Urteil vom Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht (3. Senat) - L 3 AS 15/18

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 25. Januar 2018 abgeändert.

Der Beklagte wird unter Abänderung des Leistungsbescheides vom 10. November 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Januar 2017 verurteilt, dem Kläger für Mai 2016 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes unter Anrechnung von Einkommen in Höhe von 0,30 EUR zu gewähren.

Der Erstattungsbescheid vom 10. November 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Januar 2017 wird insoweit aufgehoben, als eine Erstattung von mehr als 0,30 EUR gegenüber dem Kläger geltend gemacht wird.

Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um Leistungsansprüche des Klägers auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Sozialgesetzbuch, Zweites Buch (SGB II). Strittig ist dabei noch die Anrechnung von Einkommen in Höhe von insgesamt 52,69 EUR im Monat Mai 2016 auf den Leistungsanspruch des Klägers. Vormals streitig war auch die Berücksichtigung der tatsächlichen Unterkunftskosten des Klägers im Rahmen der Leistungsgewährung. Diesbezüglich hat der Kläger aber durch das angefochtene Urteil des Sozialgerichts Schleswig voll obsiegt. Der Beklagte hat dagegen keine Berufung eingelegt.

2

Der am .... 1966 geborene Kläger steht seit Anfang 2005 im Leistungsbezug nach dem SGB II bei dem Beklagten.

3

Mit Bescheid vom 10. Mai 2016 bewilligte der Beklagte dem Kläger für die Monate Mai bis Oktober 2016 vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes und berücksichtigte für den Kläger dabei den Regelbedarf für Alleinstehende in Höhe von 404,00 EUR monatlich. Die Anrechnung von Einkommen erfolgte nicht. Im Bewilligungsabschnitt gingen auf dem Konto des Klägers zahlreiche geringe Beträge ein, die aus Produkttests resultierten. Dabei handelte es sich um Erstattungen des Kaufpreises von zuvor durch den Kläger gekauften Drogerieprodukten im Gegenzug zur Teilnahme an Bewertungsaktionen dieser Produkte. Im hier nur streitigen Monat Mai 2016 flossen dem Kläger dabei insgesamt 29,58 EUR, verteilt auf 7 Einzelzahlungen zu. Diese Einnahmen teilte der Kläger dem Beklagten mit.

4

Des Weiteren erwarb der Kläger am 6. Mai 2016 200 Aktien der ....bank AG zu einem Kaufpreis von 1451,95 EUR, die er am 26. Mai 2016 zu einem Preis in Höhe von 1482,25 EUR (Differenz 30,30 EUR) wieder veräußerte.

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Mit Bescheid vom 10. November 2016 setzte der Beklagte die Leistungen für den Zeitraum 1. Mai bis 31. Oktober 2016 endgültig fest und setzte dabei für den Monat Mai 2016 um 22,69 EUR gegenüber der vorläufigen Bewilligung geringere Leistungen fest. Aus den Aufzeichnungen des Beklagten ergibt sich, dass dabei 5 Zahlungseingänge im Mai 2016 im Umfang von insgesamt 22,39 EUR sowie der Veräußerungsgewinn aus dem Aktienverkauf, bereinigt um eine Versicherungspauschale in Höhe von 30,- EUR, als Einkommen im Monat Mai 2016 angerechnet wurde. Mit weiterem Bescheid vom 10. November 2016 forderte der Beklagte den Kläger zur Erstattung des überzahlten Betrages in Höhe von 22,69 EUR auf.

6

Dagegen richtete sich der Widerspruch des Klägers vom 18. November 2016, mit dem er auch höhere Unterkunftskosten begehrte. Mit Widerspruchsbescheid vom 31. Januar 2017 wies der Beklagte den Widerspruch zurück und führte zur Begründung aus, der Kläger habe im Mai 2016 Einnahmen in Geld aus Produkttests in Höhe von insgesamt 22,39 EUR erzielt und einen kapitalsteuerpflichtigen Kapitalertrag in Höhe von 30,30 EUR erwirtschaftet. Dieser Ertrag stelle Einkommen dar, es sei nicht nur lediglich Vermögen umgeschichtet worden.

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Am 6. Februar 2017 hat der Kläger bei dem Sozialgericht Schleswig Klage erhoben. Er hat vorgetragen, er habe insgesamt 7 Einnahmen im Monat Mai 2016 mitgeteilt. Da der Beklagte lediglich einen Betrag in Höhe von 22,39 EUR als sonstiges Einkommen berücksichtigt habe, habe er anscheinend zwei Einnahmen ausgeklammert. Bei der Erstattung von Bagatellbeträgen durch die Hersteller dürfte es sich um Zuwendung handeln, die unter die Regelung des § 11 Abs. 5 SGB II fielen. Es bestehe normalerweise keine rechtliche oder sittliche Pflicht zur Rückerstattung eines zuvor gezahlten Kaufpreises. Jedenfalls bei Beträgen in der vorliegenden Größenordnung werde die Situation des Leistungsberechtigten auch nicht so günstig beeinflusst, dass daneben Leistungen nach dem SGB II nicht mehr gerechtfertigt seien.

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Der Kläger hat beantragt,

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den Erstattungsbescheid vom 10. November 2016 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 31. Januar 2017 aufzuheben, den Bewilligungsbescheid vom 10. November 2016 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 31. Januar 2017 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, für den Monat Mai 2016 einen monatlichen Regelbedarf in Höhe von 404,00 EUR ohne Anrechnung von Einkommen zu gewähren und Leistungen für die Bedarfe der Unterkunft und Heizung für den Zeitraum vom 1. Mai 2016 bis 31. Oktober 2016 in Höhe von jeweils monatlich 393,00 EUR zu gewähren.

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Der Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Mit Urteil vom 25. Januar 2018 hat das Sozialgericht Schleswig den Beklagten unter Abänderung der entgegenstehenden Verwaltungsentscheidungen verurteilt dem Kläger für den streitgegenständlichen Zeitraum weitere Unterkunftskosten in Höhe von 6,- EUR monatlich zu gewähren und die Klage im Übrigen abgewiesen. In der Begründung hat es unter Modifikation des von dem Beklagten angewandten Konzeptes zur Ermittlung angemessener Unterkunftskosten bruttokalte Unterkunftskosten für einen 1-Personenhaushalt in F.... in Höhe von 337,00 EUR monatlich zuzüglich Heizkosten für maximal angemessen gehalten. Dies entsprach exakt dem von dem Kläger geschuldeten Betrag. Zur Abweisung der Klage im Übrigen hat das Sozialgericht ausgeführt, der Veräußerungsgewinn in Höhe von 30,30 EUR sei als Einkommen im Sinne von § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II zu berücksichtigen. Anders als bei der Auszahlung von Überschussanteilen und Bewertungsreserven aus einer Lebensversicherung, fließe durch die Veräußerung von Aktien mit Kursgewinn im laufenden Bewilligungszeitraum ein Wert zu, der über dem der zuvor vorgenommenen Vermögensumschichtung (Aktienerwerb) gelegen habe. Dieser Veräußerungsgewinn zähle ebenso wie Zinsen oder Dividenden aus Kapitalanlagen zu den Kapitalerträgen im Sinne von § 20 Einkommensteuergesetz (EStG). Diese seien nach der Rechtsprechung des BSG als Einkommen zu werten. Auch die weitere Berücksichtigung von Einnahmen in Höhe von 22,39 EUR aus diversen Produkttests sei rechtlich nicht zu beanstanden. Die Kammer sehe in der Rückerstattung des Kaufpreises eine monetäre Gegenleistung für die übermittelten Informationen des Erwerbers. Diese monetäre Gegenleistung stelle einen wertmäßigen Zuwachs dar, der zum Bestreiten des Lebensunterhalts zur Verfügung stehe und somit auch als Einnahme im Sinne von § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II zu qualifizieren sei. Diese Einnahmen unterfielen nicht § 11 a Abs. 5 SGB II, denn eine rechtliche Verpflichtung zur Erbringung der Gegenleistung durch das jeweilige Unternehmen bestehe.

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Gegen dieses ihm am 14. Juni 2018 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung des Klägers vom 1. Februar 2018. Er trägt vor, der erzielte Kursgewinn aus dem Aktienverkauf stelle kein Einkommen dar, es handele sich um zum Schonvermögen zählendes Vermögen, welches mehrfach umgeschichtet worden sei. Das Sozialgericht habe nicht berücksichtigt, dass es zu zwei Vermögensumschichtungen während des Bewilligungsabschnitts gekommen sei, nämlich zum Kauf der Aktien aus dem Schonvermögen und dem Verkauf zum aktuellen Kurswert im Anschluss. Durch die doppelte Umschichtung sei der Charakter des Schonvermögens aber nicht entfallen. Er sieht sich diesbezüglich auch durch Rechtsprechung und die Arbeitsanweisung der Bundesagentur für Arbeit bestätigt. Hinsichtlich der Produkttest habe das Sozialgericht nicht beachtet, dass er zuvor den Kaufpreis der jeweiligen Produkte zu entrichten gehabt habe. Dieser sei für die Erzielung des Einkommens notwendig gewesen und daher jedenfalls nach § 11 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB II vom Einkommen abzusetzen gewesen. Da er nicht mehr als den gezahlten Kaufpreis erstattet bekommen habe, habe er wirtschaftlich auch kein Einkommen erzielt.

14

Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,

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das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 25. Juni 2018 abzuändern, den Erstattungsbescheid des Beklagten vom 10. November 2016 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 31. Januar 2017 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bewilligungsbescheides vom 10. November 2016 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 31. Januar 2017 zu verurteilen, dem Kläger für den Monat Mai 2016 einen monatlichen Regelbedarf in Höhe von 404,00 EUR ohne Anrechnung von Einkommen zu gewähren.

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Der Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Er trägt vor, der erzielte Verkaufspreis der Aktien könne nicht vollständig als Vermögen berücksichtigt werden, weil der Kläger diesen Vermögensgegenstand nicht bereits vor der erstmaligen Antragstellung innegehabt hätte. Allein der Umstand, dass der Kläger im Zeitpunkt der Erstantragstellung 2005 über geschontes Vermögen verfügt habe, führe nicht dazu, dass jede weitere Geldanlage und jeder Veräußerungs- oder sonstiger Gewinn sich damit beliebig erklären ließe. Er meint, die Rechtsprechung des BSG zu Sofortboni nach Stromanbieterwechsel sei auf die streitgegenständlichen Produkttests zu übertragen.

19

Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie den weiteren Inhalt der Gerichtsakten und der den Kläger betreffenden Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Der Senat konnte trotz Fernbleibens des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 23. Oktober 2020 über die Berufungen entscheiden, weil der Kläger in der rechtzeitig zugegangenen Ladung auf diese, sich aus § 126 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ergebenende Möglichkeit hingewiesen worden ist.

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Die Berufung ist zulässig, insbesondere ist diese innerhalb der einmonatigen Berufungsfrist des § 151 Abs. 1 SGG, gerechnet ab Zustellung des angefochtenen Urteils, bei dem Landessozialgericht eingegangen.

22

Der Mindestbeschwerdewert gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG wird zwar deutlich nicht erreicht, sodass die Berufung der Zulassung bedurfte. Das Sozialgericht hat auch in dem angefochtenen Urteil die Berufung zugelassen. Dass dies wohl in Hinblick auf die vormals streitgegenständlichen Unterkunftskosten geschehen ist, hindert die Zulässigkeit der Berufung, in der nicht mehr über Unterkunftskosten gestritten wird, nicht.

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Die Berufung ist auch überwiegend begründet. Zu Unrecht hat das Sozialgericht die Klage auch insoweit abgewiesen, als der Beklagte im Monat Mai 2016 Einkommen aus Produkttests angerechnet hat. Insoweit sind die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten. Die angefochtenen Entscheidungen waren in diesem Umfang abzuändern. Im Übrigen ist die Berufung nicht begründet und war zurückzuweisen.

24

Der Kläger hat im streitgegenständlichen Zeitraum grundsätzlich Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II, denn er erfüllte die persönlichen Leistungsvoraussetzung gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 4 SGB II und war auch gemäß § 9 Abs. 1 SGB II hilfebedürftig, weil er seinen grundsicherungsrechtlich relevanten Lebensunterhalt nicht aus dem zu berücksichtigenden Einkommen und Vermögen vollständig sichern konnte und die erforderliche Hilfe auch nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhalten hat.

25

Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II in der bis zum 31. Juli 2016 geltenden Fassung waren als Einkommen zu berücksichtigen Einnahmen in Geld oder Geldeswert abzüglich der nach § 11b SGB II abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11a SGB II genannten Einnahmen.

26

Eine gesetzliche Abgrenzung von Einkommen und Vermögen enthält das SGB II nicht. Das Bundessozialgericht (BSG) stellt in ständiger Rechtsprechung grundsätzlich auf den Zuwachs während des Leistungsbezuges ab. Danach ist Einkommen grundsätzlich all das, was jemand in der Bedarfszeit wertmäßig dazu erhält und Vermögen all das, was er in der Bedarfszeit bereits hat. (vgl. BSG, Urteile vom 30. Juli 2008, B 14 AS 26/07R und vom 30. September 2008, B4 AS 29/07R).

27

Im Einzelfall ist die Abgrenzung gerade bei Geldanlagen mit Wertsteigerungen oder Gewinnausschüttungen nicht immer einfach und der Einzelfall zu betrachten. Dass Einnahmen aus Kapitalvermögen grundsätzlich der Einkommensanrechnung unterliegen, ergibt sich aber schon aus § 4 Satz 2 Nr.3 der auf Grundlage von § 13 SGB II erlassenen Arbeitslosengeld II Verordnung (Alg-II-V). Das BSG hat die Auszahlung von Überschussanteilen und Bewertungsreserven aus einer zum Schonvermögen zielenden Kapitallebensversicherung während des Leistungsbezug nicht als Einkommen qualifiziert, weil die Überschussbeteiligung Teil der Lebensversicherung sei und deshalb nur zur Steigerung des Verkehrswertes eines bereits zuvor vorhandenen Vermögensgegenstandes geführt habe (BSG, Urteil vom 10. August 2016, B 14 AS 51/15 R). Demgegenüber hat das BSG Zinseinkünfte aus Sparguthaben, die zum Schonvermögen gehören als Einkommen qualifiziert, wenn sie nach Antragstellung zufließen (Urteil vom 30. September 2008, B 4 AS 57/07 R). Zinseinkünfte hat das BSG auch dann als anrechenbares Einkommen qualifiziert, wenn die Geldanlage aus Mitteln einer gemäß § 11a Abs. 2 SGB II selbst nicht als Einkommen anzurechnenden Schmerzensgeldzahlung getätigt wurde. (BSG Urteil vom 22. August 2012, B 14 AS 103/11 R). In der landessozialgerichtlichen Rechtsprechung ist gestützt auf ältere Rechtsprechung des BSG zur Arbeitslosenhilfe (Urteil des BSG vom 20. Juni 1978,7 RAr 47/77) bezogen auf die hier streitige Veräußerung von Wertpapieren angenommen worden, dass es sich bei dem erhaltenen Betrag nicht um Einkommen, sondern um Vermögen handele, weil der erzielte Kaufpreis nur an die Stelle des verwerteten Vermögensgegenstandes trete und dem Hilfebedürftigen keinen wertmäßigen Zuwachs bringe (siehe LSG NRW, Beschluss vom 26. April 2011, L7 AS 493/11 B). Zum Teil ist auch angenommen worden, dass es sich bei der Veräußerung von Vermögensgegenständen regelmäßig um eine Vermögensumschichtung handele, da der Vermögensbestand des Veräußerers nicht verändert werde. Eine andere Beurteilung sei gerechtfertigt, wenn für eine Sache oder ein Recht ein Kaufpreis erlangt werde, der über dem Wert des veräußerten Gegenstandes liege (vergleiche Hessisches LSG, Urteil vom 29 Oktober 2012, L9 AS 357/10).

28

Vorliegend verhält es sich etwas anders als in den letztgenannten landessozialgerichtlichen Entscheidungen zugrundeliegenden Fällen, denn der Kläger hat eindeutig und klar quantifizierbar im laufenden Bewilligungsabschnitt einen wertmäßigen Zuwachs erzielt. Er hat - anders als in den genannten Entscheidungen - keinen länger zum Vermögen gehörenden Gegenstand veräußert und dabei von einer längerfristigen Wertentwicklung dieses Vermögensgegenstandes profitiert, sodass sich der Zeitpunkt des Wertzuwachses nicht mehr ohne erheblichen Aufwand und Unwägbarkeiten bestimmen lässt. Vielmehr hat er durch Ankauf und Verkauf eines Aktienpaketes nicht nur innerhalb eines Bewilligungsabschnitts nach dem SGB II, sondern auch noch innerhalb eines Monats sehr kurzfristig einen Spekulationsgewinn erzielt. Dieser unterfällt auch grundsätzlich der Kapitalertragssteuer. Zur Überzeugung des Senats ist aber ein kurzfristig erzielter Spekulationsgewinn, der an den Anleger auch in Geld ausgekehrt wird, eher mit Zinserträgen aus einer Kapitalanlage zu vergleichen als mit langfristig realisierten Wertsteigerungen einer grundsätzlich im Bestand bleibenden Geldanlage. Um eine bloße Vermögensumwandlung handelt es sich zur Überzeugung des Senats daher nur insoweit, als der Kläger den ursprünglich aufgewandten Kaufpreis in Höhe von 1.451,95 EUR durch Verkauf 20 Tage später zurückerhalten hat. Der erzielte Überschuss ist als Einkommen zu qualifizieren und unterliegt gemäß § 11 Abs.1 S.1 SGB II der leistungsmindernden Anrechnung.

29

Anders verhält es sich zur Überzeugung des Senats mit den Kaufpreiserstattungen, die der Kläger nach Produkttests von den Herstellern erhalten hat. Diese stellen schon keine Einnahme in Geld dar und können mangels quantifizierbaren Marktwerts und Einsetzbarkeit zur Bedarfsdeckung auch nicht als Einnahmen in Geldeswert angerechnet werden. Zwar hat der Kläger die angerechneten Beträge in Höhe von 22,39 EUR tatsächlich in Geld erhalten, dem stehen aber zuvor getätigten Ausgaben in mindestens gleicher Höhe entgegen. Der Kläger hat keine höheren Einnahmen erzielt, als er zuvor durch Zahlung des Kaufpreises aufgewandt hat. Um eine Kaufpreiserstattung nach Produkttest zu erhalten, ist die vorherige Zahlung des Kaufpreises auch notwendig, sodass dieser gemäß § 11 b Abs. 1 Nr. 5 SGB II vom Einkommen abzusetzen ist. Der Kläger hat daher wirtschaftlich keine Einnahmen in Geld erzielt. Erlangt hat er vielmehr lediglich die zum Teil kostenlose Nutzung der gekauften Produkte. In der hier noch maßgeblichen Fassung des § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II waren - anders als in der aktuellen Fassung - auch außerhalb von Beschäftigungsverhältnissen neben Einnahmen in Geld aber auch noch Einnahmen in Geldeswert als Einkommen zu berücksichtigen, sodass zu prüfen ist, ob die kostenlose Nutzbarkeit der gekauften Drogerieprodukte (... Wunderbutter, ... Mundspülung, .... Öl, .... Shampoo und .... Vollwaschmittel) eine geldwerte Einnahme darstellt. Bei einer Anrechnung von Einnahmen in Geldeswert als Einkommen nach § 11 SGB II ist es erforderlich, dass die entsprechenden Sachleistungen einen Marktwert haben, denn nur Leistungen mit einem Marktwert sind geeignet, die aktuelle Bedürftigkeit zu beseitigen (vergleiche Söhngen jurisPK SGB II § 11 Rn. 45 m.w.N.). Einnahmen in Geldeswert müssen jedenfalls als bereite Mittel für die bedarfsbezogene Verwendung zur Verfügung stehen (vergleiche Söhngen aaO). Die ALG-II-VO bestimmte dabei im streitgegenständlichen Zeitraum in § 2 Abs. 6 i.V.m. § 4 S.1, dass Einnahmen in Geldeswert außerhalb einer vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Verpflegung mit ihrem Verkehrswert anzusetzen sind, wobei maximal der Betrag anzusetzen ist, der für die entsprechende Ausgabengruppe im maßgebenden Regelbedarf enthalten ist. Die hier streitigen Produkte lassen sich unter den Abteilungen, die für die Ermittlung des Regelbedarfes nach § 20 SGB II relevant sind, am ehesten dem Bereich der Gesundheitspflege zuordnen. Für diese ergab sich im Jahr 2016 ein rechnerischer Anteil am Regelbedarf eines Alleinstehenden in Höhe von 17,35 EUR. (vergleiche https://harald-thome.de/fa/redakteur/Harald_2018/Ruediger-Boeker-Aufteilung-Regel-Bedarf-2011-2012-2013-2014-2015-2016-2017-2018-2019-nach-EVS-Abteilungen.pdf). Die Anrechnung des vollen Betrages von 22,39 EUR als Einkommen im Monat Mai 2016 scheidet danach schon von vornherein aus. Aber auch der Betrag von 17,35 EUR kann nicht als Einnahme in Geldeswert angerechnet werden. Zu berücksichtigen ist nämlich, dass für die Rückerstattung des Kaufpreises nicht nur der Kauf des Produkts, sondern auch der Verbrauch eines Teils des Produkts erforderlich ist, denn nur so können die im Rahmen des Produkttests nötigen Angaben durch den Erwerber gemacht werden. De facto erlangt der Kläger daher nicht die gänzliche unentgeltliche Nutzung der gekauften Produkte, sondern lediglich der Restbestände, die nach Erstnutzung des Produktes noch übrig sind. Der Marktwert einer angebrochenen Shampooflasche oder einer angebrochenen Mundspülung dürfte aber gegenüber dem ursprünglichen Kaufpreis deutlich gemindert sein und ist de facto kaum ermittelbar. Zudem erscheint auch eine Berücksichtigung des im Regelbedarf vorgesehenen Anteils für Gesundheitspflege in Gänze deshalb nicht angezeigt, weil die vom Kläger gekauften Produkte nur einen sehr spezifischen Teil der diesen Bereich umfassenden Alltagsprodukte widerspiegeln. Es kann nicht angenommen werden, dass der Kläger seinen grundsicherungsrechtlichen Bedarf im Bereich der Gesundheitspflege allein durch die im Ergebnis kostenlose Nutzung der angebrochenen Drogerieprodukte sichern konnte. Bei dieser Gemengelage lässt sich ein Betrag, der noch als geldwerter und zur Bedarfsdeckung einsetzbarer Vorteil angerechnet werden könnte, auch im Hinblick auf den insgesamt geringen Umfang der aus den Produkttest erhaltenen Kaufpreiserstattungen nicht seriös quantifizieren. Gegen eine Anrechnung spricht auch, dass sich die Einnahmen des Klägers nicht der Aufzählung in § 4 S.2 Alg-II-V zuordnen lassen. Insgesamt erscheint es daher zur Überzeugung des Senats nicht angezeigt, den geringen Gebrauchsvorteil, den der Kläger im Mai 2016 erzielt hat, als Einkommen nach § 11 Abs. 1 SGB II in diesem Monat anzurechnen.

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Anrechnungsfähig ist daher lediglich der Verkaufsgewinn aus dem Aktiengeschäft in Höhe von 30,30 EUR, der aber noch um eine Versicherungspauschale in Höhe von 30,- EUR gemäß § 11 b Abs. 1 Nr. 3 SGB II i.V.m. § 6 Abs.1 Nr.1 Alg-II-VO zu bereinigen war, sodass es bei anrechenbarem Einkommen in Höhe von 0,30 EUR verbleibt.

31

Die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen waren demgemäß dahingehend abzuändern, dass eine Anrechnung von Einkommen im Mai 2016 lediglich im Umfang von 0,30 EUR erfolgt und von dem Kläger auch nur eine Erstattung in dieser Höhe verlangt wird.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG und folgt der Entscheidung in der Hauptsache. Das geringfügige Obsiegen des Beklagten rechtfertigt eine Quotierung der Kosten nicht.

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Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.


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