Beschluss vom Landessozialgericht Sachsen-Anhalt (3. Senat) - L 3 R 129/15 B
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 5. Februar 2015 wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
I.
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Die Beteiligten streiten in der Sache über die Anerkennung von Versicherungszeiten nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (Gesetzliche Rentenversicherung - SGB VI).
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Der am ... 1967 geborene Kläger ist auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung wegen räuberischen Diebstahls und Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte in einer psychiatrischen Einrichtung untergebracht.
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Er beantragte bei der Beklagten am 5. Januar 2009 die Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung, die abgelehnt wurde, da dem Kläger die Versicherteneigenschaft fehle. Für die Wartezeit in der gesetzlichen Rentenversicherung seien null Kalendermonate zu berücksichtigen (Bescheid vom 6. März 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Juli 2009). Im Rahmen der hiergegen gerichteten Klage vor dem ehemaligen Sozialgericht Stendal (S 2 R 280/09) wurde von Seiten des Klägers insbesondere auf seine Lehre als Schlosser als Zeit der Berufsausbildung verwiesen. Für die Jahre 1982 und 1983 übersandte die B. GmbH handschriftliche Lohnlisten, die auch den Kläger aufführen. Bezüglich der Einzelheiten wird auf Blatt 96 bis 98 der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen. Vor dem Sozialgericht führte der Kläger in jenem Verfahren aus, sich seit circa seinem 17. Lebensjahr bis 1990 in Haft befunden zu haben. Der Kläger nahm die Klage in jenem Verfahren zurück. Der Beklagten wurde gleichzeitig aufgegeben, die rentenrechtlichen Zeiten des Klägers umfassend zu klären. Nach der daraufhin durchgeführten Kontenklärung lehnte die Beklagte die Vormerkung der von dem Kläger geltend gemachten Zeiten ab (Bescheid vom 18. Februar 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Oktober 2013).
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Der Kläger hat sein Begehren mit der am 18. November 2013 vor dem Sozialgericht Magdeburg erhobenen Klage weiterverfolgt und gleichzeitig die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren unter Übersendung der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse beantragt. Die von ihm im Kontenklärungsverfahren benannten Zeiten seien sämtlich als Versicherungszeiten berücksichtigungsfähig. Soweit ihm keine Nachweise mehr vorlägen, sei dies ausschließlich auf seine besonderen Lebensumstände mit langen Zeiten der Inhaftierung zurückzuführen. Es sei unter dem 4. März 2013 ein Antrag auf strafrechtliche Rehabilitierung gestellt worden. Er hat schließlich auf seine schwere psychiatrische Erkrankung, die auf massiven Hirnschädigungen und jahrelangem Alkoholabusus beruhe, verwiesen.
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Das Sozialgericht hat den Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 5. Februar 2015 abgelehnt. Die Klage biete nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand keine Aussicht auf Erfolg. Es werde insoweit klargestellt, dass Prüfungsmaßstab die hinreichende Erfolgsaussicht der Klage, nicht jedoch die Frage sei, ob der Kläger aus gesundheitlichen Gründen außer Stande sei, den Prozess zu führen. Die Voraussetzungen einer Berücksichtigung von Versicherungszeiten, insbesondere von September 1982 bis Dezember 1983, von Januar 1984 bis Dezember 1985, für Oktober 1994 und von Juli bis August 1999, seien nicht erfüllt. In Bezug auf die angeführten Haftzeiten liege weder eine Rehabilitierung noch eine Kassation vor. Im Ergebnis lägen keine Beitrags- oder Ersatzzeiten vor, sodass die Klage keine Aussicht auf Erfolg habe.
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Der Kläger hat gegen den ihm am 16. Februar 2015 zugestellten Beschluss des Sozialgerichts am 18. März 2014 (Mittwoch) Beschwerde bei dem Sozialgericht Halle eingelegt, die an das Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt weitergeleitet worden ist. Die im Briefkopf angegebene Übersendung mittels Telefax ist nicht aktenkundig geworden. Zur Begründung hat er erneut auf seine besonderen Lebensumstände verwiesen. Die vorliegenden Angaben genügten dem Maßstab der Glaubhaftmachung sowohl der Beschäftigungszeiten als auch der Beitragsentrichtung. In Bezug die Haftzeiten sei der Antrag auf Rehabilitierung ausreichend.
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Die Beklagte hat beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten aus dem Hauptsache- und Beschwerdeverfahren sowie der Verwaltungsakte der Beklagten, welche sämtlich Gegenstand der Beratung des Senats gewesen sind, Bezug genommen.
II.
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Der Kläger hat keinen Anspruch auf die beantragte Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren.
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Der Senat weist besonders darauf hin, dass die Frage einer Notwendigkeit der Bestellung eines besonderen Vertreters (§ 72 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) nicht Gegenstand dieser Entscheidung ist. Soweit die Kommentarliteratur die Beiordnung eines rechtskundigen Vertreters im Rahmen der Prozesskostenhilfe als Möglichkeit ansieht, dem Umstand einer fehlenden Prozessfähigkeit eines Beteiligten zu begegnen (vgl. z.B. Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG Kommentar, 11. Aufl. 2014, § 72 RdNr. 8), steht diese Wahl im Ermessen des Sozialgerichts. Das Sozialgericht hat ausdrücklich klargestellt, eine Bewertung des Gesundheitszustands des Klägers nicht vorgenommen zu haben.
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Nach Aktenlage fehlt es bereits an der Zulässigkeit der Beschwerde, da diese nicht innerhalb der Frist von einem Monat (§ 173 Satz 1 SGG) eingelegt worden ist. Soweit die Beschwerdeschrift auf ein Telefaxschreiben verweist, liegt dieses dem Senat nicht vor.
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Es fehlt auch an den Voraussetzungen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit den §§ 114 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).
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Nach § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
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Die wirtschaftlichen Voraussetzungen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe sind hier nicht glaubhaft gemacht. Die Unterbringung des Klägers besagt nichts darüber, dass er weder Einnahmen erzielt noch über Vermögen verfügt, wie es auf der unter dem 26. Oktober 2013 unterzeichneten Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse angegeben ist. Da die Zahlung von Taschengeld auch im Rahmen einer Unterbringung die Regel ist, hätte es insbesondere insoweit besonderer Angaben bedurft. Darauf ist der Kläger auch hingewiesen worden.
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Es fehlt zudem an einer hinreichenden Erfolgsaussicht der Klage.
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Bei der Prüfung der hinreichenden Aussicht auf Erfolg im Rahmen der Prozesskostenhilfe erfolgt lediglich eine summarische Prüfung vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlichen Rahmens der Art. 3 Abs. 1, 20 Abs. 3 und 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG). Hinreichende Erfolgsaussicht ist gegeben, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Antragstellers auf Grund seiner Sachverhaltsschilderung und der vorliegenden Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist (vgl. Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 73a RdNr. 7a m.w.N.). Aus Gründen der Waffengleichheit zwischen den Beteiligten sind keine überspannten Anforderungen zu stellen (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 7. April 2000 - 1 BvR 81/00 -, NJW 2000, S. 1936). Prozesskostenhilfe kommt jedoch nicht in Betracht, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht gänzlich ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 17. Februar 1989 - B 13 RJ 83/97 R -; BSG, Urteil vom 17. Februar 1989 - B 13 RJ 83/97 R -, SozR 1500, § 72 Nr. 19).
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Der Rechtsstreit hat hier zu keinem Zeitpunkt hinreichende Aussicht auf Erfolg in dem vorgenannten Sinne geboten.
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Die Abführung von Beiträgen zur Sozialversicherung ist hier für keinen Zeitraum, der als Versicherungszeit berücksichtigt werden soll, dargelegt worden. Insbesondere fehlen Angaben zur Höhe der abgeführten Beiträge bzw. den diesen zugrunde gelegten Entgelten völlig. Der Rückschluss des Klägers von seiner (u.U. sogar mit Belobigungen versehenen) Arbeitsleistung auf die Abführung von Beiträgen ist vor dem Hintergrund der Haftstrafen des Klägers nicht zwingend. So ist z.B. für die Tätigkeit als Elektromonteur in dem Abschlussbericht des Rates des Kreises S., Blatt 172 ff. der Verwaltungsakte der Beklagten, darauf hingewiesen worden, der Kläger habe die Tätigkeit "im Strafvollzug" ausgeübt. Eine Abführung von Beiträgen ist auch für die anderen Zeiträume, für die der Kläger vor dem Sozialgericht in dem Verfahren vor dem Sozialgericht Stendal S 2 R 280/09 eine strafrechtliche Verurteilung angegeben hat, zumindest nicht wahrscheinlich. Wurde eine Arbeitstätigkeit während eines Haftzeitraums bei einem nicht dem Strafvollzug zugeordneten Betrieb ausgeübt, konnten hierfür nach der Verordnung vom 10. Juni 1954 (GBl. DDR S. 567) ab dem 30. Juni 1954 keine Beiträge mehr entrichtet werden, da die Regelung in § 4 der Verordnung über die Beschäftigung von Strafgefangenen vom 3. April 1952 (GBl. DDR S. 275) außer Kraft gesetzt worden war. Diese Ausgestaltung der Tätigkeit von Strafverurteilten wurde mit dem Strafvollzugs- und Wiedereingliederungsgesetz vom 12. Januar 1968 (GBl. DDR I S. 109) nicht geändert. Zwar sieht § 47 Nr. 2 dieses Gesetzes eine nach den Grundsätzen des Leistungsprinzips und nach der Vollzugsart differenzierte Vergütung für die geleistete Arbeit vor. Die Vergütung für die Arbeitsleistung, die auf einer Vereinbarung zwischen der Vollzugsanstalt und dem jeweiligen Betrieb beruhte, wurde nach § 2 Abs. 1 der Anordnung über die Vergütung der Arbeitsleistungen und die Prämierung Strafgefangener sowie die Zahlung von Unterhalt an Unterhaltsberechtigte der Strafgefangenen vom 6. April 1972 (GBl. DDR II S. 340) "von dem Betrag abgeleitet, den Werktätige als Nettolohn bzw. Nettolehrlingsentgelt für die gleiche Arbeit erhalten würden, zu der der Strafgefangene eingesetzt ist". Inwieweit dem Kläger durch die Strafhaft gravierendes Unrecht angetan wurde, unterliegt nicht der Entscheidungszuständigkeit des Senats. Der Antrag auf Rehabilitierung führt für sich genommen nicht zu einer Änderung des maßgebenden Rechtszustandes.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO.
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Referenzen
- 1 BvR 81/00 1x (nicht zugeordnet)
- 2 R 280/09 2x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 127 Entscheidungen 1x
- 13 RJ 83/97 2x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 114 Voraussetzungen 1x
- SGG § 73a 1x
- SGG § 177 1x
- SGG § 173 1x