder der rein zeitliche Zusammenhang.

34

Eine Wahrscheinlichkeit sei gegeben, wenn nach der geltenden ärztlich-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang spreche (wesentliche Bedingung). Eine Beweisregel dahingehend, dass die anspruchsbegründenden Tatsachen im Zweifel zugunsten desjenigen wirkten, der Ansprüche geltend mache, gebe es nicht. Die objektive Beweislast trage im Zweifel der Kläger.

35

Bei einer Erkrankung, deren Entstehungsursache von der ärztlichen Wissenschaft bisher nicht habe geklärt werden können, sei es nicht zu beanstanden, wenn die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs nicht als gegeben angesehen werde.

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Nach § 1 Abs. 3 Satz 2 BVG könne, wenn die zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung erforderliche Wahrscheinlichkeit nur deshalb nicht gegeben sei, weil über die Ursache des festgestellten Leidens in der medizinischen Wissenschaft Ungewissheit bestehe, mit Zustimmung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales die Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung anerkannt werden; die Zustimmung könne allgemein erteilt werden (sogenannte Kann-Versorgung).

37

Dabei führe bereits nicht schon die ausdrückliche Erwähnung einer Erkrankung in Nr. 39 Abs. 7 der AHP dazu, die Kann-Versorgung zu gewähren. Als Voraussetzung dafür sei in Teil C Nr. 4b VersMedV festgelegt, dass über die Ätiologie und Pathogenese des Leidens keine durch Forschung und Erfahrung genügend gesicherte medizinisch-wissenschaftliche Auffassung herrschen dürfe. Außerdem dürfe wegen mangelnder wissenschaftlicher Erkenntnisse und Erfahrungen die ursächliche Bedeutung von Schädigungstatbeständen oder Schädigungsfolgen für die Entstehung und den Verlauf des Leidens nicht mit Wahrscheinlichkeit beurteilt werden können. Weiterhin werde für die Kann-Versorgung vorausgesetzt, dass ein ursächlicher Einfluss der im Einzelfall vorliegenden Umstände in den wissenschaftlichen Arbeitshypothesen als theoretisch begründet in Erwägung gezogen werde. Dabei reiche allein die theoretische Möglichkeit eines Ursachenzusammenhangs nicht aus. Denn die Verwaltung sei nicht ermächtigt, bei allen Krankheiten ungewisser Genese immer die Möglichkeit des Ursachenzusammenhangs - die so gut wie nicht widerlegt werden könne - ausreichen zu lassen (vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 25. September 2012 - L 7 VJ 3/08 - Rn. 33, m.w.N.). Es genüge nicht, wenn ein Arzt oder auch mehrere Ärzte einen Ursachenzusammenhang nur behaupteten. Vielmehr sei erforderlich, dass durch eine nachvollziehbare wissenschaftliche Lehrmeinung Erkenntnisse vorlägen, die für einen generellen, in der Regel durch statistische Erhebungen untermauerten Zusammenhang sprächen (vgl. LSG Sachsen-Anhalt, a.a.O.). Es dürfe nicht nur eine theoretische Möglichkeit des Zusammenhangs bestehen, sondern vielmehr eine „gute Möglichkeit“, die sich in der wissenschaftlichen Medizin nur noch nicht so weit zur allgemeinen Lehrmeinung verdichtet habe, dass von gesicherten Erkenntnissen gesprochen werden könne und damit zumindest einen eingeschränkten Personenkreis der Fachmediziner im Sinne einer „Mindermeinung“ überzeuge (vgl. LSG Sachsen-Anhalt, a.a.O.).

38

Die geltend gemachten Gesundheitsbeschwerden würden nicht als Folgen einer Wehrdienstbeschädigung im Sinne eines ursächlichen Zusammenhangs anerkannt.

39

Nach den Ausführungen der behandelnden Ärzte des Klägers und den durchgeführten Begutachtungen lägen bei dem Kläger unstreitig als Gesundheitsbeschädigungen im Bereich der Ohren eine Innenohrschwerhörigkeit links (mehr als rechts) und ein Tinnitus links vor. Dies stehe sowohl im Hinblick auf die Schwerhörigkeit links als auch den Tinnitus links im Vollbeweis fest. Soweit auch eine Schwerhörigkeit für das rechte Ohr benannt werde, sei diese vorliegend jedenfalls nicht relevant, da das behauptete schädigende Ereignis durch die Wehrdienstausübung nach den Angaben des Klägers von Beginn an “nur” Auswirkungen auf das linke Ohr gehabt habe.

40

Bezüglich der Ursachen der benannten Gesundheitsbeschädigungen auf dem linken Ohr könne im Ergebnis jedenfalls davon ausgegangen werden, dass weder ein akustischer Unfall stattgefunden noch ein akutes Lärmtrauma vorgelegen habe. Nach Schönberger/Mehrtens/Valentin (Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl., 2010, S. 325) liege ein akustischer Unfall vor, wenn eine hochgradige Schwerhörigkeit mit Symptomen eines Hörsturzes auftrete. Ein Ursachenzusammenhang setze 1. eine Lärmbelästigung von mindestens 90 dB, 2. ein Verdrehen des Kopfes in eine Zwangshaltung, 3. ein akutes Auftreten der Hörstörung in dieser Situation und 4. ein einseitiges Auftreten der Hörstörung voraus. Von einem solchen Ereignis sei vom Kläger weder bei der ersten ärztlichen Untersuchung noch im Verlauf des gesamten Verfahrens berichtet worden. Ein akutes Lärmtrauma setze exzessiv hohe Schallstärken über die Dauer einiger Minuten zwischen 130 bis 160 dB voraus (vgl. wie vor). Auch ein solches Ereignis habe der Kläger zu keinem Zeitpunkt erwähnt. Diesen Anforderungen genügten letztendlich auch nicht die in der mündlichen Verhandlung konkretisierten Schilderungen des Klägers bezüglich des aufgetretenen Lärms. Zwar habe es laut Aussage des Klägers mehrere Schüsse in naher Entfernung gegeben, die oben genannten (zusätzlichen) Voraussetzungen seien dadurch aber offensichtlich nicht erfüllt.

41

Darüber hinaus werde von allen Ärzten, sowohl Frau Dr. B. als auch Dr. G. und DM P., von einem Hörsturz als Ursache für die Gesundheitsbeschädigungen ausgegangen. Dr. G. führe dazu für das Gericht überzeugend aus, dass es sich um ein akutes Ereignis gehandelt habe, das ohne erkennbare Ursachen eingetreten sei. Bezüglich des behaupteten Ereignisses, das die Gesundheitsbeschädigungen am linken Ohr verursacht haben solle, habe der Kläger von Anfang an einen gleichlautenden Ereignisablauf angegeben, der lediglich im Laufe der Zeit im Hinblick auf die äußeren Umstände konkretisiert worden sei. Jedenfalls habe der Kläger von Anfang an angegeben, dass er bei einem Einsatz im K. bei einer Fahrt in den Norden zur Versorgung der deutschen Einsatzkompanie nach Ankunft aus dem Auto ausgestiegen sei und plötzlich auf dem linken Ohr fast nichts mehr hören habe können. Unbeachtlich sei insofern, ob sich dieses Ereignis nun am 8. oder am 12. Oktober 2011 zugetragen habe, denn jedenfalls seien diese Schilderungen zeitlich stets auf den Einsatz im K. und die eine konkrete Fahrt bezogen gewesen.

42

Bezüglich der Ursachen eines Hörsturzes werde in Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 317, ausgeführt, dass sowohl die Entstehung als auch die Diagnose noch nicht geklärt seien. Die Ursache solle überwiegend eine Durchblutungsstörung des Innenohres sein, welche die Sauerstoffzufuhr einschränke, seltener ein Virusinfekt. Diese Ausführungen stimmten überein mit denen der Gutachter im Widerspruchs- und Gerichtsverfahren. So hätten sowohl Dr. G. als auch der Gutachter P. in ihren Gutachten ausgeführt, dass die Ursachen des Hörsturzes ungeklärt seien und kontrovers diskutiert würden. Dr. G. benenne als mögliche Risikofaktoren Bluthochdruck, Übergewicht und Stress. DM P. benenne als mögliche Ursache auch eine Erkältung bzw. einen grippalen Infekt. Einigkeit zwischen der medizinischen Lehrmeinung und der Meinung der Gutachter bestehe damit insoweit, wie die Ursachen eines Hörsturzes ungeklärt seien.

43

Da die Ursache eines Hörsturzes in der medizinisch wissenschaftlichen Lehrmeinung ungeklärt sei, könne die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs nicht begründet oder angenommen werden, da jedenfalls auch Faktoren in Betracht kommen würden, die evident kein schädigendes Ereignis bei der Wehrdienstausübung darstellten, z.B. Durchblutungsstörungen/Bluthochdruck oder Übergewicht. Daneben kämen Stress und ungewöhnliche Lebensumstände als Ursache in Betracht, die hier durchaus als schädigendes Ereignis während der Wehrdienstausübung anzusehen wären. Es gebe insoweit aber keine (medizinischen) Tatsachen, die mehr für als gegen eine Ursache bzw. einen kausalen Zusammenhang sprächen. Hierbei sei entscheidend auf die allgemeine medizinische Lehrmeinung abzustellen. Das Gericht könne sich nicht an der Auffassung nur einzelner Ärzte orientieren, sondern müsse den Gesamtstand der medizinischen Wissenschaft zugrunde legen. Der bestehende zeitliche Zusammenhang allein genüge nicht für den Maßstab der wesentlichen Bedingung und die Annahme, dass der während des K.-Einsatzes herrschende Stress oder die ungewöhnlichen Lebensumstände zu dieser Zeit mit hinreichender Wahrscheinlichkeit Ursache des Hörsturzes und damit der Gesundheitsbeschädigungen auf dem linken Ohr seien. Dies umso mehr, als der Kläger zum Zeitpunkt des behaupteten schädigenden Ereignisses definitiv auch stark erkältet gewesen sei, somit also eine weitere Ursache im Raum stehe. Auch Dr. B. habe diesbezüglich neben der Schwerhörigkeit weitere relevante Diagnosen gestellt, nämlich eine Rhinopharyngitis chronica und einen Zustand nach Rhinitis, beides Erkrankungen der Nase, also im unmittelbaren Bereich der Ohren. Darüber hinaus werde von den Ärzten auch eine Durchblutungsstörung des Innenohres als Ursache diskutiert, also eine allein innere Ursache, die ohne äußere Einwirkungen zum Tragen komme bzw. bei der äußere Einwirkungen ggf. nur Auslöser, aber eben nicht Ursache der Erkrankung seien. Letztendlich sei ebenfalls zu berücksichtigen, dass sich bei dem Kläger auch auf dem rechten Ohr, welches definitiv nach eigenen Aussagen des Klägers bei dem K.-Einsatz nicht betroffen gewesen sei, eine Schwerhörigkeit entwickelt habe, wenn auch geringer als auf dem linken Ohr. Auch dies spreche gegen eine Wahrscheinlichkeit des Zusammenhangs zwischen dem benannten Einsatz und der Erkrankung.

44

Aus diesem Grund könnte allein die sogenannte Kann-Versorgung zum Tragen kommen, deren Voraussetzungen aber ebenfalls nicht erfüllt seien.

45

Dabei sei zunächst zu berücksichtigen, dass als entschädigungserhebliche Vorgänge bzw. Ereignisse vorliegend nur der Stress und die ungewöhnlichen Lebensumstände während des K.-Einsatzes des Klägers in Frage kommen würden. Nur in Bezug auf diese Vorgänge sei eine mögliche Kann-Versorgung im Zusammenhang mit dem festgestellten Hörsturz zu diskutieren.

46

Zwar würden, wie bereits ausgeführt, auch Stress und ungewöhnliche Lebensumstände als Ursachen des Hörsturzes diskutiert, jedoch daneben eben auch weitere Ursachen (z.B. Durchblutungsstörungen), ohne dass einer dieser Ursachen der „Vorrang“ gegeben werden könne. Wenn überhaupt bestehe ein Vorrang nach Schönberger/Mehrtens/Valentin im Hinblick auf die Durchblutungsstörungen des Innenohres als Ursache eines Hörsturzes, also bezüglich eines entschädigungsunerheblichen Vorgangs. Auch ausweislich der Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie, - Hörsturz -, Stand 01/2014, würden in erster Linie vaskuläre und rheologische Störungen, Infektionen und zelluläre Regulationsstörungen als Pathomechanismen diskutiert. Es sei nicht so, dass Fachmediziner im Sinne einer Mindermeinung davon ausgingen, Stress und ungewöhnliche Lebensumstände seien Ursache eines Hörsturzes. Darüber hinaus wäre dann noch fraglich, inwieweit ein relevanter Stress oder über das Übliche hinausgehende ungewöhnliche Lebensumstände bei dem Kläger vorgelegen hätten. Dies gelte unabhängig von der Tatsache, dass ein entsprechender Einsatz, wie ihn der Kläger durchgeführt habe, sicherlich im Hinblick auf Stress und Ungewöhnlichkeit der Lebensumstände speziell zu bewerten sei. Jedoch reiche insoweit allein diese Tatsache sicherlich nicht aus. Dies brauche aber auch nicht weiter ausgeführt zu werden. Denn als mögliche Ursachen benannt seien auch akute lokale Durchblutungs- und Stoffwechselstörungen sowie Virusinfektionen. Damit gewinne die beim Kläger im streitigen Zeitpunkt bestehende extreme Erkältung wiederum Bedeutung. Eine solche habe definitiv vorgelegen und komme nach der Meinung von Ärzten als Ursache grundsätzlich ebenso in Betracht wie Stress oder ungewöhnliche Lebensumstände. Im Ergebnis bestehe also nicht mehr als die theoretische Möglichkeit, dass der vorhandene Stress und/oder die ungewöhnlichen Lebensumstände während des K.-Einsatzes – wenn man vom Vorliegen dieser Faktoren ausgehe – die Ursachen des diagnostizierten Hörsturzes gewesen seien. Es lägen keine Erkenntnisse einer nachvollziehbaren wissenschaftlichen Lehrmeinung vor, die für einen generellen, in der Regel durch statistische Erhebungen untermauerten Zusammenhang zwischen der festgestellten Erkrankung und den „Umständen des K.-Einsatzes“ sprächen. Es existiere auch keine nachvollziehbare evidenzbasierte wissenschaftliche Lehrmeinung, bei deren Zugrundelegung wenigstens eine gute Möglichkeit für das Vorliegen eines ursächlichen Zusammenhangs bestünde. Solche wissenschaftlichen Lehrmeinungen würden weder in den eingeholten Gutachten noch in den versorgungsärztlichen Stellungnahmen oder in der medizinischen Literatur benannt.

47

Mangels ursächlichem Zusammenhang zwischen den Gesundheitsbeschädigungen und der Wehrdienstausübung sowie der Voraussetzungen der Kann-Versorgung habe der Kläger gegen die Beklagte auch keinen Anspruch auf Beschädigtenversorgung.

48

Gegen das am 20. April 2015 zugestellte Urteil hat der Kläger am 21. April 2015 Berufung eingelegt und zur Begründung ausgeführt, er habe in der mündlichen Verhandlung ausführlich die Umstände der Dienstwahrnehmung während seines Einsatzes im K. geschildert, welche mit einem höheren Stresslevel und einem höheren Lärmpegel verbunden gewesen seien. Diese erheblichen Stresssituationen hätten den Hörsturz verursacht. Dagegen habe das Sozialgericht eine Ursächlichkeit des K.-Einsatzes verneint, da der Kläger zum Zeitpunkt des festgestellten Ereignisses auch stark erkältet gewesen sei. Der Kläger hat einen Bericht des Bundesverteidigungsministeriums vom 28. September 2011 u.a. über die Lage im K. und einen Bericht des Hauptmanns R. vorgelegt, der darin erklärt, er sei ab Ende September 2011 Leiter des technischen Gebäudemanagements im K. gewesen. Bis zu seinem Eintreffen seien seine Aufgaben von dem Kläger übernommen worden. Es habe Personalmangel, erheblicher Arbeitsanfall und ständige Bereitschaft bestanden. Zusätzlich zu den betreuenden Einsatzliegenschaften seien für die wegen der Unruhen im NordK. im August 2011 aktivierte E.-Einheit ein Feldlager in D. sowie weitere Grenzübergänge und Stationen aufzubauen bzw. zu verstärken gewesen. Der Kläger habe insoweit die Elektrik, Systemsteuerung, Instandhaltung und Fehlersuche koordiniert. Dessen Arbeitspensum sei weit über die normale Tätigkeit hinausgegangen. Die Lage sei bis zur Entspannung im November 2011 mehr als angespannt und für alle Kräfte mehr als fordernd gewesen.

49

Der Kläger beantragt,

50

das Urteil des Sozialgerichts Neubrandenburg vom 25. Februar 2015 und den Bescheid vom 1. Juni 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Februar 2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, bei dem Kläger eine mittelgradige Innenohrschwerhörigkeit links sowie einen Tinnitus links als Folge einer Wehrdienstbeschädigung anzuerkennen und aufgrund dessen Beschädigtenversorgung nach dem Soldatenversorgungsgesetz zu gewähren.

51

Die Beklagte beantragt,

52

die Berufung zurückzuweisen.

53

Nach ihrer Auffassung sei das angefochtene Urteil nicht zu beanstanden.

54

Der Senat hat eine gutachterliche Stellungnahme des Chefarztes PD Dr. habil. G. vom 20. Mai 2020 eingeholt. Dieser ist zu dem Ergebnis gelangt, dass die Voraussetzungen für ein Knalltrauma als Ursache der vorliegenden Hörstörung nicht erfüllt seien. Für ein Knalltrauma sollte das Schallereignis mehr als 150 dB aufweisen. Bei den von dem Kläger beschriebenen Gewehrschüssen in 80-90 m Entfernung ergebe sich selbst dann, wenn er im Auto am offenen Fenster gesessen und sich mit dem geschädigten Ohr der Schallquelle zugewandt habe, ein Schalldruckpegel von lediglich 116 dB. Auch habe die für ein Knalltrauma typische Symptomatik einer sofortigen völligen Vertäubung mit einer anschließenden allmählichen Besserung bei dem Kläger nicht vorgelegen. Vielmehr sei dieser unmittelbar nach dem Schallereignis symptomfrei gewesen und habe sich im Auto noch problemlos mit seinen Kameraden unterhalten können. Die akute Hörminderung sei erst unmittelbar nach der Fahrt bemerkt worden. Dagegen zeige die bei dem Kläger festgestellte Hörkurve einen ähnlichen Verlauf, wie er u.a. auch bei einem Knalltrauma zu erwarten wäre. Ferner ließen sich andere Ursachen für die Innenohrschädigung anamnestisch nicht ausschließen. Neben einem Hörsturz sei als andere Ursache der Hörminderung links anamnestisch auch eine infekttoxische Innenohrschädigung im Rahmen eines stattgefundenen Infektgeschehens zu diskutieren.

55

Auch die Voraussetzungen für eine Kannversorgung nach Teil C Nr. 4 b) VMG lägen nicht vor. So werde in der aktuellen AWMF Hörsturz-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für HNO-Heilkunde und Kopf- und Hals-Chirurgie zur Ursache und Differenzialdiagnose des Hörsturzes ausgeführt, dass vaskuläre und rheologische Störungen, Infektionen und zelluläre Regulationsstörungen als Pathomechanismen diskutiert würden. Als Ursachen für eine akute Innenohrschwerhörigkeit würden Ursachen wie u.a. virale Infektion, Encephalitis disseminata, toxische Einflüsse, dialysepflichtige Niereninsuffizienz, Tumore, Traumata, Meningitis, genetisch bedingte Syndrome, hämatologische Erkrankungen, Herz-Kreislauferkrankungen, psychogene Hörstörungen diskutiert. Natürlich wirkten sich eine ungewöhnliche Lebenssituation oder Stress nicht förderlich auf die Gesundheit im Allgemeinen aus. Deshalb könne daraus aber nicht die Ursache für eine Hörsturzsymptomatik konstruiert werden.

56

Der Kläger hat dahingehend Stellung genommen, es habe nicht ein einzelner Knalleffekt eines einzelnen Schusses auf ihn eingewirkt, sondern eine Gruppe von Fahrzeugen mit wenigstens drei Schützen, mithin ca. 12-15 Schützen, hätten mit ihren Kalaschnikows das komplette Magazin mit 30 Schuss abgefeuert. Dies bedeute einen Schallpegel von mindestens 12 × 30 Schuss (360 Schuss), welche nahezu gleichzeitig an der Barriere entlangfahrend durch die serbischen Kräfte abgefeuert worden seien, bevor der Kläger aus dem Fahrzeug ausgestiegen sei. Beim Aussteigen aus dem Fahrzeug habe er bemerkt, dass er auf dem linken Ohr nichts mehr habe hören können. Diese Darstellung sei auch insoweit nicht konträr zu der Darstellung, dass der Kläger sich noch weiter habe unterhalten können, da ein Hörsturz auf dem rechten Ohr nicht behauptet worden sei. Dem Kläger sei es also durchaus möglich gewesen, noch zu sprechen und über das rechte Ohr noch Geräusche wahrzunehmen. Dadurch ergebe sich, dass eben durch diesen Lärm und das Vorbeifahren natürlich eine erhebliche Drohkulisse gegenüber den Soldaten dargestellt worden sei. Diese Drohkulisse mündete in der Verletzung des Kompaniechefs des Klägers durch Schüsse wenige Tage zuvor. Auch sei die Personallage so schlecht gewesen, dass ca. 40 % der Dienstposten des militärischen Fachpersonals nicht besetzt gewesen sei, was zu erheblich langen Einsatzzeiten und dem entsprechenden Stresslevel, insbesondere bei der vorhandenen Drohkulisse, geführt habe. Hier sei also, schon vor dem Auftreten des Knalltraumas, eine erhebliche psychische und körperliche Stresssituation gegeben gewesen.

57

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

58

Der Senat kann auf die mündliche Verhandlung vom 10. Dezember 2020 auch in Abwesenheit der Beklagten entscheiden, da diese mit der Ladung darauf hingewiesen worden war, dass auch im Falle ihres Ausbleibens verhandelt und entschieden werden kann.

59

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

60

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen.

61

Das ehemals beklagte L. war für die Entscheidung über den Antrag des Klägers zuständig. Dies ergibt sich aus § 88 Abs. 1 und 2 SVG in der bis zum 31. Dezember 2014 gültigen Fassung, weil es um die Feststellung von Gesundheitsstörungen als Folgen einer Wehrdienstbeschädigung sowie um die Gewährung einer Leistung (Ausgleich) wegen dieser Folgen nach dem Ende des Wehrdienstverhältnisses geht. Ab dem 1. Januar 2015 ist das nunmehr beklagte Bundesamt – wie von dem Sozialgericht zutreffend festgestellt – gemäß der seitdem gültigen Fassung des § 88 Abs. 1 SVG zuständige Behörde. Dieser Beteiligtenwechsel kraft Gesetzes hat zur Folge, dass sich die (neue) Beklagte das vorprozessuale Handeln des Vorgängers zurechnen lassen muss (vgl. BSG, Urteil vom 18. November 2015 – B 9 V 1/15 R –, juris). Dabei handelt es sich um eine umfassende Funktionsnachfolge durch die Übertragung der Zuständigkeiten der Länder im Bereich der Beschädigten- und Hinterbliebenenversorgung ab dem 1. Januar 2015 auf den Bund auch für in der Vergangenheit geltend gemachte Ansprüche, da die gewollte "Versorgung aus einer Hand" die Leistungsverpflichtung der Beklagten nicht auf die Zeit ab Geltung des Zuständigkeitsüberganges begrenzt (vgl. BSG, wie vor).

62

Der streitgegenständliche Bescheid vom 1. Juni 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Februar 2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Denn der Kläger hat – wie von dem Sozialgericht zutreffend festgestellt – keinen Anspruch auf Feststellung einer Wehrdienstbeschädigung und damit auch keinen Anspruch auf Beschädigtenversorgung nach dem SVG i.V.m. BVG.

63

Ein Soldat, der eine Wehrdienstbeschädigung erlitten hat, erhält gemäß § 80 SVG nach Beendigung des Wehrdienstverhältnisses wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Wehrdienstbeschädigung auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BVG, soweit in diesem Gesetz nichts Abweichendes bestimmt ist. Nach § 81 Abs. 1 SVG ist Wehrdienstbeschädigung eine gesundheitliche Schädigung, die durch eine Wehrdienstverrichtung, durch einen während der Ausübung des Wehrdienstes erlittenen Unfall oder durch die dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnisse herbeigeführt worden ist. Zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Wehrdienstbeschädigung genügt gemäß § 81 Abs. 6 Satz 1 SVG die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs. Wenn die zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Wehrdienstbeschädigung erforderliche Wahrscheinlichkeit nur deshalb nicht gegeben ist, weil über die Ursache des festgestellten Leidens in der medizinischen Wissenschaft Ungewissheit besteht, kann mit Zustimmung des Bundesministeriums der Verteidigung im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales die Gesundheitsstörung als Folge einer Wehrdienstbeschädigung anerkannt werden; die Zustimmung kann allgemein erteilt werden (sog. Kann-Versorgung nach § 81 Abs. 6 Satz 2 SVG).

64

Nach den medizinischen Ermittlungen steht fest, dass die von dem Kläger als Schädigungsfolge geltend gemachte Innenohrschwerhörigkeit links mit Tinnitus links seit Anfang Dezember 2011 besteht und damit nur wenige Tage nach dem Ende seines Wehrdienstes am 28. November 2011 nachgewiesen wurde. Da der im Januar 2011 vor dem Auslandseinsatz durchgeführte Hörtest keinen Befund aufwies, ist unstreitig, dass bei dem Kläger die Innenohrschwerhörigkeit links während des Einsatzes im K. erstmalig aufgetreten ist. Hierzu im unmittelbaren Zusammenhang steht auch der Tinnitus links. Dieser wurde zwar erst von Dr. G. im Dezember 2012 ausdrücklich diagnostiziert, jedoch gibt Dr. B. bereits im Dezember 2011 in der Anamnese ein zeitweiliges Rauschen links an. Dieser Gesundheitsschaden beruht nach den übereinstimmenden Einschätzungen der Gutachter Dr. G. und P., die widerspruchsfrei, überzeugend und für den Senat gut nachvollziehbar gewesen sind, und den ihnen zustimmenden versorgungsmedizinischen Stellungnahmen auf einem Hörsturz als Primärschädigung.

65

Dieser Primärschaden des Klägers ist jedoch nicht durch eine Wehrdienstbeschädigung im Sinne von § 81 Abs. 1 SVG herbeigeführt worden.

66

Für den Senat steht nach den durchgeführten Ermittlungen und dem übrigen Inhalt der Akten zur vollen Überzeugung fest, dass der von dem Kläger geltend gemachte Hörschaden erstmalig aufgetreten ist, als dieser im Oktober 2011 während einer Dienstfahrt in den Norden des K. nach dem Aussteigen aus einem Fahrzeug eine Verschlechterung des Hörvermögens auf dem linken Ohr bemerkt hat, ohne dass ein Ereignis wie ein Knalltrauma, das hiermit im Zusammenhang stehen könnte, vorausgegangen ist. Zu diesem Zeitpunkt hat bei dem Kläger eine Erkältung bestanden, die er als Ursache angesehen hat, weswegen er sich vor Ort im K. nicht in truppenärztliche Behandlung begeben hat.

67

Diese Feststellungen beruhen auf den glaubhaften Angaben, die der Kläger ab Dezember 2011 und damit unmittelbar nach Beendigung des Auslandseinsatzes im November 2011 gegenüber den behandelnden Ärzten, der Beklagten und dem L. konstant gemacht hat und im Übrigen zwischen den Beteiligten auch nicht im Streit stehen.

68

Nach den weiteren Feststellungen des Senats hat bei dem Kläger während des Einsatzes im K. eine erhebliche Stresssituation bestanden. Der Kläger ist dort als Elektromeister für die Elektroversorgung zuständig gewesen. Bis Ende September 2011 hat der Kläger auch das technische Gebäudemanagement kommissarisch geleitet. Bei erheblichem Personalmangel ist das Arbeitspensum des Klägers deutlich über die normale Arbeitszeit hinausgegangen. Der Kläger hat keine festen Arbeitszeiten gehabt und ist in ständiger Bereitschaft gewesen. Er hat einmal nachts zu einem Einsatz ausrücken müssen, um die Versorgung eines Zeltlagers sicherzustellen. Die Einsätze in den Norden des K. sind unter schwerbewaffnetem Geleitschutz durchgeführt worden. Allgemein hat eine Bedrohungslage durch serbische und albanische Truppen bestanden. Es ist mehrfach vorgekommen, dass Truppenteile sowohl von albanischen als auch serbischen Gruppen durch das Errichten von Barrikaden – teilweise über Tage – festgesetzt worden sind.

69

Zwar beruhen diese weiteren Feststellungen auf Angaben, die der Kläger erst nach Erhebung der Klage im März 2013 gemacht hat, die der Senat dennoch für glaubhaft hält und im Übrigen auch nicht streitig sind.

70

Soweit der Kläger dagegen seit der mündlichen Verhandlung beim Sozialgericht im Februar 2015 ergänzend angibt, dem erstmaligen Auftreten seines Hörschadens nach Aussteigen aus einem Fahrzeug sei (nunmehr doch) eine Lärmeinwirkung durch einzelne Schüsse aus einer Entfernung von ca. 80 m bzw. – nach dem im Berufungsverfahren weiter ausgeschmückten Vorbringen – durch vielfach überlagerte Maschinengewehrsalven von insgesamt mindestens 360 Schüssen vorausgegangen, hält der Senat dieses Vorbringen auch bei Zugrundelegung des Beweismaßstabs der Glaubhaftmachung nach § 15 KOVVfG für völlig unglaubhaft. Denn dieser Vortrag steht im eklatanten Widerspruch zu den früheren, insbesondere zeitnah nach dem K.-Einsatz wiederholt gemachten gegenteiligen Angaben des Klägers gegenüber seinen Behandlern, der Beklagten, dem L. und den Gutachtern Dr. G. und P., wonach die Hörminderung plötzlich und ohne erkennbare äußere Ursache und ausdrücklich nicht im Zusammenhang mit einem Knalltrauma aufgetreten sei. Der Senat ist daher – wie oben ausgeführt – stattdessen davon überzeugt, dass dem Eintritt des Hörschadens kein Knalltrauma und keine akustische Einwirkung durch Schüsse vorangegangen ist.

71

Auf der Grundlage des danach von dem Senat festgestellten Sachverhalts ist der Hörschaden, der bei dem Kläger während des K.-Einsatzes auf einer Dienstfahrt im Oktober 2011 ohne ein vorangegangenes Ereignis wie ein Knalltrauma plötzlich aufgetreten ist, offenkundig nicht auf eine konkrete Wehrdienstverrichtung, insbesondere nicht auf das Aussteigen aus einem Kraftfahrzeug auf der betreffenden Dienstfahrt, und ebenso wenig auf einen während der Ausübung des Wehrdienstes erlittenen Unfall im Sinne von § 81 Abs. 1 SVG zurückzuführen. Dies folgt zudem übereinstimmend aus den Gutachten von Dr. G. und P. und den von dem L. und der Beklagten eingeholten versorgungsmedizinischen Stellungnahmen.

72

Der Hörschaden ist auch nicht durch die dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnisse als dritte Tatbestandsvariante des § 81 Abs. 1 SVG herbeigeführt worden. Zwar macht der Kläger dies sinngemäß geltend, indem er den unstreitigen Gesundheitsschaden auch auf den psychischen Stress zurückführt, dem er während des K.-Einsatzes ausgesetzt gewesen ist. Bei diesen Umständen handelt es sich jedoch zur vollen Überzeugung des Senats weder um dem Wehrdienst eigentümliche Verhältnisse noch haben diese Umstände den von dem Kläger geltend gemachten Gesundheitsschaden im Sinne von § 81 Abs. 6 Satz 1 und 2 SVG verursacht.

73

Wehrdiensteigentümliche Verhältnisse sind die mit den besonderen Gegebenheiten des Dienstes verknüpften Lebensbedingungen, die typische Merkmale des Dienstes aufweisen und sich außerdem deutlich von denjenigen des Zivillebens abheben. Mit diesem Tatbestand erfasst die Soldatenversorgung alle nicht näher bestimmbaren Einflüsse des Wehrdienstes, die sich u.a. auch aus der besonderen Rechtsnatur des Wehrdienstverhältnisses mit seiner Beschränkung der persönlichen Freiheit des Soldaten ergeben. Zum Vergleich sind die normalen Umstände und Verhaltensweisen sowie die durchschnittlichen Gefährdungen im Zivilleben maßgebend, aus denen der Soldat durch die Ableistung des Wehrdienstes herausgerissen worden ist, es sei denn, der Einzelfall lege der Natur der Sache nach den Vergleich mit gruppenspezifischen Merkmalen nahe (vgl. hierzu insgesamt BSG, Urteil vom 8. August 1984 – 9a RV 37/83 –, juris). Psychischer Stress und starke Beanspruchungssituationen in Gestalt von erhöhtem Arbeitsanfall sind in aller Regel nicht dem Wehrdienst eigentümlich, soweit sich die Situation nicht ausnahmsweise von den im Zivilleben anzutreffenden vergleichbaren Umständen unterscheidet (vgl. BSG, Urteil vom 17. Mai 1977 – 10 KlV 2/74, juris).

74

Danach ist der Kläger keinen Anforderungen, die über das übliche Ausmaß der körperlichen und seelischen Beanspruchung eines Wehrdienstleistenden in vergleichbarer Position im Zivilleben hinausgehen, ausgesetzt gewesen. Der Stress, dem der Kläger – wie in den obigen Feststellungen dargestellt – während des K.-Einsatzes als für die Elektroversorgung zuständiger Elektromeister ausgesetzt gewesen ist, entspricht im Wesentlichen dem Stress, mit dem ein Elektromeister wie der Kläger auch im zivilen Erwerbsleben konfrontiert ist. Denn auch bei der Tätigkeit eines Elektromeisters im Zivilleben kann über eine längere Zeit ein deutlich erhöhtes Arbeitspensum ohne feste Arbeitszeiten erforderlich sein, wenn bei umfangreichen Werkaufträgen knapp bemessene Fertigstellungstermine und/oder erheblicher Personalmangel auch über längere Zeit einen deutlich erhöhten Arbeitseinsatz mit Überstunden abverlangen. Dies ist im Baugewerbe häufig mit wechselnden, mitunter weit entfernten auswärtigen Einsatzorten verbunden, die zeitintensive An- und Abfahrten und auswärtige Unterbringung in mitunter einfachen (Gruppen-) Unterkünften bedingen. Zudem sind Bereitschaftsdienste über 24 Stunden und dadurch bedingte nächtliche Arbeitseinsätze bei Elektrofachbetrieben branchenübliche Dienstleistungen, die im Fall von Personalmangel oder bei Kleinbetrieben auch über längere Zeit von demselben Mitarbeiter zu erbringen sind.

75

Die daneben von dem Kläger angegebenen allgemeinen Begleitumstände seines Einsatzes, die mit der damaligen Bedrohungslage im K. im Zusammenhang gestanden haben, sind nicht mit zusätzlichem Stress für den Kläger verbunden gewesen. So beschreibt der Kläger neben einer abstrakten Bedrohungslage äußerst vage, dass Truppenteile sowohl von albanischen als auch serbischen Gruppen durch Barrikaden – teilweise über Tage – festgesetzt worden sind, ohne dass er selbst an solchen Vorfällen beteiligt gewesen ist. Dem Vorbringen des Klägers kann nur entnommen werden, dass er an Einsatzfahrten in den NordK. mit bewaffnetem Geleitschutz teilgenommen hat. Es ist weder vom Kläger vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich, aufgrund welcher konkreten Umstände dies zu einer Stresseinwirkung auf den Kläger geführt hat, die deutlich über die Belastung auf Einsatzfahrten zu auswärtigen Baustellen im Zivilleben hinausgeht.

76

Darüber hinaus ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Stress während des K.-Einsatzes und dem in dieser Zeit erlittenen Gesundheitsschaden des Klägers nicht im Sinne von § 81 Abs. 6 Satz 1 SVG wahrscheinlich. Die beiden Gutachter Dr. G. und P. haben übereinstimmend – mit zustimmenden versorgungsmedizinischen Stellungnahmen von Dr. F. und Dr. Q. – widerspruchsfrei, überzeugend und gut nachvollziehbar die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs zwischen den Umständen während des Auslandseinsatzes und dem Hörsturz verneint, weil die Ätiologie und Pathogenese eines Hörsturzes weitestgehend ungeklärt sind.

77

Auch die Voraussetzungen für eine Kann-Versorgung nach § 81 Abs. 6 Satz 2 SVG liegen nicht vor. Diese sind in Teil C Nr. 4 der Versorgungsmedizinische Grundsätze (VMG) als Anlage zu § 2 Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) i.V.m. § 30 Abs. 16 BVG und § 80 Abs. 1 SVG geregelt. Nach Teil C Nr. 4 b) bb) VMG muss u.a. ein ursächlicher Einfluss der im Einzelfall vorliegenden Umstände in den wissenschaftlichen Arbeitshypothesen als theoretisch begründet in Erwägung gezogen werden. Nach der überzeugenden Begründung von Dr. G. werden in der medizinischen Wissenschaft als Pathomechanismen für einen Hörsturz vaskuläre und rheologische Störungen, Infektionen und zelluläre Regulationsstörungen diskutiert. Bereits den hierzu vorgelagerten ursächlichen Zusammenhang auf die vorgenannten Pathomechanismen durch die Umstände des Auslandseinsatzes und des damit für den Kläger verbundenen Stresses hat Dr. G. im vorliegenden Einzelfall als konstruiert eingeschätzt und damit verneint.

78

Ergänzend wird insoweit Bezug genommen auf die Ausführungen des Sozialgerichts, in denen ein ursächlicher Zusammenhang und eine Kannversorgung mit zutreffenden Gründen verneint wird.

79

Des Weiteren sind auch die besonderen Wehrdienstbeschädigungstatbestände nach § 81 Abs. 2 SVG nicht erfüllt. So wurde die gesundheitliche Schädigung des Klägers weder durch einen Angriff auf einen Soldaten im Sinne von Nr. 1 noch durch einen Unfall im Sinne von Nr. 2 herbeigeführt. Es liegt auch kein Fall des § 81 Abs. 2 Nr. 3 SVG vor. Danach muss die gesundheitliche Schädigung durch gesundheitsschädigende Verhältnisse herbeigeführt werden, denen der Soldat im Ausland besonders ausgesetzt war. Dies ist nach den vorstehenden Ausführungen aufgrund des festgestellten Sachverhalts ebenso wenig gegeben.

80

Auch die weiteren Tatbestände nach § 81 Abs. 3 und 4 sowie § 81a SVG scheiden offenkundig aus. Ferner sind die Voraussetzungen von § 81b und § 81d SVG mangels Schädigung durch einen Unfall und § 81e SVG mangels Schädigung durch einen Angriff nicht gegeben.

81

Schließlich ist auch der Tatbestand des § 81c SVG nicht erfüllt. Danach wird Versorgung in gleicher Weise wie für die Folgen einer Wehrdienstbeschädigung gewährt, wenn ein Soldat während einer besonderen Verwendung im Sinne des § 63c SVG eine gesundheitliche Schädigung erleidet, die auf vom Inland wesentlich abweichende Verhältnisse zurückzuführen ist, denen der Soldat während dieser Verwendung besonders ausgesetzt war. Der Kläger wurde in Bezug auf seinen Einsatz im K. laut Änderungsbescheid vom 26. September 2011 aufgrund des Bescheids vom 21. Juni 2011 zur Ableistung einer besonderen Auslandsverwendung herangezogen. Die weiteren Voraussetzungen liegen dagegen nicht vor, da der Kläger im Auslandseinsatz nicht vom Inland abweichenden Verhältnissen, die zu einer gesundheitlichen Schädigung hätten führen können, besonders ausgesetzt war. Insoweit wird Bezug genommen auf die obigen Ausführungen.

82

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

83

Die Revision ist nicht nach § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen.

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