Urteil vom Landessozialgericht Sachsen-Anhalt (2. Senat) - L 2 EG 1/09
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
- 1
Die Beteiligten streiten über den zeitlichen Umfang des Anspruchs der Klägerin auf Elterngeld nach dem Gesetz zum Elterngeld und zur Elternzeit (BEEG).
- 2
Die am 1978 geborene Klägerin ist deutsche Staatsbürgerin und lebte im Jahr 2007 in H ... (S ). Aus ihrer Beschäftigung erzielte die Klägerin zwischen Oktober 2006 und September 2007 monatlich brutto 1.447,50 Euro bei Abzügen von Lohnsteuer in Höhe von 116,29 Euro und Sozialversicherungsbeiträgen von 307,60 Euro. Am 2007 wurde ihre Tochter F ... M ... in H. (S. ) geboren. Die Klägerin bezog vom 7. Oktober 2007 bis zum 15. Januar 2008 Mutterschaftsgeld von der zuständigen Krankenkasse in Höhe von 13,00 Euro täglich und von ihrem Arbeitgeber in Höhe von 21,12 Euro täglich.
- 3
Am 13. Dezember 2007 stellte die Klägerin beim Landesverwaltungsamt H ... einen Antrag auf Elterngeld für die Dauer von 14 Monaten auf der Grundlage des Einkommens aus der Erwerbstätigkeit der letzten 12 Monate. Dabei gab sie an: Sie beanspruche das Elterngeld für den gesamten Zeitraum für sich alleine. Sie nehme Elternzeit vom 16. Januar 2008 bis zum 15. März 2009. Für ihre Tochter besitze sie mit dem anderen Elternteil die gemeinsame Personensorge. Zu dieser Zeit war der Vater des Kindes bereits in die Schweiz verzogen.
- 4
Mit Bescheid vom 2. Januar 2008 bewilligte das Landesverwaltungsamt H. (LVA) der Klägerin Elterngeld für die Zeit vom 20. November 2007 bis zum 19. November 2008 (also für zwölf Monate) in Höhe von 658,88 Euro monatlich und führte aus, in der Zeit vom 20. November 2008 bis zum 19. Januar 2009 stehe der Klägerin kein Elterngeld zu. Leistungen während der Mutterschutzfrist ab der Geburt des Kindes seien auf das Elterngeld anzurechnen. In der Begründung ging das LVA von einem Gesamteinkommen im maßgeblichen Zwölfmonatszeitraum vor der Geburt von 11.327,36 Euro bzw. monatlich 943,95 Euro aus. Hiervon berücksichtigte es 69,80 Prozent wegen des niedrigen Einkommens. Bis zum 19. Januar 2008 berücksichtigte das LVA das Mutterschaftsgeld und den Arbeitgeberzuschuss, so dass sich nur ein Zahlbetrag von 85,00 Euro ergab.
- 5
Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin am 29. Januar 2008 Widerspruch wegen der Begrenzung des Bewilligungszeitraums auf zwölf Monate: Der Vater des Kindes arbeite und lebe in der Schweiz. Auch wenn sie sich mit diesem die Personensorge für die Tochter teile, übe sie diese faktisch allein aus und sei daher als alleinerziehend anzusehen. Der Vater habe in der Schweiz keine Ansprüche auf Elterngeld. Sie sehe sich bzw. ihre Tochter als benachteiligt an, weil der Vater für eine zweimonatige Elternzeit nicht in Betracht komme. Daher seien die zwei Monate auf sie zu übertragen.
- 6
Das LVA wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 3. Juli 2008 als unbegründet zurück und führte aus: Ein Elternteil könne grundsätzlich für höchstens 12 Monate Elterngeld beziehen. Die besonderen Voraussetzungen für die Gewährung des Elterngeldes auch für den 13. und 14. Lebensmonat des Kindes lägen nicht vor, weil die Klägerin mit dem Vater des Kindes die Personensorge für das Kind gemeinsam ausübe. Eine Unmöglichkeit der Betreuung des Kindes durch den anderen Elternteil liege vor, wenn dieser aus tatsächlichen Gründen die Betreuung nicht übernehmen könne. Dies sei nicht gegeben, wenn der Kindesvater derzeit in der Schweiz arbeite. Wirtschaftliche Gründe und Gründe einer Verhinderung wegen anderweitiger Tätigkeiten blieben außer Betracht.
- 7
Am 28. Juli 2008 hat die Klägerin beim Sozialgericht Halle (SG) Klage erhoben: Sie sei faktisch allein erziehend. Die Partnerschaft mit dem Vater der Tochter sei kurz nach der Einrichtung des gemeinsamen Sorgerechts beendet worden. Der Vater lebe circa 850 km entfernt von H außerhalb Deutschlands. Die Klägerin ist der Meinung, dass eine zweifache Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes vorliege, weil sei einerseits alleinerziehend sei, dies aber nicht anerkannt werde. Ihre Tochter werde gegenüber anderen Kindern benachteiligt, deren Erziehung mit 14 Monaten Elterngeld gefördert werde.
- 8
Mit Urteil vom 7. April 2009 hat das SG die Klage als unbegründet abgewiesen und ausgeführt: Der Klägerin stehe für den 13. und den 14. Lebensmonats des Kindes kein Elterngeld zu, weil sie weder das alleinige Sorgerecht für ihre Tochter habe noch ihr das Aufenthaltsbestimmungsrecht durch das Familiengericht ggf. in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren übertragen worden sei. Eine Härtefallklausel sehe das Gesetz nicht vor und eine solche sei auch nicht geboten, wenn der familiengerichtliche Eilrechtsschutz möglich sei.
- 9
Gegen das ihr am 21. April 2009 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 13. Mai 2009 Berufung eingelegt und zur Begründung vorgetragen: Das BEEG schaffe zwei Klassen von Eltern und Kindern, weil sie sich mit dem anderen Elternteil nicht für die 14 Monate entscheiden könne, wenn dieser keinen Anspruch auf die Elternzeit habe. Sie ist der Ansicht, dass hierdurch eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes des Grundgesetzes vorliegt. Ihr Kind könne nur von 12 Monaten Förderung profitieren, während diese anderen Kindern 14 Monate gewährt werde. Sie meint, dass eine Übertragung der zwei Monate der Elternzeit des anderen Elternteils möglich sein müsse, wenn der andere Elternteil keinen Anspruch auf die Elternzeit habe bzw. es sei in diesen Fällen von einer Unmöglichkeit im Sinne des Gesetzes auszugehen.
- 10
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
- 11
das Urteil des SG vom 7. April 2009 und den Bescheid des LVA vom 2. Januar 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des LVA vom 3. Juli 2008 abzuändern und ihr Elterngeld für die Zeitraum vom 20. November 2008 bis zum 19. Januar 2009 in Höhe in Höhe von 658,88 Euro monatlich zu gewähren.
- 12
Die Beklagte beantragt,
- 13
die Berufung zurückzuweisen.
- 14
Sie verweist auf die Gründe des SG.
- 15
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.
Entscheidungsgründe
- 16
Die Berufung der Klägerin ist zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt im Sinne des § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG); die Klägerin macht einen höheren Anspruch als die von § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG genannte Summe von 750 Euro geltend.
- 17
Die Berufung ist nunmehr als gegen die Stadt H ... (S ...) gerichtet anzusehen. Die Landesregierung kann gemäß § 12 Abs 1 S. 1 BEEG entscheiden, welchen Behörden sie die Aufgaben der Verwaltung des BEEG überträgt (vgl. hierzu auch BSG, Urteil vom 25. Juni 2009, Az. B 10 EG 9/08 R - Juris). Die Zuständigkeit für die Verwaltung des Elterngeldes ist mit dem am 1. Januar 2010 geänderten Ausführungsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt zum BEEG (geändert durch das Zweite Funktionalreformgesetz, Art. 3, GVBl LSA S. 514) auf die Landkreise und kreisfreien Städte wie H (S. ) übertragen. Gemäß Art. 20 Abs. 2 des Zweiten Funktionalreformgesetzes werden die Verfahren nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz, die bis zum 31. Dezember 2009 noch nicht abgeschlossen sind, vom LVA auf die jeweiligen örtlich zuständigen Landkreise und kreisfreien Städte übergeleitet. Der dadurch eingetretene Wechsel in der Stellung des Beklagten ist ab Inkrafttreten ohne weitere notwendige Erklärungen der Beteiligten durch das Gericht von Amts wegen zu berücksichtigen.
- 18
Die Berufung gegen das Urteil des SG ist nicht begründet. Auf die Anfechtungs- und Leistungsklage der Klägerin war der Bescheid des LVA vom 2. Januar 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des LVA vom 3. Juli 2008 nicht im Sinne der Klägerin abzuändern.
- 19
Die Klägerin erfüllt die persönlichen Anspruchsvoraussetzungen für den Anspruch auf Elterngeld. Hierauf hat nach dem am 1. Januar 2007 in Kraft getretenen § 1 Abs. 1 BEEG Anspruch, wer seinen Wohnsitz in Deutschland hat, mit seinem Kind in einem Haushalt lebt, dieses Kind selbst betreut oder erzieht und keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt. Diese Voraussetzungen erfüllt die Klägerin seit der Geburt ihrer Tochter am 20. November 2007.
- 20
Die Antragstellerin erfüllt aber nicht die Voraussetzungen für einen Bezug des Elterngeldes auch für den 13. und 14. Lebensmonat ihrer Tochter. Gemäß § 4 Abs. 1 S. 1 BEEG kann Elterngeld in der Zeit vom Tag der Geburt bis zur Vollendung des 14. Lebensmonat des Kindes bezogen werden. Nach § 4 Abs. 3 Satz 1 BEEG (in der hier noch bis zum 23. Januar 2009 anwendbaren Ursprungsfassung, BGBl. I 1997, S. 2748) kann ein Elternteil aber höchstens für zwölf Monate Elterngeld beziehen.
- 21
Abweichend von § 4 Abs. 3 Satz 1 BEEG kann ein Elternteil nach Satz 3 der Vorschrift für 14 Monate Elterngeld beziehen, wenn eine Minderung des Einkommens aus Erwerbstätigkeit erfolgt und mit der Betreuung durch den anderen Elternteil eine Gefährdung des Kindeswohls im Sinne von § 1666 Abs. 1 und 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) verbunden wäre oder die Betreuung durch den anderen Elternteil unmöglich ist, insbesondere weil er wegen einer schweren Krankheit oder Schwerbehinderung sein Kind nicht betreuen kann; für die Feststellung der Unmöglichkeit der Betreuung bleiben wirtschaftliche Gründe und Gründe einer Verhinderung wegen anderweitiger Tätigkeiten außer Betracht. Elterngeld für 14 Monate steht einem Elternteil nach Satz 4 der Regelung auch zu, wenn 1. ihm die elterliche Sorge oder zumindest das Aufenthaltsbestimmungsrecht allein zusteht oder er eine einstweilige Anordnung erwirkt hat, mit der ihm die elterliche Sorge oder zumindest das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das Kind vorläufig übertragen worden ist, 2. eine Minderung des Einkommens aus Erwerbstätigkeit erfolgt und 3. der andere Elternteil weder mit ihm noch mit dem Kind in einer Wohnung lebt.
- 22
Diese Voraussetzungen für eine abweichende Leistungserbringung liegen nicht vor. Insbesondere ist hier eine Betreuung des Kindes für die Zeit des 13. und 14. Lebensmonats des Kindes durch den anderen Elternteil nicht unmöglich. Das Gesetz führt zur Auslegungshilfe mit den Beispielen der Schwerbehinderung und Krankheit Fälle auf, in denen eine Betreuung unmöglich sein kann. Hierbei handelt es sich um Fallbeispiele, bei denen das Elternteil eine Betreuung aus Gründen nicht übernehmen kann, die in der Person selbst liegen und nicht vom Willen des Elternteils abhängen. Der Senat versteht den Begriff daher so, dass eine Unmöglichkeit der Übernahme der Betreuung durch den anderen Elternteil im Sinne des § 4 Abs. 3 S. 3 BEEG dann anzunehmen ist, wenn die Betreuung aus von diesem nicht zu beeinflussenden Gründen nicht möglich ist, selbst wenn er diese übernehmen wollte. Eine solche Konstellation liegt hier nicht vor. Dass der Kindesvater in der Schweiz lebt und arbeitet, beruht auf dessen freiem Willensentschluss und begründet keine Unmöglichkeit. Es ist auch eine bei der Übernahme der Kindesbetreuung eher typische Folge, dass mit dem Entschluss, die - im konkreten Fall in der Schweiz ausgeübte - Erwerbstätigkeit - ggf. nur befristet - aufzugeben, finanzielle Einbußen verbunden wären.
- 23
Einen Verstoß der Regelungen gegen den Schutz des in Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) verankerten Gleichheitsgebots vermag der Senat nicht zu erkennen.
- 24
Mit Art. 3 GG ist dem Gesetzgeber nicht jegliche Differenzierung untersagt. Dem Gesetzgeber ist auch im Bereich des Sozialrechts ein weiter Gestaltungsspielraum eingeräumt. Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs 1 GG ist erst dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können (ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - seit BVerfGE 55, 72, 88). Soweit durch staatliche Maßnahmen Familien betroffen sind, muss der Staat darüber hinaus den Schutz beachten, den er nach Art. 6 Abs. 1 GG zu gewährleisten hat (vgl. BVerfGE 112, 50, 67). Eine Ungleichbehandlung findet nicht statt. Die Klägerin wird gegenüber anderen Elternteilen nicht benachteiligt. Sie kann wie diese, wie es als Regelfall im Gesetz vorgesehen ist, nur einen Anspruch auf Elterngeld für insgesamt 12 Monate erheben. Dass der Gesetzgeber "Vätermonate" ermöglichen wollte und damit für beide Elternteile einen um zwei Monate gegenüber dem Einzelanspruch höheren Bezugszeitraum von 14 Monaten geregelt hat, liegt in seinem Gestaltungsspielraum. Zudem wird mit dieser Regelung ein nachvollziehbarer und legitimer Zweck verfolgt. Die Verlängerung der insgesamt möglichen Anspruchsdauer zielt darauf ab, einen besonderen Anreiz dafür zu schaffen, dass sich der - ggf. aus wirtschaftlichen Gründen - bislang nicht maßgeblich an der Erziehung der Kleinstkinder beteiligte Elternteil ebenfalls unter Abfederung der Gehaltseinbuße entschließen kann, seine Erwerbstätigkeit zugunsten des Kindes zu unterbrechen. Der besondere Zweck dieses Anreizes kann also nicht erfüllt werden, wenn die zwei weiteren Monate schlicht auf den einen Elternteil "übertragen" werden können, ohne dass ein eng begrenzter, gesetzlich geregelter Ausnahmefall vorliegt. Im Übrigen steht die Klägerin nicht anders als alle anderen Elternteile, bei denen sich der andere Elternteil nicht für die Inanspruchnahme des Elternzeit bzw. -geldes entschieden hat, weil er seine Erwerbstätigkeit nicht unterbrechen kann oder will. Zur Inanspruchnahme der vollen Elternzeit werden die Eltern nicht gezwungen. Sie stellt nur ein verfassungsrechtlich unbedenkliches Angebot an die Eltern dar. Eine spezifische Ungleichbehandlung Alleinerziehender kann nicht erkannt werden. In diesen Fällen ist rein faktisch davon auszugehen, dass die Bereitschaft des anderen Elternteils, Erziehungsgeld in Anspruch zu nehmen, geringer sein wird. Deshalb war der Gesetzgeber auch im Lichte des Art. 6 Abs. 1 GG nach Ansicht des Senats nicht gehalten, für Alleinerziehende einen insgesamt gleichen Anspruchszeitraum wie beiden Elternteilen einzuräumen.
- 25
Die Höhe der mit dem Bescheid gewährten bisherigen Leistungen hat die Klägerin nicht weiter angefochten und ist auch nach Prüfung des Senats zutreffend errechnet worden.
- 26
Die Kostenentscheidung ergeht nach § 193 Abs. 1 und 4 SGG und orientiert sich am Ausgang des Verfahrens.
- 27
Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne des § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
- SGG § 144 1x
- BEEG § 12 Zuständigkeit; Aufbringung der Mittel 1x
- SGG § 193 1x
- SGG § 160 1x
- 10 EG 9/08 1x (nicht zugeordnet)
- BEEG § 1 Berechtigte 1x
- BEEG § 4 Art und Dauer des Bezugs 4x