Beschluss vom Landessozialgericht Rheinland-Pfalz (5. Senat) - L 5 KR 62/12 B ER

1. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Koblenz vom 31.01.2012 aufgehoben und die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 30.06.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.11.2011 angeordnet.

2. Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller die außergerichtlichen Kosten des Antrags- und Beschwerdeverfahrens zu erstatten.

Gründe

I.

1

Der am ... 1947 geborene Antragsteller ist bei der Antragsgegnerin nach § 5 Abs. 1 Nr. 10 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) krankenversichert. Gegen eine für die Zeit vom 01.02.2011 bis 31.07.2011 nach (streitiger) Nichtbeantwortung einer Einkommensanfrage erfolgte Beitragsfestsetzung in der Höchstklasse (Bescheid vom 14.01.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.11.2011) ist beim Sozialgericht Koblenz ein Klageverfahren anhängig (S 13 KR 766/11). Da der Antragsteller die festgesetzten höheren Beiträge nicht zahlte, hob die Antragsgegnerin eine 2010 zum Ausgleich eines bestehenden Beitragsrückstandes getroffene Ratenzahlungsvereinbarung mit Schreiben vom 17.06.2011 auf und forderte den Antragsteller zum Ausgleich des ihres Erachtens offenen Gesamtbeitragsrückstandes in Höhe von 2.472,92 € bis zum 28.06.2011 unter Hinweis auf die bei Nichtzahlung ansonsten vorzunehmende Einschränkung seines Leistungsanspruches auf. Mit Bescheid vom 30.06.2011 in Gestalt des weiteren Widerspruchsbescheides vom 30.11.2011 ordnete die Antragsgegnerin sodann das Ruhen von Leistungsansprüchen ab 07.07.2011 wegen der Nichtzahlung der ausstehenden Beiträge an. Hiergegen hat der Antragsteller am 03.01.2012 Klage zum Sozialgericht Koblenz (SG) erhoben und zugleich um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Das SG hat das einstweilige Rechtsschutzbegehren durch Beschluss vom 31.01.2012, auf den Bezug genommen wird, abgelehnt.

2

Am 02.03.2012 hat der Antragsteller gegen den ihm am 02.02.2012 zugestellten Beschluss Beschwerde eingelegt, mit der er sein Begehren weiterverfolgt.

II.

3

Die zulässige Beschwerde des Antragstellers hat auch in der Sache Erfolg. Da seine Klage gegen die Ruhensanordnung gemäß §§ 86a Abs. 2 Nr. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG), 16 Abs. 3a Satz 2 SGB V i.V.m. § 16 Abs. 2 Satz 4 Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung hat, ist sein einstweiliges Rechtsschutzbegehren im Sinne des § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG darauf gerichtet, dass das Gericht die aufschiebende Wirkung der Klage anordnet. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung steht im pflichtgemäßen Ermessen des Senats. Dabei sind die Erfolgsaussichten der Klage, das Einzel- und das öffentliche Interesse gegeneinander abzuwägen. Dem Gesetz ist insoweit ein Regel-Ausnahme-Verhältnis zuungunsten der Anordnung der aufschiebenden Wirkung (so genannter Suspensiveffekt) zu entnehmen, denn der Gesetzgeber schätzt in den Fällen des § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG durch den ausdrücklichen Ausschluss der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage das öffentliche Interesse an einem Sofortvollzug höher ein als das Privatinteresse an der vorläufigen Aussetzung der Ruhensregelung (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 86b Rn. 12c m.w.N.). Je höher allerdings die Erfolgsaussichten von Widerspruch und Anfechtungsklage in der Hauptsache sind, um so geringere Anforderungen sind an das Anordnungsinteresse des Antragstellers zu stellen.

4

Im Rahmen der gebotenen summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage steht vorliegend fest, dass die Ruhensanordnung der Antragsgegnerin durch Bescheid vom 30.06.2011 rechtlich mangelhaft ist. Voraussetzung hierfür ist nach § 16 Abs. 3a SGB V i.V.m. § 16 Abs. 2 KSVG ein Beitragsrückstand des Versicherten mit einem Betrag in Höhe von Beitragsanteilen für zwei Monate und eine Mahnung der Krankenkasse. Für den Ausgleich des Beitragsrückstands ist dem Versicherten eine Frist von zwei Wochen zu gewähren, wie sich aus der Regelung des § 16 Abs. 2 Satz 2 KSVG ergibt. Ist der Rückstand zwei Wochen nach Zugang der Mahnung noch höher als der Beitragsanteil für einen Monat, stellt die Krankenkasse das Ruhen der Leistungen fest; das Ruhen tritt drei Tage nach Zugang des Bescheides beim Versicherten ein. Voraussetzung ist, dass der Versicherte in der Mahnung auf diese Folge hingewiesen worden ist (§ 16 Abs. 3 Satz 3 KSVG). Vorliegend hat die Antragsgegnerin den Beitragsrückstand mit Schreiben vom 17.06.2011 angemahnt, dem Antragsteller jedoch lediglich eine Frist bis zum 28.06.2011 zum Ausgleich gesetzt und bereits am 30.06.2011 das Ruhen seiner Leistungsansprüche angeordnet. Zu diesem Zeitpunkt war er jedoch noch nicht, wie es das Gesetz verlangt, "zwei Wochen nach Zugang der Mahnung" mit einem Beitragsanteil für mehr als einen Monat im Rückstand. Der Umstand, dass zum festgestellten Zeitpunkt des Eintritts des Ruhens am 07.07.2011 die Frist von zwei Wochen nach Zugang der Mahnung abgelaufen war, ändert an der Rechtswidrigkeit der von der Antragsgegnerin verfrüht erlassenen Ruhensanordnung nichts. Angesichts der einschneidenden Folgen der Ruhensanordnung für den Versicherungsschutz des Betroffenen erachtet der Senat eine stringente Einhaltung der gesetzlichen Voraussetzungen für geboten, insbesondere muss ihm die zum Ausgleich des Beitragsrückstands ohnehin kurz bemessene Frist von zwei Wochen nach Zugang der Mahnung der Kasse ungeschmälert offenstehen, um ihm eine realistische Möglichkeit zum Ausgleich des Beitragsrückstandes bzw. zumindest zu dessen Verminderung auf den Beitragsanteil für maximal einen Monat zu eröffnen.

5

Die dargestellten Rechtsfehler des vorliegenden Leistungsruhensbescheides der Antragsgegnerin veranlassen jedenfalls im Rahmen der hier gebotenen summarischen Überprüfung dazu, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.

6

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

7

Gegen diesen Beschluss ist die Beschwerde zum Bundessozialgericht nicht gegeben, § 177 SGG.

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