Urteil vom Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht (4. Senat) - L 4 KA 18/05

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 10. März 2004 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Klage- und des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

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Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung ambulante Herzschrittmacherimplantationen durchführen und abrechnen darf.

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Der 1958 geborene Kläger ist seit Dezember 1985 als Arzt approbiert und seit dem 27. August 1997 Arzt für innere Medizin. Er ist als Arzt für innere Medizin zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen und in einer Gemeinschaftspraxis mit zwei Ärzten für Innere Medizin/Kardiologie tätig.

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Im Dezember 1999 gab er in dem Formblatt "Erklärung zur Durchführung ambulanter Operationen/Anästhesien gem. der Vereinbarung von Qualitätssicherungsmaßnahmen beim ambulanten Operieren" an, in den Räumen der Gemeinschaftspraxis ambulante Herzschrittmacher/ Defibrillatorimplantationen durchführen zu wollen. Er fügte Zeugnisse des Bundeswehrkrankenhauses K., Flottenarzt Dr. C., aus Januar 1993 und des Dr. S. aus Februar 1997 bei. Daraus ergibt sich zusammengefasst, dass der Kläger von Januar 1991 bis Januar 1993 in der inneren Abteilung des Bundeswehrkrankenhauses K. tätig war und dabei auch kardiologische Untersuchungen (Befundung und Dokumentation von 850 Ergometrien, 221 Langzeit-EKGs, weit über 1.800 Ruhe-EKGs, 300 Herzschrittmacherkontrollen und mehr als 30 Defibrillator-Nachsorgeuntersuchungen) durchgeführt hat. Von Oktober bis Dezember 1992 und von Juli bis September 1993 sei vorwiegend die kardiologische Ausbildung unter Leitung des Dr. S. erfolgt, dem eine Weiterbildungsermächtigung der Ärztekammer Schleswig-Holstein für das Bundeswehrkrankenhaus K. vorgelegen habe. Im Rahmen dieser Ausbildung habe der Kläger auch die ganze Palette der invasiven Leistungen durchgeführt, d. h. elektrophysiologische Herzkatheteruntersuchungen, Schrittmacherimplantationen und Defibrillatorimplantationen. Insgesamt habe er unter Leitung von Dr. S. mehr als 100 Implantationen von Ein- und Zweikammerherzschrittmachersystemen sowie 10 Implantationen von automatischen Defibrillatoren, Letzteres teilweise in Zusammenarbeit mit den Sa. Kliniken, durchgeführt.

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Mit Bescheid vom 13. September 2000 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Nach § 3 der Vereinbarung von Qualitätssicherungsmaßnahmen beim ambulanten Operieren seien ambulante Operationen nach Facharztstandard zu erbringen. Da die Durchführung von Herzschrittmacherimplantationen nicht obligater Bestandteil der Weiterbildung eines Arztes für innere Medizin sei, sei zu prüfen gewesen, ob die erforderliche Fachkunde durch das von Herrn Dr. S. ausgestellte Zeugnis habe nachgewiesen werden können. Nach sehr eingehender Beratung sei die Kardiologie-Kommission jedoch zu der Auffassung gelangt, dass die in § 3 Abs. 1 der Vereinbarung von Qualitätssicherungsmaßnahmen beim ambulanten Operieren beschriebenen Voraussetzungen nur von einem Arzt für innere Medizin erfüllt würden, der die Berechtigung zum Führen der Zusatzbezeichnung "Kardiologie" erworben habe. Der von dem Kläger beigebrachte Fachkundenachweis reiche nicht aus. Ihr sei die Entscheidung insbesondere vor dem Hintergrund der zum Teil auch kardiologischen Ausbildung des Klägers nicht leicht gefallen. Auf Grund der eindeutigen Anforderungen in der hier in Rede stehenden Vereinbarung sehe sie jedoch keine Möglichkeit, anders zu entscheiden.

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Zur Begründung seines hiergegen gerichteten Widerspruchs trug der Kläger im Wesentlichen vor: In der Weiterbildungsordnung (WBO) der Ärztekammer Schleswig-Holstein vom 13. März 1985 mit letzter Änderung vom 17. März 1993 lasse sich in den Ausführungsbestimmungen in keinem Fachgebiet die Schrittmacherimplantation als obligater Inhalt der Weiterbildung finden. So würden im Rahmen der Weiterbildung zum Arzt für innere Medizin zum einen unter 1.2.2 eingehende Kenntnisse und Erfahrungen für Schrittmacherkontrolluntersuchungen gefordert; weiterhin sei unter den zu erwerbenden eingehenden Kenntnissen und Erfahrungen unter 1.3.5 die "Schrittmacherbehandlung" aufgeführt. Im Teilgebiet Kardiologie würden unter 1.2.4 "Behandlung mit Schrittmachersystemen", unter 1.2.5 "Theorie und Praxis der Schrittmachertherapie" aufgeführt, weiterhin "Applikation von Schrittmachersonden" sowie "Schrittmacherüberwachung". Die reine Applikation der Schrittmachersonden sei jedoch eindeutig nicht mit einer kompletten Schrittmacherimplantation gleichzusetzen. Zu dieser gehörten auch das Freilegen des entsprechenden Blutgefäßes, die Bildung einer Schrittmachertasche und die subcutane bzw. subfasciale, in Einzelfällen auch submuskuläre Implantation des Schrittmacheraggregates selbst. Dass dies durchaus zu trennende Maßnahmen seien, lasse sich an der insbesondere an vielen Kliniken geübten Praxis eines Kombinationseingriffes mit der Platzierung der Schrittmachersonden durch internistische Kollegen und der Implantation des Aggregates selbst durch chirurgische Kollegen belegen. Interessanterweise sei die Schrittmacherimplantation auch nicht Inhalt der chirurgischen Weiterbildung. So werde weder im Bereich der allgemeinen Chirurgie noch im Bereich der Gefäß- oder Thorax- und Visceralchirurgie im Inhalt bzw. Operationskatalog die Herzschrittmacherimplantation aufgeführt. Lediglich im Teilgebiet Thorax- und Kardiovaskularchirurgie gehöre die Implantation epi- und myocardialer Schrittmacher, also ein Eingriff am freigelegten Herzen, zu den im OP-Katalog hinsichtlich Schrittmacher aufgeführten Eingriffen. Dieser Eingriff habe aber mit den hier in Rede stehenden Herzschrittmacheroperationen mit transvenösem endocardialem Zugang nichts gemeinsam. Vielmehr diene die Platzierung epi- und myocardialer Elektroden in der Regel zur Überbrückung einer postoperativen Situation nach Eingriff mit Herz-Lungenmaschine bis zur Stabilisierung des Patienten mit dann folgender Entfernung der durch die Haut herausgeleiteten und ggf. mit einem temporären Schrittmachersystem verbundenen Elektroden. Es sei übliche Praxis in den großen Kliniken (z.B. Städtisches Krankenhaus K. mit hoher Implantationszahl pro Jahr), dass Herzschrittmachersysteme von Internisten ohne Teilgebietsbezeichnung implantiert würden, bzw. die Implantationen, wie bereits geschildert, von Internisten und Chirurgen gemeinsam durchgeführt würden.

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Die Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 27. Februar 2002 zurück. Nach Rücksprache mit der Ärztekammer Schleswig-Holstein habe der Kläger seine Facharztanerkennung "Innere Medizin" am 27. August 1997 erhalten und zwar nach der "neuen" WBO vom 16. Oktober 1996. Danach seien Herzschrittmacherimplantationen lediglich dem Kardiologen zuzuordnen. Nicht obligater Bestandteil der Weiterbildung sei die Durchführung von Herzschrittmacherimplantationen dagegen für einen Arzt für innere Medizin. Gemäß § 3 Abs. 3 der Vereinbarung von Qualitätssicherungsmaßnahmen beim ambulanten Operieren sei klar definiert, dass, wenn für bestimmte Operationen über das Recht zum Führen einer Facharztbezeichnung hinaus der Erwerb einer Schwerpunktbezeichnung Voraussetzung sei, solche operativen Leistungen nur dann erbracht werden könnten, wenn der erfolgreiche Abschluss dieser zusätzlichen Weiterbildung durch entsprechende Zeugnisse und/oder Bescheinigungen gem. § 2 Abs. 2 und 3 der genannten Vereinbarung nachgewiesen worden sei. Von dem Kläger sei zwar durch Zeugnisse die Durchführung von Herzschrittmacherimplantationen nachgewiesen worden, jedoch nicht der - sowohl nach Auffassung der Kommission ambulantes Operieren als auch der Kardiologiekommission erforderliche - erfolgreiche Abschluss der zusätzlichen Weiterbildung "Kardiologie". Diesen habe der Kläger auch zwischenzeitlich nicht nachgewiesen.

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Mit seiner hiergegen am 26. März 2002 bei dem Sozialgericht Kiel erhobenen Klage hat der Kläger sein Widerspruchsvorbringen wiederholt und vertieft. Insbesondere hat er weiterhin die Auffassung vertreten, da er mit der Weiterbildung im Gebiet der inneren Medizin 1986 begonnen habe, gelte für ihn die WBO der Ärztekammer Schleswig-Holstein vom 13. März 1985. Dies ergebe sich aus der Regelung in § 22 Abs. 2 WBO vom 16. Oktober 1996. Zu der in Abschn. 10 Ziff. 1.3.5 WBO 1985 genannten "Schrittmacherbehandlung" als umfassender Begriff gehöre auch die Implantation eines Schrittmachers. Die Kontrolle eines bereits implantierten Schrittmachers sei nämlich in Abschn. 10 Ziff. 1.2.2 WBO 1985 gesondert erfasst als "Schrittmacherkontrolluntersuchung". Die im Teilgebiet Kardiologie unter Ziff. 1.2.4 erwähnte Behandlung mit Schrittmachersystemen habe demgegenüber keine eigenständige Bedeutung. Die Begriffe "Schrittmacherbehandlung" und "Behandlung mit Schrittmachersystemen" könnten nicht voneinander abgegrenzt werden. Dasselbe gelte für die im Teilgebiet Kardiologie unter Ziff. 1.2.5 erwähnte "Applikation von Schrittmachersonden" sowie "Schrittmacherüberwachung". Auch dies sei nur ein anderer Ausdruck für die (umfassend zu verstehende) Schrittmacherbehandlung. Der Unterschied bestehe allein darin, dass im Teilgebiet Kardiologie in Ziff. 1.2.5 mindestens 50 Applikationen von Schrittmachersonden verlangt würden. Er habe jedoch im Rahmen seiner Ausbildung mehr als 100 Implantationen von Ein- und Zweikammerherzschrittmachersystemen sowie 10 Implantationen von automatischen Defibrillatoren durchgeführt. Die im Laufe des Verfahrens eingeholte Auskunft der Kassenärztlichen Bundesvereinigung aus Dezember 2003 trage zur Klärung der streitigen Frage nichts bei. Es gehe nicht um die vom Gericht gestellte Frage, ob Schrittmacherimplantationen für Kardiologen fachfremd seien, sondern nur um die Frage, ob sie nach der alten WBO zum Inhalt der Weiterbildung auf dem Gebiet der inneren Medizin gehörten.

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Der Kläger hat beantragt,

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den Bescheid der Beklagten vom 13. September 2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27. Februar 2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen anzuerkennen, dass er die Voraussetzungen für die Durchführung ambulanter Herzschrittmacherimplantationen nach der Vereinbarung von Qualitätssicherungsmaßnahmen (ambulantes Operieren) erfülle.

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Die Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie hat sich auf die angefochtenen Bescheide bezogen.

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Das Sozialgericht hat zu der Frage, nach welcher WBO der Kläger seine Weiterbildung abgeschlossen habe sowie zu der Frage, ob es Beschlüsse darüber gebe, dass Schrittmacherimplantationen zum Teilgebiet Kardiologie gehören, eine Auskunft der Ärztekammer Schleswig-Holstein (Schreiben vom 23. Dezember 2003) und zu der letztgenannten Frage zudem Auskünfte der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (Schreiben vom 18. Dezember 2003) und der Bundesärztekammer (Schreiben vom 3. Februar 2004) eingeholt. Letztere hat auf die Landesärztekammer Schleswig-Holstein verwiesen, die mitgeteilt hat, dass der Kläger nach den dort vorliegenden Unterlagen seine Weiterbildung zum Erwerb der Gebietsbezeichnung Innere Medizin nach den Bestimmungen der WBO aus 1985 begonnen und auch abgeschlossen habe. Leider sei dies auf der ihm am 27. August 1997 erteilten Urkunde nicht vermerkt, entgegen der Regelung in § 22 Abs. 2 WBO 1996. Sie hat zudem darauf hingewiesen, dass nach der WBO 1985 zum Teilgebiet der Kardiologie die Theorie und Praxis der Schrittmachertherapie einschließlich selbstständiger Applikation von Schrittmachersonden (mindestens 50) sowie die Schrittmacherüberwachung zählten und nach den Ausführungsbestimmungen zur WBO aus 1996 die selbstständige Durchführung der Applikation von Schrittmachersystemen einschließlich deren Programmierung und Kontrolle bei 75 Patienten. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung hat ebenfalls auf die letztgenannte Regelung verwiesen, so dass aus ihrer Sicht kein Problem bestehe, die Implantation von Schrittmachern für Kardiologen nicht als fachfremd anzusehen. Verbindlich für die Beurteilung der Fachfremdheit bestimmter Leistungen sei allerdings ausschließlich die Stellungnahme der zuständigen Landesärztekammer.

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Durch Urteil vom 10. März 2004 hat das Sozialgericht die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt anzuerkennen, dass der Kläger die Voraussetzungen für die Durchführung ambulanter Herzschrittmacherimplantationen nach der Vereinbarung von Qualitätssicherungsmaßnahmen (ambulante Operationen) erfülle. In den Entscheidungsgründen ist im Wesentlichen ausgeführt: Die Kammer sei nicht zu dem Ergebnis gekommen, dass für Herzschrittmacherimplantationen gemäß § 3 der Vereinbarung ambulantes Operieren eine Schwerpunktbezeichnung generell erforderlich sei. Zwar erstaune es vordergründig, dass Herzschrittmacherimplantationen auch durch Ärzte für innere Medizin durchgeführt werden können sollten; die für die Entscheidung maßgebliche WBO von 1985 sowie die Ausführungsbestimmungen hierzu ergäben aber nicht explizit, dass Herzschrittmacherimplantationen zur Weiterbildung in der Kardiologie gehörten. So sei in dem Abschnitt 10 unter 1.3.5 die "Therapie vital bedrohender Zustände, die Aufrechterhaltung und Wiederherstellung bedrohter Vitalfunktionen mit den Methoden der Notfall- und Intensivmedizin. Hierzu gehören auch Inkubation (gemeint: Intubation) und Beatmung, Schockbehandlung, Schaffung zentraler Zugänge, Defibrillation und Schrittmacherbehandlung" aufgeführt. "Schrittmacherbehandlung" in diesem Sinne könne keine Kontrolle der Schrittmacher bedeuten, da dies in 1.2.2 niedergelegt sei. Demgegenüber finde sich für das Teilgebiet Kardiologie in Abschn. 10.4. unter 1.2.5 die "Theorie und Praxis der Schrittmachertherapie einschließlich selbstständiger Applikationen von Schrittmachersonden sowie Schrittmacherüberwachung", ohne dass der Kammer erfindlich sei, worin der Unterschied zwischen "Therapie" und "Behandlung" bestehen solle. Die Kammer schließe daraus, dass nicht eindeutig normiert gewesen sei, dass die Herzschrittmacherimplantation ausschließlich zum Weiterbildungsgebiet der Kardiologie gehöre. Auch wenn vieles dafür spreche, dass dies so nicht gemeint gewesen, sondern dass es die Intention der Normgeber gewesen sei, dass Herzschrittmacher ausschließlich durch Kardiologen implantiert werden sollten, sei dies aus der WBO nicht eindeutig herauszulesen. Entsprechende Anfragen bei der Bundes- und der Landesärztekammer hätten kein weiterführendes Ergebnis erbracht.

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Gegen das ihr am 30. März 2004 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 27. April 2004 Berufung eingelegt, zu deren Begründung sie im Wesentlichen vorträgt: Sowohl in den Ausführungsbestimmungen der WBO 1985 als auch derjenigen 1996 seien die "Theorie und Praxis der Schrittmachertherapie einschließlich selbstständiger Applikation von Schrittmachersonden (mindestens 50) sowie Schrittmacherüberwachung" (WBO 1985) und "selbstständige Durchführung der Applikation von Schrittmachersystemen einschließlich deren Programmierung und Kontrolle von 75 Patienten" (WBO 1996) eindeutig dem Schwerpunkt bzw. dem Teilgebiet Kardiologie zugeordnet. Ganz offensichtlich habe das Gericht die Begriffe "Schrittmachertherapie, Schrittmacherbehandlung, Schrittmachersonden, Schrittmacherüberwachung" und "Schrittmacherimplantation" unsauber definiert. Soweit es sich auf Abschn. 10 Ziff. 1.3.5 der Ausführungsbestimmungen zur WBO 1985 bezogen habe, handele es sich bei den hier beschriebenen Behandlungen gerade nicht um die Implantation von Herzschrittmachersystemen, sondern vielmehr um eine an die Intensivstation gebundene Behandlung lebensbedrohlicher Zustände, gebunden an eine transvenös applizierte Stimulationssonde, die außerhalb des Patienten mit einem nicht transplantierten Schrittmachersystem verbunden werde. Der vom Gericht zu beurteilende Fall beziehe sich jedoch auf die Implantation von Herzschrittmachersystemen, die lediglich Bestandteil der Weiterbildung speziell für den Kardiologen sei. In den maßgeblichen Ausführungsbestimmungen vom 7. Januar 1979 zum Teilgebiet der Kardiologie sei unter 1.2.2 zwar ebenfalls die zuvor aufgeführte Notfallbehandlung beschrieben, zusätzlich allerdings unter 1.2.3 die selbstständige Applikation von Schrittmachersonden (mindestens 50) gefordert. Hierbei handele es sich um die nicht notfallmäßige Einbringung von Schrittmachersonden.

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Die Beklagte beantragt,

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das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 10. März 2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

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Der Kläger beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und schließt sich der Argumentation des Sozialgerichts an. Die von der Beklagten vorgelegten Ausführungsbestimmungen zum Inhalt der Weiterbildung aus 1979 seien nicht die für diesen Rechtsstreit entscheidenden. Mit Beschlussfassung der Kammerversammlung vom 9. November 1988 und des Vorstandes der Ärztekammer Schleswig-Holstein vom 23. November 1988 seien die Ausführungsbestimmungen zum Inhalt der Weiterbildung der WBO der Ärztekammer Schleswig-Holstein geändert worden. Die neuen Bestimmungen hätten ab dem Zeitpunkt ihrer Beschlussfassung gegolten; Übergangsvorschriften seien nicht vorgesehen gewesen. In der Sache ergebe sich aus den Ausführungsbestimmungen 1988 stärker als aus der Fassung von 1979, dass die Behandlung von Herzinsuffizienzen in Form der Schrittmacherbehandlung einen wesentlichen Teil des Gebiets der inneren Medizin ausmache. So sei in Abschn. 10 unter 1.2.2 gegenüber den Ausführungsbestimmungen 1979 die Schrittmacherkontrolluntersuchung aufgenommen worden. Die von der Beklagten vorgenommene Differenzierung, nämlich, dass unter der unter 1.3.5 genannten "Schrittmacherbehandlung" lediglich der Anschluss an ein externes Schrittmachersystem verstanden werde, finde im Wortlaut der Ausführungsbestimmungen keinerlei Stütze. Vielmehr sei allgemein von einer Schrittmacherbehandlung die Rede; ob diese extern oder intern erfolge und ggf. eine Implantation des Herzschrittmachers erforderlich sei, sei demgegenüber nicht geregelt. Darauf komme es auch nicht an. Es bleibe vielmehr gleich, ob die transvenös applizierte Stimulationssonde außerhalb des Patienten mit einem nicht transplantierten oder mit einem transplantierten Schrittmachersystem verbunden werde. Denn die Implantation an sich sei ein rein chirurgischer Eingriff, der nicht am Herzen stattfinde. Besondere Kenntnisse der Kardiologie seien für die Implantation selbst nicht erforderlich. Insofern könne es keinen Unterschied machen, ob die Schrittmacherbehandlung mit Hilfe eines externen oder eines implantierten Schrittmachersystems erfolge. Im Übrigen gingen eventuelle Unklarheiten von Ausführungsbestimmungen, bei denen es sich lediglich um Verwaltungsanweisungen handele, zu Lasten der die Vorschrift erlassenden Verwaltung.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und den Verwaltungsvorgang der Beklagten Bezug genommen, die auch Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

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Die statthafte (§ 143 Sozialgerichtsgesetz – SGG -) und auch im Übrigen zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte (§ 151 Abs. 1 SGG) Berufung der Beklagten ist begründet. Das der Klage stattgebende Urteil des Sozialgerichts ist aufzuheben, denn die Klage ist zwar zulässig, jedoch unbegründet.

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Das Begehren des Klägers ist als Feststellungsbegehren auszulegen und statthaft. Da keine Vorschrift ersichtlich ist, die explizit die Erteilung einer "Genehmigung" der Durchführung und Abrechnung von ambulanten Herzschrittmacherimplantationen vorsieht, kommt eine auf die Erteilung einer solchen Genehmigung gerichtete Verpflichtungsklage nicht in Betracht. Nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG kann mit der Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Unter Rechtsverhältnis versteht man die Rechtsbeziehungen zwischen Personen oder Personen und Gegenständen, die sich aus einem konkreten Sachverhalt auf Grund einer Norm (des öffentlichen Rechts nichtverfassungsrechtlicher Art) für das Verhältnis mehrerer Personen untereinander oder einer Person zu einer Sache ergeben (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl. 2005, § 55 Rz. 4 mit Nachw. zur Rspr.).

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Zwischen dem Kläger und der Kassenärztlichen Vereinigung besteht bezogen auf die Durchführung und Abrechnung von Herzschrittmacherimplantationen ein Rechtsverhältnis in dem genannten Sinne, da sich aus verschiedenen Vorschriften ergibt, dass der Kläger die genannte Leistung nur unter bestimmten weiteren Voraussetzungen erbringen und abrechnen darf. So handelt es sich bei Herzschrittmacherimplantationen um ambulante Operationen im Sinne des § 115b Abs. 1 SGB V in Verbindung mit § 3 und der Anlage des Vertrages nach § 115 b Abs. 1 SGB V - Ambulantes Operieren und stationsersetzende Eingriffe im Krankenhaus – (AmbOP-V) in der zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats gültigen Fassung ab 1. April 2005 (DÄ 2005, S. A-1232) sowie § 135 Abs. 2 SGB V in Verbindung mit § 4 der Vereinbarung von Qualitätssicherungsmaßnahmen bei ambulanten Operationen und bei sonstigen stationsersetzenden Leistungen gemäß § 15 des Vertrages nach § 115b Abs. 1 SGB V in der ab 1. Januar 2004 gültigen Fassung (QualSichV; DÄ 2003, S. A-2398). Gemäß § 115b Abs. 1 Satz 1 SGB V in der Fassung durch Gesetz vom 22. Dezember 1999 (BGBl. I S. 2626) vereinbaren die Spitzenverbände der Krankenkassen gemeinsam, die Deutsche Krankenhausgesellschaft oder die Bundesverbände der Krankenhausträger gemeinsam und die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen u.a. (Nr. 1 a.a.O.) einen Katalog ambulant durchführbarer Operationen und sonstiger stationsersetzender Eingriffe. Nach § 115b Abs. 1 Satz 3 SGB V sind in der Vereinbarung u.a. die Qualitätsvoraussetzungen nach § 135 Abs. 2 SGB V zu berücksichtigen. Nach dieser Vorschrift können die Partner der Bundesmantelverträge einheitlich entsprechende Voraussetzungen für die Ausführung und Abrechnung ärztlicher und zahnärztlicher Leistungen vereinbaren, welche wegen der Anforderungen an ihre Ausführung oder wegen der Neuheit des Verfahrens besonderer Kenntnisse und Erfahrungen (Fachkundenachweis) sowie einer besonderen Praxisausstattung oder weiterer Anforderungen an die Strukturqualität bedürfen. Gemäß § 3 Abs. 1 des Vertrages "ambulantes Operieren" sind in der Anlage 1 zu dem Vertrag abschließend die Leistungen vereinbart, die ambulante Operationen oder stationsersetzende Eingriffe im Sinne des § 115b SGB V darstellen und unter dem Begriff der "Eingriffe gemäß § 115b SGB V" subsumiert werden. In der Anlage sind unter der Gebührenordnungsnummer Nr. 2815 die "Schrittmacher-Erstimplantation, einschließlich Elektrodenplatzierung, oder Elektrodenwechsel bei implantiertem Schrittmacher-Aggregat", unter Nr. 2816 "Wechsel des Schrittmacher-Aggregates" und unter Nr. 2817 "Zuschlag zur Leistung nach Nr. 2815 für das Einbringen einer zweiten Elektrode bei Zweikammerschrittmachern" genannt. Gemäß § 14 Satz 1 des Vertrages "ambulantes Operieren" werden Eingriffe nach § 115b SGB V nach dem jeweiligen Facharztstandard erbracht. Nach Satz 2 der Vorschrift sind die Eingriffe nur von Fachärzten, unter Assistenz von Fachärzten oder unter deren unmittelbarer Aufsicht und Weisung mit der Möglichkeit des unverzüglichen Eingreifens zu erbringen. Näheres zu der fachlichen Befähigung ist in § 4 QualSichV geregelt.

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Aus der Zusammenschau der genannten Vorschriften ergibt sich, dass es sich bei der Implantation von Herzschrittmachern um einen Eingriff im Sinne des § 115b SGB V handelt, der nur durchgeführt und abgerechnet werden darf unter den im Einzelnen näher in § 4 QualSichV in der ab 1. Januar 2004 gültigen Fassung (in den hier entscheidenden Passagen im Wesentlichen regelungsidentisch mit § 3 der im bisherigen Verfahren zu Grunde gelegten QualSichV vom 13. Juni 1994 - DÄ 1994, C-1384, mit späteren Änderungen in DÄ 1995, C-2328 und DÄ 1998, C-2080) geregelten Voraussetzungen. Da der Kläger in einer Gemeinschaftspraxis mit zwei Kardiologen tätig ist, in der, wie sich auch aus dem weiteren Verfahren S 15 KA 397/00 (L 6 KA 16/02) ergibt, in größerem Umfang ambulante Implantationen von Schrittmachersystemen durchgeführt werden, hat der Kläger ein berechtigtes Interesse an der alsbaldigen Feststellung, ob er die fachlichen Voraussetzungen hierfür erfüllt. Die Subsidiarität der Feststellungsklage steht der Statthaftigkeit der Klage nicht entgegen, da der Kläger anderenfalls abwarten müsste, ob die von ihm eingereichten Abrechnungen beanstandet werden, weil eine Leistung, die er nicht erbringen darf, von ihm auch nicht abgerechnet werden darf. Dieses Vorgehen dürfte hingegen auch den Intentionen des Gesetzgebers bzw. der Vertragspartner nicht entsprechen, da ganz im Vordergrund die Qualitätssicherung steht, so dass alle Beteiligten ein Interesse daran haben, vor Durchführung der jeweiligen Eingriffe festzustellen, ob die erforderlichen fachlichen Voraussetzungen vorliegen (zur Zulässigkeit einer Feststellungsklage in dieser Konstellation vgl. auch LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 11. Mai 2005 - L 11 KA 130/03 – veröffentlicht in juris).

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Der Kläger hat jedoch keinen Anspruch auf die begehrte Feststellung. Er besitzt nicht die erforderliche fachliche Befähigung im Sinne der zitierten Vorschriften, insbesondere § 14 AmbOP-V i.V.m. § 4 Abs. 2 QualSichV. In der letztgenannten Vorschrift ist folgendes geregelt:

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"Ist für bestimmte Eingriffe gemäß § 115b SGB V über das Recht zum Führen einer Facharztbezeichnung hinaus nach den jeweils gültigen Weiterbildungsordnungen der Erwerb einer Schwerpunktbezeichnung, einer Fachkunde und/oder der Abschluss einer fakultativen Weiterbildung Voraussetzung, können solche Eingriffe nur erbracht werden, wenn der erfolgreiche Abschluss dieser zusätzlichen Weiterbildung durch entsprechende Zeugnisse und/oder Bescheinigungen nachgewiesen worden ist."

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Zwar ist der Kläger, der als Arzt für innere Medizin zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen ist, unstreitig Facharzt im Sinne der genannten Vorschriften. Er erfüllt jedoch nicht die weiteren fachlichen Voraussetzungen für ambulante Herzschrittmacherimplantationen nach Maßgabe der WBO, nach der diese zu beurteilen sind.

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Die ab 1. Januar 2004 gültige Regelung in § 4 Abs. 2 QualSichV ist hinsichtlich der fachlichen Anforderungen deutlicher als die früher in § 3 Abs. 3 QualSichV getroffene Regelung, die die Passage "nach den jeweils gültigen Weiterbildungsordnungen" noch nicht enthielt. Allerdings bedarf es dabei keiner näheren Erörterung, inwieweit auf den Kläger die zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats geltende Neuregelung in § 4 oder die alte Regelung in § 3 Abs. 3 QualSichV Anwendung findet, d.h. ob es zu seinen Gunsten Übergangsregelungen (vgl. § 15 QualSichV) gibt. Zwar ist die Formulierung in § 3 Abs. 3 QualSichV a. F. insoweit nicht eindeutig, als hinsichtlich der Frage, ob für bestimmte Operationen über das Recht zum Führen einer Facharztbezeichnung hinaus weitere Voraussetzungen (Schwerpunktbezeichnung, Fachkunde etc.) erforderlich sind, auf die jeweils gültigen Weiterbildungsordnungen Bezug genommen werden soll. Dass dies auch nach der früheren Regelung gemeint war, ergibt sich jedoch schon daraus, dass weder in § 115b SGB V selbst noch in den genannten Verträgen, die das Nähere über ambulante Operationen und die einzelnen Voraussetzungen regeln, Regelungen darüber getroffen sind, ob bestimmte Eingriffe über das Führen einer Facharztbezeichnung hinaus weitere Qualifikationen der genannten Art erfordern. Die Frage, ob derartige weitere Qualifikationen Voraussetzung für bestimmte Operationen waren, war demnach auch früher bereits nach der WBO zu entscheiden, aus der sich ergibt, ob bestimmte Eingriffe einer bestimmten Facharztgruppe insgesamt zuzuordnen sind, oder ob die hierfür erforderliche Qualifikation erst durch den Erwerb einer Schwerpunktbezeichnung, Fachkunde etc. erworben wird. Diese Interpretation des § 3 Abs. 3 QualSichV a. F. steht auch in Einklang mit dem Urteil des BSG vom 26. Juni 2002 (- B 6 KA 6/01 - SozR 3-2500 § 115b Nr. 3). In diesem, einen als praktischer Arzt zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Arzt, der berufsrechtlich als Facharzt für Anästhesiologie anerkannt war, betreffenden Fall hat das BSG dargelegt, dass es im Rahmen der genannten Vorschrift nicht entscheidend sei, ob ein Arzt für ein bestimmtes Fachgebiet zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen sei. Maßgeblich sei vielmehr die "weitere berufsrechtliche Qualifikation nach dem Weiterbildungsrecht für die Durchführung ambulanter Operationen und dazugehöriger Anästhesien." Dies entspricht auch der sonstigen Rechtsprechung des BSG zur Frage der Zugehörigkeit von Leistungen zu einem bestimmten Fachgebiet. Für die Beurteilung, ob Leistungen fachzugehörig oder fachfremd sind, ist danach darauf abzustellen, welche Inhalte und Ziele der Weiterbildung für das jeweilige Fachgebiet in der Weiterbildungsordnung genannt werden und in welchen Bereichen eingehende Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten erworben werden müssen. Die Inhalte werden in der jeweiligen WBO des Landes festgelegt und können durch Richtlinien konkretisiert - aber nicht beschränkt - werden (BSG, Urteil vom 8. September 2004 - B 6 KA 27/03 R - SozR 4-2500 § 95 Nr. 7 mit Nachweisen zur ständigen Rechtsprechung des BSG und zu einem Kammerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts). Wenn in den eingangs genannten Vorschriften, so auch in § 3 Abs. 1 QualSichV a. F., der Facharztstandard festgeschrieben wird, d.h. Eingriffe nach § 115b SGB V nur von oder unter Assistenz von Fachärzten zu erbringen sind, ist damit ersichtlich die Beschränkung der Leistungserbringung auf das jeweilige Fachgebiet des Arztes gemeint, so dass auch die weitere Frage, ob für bestimmte Eingriffe über die Facharztbezeichnung hinaus eine weitere Qualifikation erforderlich ist, sich sinnvoller Weise nur nach der - dann ebenfalls nach der jeweiligen WBO zu bestimmenden - Fachgebietszugehörigkeit eines bestimmten Eingriffes bestimmen kann.

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Entscheidend für die fachliche Befähigung des Klägers ist demnach, ob Herzschrittmacherimplantationen zum Fachgebiet des Internisten gehören, oder ob eine weiter gehende Qualifikation, insbesondere eine solche als Kardiologe im Sinne der WBO, erforderlich ist.

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Dies ist nach der zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung gültigen WBO zu beurteilen. Anders als im bisherigen Verfahrensverlauf geschehen, ist nämlich zu differenzieren zwischen der Frage der Qualifikation des Klägers und der für den Eingriff, hier die Herzschrittmacherimplantation, erforderlichen Qualifikation. § 4 Abs. 2 QualSichV stellt hinsichtlich des Eingriffs ausdrücklich auf die jeweils gültige WBO ab und enthält damit eine dynamische Verweisung, ersichtlich, um – dem Grundgedanken der Qualitätssicherung entsprechend - den jeweils aktuellen Qualitätsstandard berücksichtigen zu können, der sich in der WBO widerspiegelt. Für die Frage der Erforderlichkeit einer über die Facharztqualifikation hinausgehenden Qualifikation für einen bestimmten Eingriff kann es deshalb nicht maßgeblich sein, nach welcher Fassung der WBO der jeweilige Arzt seine Weiterbildung absolviert hat. Abzustellen ist insoweit immer auf die zum Zeitpunkt der Entscheidung gültige WBO. Bezogen auf die hier in Betracht kommenden Fachgebiete ist dies die WBO 1996, da es in der WBO 2005 bisher keine Regelung für den Bereich der inneren Medizin gibt. Dementsprechend ist die Regelung zu Nr. 13 der WBO 1996 (Innere Medizin) auch mit dem Inkrafttreten der WBO 2005 nicht außer Kraft getreten (§ 21 WBO 2005).

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Nach der WBO 1996 gehören Herzschrittmacherimplantationen nicht zum Fachgebiet der Inneren Medizin (ohne Schwerpunkt). Hier ist unter Nr. 13 zu 1. die "Elektrotherapie" lediglich bezogen auf die "Intensivmedizin" des Gebietes erwähnt. Bei dem "Schwerpunkt Kardiologie" ist zu 13.C. 5 als Spiegelstrich unter 1. u. a. erwähnt die "Theorie und Praxis der Elektrotherapie von Herz-Kreislauf-Erkrankungen einschließlich der Herzrhythmusstörungen sowie der intensivmedizinischen Behandlung unter Einschluss der Defibrillation und Schrittmachertherapie, ferner der Applikation von Schrittmachersonden". Damit ist – unabhängig davon, ob man dies an dem Begriff der "Elektrotherapie", der "Schrittmachertherapie" oder der "Applikation von Schrittmachersonden" festmacht, und auch unabhängig davon, wie umfassend man den jeweiligen Begriff, insbesondere die "Applikation von Schrittmachersonden" versteht, worauf noch einzugehen sein wird, die Implantation eines Schrittmachers jedenfalls in seinem Kernbereich dem Fachgebiet der Kardiologie zuzuordnen, ggf. in einem Teilbereich der Chirurgie, nicht hingegen der allgemeinen inneren Medizin. Damit ist nach der WBO 1996 der Erwerb einer zusätzlichen Weiterbildung – zumindest - in dem Schwerpunkt Kardiologie für die Durchführung ambulanter Herzschrittmacherimplantationen erforderlich.

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Über diese Qualifikation verfügt der Kläger nicht, da er weder im Sinne der WBO 1996 eine anerkannte Weiterbildung im Schwerpunkt Kardiologie noch nach der WBO 1985 im Teilgebiet Kardiologie nachgewiesen hat. Er hat zwar im Rahmen seiner Weiterbildung zum Facharzt für innere Medizin nach den von ihm vorgelegten Zeugnissen auch weitgehende Kenntnisse und Fähigkeiten im Bereich der Kardiologie erlangt. Dies reicht jedoch nicht aus. Wenn § 4 Abs. 2 QualSichV den Nachweis der jeweils erforderlichen Weiterbildung durch entsprechende Zeugnisse und/oder Bescheinigungen voraussetzt, kann damit nur das/die nach der WBO zum Nachweis jeweils erforderliche Zeugnis/Bescheinigung gemeint sein. Nach § 11 Abs. 1 WBO 1996 darf eine Gebiets-, Schwerpunkt- oder Zusatzbezeichnung führen, wer nach abgeschlossener Weiterbildung die Anerkennung durch die Ärztekammer erhalten hat. Gleiches galt nach § 8 Abs. 1 WBO 1995 für eine Teilgebietsbezeichnung nach § 4 WBO 1985.

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Ob und wie es sich im Rahmen des § 4 Abs. 2 QualSichV auswirkt, wenn ein Arzt seine Weiterbildung nach einer früher geltenden WBO abgeschlossen hat, nach deren Inhalt der nunmehr einem anderen - speziellen – Gebiet/Schwerpunkt etc. zugeordnete Eingriff seinem Fachgebiet zugeordnet war, so dass er entsprechende Fachkenntnisse erworben hat, ohne die aktuell erforderliche Qualifikation nachweisen zu können, wäre nur dann von Bedeutung, wenn der in diese Richtung zu interpretierende Vortrag des Klägers zuträfe. Dies ist im Ergebnis jedoch nicht der Fall: Unstreitig hat der Kläger die Qualifikation als Arzt für innere Medizin im Sinne der WBO im August 1997 erlangt. Zu diesem Zeitpunkt galt zwar bereits die WBO vom 16. Oktober 1996 (Amtsblatt Schleswig-Holstein/Amtlicher Anzeiger 1996, S. 303), die gemäß § 3 am Tage nach der Veröffentlichung im Amtsblatt für Schleswig-Holstein in Kraft trat. Gleichzeitig trat die WBO der Ärztekammer Schleswig-Holstein vom 13. März 1985 (Amtsblatt Schleswig-Holstein/Amtlicher Anzeiger 1985, S. 220), zuletzt geändert durch die Satzung vom 23. März 1994 (a.a.O. 1994, S. 131) außer Kraft. In § 22 Abs. 2 WBO 1996 ist hingegen bestimmt, dass, wer vor In-Kraft-Treten dieser WBO die Weiterbildung in einem Gebiet, einem Teilgebiet, oder in einem Bereich nach der bisherigen WBO begonnen hat, diese nach der bisherigen WBO abschließen darf. Da nach der WBO 1985, hier Anlage I "Gebiete und Teilgebiete", Nr. 10 "Innere Medizin" die Weiterbildungszeit sechs Jahre betrug, wobei allerdings bestimmte Zeiten angerechnet werden konnten, muss die Weiterbildung des Klägers vor In-Kraft-Treten der WBO 1996 begonnen worden sein. Dass der Kläger seine Weiterbildung nach der WBO 1985 abgeschlossen hat, entspricht auch der Auskunft der Ärztekammer Schleswig-Holstein gegenüber dem Sozialgericht.

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In der WBO 1985 findet sich in der Anlage, Abschnitt I Nr. 10, zunächst eine Definition, wonach die Innere Medizin die Erkennung und konservative Behandlung u.a. der Erkrankungen des Herzens umfasst. Näheres zum Inhalt der Weiterbildung ist in den Ausführungsbestimmungen zur WBO der Ärztekammer Schleswig-Holstein entsprechend der Beschlussfassung der Kammerversammlung vom 9. November 1988 und des Vorstandes der Ärztekammer Schleswig-Holstein vom 23. November 1988 geregelt. Diese und nicht die von der Beklagten in der Berufungsbegründung angeführten Ausführungsbestimmungen aus 1979 sind von ihrem Erlass an maßgeblich, jedenfalls bezogen auf Weiterbildungen, die, wie diejenige des Klägers, erst nach In-Kraft-Treten der Richtlinien, nämlich offenbar im Rahmen seiner Tätigkeit im Bundeswehrkrankenhaus, d.h. 1991, begonnen wurden. In den Ausführungsbestimmungen 1988 ist unter I.10. "Innere Medizin", hier zu 1.1 geregelt, dass Inhalt der Weiterbildung

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"Vermittlung, Erwerb und Nachweis eingehender Kenntnisse und Erfahrungen in Ätiologie, Pathogenese und Pathophysiologie der nichtinfektiösen, infektiösen, toxischen und neoplastischen (onkologischen) sowie der allergischen, immunologischen, metabolischen und degenerativen Erkrankungen (Spiegelstrich 1) des Herzens" seien, dies

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(1.2) "in Diagnostik, Differenzialdiagnostik, Früherkennung und Rehabilitation dieser Erkrankungen auch unter Berücksichtigung der Besonderheiten in verschiedenen Altersstufen einschließlich der Erkennung und Bewertung psychosomatischer und psychosozialer Zusammenhänge. Dies beinhaltet die Kenntnis der Aussagemöglichkeiten der jeweiligen Verfahren einschließlich ihrer Grenzen und Fehlermöglichkeiten. Soweit es sich um Laboratoriums-, EKG- und sonographische Untersuchungen handelt, gehören dazu angemessene Kenntnisse über Methoden und Geräte; dazu gehören: (1.2.2) EKG, auch mit definierter Belastung (..), Langzeit-EKG (..) Schrittmacherkontrolluntersuchungen und (1.3) in der medikamentösen, diätetischen, physikalischen und psychosomatischen Behandlung dieser Erkrankungen einschließlich der Notfalltherapie und in der allgemeinen und speziellen Nachsorge (Rehabilitation); dazu gehören: (1.3.5) Therapie vital bedrohlicher Zustände, die Aufrechterhaltung und Wiederherstellung bedrohter Vitalfunktionen mit den Methoden der Notfall- und Intensivmedizin. Hierzu gehören auch Intubation und Beatmung, Schockbehandlung, Schaffung zentraler Zugänge, Defibrillation, Schrittmacherbehandlung."

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Die Wiedergabe der von den Beteiligten wiederholt zitierten Textpassagen in ihrem Kontext ergibt zunächst deutlich, dass unter Abschnitt I Nr. 10, Unterpunkt 1.1 das Grundwissen über die Zusammenhänge und Ursprünge von Krankheiten der verschiedenen in Spiegelstrichen aufgeführten Bereiche, u.a. des Herzens, in Unterpunkt 1.2 die Diagnostik der damit im Zusammenhang stehenden Erkrankungen im weiteren Sinne und in Unterpunkt 1.3 die Therapie angesprochen ist. Dies bestätigt zunächst - was zwischen den Beteiligten im gesamten Verfahren unstreitig gewesen und geblieben ist -, dass die im Unterpunkt 1.2.2 erwähnten "Schrittmacherkontrolluntersuchungen" von der Implantation von Schrittmachern zu unterscheiden sind, d.h. den Erwerb darauf bezogener Kenntnisse im Rahmen der Weiterbildung des Klägers nicht zu begründen vermögen. Da die Schrittmacherimplantation unstreitig der Therapie von Herzerkrankungen, konkret Herzrhythmusstörungen, dient, müsste sich ein entsprechender Ausbildungsinhalt als einer der Unterpunkte zu der Regelung in 1.3 finden. Soweit der Kläger sich auf die insoweit allein in Betracht kommende zitierte Passage zu 1.3.5 bezieht, weil hier "die Schrittmacherbehandlung" genannt ist, trifft dies unter Beachtung des Regelungskontextes nicht zu. Die Schrittmacherbehandlung wird nämlich erläuternd ("hierzu gehören") angeführt als Beispiel der in dem genannten Unterpunkt angeführten "Therapie vital bedrohlicher Zustände, die Aufrechterhaltung und Wiederherstellung bedrohter Vitalfunktionen mit den Methoden der Notfall- und Intensivmedizin". Hieraus lässt sich ableiten, was auch zu den weiteren "Regelbeispielen" wie Intubation und Beatmung, Schockbehandlung, Schaffung zentraler Zugänge und Defibrillation passt, dass in diesem Unterpunkt die Notfalltherapie angesprochen wird, die auch unter 1.3 im Eingangssatz ausdrücklich genannt ist. Dies bedeutet zugleich, dass der Begriff der "Schrittmacherbehandlung" hier nicht, wie von dem Kläger angenommen, in seinem umfassenden Sinne gemeint ist, sondern, im Gegenteil, beschränkt auf die Schrittmacherbehandlung im Notfall. Da es auch rein externe Schrittmacherbehandlungen gibt, kann der dahingehenden Auslegung auch nicht entgegen gehalten werden, dass es für eine "Schrittmacherbehandlung" ohne Implantation eines Schrittmachers keinen Anwendungsfall gäbe. Selbst wenn dies nicht der Fall sein sollte, d.h. es für eine notfallmäßige "Schrittmachertherapie", die nicht Defibrillation ist, keinen praktisch denkbaren Fall gäbe bzw. es ihn 1988 noch nicht gab, wäre entscheidend für die Auslegung des Weiterbildungsinhaltes gemäß Abschnitt I Nr. 10 zu 1.3.5, nicht die Formulierung von Behandlungsbeispielen, sondern die grundsätzliche Regelung in 1.3 und in Unterpunkt 1.3.5 hier Satz 1, die deutlich für eine Beschränkung der in den Regelbeispielen genannten Maßnahmen auf die Notfallsituation spricht. Bei dieser Auslegung der genannten Vorschrift beinhalten die Ausführungsbestimmungen auch keine - unzulässige (vgl. BSG, Urteil vom 8. September 2004 - B 6 KA 27/03 R - a.a.O.) - Beschränkung der Regelungen der WBO. Hier ist nämlich, wie dargelegt, in Abschnitt 1 unter Nr. 10 in der allgemeinen Definition lediglich die konservative Behandlung der Erkrankungen des Herzens einschließlich der Intensivmedizin dem Fachgebiet der inneren Medizin zugeordnet.

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Dem Kläger kann auch nicht dahingehend gefolgt werden, dass die Implantation von Schrittmachersystemen nach der WBO 1985 und den Ausführungsbestimmungen hierzu keinem Fachgebiet und auch keinem Schwerpunkt zugeordnet werden könne. So ist nach den Ausführungsbestimmungen 1988 zu I. 10.4 "Teilgebiet: Kardiologie" Inhalt der Weiterbildung

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"(1.) Vermittlung, Erwerb und Nachweis spezieller Kenntnisse und Erfahrungen (1.2)" in der Therapie der zum Teilgebiet gehörenden Gesundheitsstörungen geregelt; "dazu gehören:

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(1.2.4) Theorie und Praxis der Elektrotherapie von Herz-Kreislauferkrankungen, Behandlung akuter lebensbedrohlicher Herzrhythmusstörungen, Intensivmedizin einschließlich künstlicher Beatmung, Defibrillation und Behandlung mit Schrittmachersystemen und

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(1.2.5) Theorie und Praxis der Schrittmachertherapie einschließlich selbstständiger Applikation von Schrittmachersonden (mind. 50) sowie Schrittmacherüberwachung".

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Aus diesen Formulierungen wird - gerade im Unterschied zu den Regelungen über das Fachgebiet der inneren Medizin insgesamt - deutlich, dass auch in der Kardiologie die notfallmäßige Therapie - geregelt im Unterpunkt 1.2.4 - zum Inhalt der Weiterbildung gehört, darüber hinaus - unter Punkt 1.2.5 - aber auch die Theorie und Praxis der Schrittmachertherapie insgesamt. Dem Kläger ist einzuräumen, dass die "Applikation von Schrittmachersonden" nicht die gesamte Schrittmacherimplantation erfassen dürfte, die typischerweise wohl unter Beteiligung auch eines Chirurgen vorgenommen wird. Zumindest dürfte dies eine gebräuchliche Praxis sein, wofür auch eine Internet-Recherche Hinweise bietet. Für den dann verbleibenden Teil, nämlich die Implantation der Schrittmachertasche, fände sich - auch insoweit ist dem Kläger zu folgen - in keinem der Weiterbildungsgebiete bzw. Schwerpunkte der Ausführungsbestimmungen 1988 zur WBO 1985 eine ausdrückliche Regelung. Würde man die zitierten Passagen über den Inhalt der Weiterbildung im Teilgebiet Kardiologie als auf die Applikation von Schrittmachersonden beschränkt ansehen, dürften aber keine Probleme bestehen, den verbleibenden Teil der Operation dem Gebiet Abschnitt I Nr. 5 "Chirurgie" zuzuordnen. In welchem Umfang Schrittmacherimplantationen zum Teilgebiet der Kardiologie nach der WBO 1985 gehörten, ist indessen für die Entscheidung des Rechtsstreits ohne Bedeutung und bedarf deshalb keiner näheren Erörterung, da der Kläger keine Weiterbildung im Teilgebiet der Kardiologie nachgewiesen hat. Keinesfalls könnte jedoch, sofern die Implantation der Schrittmachertasche und damit die komplette Implantation von Schrittmachersystemen nicht einmal dem - spezielleren - Fachgebiet der Kardiologie zuzurechnen wäre, daraus eine umfassende Zuordnung zu dem – allgemeineren - Fachgebiet der inneren Medizin gefolgert werden.

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Auch ein Rückgriff auf die WBO 1985 führt damit nicht zu einem anderen Ergebnis, so dass hier nicht näher erörtert werden muss, wie in einer solchen Konstellation zu entscheiden wäre.

45

Da der Kläger nach alledem nicht die fachlichen Voraussetzungen für die ambulante Herzschrittmacher-Implantation erfüllt, ist die Berufung der Beklagten begründet.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

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Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.


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