Urteil vom Landessozialgericht Sachsen-Anhalt (7. Senat) - L 7 VE 1/13

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über einen Anspruch auf Versorgung mit den Hautpflegemitteln "Linola-Hautmilch" und "Alfason Repair".

2

Mit Urteil vom 22. August 2007 stellte das Sozialgericht (SG) Halle bei der Klägerin nach dem Gesetz über die Hilfe für durch Anti-D-Immunprophylaxe mit dem Hepatitis-C-Virus infizierte Personen (AntiDHG) folgende Schädigungsfolgen fest:

3

Hautveränderungen, insbesondere Spider-naevi, trockene rissige Haut mit Juckreiz, Angstzustände und psychovegetative Begleiterscheinungen. Der Beklagte erließ am 6. Dezember 2007 einen entsprechenden Ausführungsbescheid und gewährte für diese Schädigungsfolgen nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 40 vom Hundert (vH) eine monatliche Rente in Höhe von 434,00 EUR.

4

Am 14. Oktober 2010 beantragte die Klägerin die Kostenübernahme für Linola-Milch und Alfason Repair zur Behandlung der chronischen Hepatitis C. Der Beklagte zog die Verwaltungsakte der Beigeladenen bei. Danach hatte diese die Übernahme der Kosten für die Pflege mit Linola-Milch und Alfason Repair mit Bescheid vom 7. Juli 2010 abgelehnt und die Klägerin auf die Pflegecreme D. verwiesen. Dagegen hatte die Klägerin am 29. Juli 2010 Widerspruch eingelegt und vorgetragen: Sie erhalte schon seit dem 11. März 2004 Linola-Milch. Es gebe nach dem gescheiterten Probeversuch mit D. keine andere Alternative. Bis zum 4. März 2010 sei der Entscheidung ihrer Ärztin gefolgt worden, wonach Linola-Milch das medizinisch notwendige Medikament sei. Ihr Anspruch dürfe nicht plötzlich eingeschränkt werden. Auch unter Berücksichtigung des Gebotes von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit sei die Linola-Milch weiter zu gewähren. Die Kosten für das Medikament D. seien mit 60,33 EUR höher als die für Linola-Milch und Alfason Repair (10,95 EUR sowie 24,15 EUR in ¼ Jahr). Der Beigeladene hatte den Vorgang an den Beklagten am 18. November 2010 übersandt, weil kein Leistungsanspruch gegenüber der Krankenkasse bestehe, da es sich um medizinische Körperpflegemittel handele, die nicht zum Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenkasse gehörten.

5

Mit Stellungnahme vom 28. Januar und ergänzend am 21. Februar 2011 führte der ärztliche Gutachter des Beklagten Dr. W. aus: Bei den verwendeten Hautpflegemitteln handele es sich nicht um Heilmittel nach der Definition des Gemeinsamen Bundesausschusses, sondern um kosmetische Mittel. Es gebe zudem keine spezifische medikamentöse Therapie zur Behandlung von Spider-naevi. Zur unterstützenden Therapie der trockenen Haut seien zwar harnstoffhaltige Arzneimittel geeignet, doch werde Harnstoff nicht als verschreibungspflichtiges Arzneimittel von der gesetzlichen Krankenversicherung erstattet. Zu den zahlreichen Hautpflegemitteln, die weder Heil- noch Arzneimittel seien, bestünden keine Empfehlungen.

6

Mit Bescheid vom 5. Mai 2011 lehnte der Beklagte den Antrag auf Übernahme der Kosten im Rahmen der Heilbehandlung nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) ab und führte zur Begründung aus: Nach § 10 Abs. 1 BVG werde Beschädigten für Gesundheitsstörungen, die als Schädigungsfolge anerkannt oder durch eine anerkannte Schädigungsfolge verursacht worden seien, Heilbehandlung gewährt. Der Umfang richte sich nach § 11 BVG. Dabei erfolge die Leistungserbringung nach § 18 c Abs. 1 BVG im Auftrag der Versorgungsverwaltung durch die Krankenkassen. Auf der Grundlage des § 18 c Abs. 3 BVG könne die Versorgungsverwaltung die Leistung für die anerkannten Schädigungsfolgen selbst erbringen, wenn sie besondere Heilmaßnahmen für notwendig und zweckmäßig erachtet. Diese Voraussetzungen lägen bei der Klägerin nicht vor. In § 11 BVG sei abschließend aufgezählt, welche Maßnahmen den Heilbehandlungsanspruch umfassten. Linola-Hautmilch und Alfason Repair seien Hautpflegemittel und gehörten nicht zu den in § 11 Abs. 1 Nr. 2 genannten Arzneimitteln. Die begehrten Pflegemittel seien nicht vom Leistungsumfang der Heilbehandlung nach dem Fünften Buch des Sozialgesetzbuches (SGB V) umfasst. Daran sei auch die Versorgungsverwaltung gebunden. Aus diesem Grund könne auch keine Anwendung des § 89 BVG (Härtefallregelung) erfolgen. Es werde hier nicht verkannt, dass durch den Erwerb dieser Pflegemittel ein schädigungsbedingter finanzieller Mehraufwand entstehe. Dafür werde unter anderem auch eine Grundrente nach einem Grad der Schädigung (GdS) von 40 gezahlt. Diese Grundrente enthalte Elemente der Abgeltung eines ideellen und wirtschaftlichen Schadens und habe somit eine Doppelfunktion. Die wirtschaftliche Komponente diene auch dem Ausgleich der Mehraufwendungen, die durch die anerkannten Gesundheitsstörungen entstanden seien.

7

Dagegen erhob die Klägerin am 13. Mai 2011 Widerspruch und trug vor: Die Voraussetzungen nach § 89 BVG lägen vor. Sie leide infolge einer unverschuldeten Infektion mit dem Hepatitis-C-Virus an einer schwerwiegenden Hauterkrankung. Die Versorgung mit Arzneimitteln (z.B. mit D-Pflege) führe bei ihr zu erheblichen allergisch bedingten Begleiterscheinungen, die eine Behandlung mit diesen Arzneimitteln ausschlössen. Allein Linola-Hautmilch und Alfason Repair führten zu einer Linderung der Hauterkrankung. Damit liege ein Ausnahmefall vor, der die angestrebte Versorgung rechtfertige. Nach dem AntiDHG seien ihr aus humanitären und sozialen Gründen Krankenbehandlung und eine finanzielle Hilfe zu gewähren. Unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck dieser Regelung sei es in ihrem Fall gerade zwingend notwendig, eine Ausnahme von den strikten Regelungen vorzunehmen, wonach lediglich die Kosten für Arzneimittel übernommen würden. In Anlage übersandte sie ein Schreiben der Hautärztin Dr. K. vom 21. September 2010, wonach die von der Krankenkasse finanziell getragene D-Pflege multiple Allergene enthalte. Eine Probeanwendung habe bei der Klägerin zu einem allergischen Kontaktekzem geführt. Sofern nicht baldmöglichst die Zusage für die adäquaten Hautpflegeprodukte erfolge, müsse mit einer deutlichen Verschlechterung des Krankheitsbildes mit entsprechenden Folgen (Infektion der Haut durch Minimierung der Hautbarriere) gerechnet werden. Außerdem verwies die Klägerin auf das Versorgungsmedizinische Gutachten des Prof. Dr. T., Universitätsklinik und Poliklinik für Dermatologie und Venerologie der M.-L.-U. H.-W. vom 8. Oktober 2001. Danach hätten sich bei der Klägerin ein eher trockener Hautbefund mit Schuppen oder kleinen Einrissen sowie mehreren Spider-naevi im Dekolleté-Bereich und trockene hyperkeratotische Bezirke an beiden Ellenbogen ohne Entzündungszeichen gezeigt. Der Sachverständige hatte abschließend eine regelmäßige hautfachärztliche Nachkontrolle empfohlen.

8

Mit Widerspruchsbescheid vom 18. August 2011 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück und führte zur Begründung aus: Die Ermächtigung des § 89 BVG sei auf wenige, unmittelbar aus der Gesetzesanwendung sich ergebende Einzelfälle oder Einzelgruppen beschränkt. Ohne die Einschränkung auf krasse Ausnahmen würde die verfassungsmäßige Grenze zwischen Gesetzgebung, Rechtsprechung und Verwaltung gesprengt. Die fundamentalen Vorschriften des Kriegsopferrechts dürften durch einen Härteausgleich nicht ausgehöhlt oder umgangen werden. Eine besondere Härte sei bei der Klägerin nicht festzustellen. Eine solche liege vor, wenn bei Würdigung des Gesamtinhaltes des Gesetzes der Ausschluss von der Versorgung oder für einzelne Versorgungsleistungen deren Sinn und Zweck widerspreche. Zwar sei bei der Klägerin die Benutzung bestimmter Pflegeprodukte erforderlich, die preislich auch über dem Durchschnittspreis von Hautpflegemitteln lägen und dadurch gewisse Mehrkosten verursachten. Doch sei ihr zuzumuten, diese Mehrkosten aus der Rente nach dem AntiDHG von monatlich derzeit 454,00 EUR aufzubringen. Die Rente diene unter anderem auch dem Ausgleich für Mehraufwendungen und Ausgaben, die ein gesunder Mensch nicht habe. Sie bleibe daher bei der Einkommensanrechnung unberücksichtigt bzw. werde bei Sozialleistungsträgern lediglich zur Hälfte angerechnet. Da die Klägerin nach Auskunft der Beigeladenen innerhalb von drei Monaten 200ml Linola-Milch zum Preis von 10,95 EUR und eine Tube Alfason Repair zum Preis von 20,95 EUR benötigt habe, seien die schädigungsbedingt entstandenen Mehraufwendungen sehr gering und ihr durchaus zuzumuten, die Beschädigtenrente dafür zu verwenden.

9

Dagegen hat die Klägerin am 6. September 2011 Klage beim Sozialgericht (SG) Halle erhoben und beantragt, den Beklagten zu verpflichten, die Kosten für die Behandlung der Klägerin mit Linola-Hautmilch und Alfason Repair zu übernehmen sowie den dafür verauslagten Betrag seit Mai 2010 zu erstatten. Sie hat auf den Beschluss des BSG vom 6. Oktober 2011 (B 9 V 3/11 B) verwiesen, mit dem die Anwendung des § 30 Abs. 2 BVG mit dem Hinweis abgelehnt worden war, dass das AntiDHG nicht umfassend eine entsprechende Anwendung der Vorschriften des BVG vorgesehenen anordne. Daraus hat die Klägerin geschlussfolgert, dass kein Rechtsgrundverweis erfolgt sei und mit der Formulierung in § 2 AntiDHG deutlich werde, dass zur Verwirklichung des AntiDHG weitergehende Maßnahmen als die nach §§ 10 bis 24 a BVG vorgesehenen möglich seien. Diese Ansicht sei auch im Rahmen einer öffentlichen Anhörung des Gesundheitsausschusses des Deutschen Bundestages zum AntiDHG zum Ausdruck gekommen. Danach sei aus humanitären und sozialen Gründen Krankenbehandlung und eine finanzielle Hilfe zu gewähren. Diese Hilfe dürfe sich bei ihr nicht nur auf die monatliche Rente beschränken, da sie die Arzneimittel, deren Kosten unstreitig durch den Beklagten übernommen werden würden, aus medizinischen Gründen nicht vertrage. Das ergebe sich bereits aus der Gesetzesformulierung. Hätte der Gesetzgeber die als "Schadensersatz" anzusehende Rente auf die Krankheitskosten anrechnen wollen, hätte es nicht der obigen Formulierung "Krankenbehandlung und eine finanzielle Hilfe" bedurft. Das ergebe sowohl die wörtliche als auch die teleologische Auslegung des Gesetzes. Sie werde im Vergleich zu anderen betroffenen Frauen ohne rechtfertigenden Grund ungleich behandelt. Das stelle einen Verstoß gegen Art. 3 des Grundgesetzes (GG) dar und widerspreche dem eindeutigen Gesetzeswortlaut. Sofern die seit 2004 vorgenommene Behandlung jetzt nicht weiter gewährt werde, stelle sich das Verhalten auch als treuwidrig dar. Bei ihr bestünden zudem noch weitere auf die Hepatitis-C-Infektion zurückzuführende Erkrankungen, deren Behandlung sie selbst finanziere (z. B. die Behandlung der Augen). Damit müsse sie schon einen Teil der Rente auf die medizinische Versorgung verwenden, obwohl dies der Gesetzgeber gerade nicht gewollt habe.

10

Der Beklagte hat erwidert, es widerspreche dem Grundanliegen des Sozialen Entschädigungsrechts, die Heilbehandlung auf Nicht-Arzneimittel zu erweitern. Ansonsten würde eine Aushöhlung und Umgehung der grundlegenden Vorschriften des sozialen Entschädigungsrechts erfolgen. Soweit der Gesetzgeber eine Gewährung von Nicht-Arzneimitteln gewollt hätte, hätte dies im Gesetz bzw. in einer entsprechenden Verordnung verankert werden müssen. Das Leistungsspektrum der Heilbehandlungen nach dem AntiDHG gehe auch nicht über den Heilbehandlungsanspruch nach dem BVG hinaus. Auch dies hätte einer entsprechenden Regelung im AntiDHG bedurft.

11

Mit Urteil vom 14. November 2012 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Klage sei unbegründet, weil keine Rechtsgrundlage für die Gewährung der begehrten Pflegeprodukte bestehe. Soweit die Klägerin geltend mache, im Rahmen einer öffentlichen Anhörung des Gesundheitsausschusses des Bundestages zum AntiDHG werde bestätigt, dass den Betroffenen mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln geholfen werden müsse, stelle dies keine gesetzliche Grundlage für Versorgungsleistungen dar. Anzuwenden seien vielmehr die §§ 10 bis 24 a BVG. Nach § 11 BVG umfasse die Heilbehandlung im Wesentlichen diejenige des § 27 Abs. 1 Satz 2 SGB V. Auch im Versorgungsrecht seien für den Umfang des Heilbehandlungsanspruchs die auf der Grundlage der Ermächtigungsnorm des SGB V ergangenen Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses maßgebend. Ein Beschädigter könne von der Versorgungsverwaltung nicht mehr verlangen, als eine Behandlung auf dem kostengünstigen Niveau der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Auch aus einer früheren Versorgung mit einer bestimmten Leistung könne kein Rechtsanspruch auf eine erneute Gewährung hergeleitet werden. Die grundsätzliche Beschränkung der Krankenbehandlung Beschädigter auf das Niveau der gesetzlichen Krankenversicherung sei verfassungsrechtlich unbedenklich. Da Linola-Hautmilch und Alfason Repair unstreitig nicht zum gesetzlichen Leistungskatalog der GKV gehörten, bestehe kein Anspruch auf Versorgung mit diesen Präparaten. Der Anspruch ergebe sich auch nicht als Ermessensleistung des Beklagten, denn die engen Voraussetzungen des § 89 BVG dürften nicht dadurch umgangen werden, dass die Leistungen nach § 18 c Abs. 3 BVG gewährt werden. Die Voraussetzungen des Härteausgleichs nach § 89 BVG lägen ebenfalls nicht vor. Es sei nicht von einer Härte auszugehen, wenn die schädigungsbedingten Mehrkosten nicht umfassend erstattet würden, sondern ergänzend aus der Grundrente bestritten werden müssten. Der Mehraufwand für die Klägerin durch Pflegemittel sei auch unter Berücksichtigung der sonstigen geltend gemachten schädigungsbedingten Belastungen nicht erheblich. Nach der konkreten Höhe der anfallenden Kosten sei nicht zu erkennen, dass der Zweck der Grundrente verfehlt werde und nicht mehr erreicht werden könne. Eine besondere Härte für die Klägerin ergebe sich auch nicht daraus, dass sie ohne eigenes Verschulden geschädigt worden sei. Dies sei auch in anderen Fällen des Sozialen Entschädigungsrechts typischerweise der Fall. Die Berufung sei zuzulassen, da die Frage der Auslegung der Vorschrift des § 18 c Abs. 3 Satz 1 BVG noch nicht abschließend geklärt und von grundsätzlicher Bedeutung sei.

12

Gegen das ihr am 18. Dezember 2012 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 3. Januar 2013 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt eingelegt und ergänzend vorgetragen: Neben der Härtefallregelung nach § 89 BVG, deren Voraussetzungen sie weiterhin als erfüllt ansehe, eröffne § 18 c Abs. 3 BVG dem Beklagten die Möglichkeit, die Leistungen anstelle der Krankenkasse zu erbringen. Dies könne auch im Wege der Kostenübernahme erfolgen. Im Übrigen seien ihre krankheitsbedingten Aufwendungen noch weitaus höher. In Folge der Krankheit sei von einem multimorbiden Krankheitsbild auszugehen. Sie erreiche aufgrund der chronischen Erkrankung jährlich die gesetzlich vorgeschriebene Belastungsgrenze von 1 % und habe zusätzliche Kosten wegen der Zuzahlungen für notwendige Medikamente. Dies habe der Beklagte ermessensfehlerhaft bisher nicht berücksichtigt, so dass er zu verurteilen sei, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts über diese Angelegenheit neu zu entscheiden. Außerdem sieht sich die Klägerin durch die Entscheidung des BSG vom 17. Dezember 2009 (B 3 KR 20/08 R) bestätigt, da bei ihr wie im dort entschiedenen Fall eine Behandlung mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln wegen Unverträglichkeit nicht möglich sei. Nur mit der jetzt gewählten Versorgung ließe sich objektiv ein deutlicher Behandlungserfolg bei der Hauterkrankung erzielen. Die durchgeführte Versorgung entspreche jetzt dem medizinischen Standard, da der Hauptbestandteil der Linola-Hautmilch, nämlich Linolsäure, der notwendige Wirkstoff sei, um die krankheitsbedingt geschädigte obere Hautschicht zu schützen.

13

Die Klägerin beantragt,

14

das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 14. November 2012 und den Bescheid des Beklagten vom 5. Mai 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. August 2011 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die Kosten für die dermatologische Behandlung mit Linola-Hautmilch und Alfason Repair gemäß ärztlicher Verordnung zu übernehmen sowie die bereits seit Mai 2010 entstandenen Kosten in Höhe von 641,35 EUR zu erstatten,

15

hilfsweise, den Beklagten zu verurteilen, ihr die notwendigen Kosten für die Behandlung der Hauterkrankung insoweit zu erstatten, als diese im Rahmen der Versorgung mit einem zugelassenen Arzneimittel (D.) aufgrund ärztlicher Verordnung entstanden wären und in Zukunft entstehen würden.

16

Der Beklagte beantragt,

17

die Berufung zurückzuweisen.

18

Nach Ansicht des Beklagten finde die Argumentation der Klägerin, wonach über das Leistungsspektrum des BVG hinaus weitere Leistungen zu gewähren seien, in den Gesetzesmaterialien keine Stütze. Außerdem hat der Beklagte angeregt, dass sich die Klägerin wegen der Rückerstattung der Zuzahlungen für ärztlich verordnete Arzneimittel an ihre Krankenkasse wenden solle. Daher könnten ihr diesbezüglich keine schädigungsbedingten Mehraufwendungen entstanden sein. Im Übrigen habe die Entscheidung des BSG vom 17. Dezember 2009 einen völlig anderen Sachverhalt betroffen, nämlich die Versorgung mit einem orthopädischen Hilfsmittel, das vom Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung und des Sozialen Entschädigungsrechts erfasst werde. Das Urteil könne hier nicht übertragen werden, weil es sich bei den Hautpflegemitteln Linola-Hautmilch und Alfason Repair um Produkte handele, die nicht zum Leistungsspektrum der gesetzlichen Krankenversicherung und des Sozialen Entschädigungsrechts gehören. Nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 12. Dezember 2012 (1 BvR 69/09) hätten chronisch Kranke für ein nichtverschreibungspflichtiges Medikament die Kosten selbst zu tragen. Dies müsse allemal für die hier begehrten Hautpflegemittel gelten, da sie nicht zu den Arzneimitteln im Sinne des Arzneimittelrechts zählten, sondern vielmehr kosmetische Mittel darstellten bzw. als Körperpflegemittel gelten. Auch eine Verletzung von § 18 c Abs. 3 BVG oder der Härteregelung in § 89 BVG liege nicht vor, weil diese Vorschriften keine Freistellung von schädigungsbedingten Mehraufwendungen garantierten. Der Klägerin sei das Einsetzen ihrer monatlichen Rente zuzumuten. Auf Nachfrage des Senates hat der Beklagte den Betrag der seit dem 1. Juli 2014 zu zahlenden monatlichen Grundrente der Klägerin mit 473,00 EUR angegeben (bis 30. Juni 2014 465,00 EUR).

19

Am 15. August 2013 hat eine Nichtöffentliche Sitzung vor dem LSG stattgefunden. In dieser hat die Klägerin erklärt: Sie erhalte zur Grundrente nach dem BVG eine EU-Rente i. H. v. ca. 868,- EUR. Von dieser Rente müsse sie aber auch weitere Ausgaben, z. B. Zuzahlungen für Bluthochdruck und weitere Erkrankungen begleichen.

20

Mit Beschluss vom 23. Juni 2014 hat der Senat zum Verfahren die Barmer GEK beigeladen. Diese hat auf seine Ausführungen im Schriftverkehr mit der Klägerin aus dem Jahr 2010 Bezug genommen, in der mündlichen Verhandlung aber keinen Antrag gestellt.

21

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und Verwaltungsakte des Beklagten und des Beigeladenen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

22

Die Klägerin hat die Berufung frist- und formgerecht eingelegt. Durch die Zulassung des SG ist die Berufung nach §§ 143, 144 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthaft.

23

Die Krankenkasse der Klägerin, die Barmer GEK, war dem Verfahren beizuladen. Gemäß § 18 c Abs. 1 Satz 1 BVG werden die §§ 10 bis 24a BVG (Heilbehandlung, Versehrtenleibesübungen und Krankenbehandlung) von dem Beklagten "durchgeführt". "Erbracht" werden gemäß § 18 c Abs. 1 Satz 2 BVG indes nur die dort im einzelnen aufgeführten Leistungen, wie z.B. Zahnersatz oder Arbeitstherapie. Die "übrigen Leistungen" im Sinne der §§ 10 bis 24a BVG werden dagegen gemäß § 18c Abs. 1 Satz 3 BVG von den Krankenkassen "erbracht". Zu den übrigen Leistungen zählen die in § 18c Abs. 1 Satz 2 BVG nicht genannten Leistungen, insbesondere der ambulanten ärztlichen Behandlung und der Versorgung mit Arznei- und Verbandmitteln (§ 11 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BVG). Die Zuständigkeit der Krankenkasse zur Erbringung der hier beanspruchten Leistung und damit auch deren Leistungspflicht kommt daher grundsätzlich "in Betracht" nach § 75 Abs. 2, Alt. 2 BVG (dazu BSG, Beschluss vom 25. Oktober 2012 - B 9 VJ 5/10 B).

24

Die zulässige Berufung ist unbegründet, denn es besteht kein Anspruch auf Versorgung mit den Hautpflegemitteln Linola-Milch und Alfason-Repair. Dabei ist Streitgegenstand sowohl die Versorgung mit den Hautpflegemitteln als Pflichtleistung als auch im Wege des Härteausgleichs nach § 89 BVG. Mit dem ablehnenden Bescheid hat der Beklagte die Versorgung unter allen in Betracht kommenden Gesichtspunkten abgelehnt.

25

Nach § 2 AntiDHG besteht für die gesundheitlichen Folgen, die durch die Hepatitis-C-Virus-Infektion verursacht worden sind, Anspruch auf Heil- und Krankenbehandlung in entsprechender Anwendung der §§ 10 bis 24 a BVG. Wenn eine Krankenkasse, wie vorliegend der Beigeladene, eine bestimmte Leistung nicht erbringen will, ist der Beklagte nach § 18 c Abs. 3 BVG verpflichtet zu entscheiden, ob er die vom Beschädigten begehrte Behandlung als Heilbehandlung durchführt. Damit kann die Zuständigkeitsregelung nach § 18 c Abs. 1 BVG durchbrochen werden und es besteht für den Beklagten die Möglichkeit, anstelle der Krankenkassen die Leistungen selbst zu erbringen. Die besonderen Maßnahmen müssen sich jedoch noch im Rahmen des gesetzlich geregelten Umfangs der Heil- und Krankenbehandlung bewegen und dürfen nicht zur Leistungsausweitung führen (Vogel in Knickrehm, Gesamtes soziales Entschädigungsrecht, § 18 c BVG Rn. 8, S. 217).

26

Die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Durchführung einer Heilbehandlung mit den von der Klägerin begehrten Hautpflegemitteln nach § 2 AntiDHG in Verbindung mit §§ 18 c Abs. 3, 10 Abs. 1, 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 BVG sind nicht gegeben. Gemäß § 10 Abs. 1 BVG erhält ein Beschädigter Heilbehandlung für Gesundheitsstörungen, die als Folge einer Schädigung anerkannt oder durch eine anerkannte Schädigungsfolge verursacht sind. Der Umfang der Heilbehandlung ergibt sich aus § 11 BVG und beinhaltet nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BVG die Versorgung mit Arzneimitteln. Durch § 11 Abs. 1 Satz 2 BVG wird die Versorgungsgrundentscheidung dahingehend konkretisiert, dass einem Beschädigten die Heilbehandlung als Naturalleistung auf dem standardisierten, kostengünstigen Niveau der gesetzlichen Krankenversicherung gewährleistet wird (vgl. BSG, Urteil vom 28. Juni 2000, B 9 V 4/99 R). Damit besteht ein Anspruch nach § 11 Abs. 1 Satz 2 BVG i.V.m. § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB V grundsätzlich für verschreibungspflichtige Arzneimittel. Da die begehrten Hautpflegeprodukte unstreitig nicht zum Katalog der gesetzlichen Krankenversicherung gehören, besteht nach dieser Vorschrift kein Anspruch auf Versorgung gegenüber dem Beklagten als Pflichtleistung. Dass sich die Therapie mit den begehrten Pflegemitteln im Einzelfall der Klägerin als erfolgreich erwiesen hat, ist nicht relevant (vgl. nur BSG, Urteil vom 6. Oktober 1999, B 1 KR 13/97 R).

27

Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Kostenerstattung nach § 89 BVG. Sofern sich in einzelnen Fällen aus den Vorschriften des BVG besondere Härten ergeben, kann gemäß § 89 Abs. 1 BVG mit Zustimmung der obersten Landesbehörde ein Ausgleich gewährt werden. Voraussetzung für eine Ermessensleistung nach § 89 BVG ist, dass der Gesetzgeber besondere Einzelfälle oder auch Gruppen mit ihren Besonderheiten übersehen oder nicht vorausgesehen oder nicht genügend differenziert geregelt hat (vgl. BSG, Urteil vom 21. Oktober 1998 – B 9 V 3/98 R). Im Wege des Härteausgleichs soll § 89 BVG die Gewährung von Leistungen dann ermöglichen, wenn zwischen der konkreten Gesetzesanwendung und dem mit dem Gesetz angestrebten Ziel ein Missverhältnis auftritt. Eine besondere Härte kann nur bejaht werden, wenn der Antragsteller besonders hart getroffen wird. Die Ermächtigung des § 89 BVG muss auf wenige, unmittelbar aus der Gesetzesanwendung sich ergebende Einzelfälle oder Einzelfallgruppen beschränkt bleiben. Ohne die Begrenzung des Verwaltungsermessens auf krasse Ausnahmen wäre die Ermächtigung zum Verwaltungsermessen dazu angetan, die verfassungsmäßigen Grenzen zwischen Gesetzgebung, Rechtsprechung und Verwaltung zu sprengen (vgl. BSG, Urteil vom 21. Oktober 1998, a.a.O., m.w.N.). Die grundlegenden Vorschriften des Kriegsopferrechts dürfen durch einen Härteausgleich nicht ausgehöhlt oder umgangen werden (vgl. BSG, Urteil vom 21. Oktober 1998, a.a.O., m.w.N.).

28

Von einem Härtefall ist nicht schon deswegen auszugehen, weil für die Klägerin keine alternative Behandlungsmöglichkeit zur Verfügung steht und die Kosten für Medikamente, die dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung entsprechen, übernommen werden würden. Auch aus einer rechtswidrigen Gewährung in der Vergangenheit kann nicht auf einen Anspruch in der Zukunft geschlossen werden. Schließlich kann ein Härtefall nicht begründet werden, weil die Klägerin unverschuldet eine Schädigung erlitten hat. Wegen dieser von der Klägerin erneut angeführten Argumente wird auf die erstinstanzlichen Ausführungen verwiesen und darauf Bezug genommen. Im Übrigen erscheint es problematisch, ob die Gewährung von Nicht-Arzneimitteln im Wege des Härteausgleichs überhaupt erfolgen kann (dazu umfassend Bayerisches LSG, Urteil vom 7. Mai 2014, L 15 VS 17/12). Zu bedenken ist die gesetzgeberische Entscheidung, eine Heilbehandlung auf dem Niveau der gesetzlichen Krankenversicherung zu gewähren. Diese gehört zu den grundlegenden Vorschriften des Sozialen Entschädigungsrechts. Im vorliegenden Fall liegt eine besondere Härte aber schon deshalb nicht vor, weil die Klägerin aus ihrer monatlichen Grundrente von derzeit 473 EUR die Kosten für die Hautpflegemittel in Höhe von monatlich ca. 12 EUR (641,35 EUR innerhalb von ca. 50 Monaten) aufbringen kann. Zu Recht hat der Beklagte die Doppelfunktion der monatlichen Rente in den Mittelpunkt seiner Entscheidung gestellt und darauf hingewiesen, dass mit der Rente auch Mehraufwendungen infolge der Krankheit ausgeglichen werden sollen. Diese Argumentation wird durch die Gesetzesbegründung gestützt, wonach die Rente pauschalisierend einen Ausgleich für Mehraufwendungen und berufliche Beeinträchtigungen infolge der Krankheit, für wirtschaftliche Folgen der Krankheit und für den immateriellen Schaden in Anlehnung an den Schmerzensgeldgedanken schaffen soll (BT-Drs. 14/2958, S. 9 zu § 3). Unter Beachtung des ausdrücklichen gesetzgeberischen Willens, auch Aufwendungen durch die Grundrente auszugleichen, die ein gesunder Mensch hat, kann nicht von einer besonderen Härte für die Klägerin ausgegangen werden. Denn sie muss lediglich ca. 3 % ihrer Grundrente für die Mehraufwendungen einsetzen. Damit verbleiben ihr 97 % für die weiteren mit der Gewährung der Grundrente verfolgten Zwecke, sodass nicht von einer Zweckverfehlung ausgegangen werden kann. Auch liegt kein Ermessensfehler vor, weil der Beklagte bei der Entscheidung nicht berücksichtigt hat, dass die Klägerin noch weitere Zuzahlungen leisten muss. Zutreffend hat der Beklagte darauf hingewiesen, dass für Heilbehandlungen keine Zuzahlungen erforderlich sind. Die Zuzahlungen für schädigungsunabhängige Erkrankungen treffen alle Versicherten gleichermaßen und sind gesetzlich auf eine zumutbare Belastung beschränkt, so dass sie nicht zur Begründung eines Härtefalls nach § 89 BVG herangezogen werden können.

29

Eine Rechtsgrundlage für einen über den Leistungsrahmen der gesetzlichen Krankenversicherung hinausgehenden Anspruch auf Heilbehandlung besteht nicht. Auch aus dem AntiDHG selbst lässt sich kein weitergehender Anspruch begründen. Aus der gesetzgeberischen Zielsetzung, die Folgen der Schädigung zu mildern, folgt kein unmittelbarer Leistungsanspruch (BSG, Urteil vom 21. Oktober 1998, a.a.O. m.w.N.). Es bedarf vielmehr der Umsetzung durch Einzelnormen, wie sie insbesondere in § 11 BVG enthalten sind. Damit kann § 2 AntiDHG keine eigenständigen, über §§ 10 bis 24 a BVG hinausgehenden Rechtsgrundlagen schaffen. Auch aus dem von der Klägerin zitierten Beschluss des BSG vom 6. Oktober 2011 (B 9 V3/11 B) kann keine weitergehende Anspruchsgrundlage abgeleitet werden. Das BSG hat darin ausgeführt, dass durch das AntiDHG keine umfassende Verweisung auf das BVG erfolgt ist, so dass auch § 30 Abs. 2 BVG nicht anwendbar ist. Daraus kann aber nicht der Rückschluss gezogen werden, § 2 AntiDHG schaffe eine Rechtsgrundlage für einen vom BVG unabhängigen Leistungsanspruch für eine Heilbehandlung. Durch diese Norm wird lediglich klargestellt, dass die Leistungen nach Art und Umfang den Leistungen der Versorgungsberechtigten nach dem BVG entsprechen (Lilienfeld in Knickrehm, Gesamtes soziales Entschädigungsrecht, § 2 Rn. 1 AntiDHG).

30

Da keine Anspruchsgrundlage für eine Heilbehandlung mit Linola-Milch und Alfason-Repair besteht, kann auch keine Kostenerstattung für die bereits seit Mai 2010 erworbenen Produkte erfolgen. Der Kostenerstattungsanspruch reicht nicht weiter als der Anspruch auf Naturalversorgung.

31

Der im Berufungsverfahren gestellte Hilfsantrag, der jedenfalls zulässig ist, weil der Beklagte sich nach § 99 Abs. 1 SGG darauf in der mündlichen Verhandlung eingelassen hat, ist ebenfalls unbegründet. Auch für den Antrag der Klägerin, die notwendigen Kosten für die Behandlung der Hauterkrankung insoweit zu erstatten, als diese im Rahmen der Versorgung mit einem zugelassenen Arzneimittel (D.) aufgrund ärztlicher Verordnung entstanden wären und in Zukunft entstünden, besteht keine Rechtsgrundlage.

32

Da die von der Klägerin begehrten Hautpflegemittel nicht zum Katalog der GKV gehören, besteht auch keine Leistungspflicht der Beigeladenen.

33

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

34

Die Revision war nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe nach § 160 SGG nicht vorliegen. Es handelt sich hier um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage.


Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen