Beschluss vom Landessozialgericht NRW - L 21 R 579/21 B
Tenor
Die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 19.05.2021 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
1
Gründe:
2Die Beschwerde ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Das Sozialgericht (SG) Gelsenkirchen hat es mit Beschluss vom 19.05.2021 zu Recht angelehnt, die Kosten der nach § 109 SGG eingeholten Gutachten von Frau Prof. A vom 16.11.2020 und Herrn Dr. K vom 05.11.2020 auf die Landeskasse zu übernehmen.
31. Über die endgültige Kostentragungspflicht eines Gutachtens nach § 109 SGG entscheidet das Gericht nach Ermessen durch Beschluss. Das Gericht berücksichtigt in seiner Ermessensentscheidung, ob das Gutachten die Sachaufklärung wesentlich gefördert hat. Dabei spielt weder der Ausgang des Verfahrens noch die Frage eine Rolle, ob das Gutachten die Erledigung des Rechtsstreits ohne Urteil gefördert und damit dem Rechtsfrieden gedient hat. Entscheidend ist vielmehr, ob durch das Gutachten neue beweiserhebliche Gesichtspunkte zu Tage getreten sind oder die Leistungsbeurteilung auf eine wesentlich breitere und für das Gericht und die Prozessbeteiligten überzeugendere Grundlage gestellt wurde (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig u.a., SGG 2020, § 109 Rn. 16 und 16a m.w.N.).
4a) Nach diesem rechtlichen Maßstab waren die Kosten für die von Frau Prof. A und Herrn Dr. K auf Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG erstatteten Gutachten nicht auf die Staatskasse zu übernehmen.
5Denn weder sind durch diese Gutachten neue beweiserhebliche Gesichtspunkte zu Tage getreten noch ist die Leistungsbeurteilung durch sie auf eine wesentlich breitere und für das Gericht und die Prozessbeteiligten überzeugendere Grundlage gestellt worden. Das SG hatte zuvor von Amts wegen gemäß § 106 SGG bereits ein weiteres, zweites Sachverständigengutachten auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet von Herrn D vom 29.11.2019 eingeholt, nachdem das erste Sachverständigengutachten auf diesem Fachgebiet von Frau Dr. N vom 18.03.2019 hinsichtlich des quantitativen Leistungsvermögens des Klägers keine ausreichende oder jedenfalls stabile Beurteilungsgrundlage bot. Frau Prof. A hat sich den Ausführungen des Sachverständigen Herrn D dabei ausdrücklich angeschlossen (Seite 40 ihres Gutachtens). Ihr Gutachten ist in gewohnter sehr guter Qualität erstellt, eine wesentlich breitere Grundlage hat es dabei aber nicht geschaffen bzw. mangels Befunden nicht schaffen können.
6Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers bestand zur Einholung eines “Obergutachtens“ keine Veranlassung. Denn nach ständiger Rechtsprechung des BSG "besteht kein allgemeiner Anspruch auf Überprüfung eines oder mehrerer Sachverständigengutachten durch ein so genanntes Obergutachten (...). Vielmehr ist es Aufgabe des Tatsachengerichts, sich im Rahmen der Beweiswürdigung mit einander entgegenstehenden Gutachten auseinanderzusetzen. Hält das Gericht eines oder einige von mehreren Gutachten für überzeugend, darf es sich diesen grundsätzlich anschließen, ohne ein weiteres Gutachten einholen zu müssen. Die Würdigung unterschiedlicher Gutachtenergebnisse gehört - wie die anderer sich widersprechender Beweisergebnisse - zur Beweiswürdigung selbst (...). Bei einer derartigen Fallgestaltung ist für eine weitere Beweiserhebung regelmäßig kein Raum. Zu weiteren Beweiserhebungen ist das Tatsachengericht nur dann verpflichtet, wenn die vorhandenen Gutachten grobe Mängel oder unlösbare Widersprüche enthalten, von unzutreffenden sachlichen Voraussetzungen ausgehen oder Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde des Gutachters geben“ (BSG, Beschluss vom 27.04.2021, B 13 R 125/20 B, Rn. 7). Letzteres war hier nicht der Fall, nachdem das Gutachten des Sachverständigen Herrn D vorlag, das die qualitativen Vorgaben an ein sozialmedizinisches Sachverständigengutachtens erfüllt.
7b) Das orthopädische Sachverständigengutachten von Herrn Dr. K hat ebenfalls keine neuen beweiserheblichen Gesichtspunkte an den Tag gelegt. Es hat als führende Diagnose - neben weiteren leichten Nebenleiden - ein Wirbelsäulensyndrom mit nur geringer Funktionsstörung und ohne Nervenwurzelreizerscheinungen beschrieben. Leichte bis mittelschwere körperliche Arbeiten waren dem Kläger danach vollschichtig noch möglich, so dass die orthopädischen Leiden neben dem psychischem Leiden keine maßgeblichen Auswirkungen auf die Erwerbsfähigkeit des Klägers hatten.
82. Über die Kosten der Beschwerde ist in entsprechender Anwendung des § 193 SGG zu entscheiden, weil für das Beschwerdeverfahren zusätzliche außergerichtliche Kosten anfallen (LSG NRW vom 28.05.2013, L 13 SB 83/13 B, Rn. 6 f.; LSG NRW vom 23.05.2018, L 21 SB 122/16 B - juris). Die Kostenentscheidung trägt dem fehlenden Erfolg der Beschwerde Rechnung. Kostenschuldner wäre die Landeskasse, weil streitig ist, ob die Klägerseite oder die Landeskasse die Gutachtenkosten (endgültig) zu tragen hat (Keller; a.a.O., § 109 Rn. 22; LSG NRW vom 05.09.2011, L 10 P 34/11 B, vom 01.04.2016, L 14 R 562/12 B m.w.N., vom 23.05.2018, L 21 SB 122/16 B; a.A. LSG NRW vom 28.05.2013, L 13 SB 83/13).
93. Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).
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Referenzen
- 21 SB 122/16 1x (nicht zugeordnet)
- 14 R 562/12 1x (nicht zugeordnet)
- SGG § 109 3x
- SGG § 193 1x
- 10 P 34/11 1x (nicht zugeordnet)
- 13 SB 83/13 1x (nicht zugeordnet)
- 13 R 125/20 1x (nicht zugeordnet)
- 13 SB 83/13 1x (nicht zugeordnet)
- 21 SB 122/16 1x (nicht zugeordnet)