Beschluss vom Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht (5. Senat) - L 5 SF 79/12 B KO

Tenor

Die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Schleswig vom 3. Februar 2012 wird als unzulässig verworfen.

Das Verfahren ist gebührenfrei.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

I.

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Mit Urteil vom 29. März 2011 hat das Sozialgericht Schleswig in dem Verfahren S 12 SO 354/07 die Beschwerdegegnerin verurteilt, an die Landeshauptstadt Kiel 11.373,72 EUR zu zahlen und ihr die Kosten des Verfahrens auferlegt. Streitgegenstand des Rechtsstreits war eine Erstattungsstreitigkeit zwischen Sozialleistungsträgern. Ausgehend von dem im erstinstanzlichen Verfahren festgesetzten Streitwert forderte die Kostenbeamtin des Sozialgerichts Schleswig mit Kostenrechnung vom 8. August 2011 von der Beschwerdegegnerin die Erstattung des von der Landeshauptstadt Kiel gezahlten Vorschusses in Höhe von 657,00 EUR. Auf die Erinnerung der Beschwerdegegnerin hat das Sozialgericht Schleswig mit Beschluss vom 3. Februar 2012 den Kostenansatz des Sozialgerichtes Schleswig vom 8. August 2011 aufgehoben. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, dass die Beschwerdegegnerin nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Gerichtskostengesetz (GKG) von der Zahlung der Gerichtskosten befreit sei. Hierbei handele es sich um eine persönliche Gerichtskostenfreiheit, die für alle Verfahren vor deutschen Gerichten gelte und der Regelung in § 197a Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG), nach der Träger der Sozialhilfe in Erstattungsstreitigkeiten zwischen Sozialleistungsträgern nicht von Gerichtskosten freigestellt seien, vorgehe.

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Gegen diesen ihm am 6. März 2012 zugestellten Beschluss wendet sich der Kostenprüfungsbeamte bei dem Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht mit seiner am 27. März 2012 beim Sozialgericht Schleswig eingegangenen Beschwerde. Er macht geltend, in Fällen, in denen ein Stadtstaat – wie die Beschwerdegegnerin – örtlicher Träger der Sozialhilfe und in dieser Eigenschaft Beteiligter in einem Verfahren nach § 197a Abs. 3 SGG sei, könne er sich nicht auf die Kostenfreiheit nach § 2 Abs. 1 GKG berufen. § 2 Abs. 3 GKG lasse kostenrechtliche Sondervorschriften zu. Um eine solche handele es sich bei der Vorschrift des § 197a Abs. 3 SGG. Danach seien die Beteiligten, die nicht zum Personenkreis des § 183 SGG gehörten, in Erstattungsstreitigkeiten gerichtskostenpflichtig, auch wenn es sich um Träger der Sozialhilfe handele. Insoweit stützt sich der Beschwerdeführer auf die Rechtsprechung des 9. Senats des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts in den Beschlüssen vom 22. Januar 2007 – L 9 B 1/07 SO – und vom 19. November 2007 - L 9 B 376/07 SO – und des 1. Senats des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 15. Januar 2009 – L 1 SK 16/08.

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Die Beschwerdegegnerin hält den angefochtenen Beschluss für zutreffend.

II.

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Der Senat entscheidet gemäß § 66 Abs. 6 Satz 2 GKG mit seinen Berufsrichtern.

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Die Beschwerde ist nicht statthaft und deshalb als unzulässig zu verwerfen.

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Nach § 172 Abs. 1 SGG findet gegen die Entscheidungen der Sozialgerichte mit Ausnahme der Urteile und gegen Entscheidungen der Vorsitzenden dieser Gerichte die Beschwerde nur statt, soweit nicht im SGG etwas anderes bestimmt ist. Nach § 178 Satz 1 SGG entscheidet das Gericht endgültig, wenn gegen eine Entscheidung des Urkundsbeamten das Gericht angerufen wird. Ein solcher Fall liegt hier vor. Die Beschwerdegegnerin hat gegen den Kostenansatz des Sozialgerichtes Schleswig vom 8. August 2011 Erinnerung eingelegt, über die das Sozialgericht mit Beschluss vom 3. Februar 2012 entschieden hat. Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angegriffen werden, weil das Sozialgericht „endgültig“ entschieden hat. Hieran ändert auch die Rechtsmittelbelehrung über die Beschwerde nichts. Die danach mögliche Beschwerde gegen die erstinstanzliche Entscheidung über die Erinnerung nach § 66 Abs. 2 GKG, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200,00 EUR übersteigt, steht dem Beschwerdeführer nicht zu.

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Wegen des abschließenden Normgefüges der §§ 172 ff SGG (vgl. hierzu Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Beschluss vom 26. Januar 2011 – L 1 B 266/09 SF E – m.w.N., veröffentlicht in juris, dessen ausführlicher Begründung sich der beschließende Senat uneingeschränkt anschließt) ist auch bei der Erinnerung gegen den Kostenansatz nach § 66 Abs. 1 Satz 1 GKG die Beschwerde an das Landessozialgericht gegen die Entscheidung des Sozialgerichts ausgeschlossen. Nach der Systematik des SGG sind auf eine Erinnerung ergangene Beschlüsse des Sozialgerichts unanfechtbar. Neben der Regelung des § 178 Satz 1 SGG sieht deshalb das SGG für das Kostenfestsetzungsverfahren in § 197 Abs. 2 SGG und im Verfahren zur Feststellung der Pauschgebühr in § 189 Abs. 2 SGG nur eine gerichtliche – endgültige – Entscheidung auf die Erinnerung gegen die Entscheidung des Urkundsbeamten vor, nicht aber eine Beschwerdemöglichkeit gegen den auf die Erinnerung hin ergangenen Beschluss.

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Die Beschwerdemöglichkeit nach § 66 Abs. 2 Satz 1 GKG ist danach nur in Verfahrensordnungen denkbar, die dieses Rechtsmittel nicht ihrerseits ausgeschlossen haben (vgl. zum Ausschluss der Beschwerde im Vergütungsfestsetzungsverfahren nach § 8 JVEG Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 21. Juni 2011 – L 14 SF 143/11 BE; Landessozialgericht Rheinland-Pfalz vom 7. April 2008 - L 2 B 47/08 SB; a.A. Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 3. September 2009 - L 6 R 303/09 B; Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 3. April 2012 – L 6 SF 306/12 B, alle veröffentlicht in juris). Für die Frage der Statthaftigkeit eines Rechtsbehelfs ist das GKG das allgemeinere Gesetz, das durch die speziellere Norm des § 178 Satz 1 SGG verdrängt wird.

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Die vom Sozialgericht fehlerhaft erteilte Rechtsmittelbelehrung vermag ein Rechtsmittel, das – wie hier – gesetzlich ausgeschlossen ist, nicht zu eröffnen (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl., Rn. 14b).

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Unabhängig davon wäre die Beschwerde auch unbegründet. Das Sozialgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss vom 3. Februar 2012 zu Recht den Kostenansatz der Kostenbeamtin vom 8. August 2011 aufgehoben. Die Beschwerdegegnerin kann sich auf Kostenfreiheit nach § 2 Abs. 1 Satz 1 GKG berufen. Danach sind in Verfahren vor den ordentlichen Gerichten und den Gerichten der Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit der Bund und die Länder sowie die nach Haushaltsplänen des Bundes oder eines Landes verwalteten öffentlichen Anstalten und Kassen von der Zahlung der Kosten befreit. Abs. 5 Satz 1 der Vorschrift bestimmt, dass Kosten nicht zu erheben sind, soweit jemandem, der von Kosten befreit ist, Kosten des Verfahrens auferlegt werden.

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Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Der Umstand, dass die Beschwerdegegnerin als Stadtstaat zugleich örtlicher Träger der Sozialhilfe ist und in dieser Eigenschaft auch am Rechtsstreit S 12 SO 354/07 beteiligt war, in dem es um eine Erstattungsstreitigkeit zwischen zwei Trägern der Sozialhilfe ging, schließt die Kostenfreiheit nach § 2 Abs. 1 GKG nicht aus. Die Beschwerdegegnerin genießt schlechthin Gebührenfreiheit, ohne dass dabei zwischen gebührenfreien Landesangelegenheiten und gebührenpflichtigen Gemeindeangelegenheiten unterschieden werden kann (BGH, Beschluss vom 3. Mai 1954 – III ZR 361/52, BGHZ 13, 207 ff.) Die Verfassung der Freien und Hansestadt Hamburg vom 6. Juni 1952 (HmbBl I 100-a), zuletzt geändert am 8. Juli 2009 (HambGVBl. S. 221), bestimmt in Art. 4 Abs. 1 ausdrücklich, dass staatliche und gemeindliche Tätigkeit nicht getrennt werden. Mithin sind sämtliche öffentlichen Angelegenheiten, die die Beschwerdegegnerin wahr nimmt, Landesangelegenheiten. Ein Bundesland, das in seiner Eigenschaft als Träger der Sozialhilfe eine staatliche Tätigkeit ausübt, ist von Gerichtskosten auch dann persönlich befreit, wenn es an Erstattungsstreitigkeiten mit anderen Leistungsträgern beteiligt ist.

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Das Spannungsverhältnis zwischen den kostenrechtlichen Vorschriften des § 197a Abs. 3 SGG, der die sachliche Gerichtskostenfreiheit betrifft, und der Vorschrift des § 2 Abs. 1 Satz 1 GKG, der die persönliche Gerichtskostenfreiheit regelt, lässt sich nach dem Wortlaut, dem Sinn und Zweck und der gesetzesübergreifenden Systematik widerspruchsfrei nur dahingehend lösen, dass Länder auch dann kostenprivilegiert sind, wenn sie selbst als örtlicher Träger der Sozialhilfe am Verfahren beteiligt sind. Die die sachliche und die persönliche Gerichtskostenfreiheit betreffenden Vorschriften stehen nicht in einem Stufenverhältnis zueinander, sondern gleichrangig nebeneinander. Das folgt bereits aus dem Wortlaut des § 197a Abs. 1 SGG, der nach § 197a Abs. 3 SGG auf an Erstattungsstreitigkeiten beteiligte Sozialhilfeträger jedweder Art Anwendung findet, wenn es dort heißt, dass Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes erhoben werden. Dies führt auch innerhalb des Systems des § 197a SGG zur Anwendbarkeit des § 2 Abs. 1 Satz 1 GKG (Groth SGb 2007, 536). Soweit sich der Beschwerdeführer zur Begründung seiner abweichenden Rechtsauffassung auf § 2 Abs. 3 GKG stützt, verkennt er, dass diese Vorschrift keine abweichenden kostenrechtlichen Sondervorschriften zulässt, die der Kostenfreiheit entgegenstehen. § 2 Abs. 3 Satz 1 GKG bestimmt, dass sonstige bundesrechtliche Vorschriften, durch die für Verfahren vor den ordentlichen Gerichten und den Gerichten der Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit eine sachliche oder persönliche Befreiung von Kosten gewährt ist, unberührt bleiben. Dies gilt auch für landesrechtliche Vorschriften, die für diese Verfahren in weiteren Fällen eine sachliche oder persönliche Befreiung von Kosten gewähren (§ 2 Abs. 3 Satz 2 GKG). Bei § 197a Abs. 3 SGG handelt es sich aber nicht um eine kostenrechtliche Sondervorschrift, die eine Befreiung von Kosten gewährt. Diese Norm beinhaltet vielmehr eine Ausnahmeregelung von der Vorschrift des § 64 Abs. 3 Satz 2 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X), die die Träger der Sozialhilfe grundsätzlich von den Gerichtskosten freistellt und begründet eine Kostenpflicht in Erstattungsstreitigkeiten zwischen Sozialleistungsträgern. Mit dem durch das 7. SGG-Änderungsgesetz vom 9. Dezember 2004 (BGBl. I, S. 3302) mit Wirkung vom 1. Januar 2005 eingeführten § 197a Abs. 3 SGG sollte nach dem Übergang der Zuständigkeit für die Sozialhilfe von den Verwaltungs- auf die Sozialgerichte klargestellt werden, dass die Träger der Sozialhilfe zwar grundsätzlich weiter gemäß § 64 Abs. 3 Satz 2 SGB X von Gerichtskosten freigestellt sind, dass dies jedoch ausnahmsweise nicht in Erstattungsstreitigkeiten zwischen Sozialleistungsträgern gelten soll, da in solchen Streitigkeiten eine Rechtfertigung für eine Kostenbefreiung in Verfahren vor dem Sozialgericht im Vergleich zu sonstigen Erstattungsstreitigkeiten nicht ersichtlich ist (vgl. BT-Drucks. 15/3867, S. 3 zu Art. 1 Nr. 14a). § 197a Abs. 3 SGG entspricht somit der bisherigen Regelung in § 188 Satz 2, Halbsatz 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), die für Erstattungsstreitigkeiten zwischen Sozialleistungsträgern ebenfalls die Kostenprivilegierung aufhebt. Da § 197a Abs. 3 SGG keine sachliche Kostenfreiheit gewährt, ist sie vom Anwendungsbereich des § 2 Abs. 3 Satz 1 GKG nicht erfasst. Soweit in den Beschlüssen des 9. Senats des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 22. Januar 2007 – L 9 B 1/07 SO – und 19. November 2007 – L 9 B 376/07 SO – und vom 1. Senat des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 15. Januar 2009 – L 1 SK 16/08 -, auf die sich der Beschwerdeführer stützt, eine entgegenstehende Rechtsauffassung vertreten wird, wird verkannt, dass bundes- oder landesrechtliche Vorschriften von § 2 Abs. 1 Satz 1 GKG nur unberührt bleiben, soweit sie selbst Kostenfreiheit gewähren.

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Die grundsätzliche Kostenprivilegierung von Bund und Ländern - und somit auch der Beschwerdegegnerin - nach dem GKG trägt dem Umstand Rechnung, dass diese Körperschaften Träger der Gerichte sind, deren Aufgabenerfüllung die Erhebung der Gebühren sicherstellen soll. Die Kostenfreiheit soll ineffiziente Umbuchungen im Wesentlichen innerhalb desselben Haushalts vermeiden. Soweit Länder auch dann kostenbefreit sind, wenn sie Beteiligte an Rechtsstreitigkeiten vor Gerichten anderer Länder sind, beruht dies auf der Erwartung, dass sich die Kosten im Gegenseitigkeitsverhältnis langfristig ausgleichen (Groth, a.a.O.). Aus dem Grundsatz der Kostenfreiheit folgt, dass Kosten zwar entstehen, diese gegenüber jemandem, der von Kosten befreit ist, aber nicht geltend gemacht werden können. Deshalb bestimmt § 2 Abs. 5 Satz 1 GKG, dass von jemandem, der von Kosten befreit ist und dem in der Kostengrundentscheidung Kosten des Verfahrens auferlegt worden sind, Kosten nicht zu erheben sind. Auch der siegende Gegner kann verauslagte Gerichtskosten nicht vom Kostenbefreiten verlangen, denn dieser muss keine Gerichtskosten zahlen. Vielmehr ist der Gegner auf die Erinnerung nach § 66 GKG angewiesen (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 39. Aufl., 2009, § 2 Anm. 24 m.w.N.). Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Sozialgericht daher zu Recht die Kostenrechnung vom 8. August 2011, mit der die Erstattung des von der Landeshauptstadt Kiel gezahlten Gerichtskostenvorschusses in Höhe von 657,00 EUR vom Beschwerdegegner verlangt wurde, aufgehoben.

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Diese Entscheidung ist nach § 177 SGG unanfechtbar.

15

Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 66 Abs. 8 GKG).


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