Beschluss vom Landessozialgericht Sachsen-Anhalt (5. Senat) - L 5 AS 426/11 NZB

Tenor

Der Antrag vom 30. Mai 2012 auf Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist wird abgelehnt.

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 30. August 2011 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

I.

1

Die Klägerin und Beschwerdeführerin begehrt die Zulassung der Berufung gegen ein Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau (SG) und die Durchführung des Berufungsverfahrens.

2

Zwischen den Beteiligten war die Gewährung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Zeitraum vom 1. bis zum 7. Dezember 2009 streitig.

3

Die Klägerin lebte im streitigen Zeitraum mit ihrem Ehemann, der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz bezog, in einer Mietwohnung in K ... Zuletzt bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 29. Mai 2009 Leistungen für den Bewilligungszeitraum vom 1. Juni bis zum 30. November 2009. Mit Schreiben vom 7. Oktober 2009 übersandte der Beklagte der Klägerin Formulare für einen Weiterbewilligungsantrag und wies auf die Notwendigkeit einer rechtzeitigen Antragstellung vor Ablauf des aktuellen Bewilligungsabschnitts am 30. November 2009 hin.

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Am 8. Dezember 2009 ging beim Beklagten ein Fortzahlungsantrag ein, der von der Klägerin unter dem Datum 8. Dezember 2009 unterschrieben war. Der Beklagte bewilligte daraufhin mit Bescheid vom 9. (gemäß Verwaltungsakte) bzw. 11. Dezember 2009 vorläufig Leistungen für die Zeit vom 8. Dezember 2009 bis zum 31. Mai 2010. Dabei berücksichtigte er ein bereinigtes Nebeneinkommen iHv 48,00 EUR.

5

Dagegen legte die Klägerin am 11. Januar 2010 Widerspruch ein. Die Anrechnung des Einkommens sei rechtswidrig, da das Arbeitsverhältnis bereits im September 2009 beendet worden sei. Sie habe auch Anspruch auf Leistungen ab dem 1. Dezember 2009, denn sie sei rechtzeitig zum Abgabetermin in der Leistungsabteilung des Beklagten erschienen. Die dortige tätige Beschäftigte habe sich jedoch geweigert, den aus ihrer Sicht unvollständigen Antrag entgegenzunehmen.

6

Mit Änderungsbescheiden vom 28. Januar, 1. und 25. März 2010 bewilligte der Beklagte höhere Leistungen für den Bewilligungszeitraum ab 8. Dezember 2009 und rechnete kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit mehr an. Mit Widerspruchsbescheid vom 11. Mai 2010 wies er den Widerspruch im Übrigen als unbegründet zurück. Die Klägerin habe die rechtzeitige Stellung des Fortzahlungsantrags, die nicht aktenkundig sei, nicht bewiesen. Die Vernehmung der von ihr benannten Zeugin Ge. sei unergiebig gewesen.

7

Dagegen hat die Klägerin am 10. Juni 2010 Klage erhoben. Das SG hat in der mündlichen Verhandlung die Klägerin angehört und die von ihr benannte Frau Ge. und den Mitarbeiter des Beklagten, Herrn G., als Zeugen vernommen. Mit Urteil vom 30. August 2011 hat es die Klage abgewiesen und die Berufung nicht zugelassen. Die Klägerin habe nicht nachgewiesen, vor dem 8. Dezember 2009 einen Fortzahlungsantrag für die Zeit ab 1. Dezember 2009 gestellt zu haben. Gemäß § 37 SGB II würden Leistungen nur auf Antrag und nicht für Zeiten vor Antragstellung erbracht. Werde ein Folgeantrag nicht rechtzeitig gestellt, führe dies zum Rechtsverlust. Für den Zugang des Antrags bei dem Beklagten trage die Klägerin die Beweislast. In der Verwaltungsakte befinde sich nur der am 8. Dezember 2009 unterschriebene und ausweislich des Eingangsvermerks am selben Tag eingegangene Fortzahlungsantrag der Klägerin. Eine frühere Antragstellung sei nicht bewiesen. Es gebe auch keinen Anhalt für eine formlose, mündliche Antragstellung anlässlich einer Vorsprache beim Beklagten. Die Angaben der Klägerin seien zwar detailreich, aber hinsichtlich der zeitlichen Einordnung nicht überzeugend gewesen. Die Zeugin habe sich zwar erinnern können, die Klägerin mehrfach – nach deren Rückenoperation – in die Diensträume des Beklagten begleitet zu haben, zum Inhalt der Vorsprachen habe sie jedoch keine Angaben machen können. Die Verbis-Einträge wiesen die Stellung des Weiterbewilligungsantrags erst für den 8. Dezember 2009 aus. Soweit am 25. November 2009 in verbis dokumentiert sei, der Weiterbewilligungsantrag sei noch nicht eingereicht worden, lasse dies nicht darauf schließen, dass die Klägerin bei dieser Gelegenheit versucht habe, einen Antrag abzugeben. Gegenstand der Vorsprache sei ein Änderungsbescheid für den damals laufenden Bewilligungsabschnitt gewesen. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei nicht möglich. Eine Leistungsgewährung sei auch nicht über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch möglich, denn eine Pflichtverletzung des Beklagten sei nicht ersichtlich.

8

Gegen das ihr am 22. September 2011 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 13. Oktober 2011 Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung eingelegt. Diese hat sie in der Folge trotz Erinnerungen des Senats vom 16. Januar und 29. Februar 2012 nicht begründet. Unter dem 30. März 2012 hat ihre Prozessbevollmächtigte Fristverlängerung zur Begründung bis zum 27. April 2012 beantragt. Sie habe Probleme mit ihren Zwangsverwaltervergütungsabrechnungen, einen Vortrag bei der Kreisvolkshochschule vorzubereiten und müsse in eigenen Angelegenheiten mehrere Einspruchsbegründungen für das Finanzamt fertigen. Mit Schreiben vom 10. April 2012 hat die Berichterstatterin die Frist antragsgemäß verlängert.

9

Unter dem 27. April 2012 hat die Prozessbevollmächtigten der Klägerin erneut Fristverlängerung – nunmehr bis zum 29. Mai 2012 – beantragt. Sie sei verpflichtet, diverse Einspruchsbegründungen für das Finanzamt zu fertigen. Zudem sei ihre beschäftigte Steuerfachangestellte seit dem 10. April 2012 erkrankt, sodass sie deren Arbeit mit übernehmen müsse. Mit Schreiben vom 2. Mai 2012 hat die Berichterstatterin die weitere Fristverlängerung antragsgemäß gewährt und zugleich darauf hingewiesen, dass weitere Fristverlängerungsanträge voraussichtlich nicht mehr positiv beschieden werden könnten.

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Am 30. Mai 2012 hat die Prozessbevollmächtigte der Klägerin erneut Fristverlängerung bis zum 25. Juni 2012 beantragt. Sie sei vom 29. Mai bis zum 1. Juni 2012 erkrankt und daher nicht in der Lage die Beschwerdebegründung zu fertigen.

11

Seither hat sich die Prozessbevollmächtigte der Klägerin nicht mehr geäußert.

12

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten ergänzend Bezug genommen. Sie waren Gegenstand der Beratung des Senats.

II.

13

Der Senat war trotz des erneuten Antrags der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 30. Mai 2012 auf Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist nicht an einer Entscheidung gehindert. Denn dieser wurde erst nach Ablauf der bis zum 29. Mai 2012 laufenden richterlichen Frist, die ihrerseits bereits verlängert worden war, gestellt. Ein Verlängerungsgesuch nach § 65 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nach Fristablauf ist nicht mehr berücksichtigungsfähig (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage 2012, § 65 RN 4). Insbesondere hat die Prozessbevollmächtigte ihr Nichtverschulden an der Versäumung des Antrags nicht dargelegt. Im Übrigen hatte die Berichterstatterin bereits mit Schreiben vom 2. Mai 2012 angekündigt, dass weiteren Anträgen auf Fristverlängerung voraussichtlich nicht mehr entsprochen und nach Ablauf des Monats Mai 2012 eine Entscheidung in der Sache erfolgen werde.

14

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht gemäß § 145 Abs. 1 SGG eingelegt worden.

15

Sie ist jedoch nicht begründet. Das SG hat die Berufung gegen das Urteil vom 30. August 2011 zu Recht nicht zugelassen. Gemäß § 144 Abs. 1 SGG in der seit dem 1. April 2008 geltenden Fassung bedarf die Berufung der Zulassung in einem Urteil des SG, wenn der Wert des Streitgegenstands bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 EUR nicht übersteigt. Die von dem Urteil des SG für die Klägerin ausgehende Beschwer lag bei 121,66 EUR. Ausgehend von der bestandskräftigen Bewilligung für den Folgezeitraum iHv monatlich 521,30 EUR ergibt sich ein Tagessatz der Leistungen iHv 17,38 EUR, der für den streitgegenständlichen Zeitraum von sieben Tagen den Grenzwert von 750,00 EUR nicht überschreitet.

16

Die Berufung war auch nicht nach § 144 Abs. 2 SGG zuzulassen. Danach ist die Berufung zuzulassen, wenn 1. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, 2. das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts (BSG), des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 3. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

17

Der Zulassungsgrund des § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG liegt nicht vor. Die Klägerin hat keinen Verfahrensverstoß geltend gemacht.

18

Es besteht auch keine Divergenz iSv § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG. Ein Abweichen des Urteils von einer Entscheidung des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt oder des BSG ist weder vorgetragen noch ersichtlich.

19

Auch der Zulassungsgrund des § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG liegt nicht vor. Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Sie wirft keine bislang ungeklärten Rechtsfragen auf, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern. Dem Urteil lassen sich keine verallgemeinerungsfähigen und klärungsbedürftigen Rechtsfragen entnehmen. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung nach Beweisaufnahme mit eingehender Beweiswürdigung und Beweislastverteilung zum Zeitpunkt der Stellung eines SGB II-Leistungsantrags. Diese hat das SG auf der Grundlage der gesetzlichen Vorschriften und der zutreffend zitierten Rechtsprechung des BSG getroffen.

20

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

21

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar, § 177 SGG.


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