Beschluss vom Landessozialgericht Rheinland-Pfalz (5. Senat) - L 5 KR 269/15 B

1. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Koblenz vom 2.12.2015 aufgehoben. Die vom Antragsteller zu tragenden Gerichtskosten für das Verfahren S 6 KR 1241/13 werden auf 44,50 € festgesetzt.

2. Kosten für das Beschwerdeverfahren sind nicht zu erstatten.

Gründe

I.

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Der Antragsteller wendet sich gegen die Festsetzung der von ihm für das Verfahren S 6 KR 1241/13 zu zahlenden Gerichtskosten nach dem Gerichtskostengesetz (GKG). Umstritten ist, ob das Sozialgericht (SG) zu Recht auch die Kosten eines von ihm eingeholten Sachverständigengutachtens in die Kostenfestsetzung einbezogen hat.

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Die Beteiligten des Rechtsstreits S 6 KR 1241/13 haben über einen Anspruch auf Rückzahlung der Vergütung einer stationären Krankenhausbehandlung in Höhe von 1.927,62 € nebst Zinsen gestritten. Das SG hat ein Gutachten von Prof Dr H vom 2.7.2015 eingeholt. Mit Schreiben vom 27.7.2015 hat das SG den Hauptbeteiligten das Gutachten zugeleitet und ihnen eine Frist zur Stellungnahme zu diesem bis zum 3.9.2015 gesetzt. Am 29.7.2015 hat das SG die Landesjustizkasse angewiesen, den Sachverständigen in Höhe von 932,84 € zu entschädigen. Mit Schreiben vom 19.8.2015 hat der Antragsteller beim SG beantragt, den Sachverständigen wegen Unbrauchbarkeit des Gutachtens nicht zu vergüten, und zur Begründung ausgeführt: Das Gutachten sei bereits sprachlich grob fehlerhaft und dadurch nicht nachvollziehbar. Es fehlten in mehreren Sätzen Worte sowie ganze Textpassagen; auch stünden die Satzteile oft nicht im Zusammenhang. Bereits wegen dieser sprachlichen Fehler sei das Gutachten unverständlich. Zudem fehle dem Gutachten ein eindeutiges Ergebnis. In Anbetracht der Häufung der Fehler sei davon auszugehen, dass diese nicht behebbar seien; daher werde angeregt, ein neues Gutachten einzuholen. Mit Schreiben vom 24.8.2015 hat das SG den Sachverständigen um Nachbesserung ersucht. Dessen Ehefrau hat dem SG daraufhin unter dem 16.9.2015 mitgeteilt, dass der Gutachter bereits am 28.8.2015 verstorben sei. Mit Schreiben vom 21.9.2015 hat das SG die Hauptbeteiligten informiert, es beabsichtige die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens. Unter dem 1.10.2015 hat das SG die Hauptbeteiligten um Prüfung gebeten, ob ggf doch Verständigungsbereitschaft bestehe. Im Oktober 2015 haben die Hauptbeteiligten dem SG mitgeteilt, sie hätten sich vergleichsweise darauf geeinigt, dass der Antragsteller der Klägerin des Rechtsstreits die Hälfte des eingeklagten Betrags zahle. Durch Beschluss vom 9.11.2015 hat das SG ua entschieden, dass jeder Hauptbeteiligte die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des anderen Hauptbeteiligten und jeweils zur Hälfte die Verfahrenskosten zu übernehmen habe.

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Mit Kostenrechnung vom 10.11.2015 hat der Kostenbeamte des SG Koblenz die Kosten des Verfahrens in Höhe von 1.021,84 € (Gebühr 89,-- €; Kosten des Sachverständigengutachtens von 932,84 €) festgesetzt, wovon beide Hauptbeteiligte die Hälfte zu tragen hätten. Am 19.11.2015 hat der Antragsteller Erinnerung gegen die ihn betreffende Kostenfestsetzung eingelegt, weil das SG den Sachverständigen wegen Unverwertbarkeit des Gutachtens nicht hätte entschädigen dürfen. Durch Beschluss vom 2.12.2015 hat das SG Koblenz entschieden, dass der Antragsteller Gerichtskosten von 510,92 € zu zahlen habe, und zur Begründung ausgeführt: Die Kosten des Sachverständigengutachtens seien in die Festsetzung der Gerichtskosten einzubeziehen. Der Antragsteller habe erst nach Ausgleich der Rechnung des Sachverständigen die Nichtverwertbarkeit des Gutachtens gerügt. Zu beachten sei ferner, dass das Gutachten zur Verständigung der Hauptbeteiligten geführt habe, weil wegen des geschlossenen Vergleichs eine weitere Begutachtung entbehrlich geworden sei. Deshalb gelte das Gutachten als verwertbar (§ 8a Abs. 2 Satz 2 Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz – JVEG).

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Gegen diesen Beschluss richtet sich die am 18.12.2015 eingelegte Beschwerde des Antragstellers, der das SG nicht geholfen hat.

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Der Antragsteller trägt vor: Der Vergütungsanspruch des Sachverständigen sei nach § 8a JVEG wegen Unverwertbarkeit des Gutachtens entfallen. Unerheblich sei, dass der Sachverständige vor der Rüge der Nichtverwertbarkeit durch ihn, den Antragsteller, die Vergütung bereits erhalten habe. Denn er habe rechtzeitig innerhalb der ihm bis zum 3.9.2015 gesetzten Frist die Unverwertbarkeit des Gutachtens gerügt. Das Gutachten gelte auch nicht deshalb gemäß § 8a Abs. 2 JVEG als verwertbar, weil es zur Verständigung der Hauptbeteiligten beigetragen habe. Der Vergleich sei nicht wegen des Inhalts des Gutachtens, sondern deshalb zustande gekommen, weil das Gericht erstmals wegen einer Verständigungsbereitschaft angefragt habe und weil damit zu rechnen gewesen sei, dass vor der Erstellung eines weiteren Gutachtens erhebliche Zeit verstreichen würde; ferner sei ins Gewicht gefallen, dass im Falle eines Vergleichs keine Sachverständigenkosten anfallen würden.

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Der Bezirksrevisor für das Land Rheinland-Pfalz hat sich der Auffassung des Antragstellers angeschlossen.

II.

7

Über die Beschwerde entscheidet allein der Berichterstatter des Senats, da die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter erlassen wurde (§ 66 Abs. 6 Satz 1 Gerichtskostengesetz – GKG –; zur Anwendbarkeit im sozialgerichtlichen Verfahren LSG Thüringen 12.8.2014 – L 6 R 210/14 B ER, juris Rn 11). Das Verfahren ist nicht gemäß § 66 Abs. 6 Satz 2 GKG an den Senat zu übertragen, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und keine grundsätzliche Bedeutung hat.

8

Die Beschwerde ist zulässig (§ 66 Abs. 2 GKG). Sie ist nicht nach § 178 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ausgeschlossen, weil im vorliegenden Zusammenhang die Vorschriften des GKG im Verhältnis zum SGG vorrangig sind (§ 1 Abs. 5 GKG; vgl. Straßfeld, SGb 2013, 562, 563). Die Beschwerde nach § 66 Abs. 2 GKG ist nicht fristgebunden, weil diese Vorschrift keine Beschwerdefrist bestimmt (Oberverwaltungsgericht – OVG – Berlin-Brandenburg 4.6.2015 – OVG 3 K 32.14, juris Rn 4; Hartmann, Kostengesetze, 44. Auflage, § 66 GKG Rn 40). Der nach § 66 Abs. 2 Satz 1 GKG erforderliche Beschwerdewert von mehr als 200,-- € ist gegeben.

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Die Beschwerde ist auch begründet. Der Kostenansatz (§ 19 GKG) des SG gegenüber dem Antragsteller ist insoweit zu korrigieren, als dieser für das Gerichtsverfahren lediglich Gerichtskosten in Höhe von 44,50 € zu zahlen hat, nicht aber zusätzlich 466,42 € wegen der Kosten des vom SG eingeholten Sachverständigengutachtens.

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Kosten für die Vergütung eines Sachverständigen werden von den Beteiligten in Verfahren iSd § 197a SGG nach § 3 Abs. 2 GKG iVm Nr. 9005 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) und §§ 8 ff JVEG erhoben. Maßgebend ist, welche Beträge das Gericht an den Sachverständigen zahlen muss bzw. musste (vgl. Hartmann aaO, Kostenverzeichnis Nr. 9005 Rn 1). Daher kommt es darauf an, ob – und bejahendenfalls inwieweit – der Sachverständige eine verwertbare Leistung iSd § 8a JVEG erbracht hat (Bayerischer VGH 15. Januar 2014 – 15 C 12.2250 –, juris Rn 6). Letzteres ist vorliegend nicht der Fall. Nach § 8a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 JVEG erhält der Sachverständige, wenn er eine mangelhafte Leistung erbracht hat, eine Vergütung nur insoweit, als seine Leistung bestimmungsgemäß verwertbar ist. Das Gutachten des Prof Dr H war in vollem Umfang unverwertbar, wovon das SG und die Hauptbeteiligten des Rechtsstreits zu Recht ausgegangen sind. Es ist in entscheidenden Punkten unverständlich; der Gutachter hat auch die gestellten Beweisfragen weitgehend nicht eindeutig beantwortet.

11

Prof Dr H stand entgegen der Auffassung des SG auch nicht nach § 8a Abs. 2 Satz 2 JVEG ein Vergütungsanspruch zu. Nach dieser Vorschrift gilt das Gutachten als verwertbar, soweit das Gericht die Leistung berücksichtigt. Dies ist vorliegend nicht der Fall, da das SG keine Entscheidung in der Sache zu treffen hatte. Ob § 8a Abs. 2 Satz 2 JVEG entsprechend anwendbar ist, wenn die Beteiligten des Rechtsstreits sich im Hinblick auf den Inhalt des Gutachtens auf eine vergleichsweise Regelung geeinigt haben, kann offenbleiben. Denn es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Leistung des Prof Dr H, dh der Inhalt dessen Gutachtens, zu dem Vergleich zwischen den Beteiligten des Rechtsstreits beigetragen hat. Dass die vom SG in dessen Schreiben vom 21.9.2015 aufgezeigte Notwendigkeit einer weiteren Begutachtung am Zustandekommen des Vergleichs mitgewirkt hat, vermag die Anwendung des § 8a Abs. 2 Satz 2 JVEG nicht zu begründen.

12

Die Sachverständigenkosten sind auch nicht deshalb in die Kostenfestsetzung einzubeziehen, weil das SG den Sachverständigen bereits entschädigt hatte, als der Antragsteller die Mängel des Gutachtens gerügt hat. Das SG hatte die Verwertbarkeit des Gutachtens von Amts wegen zu prüfen, bevor es die Vergütung des Sachverständigen veranlasste. Unabhängig davon hat der Antragsteller innerhalb der vom SG gesetzten Frist zur Stellungnahme bis zum 3.9.2015 die Unverwertbarkeit des Gutachtens geltend gemacht.

13

Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 66 Abs. 8 GKG).

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