Urteil vom Landessozialgericht Sachsen-Anhalt (3. Senat) - L 3 R 5/13

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

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Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob der Kläger Gesamtsozialversicherungsbeiträge für den Zeitraum vom 4. August bis zum 11. September 2003 in Höhe von 25.997,21 EUR inklusive Säumniszuschlägen in Höhe von 4.261,50 EUR an die Beklagte nachzuzahlen hat.

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Der am ... 1957 geborene Kläger ist ungarischer Staatsangehöriger. Er betreibt seit dem 1. Januar 1995 als Inhaber der Reifengroßhandlung P. in B., K., ausweislich der Gewerbeanmeldung vom 17. Februar 1995 einen "Reifenhandel und Dienstleistungen aller Art, Export-Import von Produkten bzw. Vermittlung und Vertretung von Geschäften und Geschäftstätigkeiten, Bauherrentätigkeit". Eine Gewerbeabmeldung in Bezug auf dieses Einzelunternehmen liegt nicht vor. Für das Unternehmen "P. P. R. B." ist seit dem 13. November 1998 die Betriebsnummer 03289485 vom Arbeitsamt H. vergeben worden. Ausweislich der Betriebsstättendatei ist der Reifenhandel des Klägers am 21. Juni 2004 stillgelegt worden.

3

Der Kläger war zudem von Juni 1999 bis zum 16. Dezember 2002 Geschäftsführer der P. GmbH. Diese meldete zum 1. Juli 1999 das Gewerbe "Groß- und Einzelhandel, Im- und Export, Lagerung, Recycling, Sortierung, Grunderneuerung, Entsorgung von Reifen, Kfz-Handel und Zubehör, Handel mit Innenausstattung, Baumaterialien, Sanitäreinrichtungen, technisch-medizinische Geräten, Futtermittel und Zusatzstoffen, Apparaten, Maschinen, Textilien, Immobilien, Lizenzen, Patenten, Vermittlung/Vertretung von Geschäften, Unternehmensberatung/-Beteiligungen" an. Die Anschrift der Betriebsstätte sei die K. 1 in B. Unter dem 9. Mai 2000 ist eine Gewerbeabmeldung in Bezug auf "Immobilien" zum 1. Juli 1999 erfolgt. Nach dem Ausscheiden des Klägers als Geschäftsführer wurde seine Lebensgefährtin und Mutter seiner 1999 und 2002 geborenen Kinder, V. R., als Geschäftsführerin im Handelsregister eingetragen.

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Unter dem 14. März 2005 wandte sich das Hauptzollamt (im Weiteren: HZA) M. an die Beklagte zum Zwecke der Berechnung von Ansprüchen der Sozialversicherung im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens gegen den Kläger wegen des Verdachts des Betruges und des Vorenthaltens von Arbeitsentgelt. Im Rahmen von Ermittlungen sei festgestellt worden, dass der Kläger vom 10. August 2003 bis zum 11. September 2003 14 rumänische Staatsbürger beschäftigt habe, von denen in den Beschuldigtenvernehmungen zehn Personen angegeben hätten, für den Kläger an sechs Tagen in der Woche täglich 12 Stunden gearbeitet zu haben. Sie seien mit der Demontage von Gebäuden einer Gärtnerei beauftragt worden, die in B. erneut hätten aufgebaut werden sollen. Der Kläger habe die Stellung eines Arbeitgebers, da er die Arbeitsanweisungen erteilt habe und mit ihm die Entlohnung vereinbart worden sei. Das HZA M. übersandte Auszüge von Vernehmungsniederschriften u.a. der Beigeladenen zu 6. bis 17., des S. M. und der E. K. in den Dienststellen des HZA D. in K., D. und W. am 11. und 12. September 2003 und des Amtsgerichts D. vom 12. September 2003 vor der Richterin am Amtsgericht H. bzw. dem Richter am Amtsgericht B.

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Nach Auswertung der Unterlagen teilte die Beklagte dem Kläger unter dem 26. April 2005 mit, sie beabsichtige, für die Zeit vom 4. August bis zum 11. September 2003 Nachforderungen zur Sozialversicherung in Höhe von insgesamt 25.997,21 EUR zu erheben; hierin seien Säumniszuschläge in Höhe von 4.261,50 EUR enthalten. Bei der Kontrolle des HZA am 11. September 2003 in W. seien 14 rumänische Mitarbeiter bei der Arbeit angetroffen worden. Aus den Ermittlungen des HZA und den Zeugenvernehmungen gehe hervor, dass der Kläger diese Arbeitnehmer seit mehreren Wochen mit Demontagearbeiten von Gebäuden und einer Gärtnerei sozialversicherungspflichtig beschäftigt habe. Ein weiterer Arbeitnehmer sei am Tag der Kontrolle bereits aufgrund eines Unfalls ausgeschieden gewesen. Der Kläger habe den zuständigen Einzugsstellen für die in Rede stehenden Arbeitnehmer keine Meldungen eingereicht und für sie auch keine Beiträge zur Sozialversicherung nachgewiesen und entrichtet. Da die Aufzeichnungspflicht nicht ordnungsgemäß erfüllt worden sei, habe die Höhe der gezahlten Arbeitsentgelte nicht bzw. nicht ohne unverhältnismäßig großen Verwaltungsaufwand ermittelt werden können. Die Arbeitsentgelte hätten daher auf der Grundlage der anteilig pro Arbeitnehmer ermittelten Arbeitstage bei einer Arbeitswoche von Montag bis Sonnabend und einer täglichen Arbeitszeit von 12 Stunden sowie dem tariflich festgelegten Baumindestlohn in den alten Bundesländern geschätzt werden müssen. Da alle Arbeitnehmer angegeben hätten, kostenlos Unterkunft und Verpflegung erhalten zu haben, sei der dadurch entstandene geldwerte Vorteil ermittelt und dem geschätzten Entgelt hinzugerechnet worden. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) seien Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung auch für geschuldetes und bei Fälligkeit noch nicht gezahltes Arbeitsentgelt zu entrichten. Ferner sei beabsichtigt, Säumniszuschläge zu erheben. In der Anlage ist die Berechnung der Beiträge für die Beigeladenen zu 6. bis 17. sowie für K. I. (den verunfallten Rumänen), S. M. und E. K., beigefügt. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 128 ff der Verwaltungsakte Bezug genommen.

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Der Kläger äußerte sich am 2. August 2005 zu der Anhörung. Er habe keinen der in der Anhörung als Arbeitnehmer bezeichneten Personen beschäftigt. Diese hätten in B.l Gebrauchtreifen erworben und ein Gewächshaus, das sie selbst in W. abgebaut hätten. Die Angaben der Rumänen seien äußerst widersprüchlich und zum Großteil auch nicht in vollem Umfang wiedergegeben. Zudem hätte der Baumindestlohn nicht in Ansatz gebracht werden dürfen.

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Mit Bescheid vom 31. August 2005 erhob die Beklagte für den Prüfzeitraum vom 4. August bis zum 11. September 2003 eine Nachforderung in Höhe von insgesamt 25.997,21 EUR auf der Grundlage der Betriebsprüfung vom 25. April 2005. Entgegen der Einlassung des Klägers seien die Aussagen der Arbeitnehmer keineswegs widersprüchlich. Zwei der vernommenen Arbeitnehmer hätten den tatsächlichen Sachverhalt ihrer Beschäftigung für den Kläger übereinstimmend für sich und die anderen namentlich benannten Arbeitnehmer dargestellt. Die Zeiträume von Beschäftigungen einiger Arbeitnehmer, welche mit dem Sortieren von Reifen u.ä. in B. beschäftigt gewesen seien sollten, seien nicht Gegenstand der Prüffeststellungen. Das Gewächshaus sei von den Arbeitnehmern nicht erworben worden. Seitens des HZA sei darauf hingewiesen worden, dass der Kläger mit den ausländischen Arbeitnehmern einen fingierten Kaufvertrag bezüglich des Gewächshauses abgeschlossen habe. Der angeblich geleistete Kaufpreis von 200,00 EUR je Arbeitnehmer habe einen Anteil am Gewächshaus vortäuschen sollen. Der Kläger habe jedem der von ihm beschäftigten Arbeitnehmern eine solche "Kauf"-Quittung ausgehändigt mit der Maßgabe, im Fall einer Kontrolle jeweils anzugeben, dass er das Gewächshaus miterworben habe. Tatsächlich habe aber der Arbeitgeber den Kaufvertrag abgeschlossen. Es hätten Transportaufträge des Arbeitgebers mit diversen Transporten der Gewächshausteile vorgelegen. Die Gewächshäuser hätten in B. wieder aufgebaut werden sollen. Da nach dem Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe zu den Baubetrieben auch Betriebe gehörten, welche Entrümpelungsarbeiten ausführten, sei hier der Ansatz des Baumindestlohnes gerechtfertigt.

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In dem hiergegen eingelegten Widerspruch wiederholte der Kläger seine Ausführungen im Anhörungsverfahren und beantragte zudem, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs anzuordnen. Nachdem die Beklagte Letzteres verweigert hatte, beantragte der Kläger beim Sozialgericht Magdeburg im Wege der einstweiligen Anordnung, der Beklagten zu untersagen, aus dem Bescheid vom 31. August 2005 zu vollstrecken. Nachdem das Sozialgericht mit Beschluss vom 10. Januar 2006 festgestellt hatte, dass der Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid der Beklagten aufschiebende Wirkung habe, ist die hiergegen gerichtete Beschwerde der Beklagten mit Beschluss des erkennenden Senats vom 13. Dezember 2006 zurückgewiesen worden.

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Mit Widerspruchsbescheid vom 19. Dezember 2006 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 31. August 2005 als unbegründet zurück. Zur Begründung wiederholte sie zum einen die Ausführungen im Ausgangsbescheid. Sie wies zum anderen darauf hin, dass sich die hier maßgeblichen Prüffeststellungen ausschließlich auf die Tätigkeiten des Abbruchs und Wiederaufbaus des Gewächshauses für den Kläger bezogen hätten. Die angewandte Betriebsnummer sei anlässlich der früheren Betriebsprüfung vom 13. November 1998 vergeben und nach der Stilllegung am 21. Juni 2004 bezüglich der damaligen Firma (Reifenhandel) aus Anlass der vorliegenden Betriebsprüfung für den Zeitraum vom 4. August bis zum 11. September 2003 für die Einzelfirma des Klägers wieder aktiviert worden. Da die Gewächshäuser nach ihrem Abbruch wieder von denselben Arbeitnehmern aufgebaut werden sollten, handele sich insgesamt um bauliche Leistungen, sodass der Ansatz des Baumindestlohns gerechtfertigt sei.

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Hiergegen hat der Kläger am 9. Januar 2007 Klage beim Sozialgericht Magdeburg erhoben. Er hat sein Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren wiederholt, dass die im Rahmen der Kontrolle am 11. September 2003 angetroffenen 14 rumänischen Staatsangehörigen von ihm ein Gewächshaus erworben und dieses selbst in Wesel abgebaut hätten. Insoweit verweise er auf die Aussage des Beigeladenen zu 10. Dieser habe bei seiner Vernehmung angegeben, dass ihm ein Gewächshaus zum Kauf angeboten worden sei und er dies gekauft habe. Ferner werde auf die Aussage des Beigeladenen zu 16. verwiesen, der anlässlich seiner richterlichen Vernehmung ausgesagt habe, keineswegs Arbeitnehmer des Klägers gewesen zu sein, sondern für sich selbst Reifen ausgesucht und das Gewächshaus zusammen mit anderen erworben zu haben. Entgegen der Annahme der Beklagten handele es sich nicht um einen fingierten Kaufvertrag bezüglich des Gewächshauses. Insoweit sei auf ein Schreiben der Rechtsanwältin K. B. vom 30. Juni 2009 zu verweisen, mit dem diese die Interessenvertretung der Beigeladenen zu 16. angezeigt und Schadensersatzansprüche aus einem angeblich nicht vollzogenen Verkauf eines Gewächshauses in Höhe von 2.000,00 EUR geltend gemacht habe. Die Beigeladene zu 16. habe aufgrund der Zusage zum Verkauf des Gewächshauses bereits Aufwendungen in Form der Mithilfe der Demontage erbracht. Zudem hat er ein Forderungsschreiben vom 15. Januar 2009 des Rechtsanwalts Dr. K. aus Rumänien übergeben. In diesem ist ausgeführt, dass der Beigeladene zu 10. und weitere 14 Personen aus Rumänien in Deutschland im Jahr 2003 ein ca. 5.000 m² grundflaches Gewächshaus in der Stadt W. gekauft und diese Anlage für sich an Ort und Stelle abmontiert und aufgeteilt hätten. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Blatt 94 bis 111 der Gerichtsakte Band I Bezug genommen. Ferner hat der Kläger Originalquittungen über den Erhalt von 200,00 EUR für die Beigeladenen zu 7., 9., 10., 11., 14. bis 17. und K. I. vorgelegt sowie die Bestätigung der R. und O. B. GbR vom 5. Juli 2011, wonach 2003 im Kassenbuch unter dem 11. August 14 Einnahmen in Höhe von 200,00 EUR eingetragen und im Konto als Summe in Höhe von 2.800,00 EUR gebucht worden seien; wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 192 bis 198 der Gerichtsakte Band II Bezug genommen. Im Übrigen sei die Forderung sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach unzutreffend. Insbesondere sei unzutreffend, den Baumindestlohn zugrunde zu legen. Dieser könne nur Anwendung finden, wenn der Betrieb überwiegend Bauleistungen im Sinne des § 211 Abs. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (Arbeitsförderung - SGB III) erbracht habe.

11

Die Beklagte hat sich auf die Aussagen vor dem Amtsgericht Dinslaken der Beigeladenen zu 7., 13. und 16. sowie der E. K. bezogen, aus denen sich ergebe, dass sämtliche Arbeitnehmer vom Bruder des Klägers unter dem Vorwand der legalen Beschäftigung in Deutschland angeworben und nach Deutschland gebracht worden seien. Dort hätten sie eine fingierte Quittung über den Kauf des Gewächshauses bekommen, um diese bei der Kontrolle zur Verschleierung der tatsächlich ausgeübten Beschäftigung vorzulegen. Die Beklagte hat daran festgehalten, dass der Tarifvertrag des Baugewerbes anwendbar sei und die Berechnung der Höhe der Gesamtsozialversicherungsbeiträge erläutert. Für die Arbeitnehmer des Klägers habe sich für die Zeit bis zum 31. August 2003 ein Stundenlohn in Höhe von 10,12 EUR und ab dem 1. September 2003 in Höhe von 10,36 EUR für Baustellen im Gebiet der alten Bundesländer ergeben. Die Beigeladenen hätten übereinstimmend ausgesagt, jeweils von Montag bis Sonnabend in der Zeit von 7.00 bis zumindest 19.00 Uhr gearbeitet zu haben. Insoweit sei der Beitragsberechnung unter Berücksichtigung einer Arbeitswoche von Montag bis Sonnabend eine tägliche Arbeitszeit von 12 Stunden zugrunde gelegt worden. Am Tag der Baustellenkontrolle, dem 11. September 2003, seien vier Arbeitsstunden je Arbeitnehmer berücksichtigt worden. Nach der im maßgeblichen Zeitraum geltenden Sachbezugsverordnung sei der Wert der als Sachbezug zur Verfügung gestellten Verpflegung auf monatlich 195,80 EUR festgelegt gewesen. Für kürzere Zeiträume als einen Monat sei für jeden Tag ein 30stel dieses Wertes zugrunde zu legen. Mithin ergebe sich ein täglicher Wert für die gewährte Verpflegung in Höhe von 6,53 EUR. Der Wert einer Unterkunft habe im maßgebenden Zeitraum monatlich 189,80 EUR betragen. Er vermindere sich aufgrund der Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft bei einer Belegung mit mehr als drei Beschäftigten um 75 Prozent. Daraus ergebe sich ein täglicher Wert in Höhe von 1,58 EUR. Insgesamt errechne sich ein täglicher geldwerter Vorteil aufgrund der Sachbezüge in Höhe von 8,11 EUR. Insgesamt sei jedoch zugunsten des Klägers nur ein täglich geldwerter Vorteil aufgrund des Sachbezugs in Höhe von 7,93 EUR zugrunde gelegt worden. Wegen der Einzelheiten der Berechnung und der zugrundeliegenden Bestimmungen wird auf Blatt 118 bis 143 der Gerichtsakte Band I Bezug genommen.

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Mit Beschluss vom 14. November 2011 sind die Beiladungen zu 1. bis 5. bewirkt worden. Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 14. September 2012 hat der Kläger angegeben, die Rumänen seien nach der Vernehmung wieder nach B. zurückgebracht worden und hätten ihm dort erklärt, dass ihnen versprochen worden sei, sie würden 180,00 EUR für die Verpflegung bekommen sowie ein Flugticket und hätten daraufhin die vorliegenden Aussagen unterzeichnet; sie hätten Angst gehabt, weiterhin unter Verschluss zu bleiben und deshalb die Aussagen unterschrieben. Das Gewächshaus befinde sich noch in B., es sei nicht wieder aufgebaut. Drei Rumänen hätten sich noch bei ihm gemeldet. Insoweit wird auf die vorgelegten Unterlagen Blatt 260 bis 269 der Gerichtsakte Band II Bezug genommen.

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Mit Urteil vom 14. September 2012 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der angefochtene Bescheid sei rechtmäßig. Der Kläger sei zur Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge für die bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer für den Zeitraum vom 4. August bis zum 11. September 2003 verpflichtet. Die Kammer sei zu der Überzeugung gelangt, dass die rumänischen Staatsangehörigen beim Kläger in einem Arbeitsverhältnis gestanden hätten. Sie hätten weisungsgebunden Demontagearbeiten verrichtet. Von den vom Kläger dargestellten verschiedenen Varianten des Geschehens habe sie sich nicht überzeugen können. Den Aussagen der Beigeladenen zu 6.,7., 9.,11.,12.,13.,15.,16., und der E. K. beim HZA D. und beim Amtsgericht D. seien übereinstimmende Angaben hinsichtlich der Umstände der Einreise, der Höhe des Arbeitsentgelts, der Anzahl der Arbeitsstunden und zu dem vereinbarten Zahlungszeitpunkt zu entnehmen. Nach den glaubhaften Angaben habe der Kläger Quittungen ausgegeben und den Arbeitnehmern aufgegeben, im Falle einer Kontrolle zu behaupten, dass sie das Gewächshaus gekauft und für sich selbst hätten abbauen wollen. Ein Interesse der oben genannten Personen an einer Falschaussage sei nicht ersichtlich. K. I. sei bereits vor dem 11. September 2003 beim Abbau der Gewächshäuser verunfallt und nach Rumänien zurückgebracht worden. Allein die Beigeladenen zu 10.,11.,14. und 17. hätten zunächst sinngemäß angegeben, ein Gewächshaus für 3.000,00 EUR von der P. GmbH oder dem Kläger mit weiteren Personen bzw. Teile des Gewächshauses gekauft und hierfür jeweils 200,00 EUR gezahlt zu haben, dies jedoch später widerrufen. Die Aussagen der rumänischen Staatsangehörigen seien auch verwertbar. Soweit eine unverzügliche Benachrichtigung ihrer konsularischen Vertretung tatsächlich unterblieben sein sollte, führe dies nicht zu einem generellen Beweisverwertungsverbot. Denn hierbei handele es sich um ein Schutzrecht der rumänischen Staatsangehörigen, welches nicht ein Dritter geltend machen könne. Der Kläger sei als Arbeitgeber aufgetreten. Er sei von den Beigeladenen zu 7.,9.,11. und 16. sowie von E. K. konkret als Arbeitgeber genannt worden. Er habe nach ihren Darstellungen die Weisungen erteilt und die Arbeit eingeteilt, die Arbeitszeiten notiert, sie mit Unterkunft und Verpflegung versorgt sowie die finanziellen Regelungen besprochen. Die rumänischen Staatsbürger seien von ihm persönlich und auch wirtschaftlich abhängig gewesen. Auch die Höhe der nachgeforderten Gesamtsozialversicherungsbeiträge sei nicht zu beanstanden. Die Beklagte habe eine Schätzung hinsichtlich des zu zahlenden Arbeitsentgelts vornehmen dürfen. Nach den vorliegenden Aussagen sei ein Arbeitsentgelt in Höhe von 170,00 EUR (für Männer) bzw. 100,00 EUR (für Frauen) monatlich für eine Arbeitsleistung im Umfang von 12 Stunden pro Tag bei sechs Arbeitstagen pro Woche (mithin 312 Stunden pro Monat) vereinbart worden. Es handele sich ganz offensichtlich um eine sittenwidrige Vergütung für die zu erbringende Arbeitsleistung. Der Abbau der Gewächshäuser stelle eine bauliche Leistung in Form der Demontage ohne Zerstörung der Anlage bei beabsichtigtem Wiederaufbau dar, sodass die Schätzung anhand des Mindestlohntarifvertrages für das Baugewerbe habe vorgenommen werden können. Der geldwerte Vorteil bei kostenfreier Unterkunft und Verpflegung, wovon die Kammer angesichts der Aussagen im Rahmen der Beschuldigtenvernehmungen ausgehe, sei rechtmäßig zugrunde gelegt worden. Der Sachwert in Höhe von 8,11 EUR liege über dem von der Beklagten angesetzten Wert in Höhe von 7,93 EUR täglich; der Kläger sei insofern nicht beschwert. Die Erhebung der Säumniszuschläge sei ebenfalls rechtmäßig. Der Kläger habe unter Beachtung der vorstehenden Ausführungen nicht glaubhaft machen können, dass er unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht gehabt habe.

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Der Kläger hat gegen das ihm am 2. Januar 2013 zugestellte Urteil an demselben Tag Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt. Soweit das Gericht ausgeführt habe, er - der Kläger - habe im Rahmen der Anhörung vorgetragen, den aus Rumänien stammenden Ausländern das Gewächshaus verkauft zu haben, so habe es diesen Vortrag in der Tat gegeben. Insoweit liege hier jedoch ein reiner Diktat-/Übertragungsfehler insoweit vor, als es in dem Anhörungsschreiben hätte heißen müssen "haben diese Rumänen dann ein Gewächshaus, wie es auch den Aussagen zu entnehmen ist, unter Vermittlung von Herrn P., erworben und dieses selbst in W. abgebaut". Einen Verkauf des Gewächshauses an die Ausländer durch ihn habe es nicht gegeben. Der Verkauf des Gewächshauses sei seitens der Firma P. GmbH erfolgt. Er - der Kläger - sei zum damaligen Zeitpunkt bei der Firma P. GmbH beschäftigt gewesen und die von den Ausländern gezahlten Beträge in Höhe von jeweils 200,00 EUR seien nicht nur als reiner Verkaufserlös zu sehen gewesen, sondern auch für seine Dienstleistung, wie das Übersetzen oder Organisieren, gezahlt worden. Ein widersprüchliches Vorbringen sei insoweit nicht zu erkennen. Es sei Sache der Beklagten, zu beweisen, dass er - der Kläger - die Ausländer beschäftigt habe. Wenn überhaupt eine Beschäftigung der rumänischen Ausländer vorgelegen haben sollte und keinerlei Selbstständigkeit, hätte das Beschäftigungsverhältnis mit der Firma P. GmbH bestanden und nicht mit ihm - dem Kläger -. Hierfür spreche auch, dass die Rumänen zum Teil bekundet hätten, von ihnen erworbene Reifen aussortiert zu haben. Insoweit sei von einem Beschäftigungsverhältnis der Rumänen als "Reifensortierer" für und bei der Firma P. GmbH und keineswegs für oder bei ihm - dem Kläger - als Einzelunternehmer auszugehen. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass das von ihm ursprünglich persönlich im Jahr 1998 im Rahmen eines einzelkaufmännischen Geschäftsbetriebes geführte Unternehmen, das die Entsorgung und den Handel mit Altreifen betroffen habe, bereits im Jahr 1999 von der P. GmbH übernommen worden sei. Die P. GmbH sei eigens zu diesem Zweck mit Vertrag vom 6. Mai 1999 errichtet und anschließend in das Handelsregister eingetragen worden. Geschäftsführer der P. GmbH sei 2003 V. R. gewesen. Er - der Kläger - sei auch kein "faktischer" Geschäftsführer der P. GmbH gewesen. Er habe damals nur 45 Prozent der Geschäftsanteile der P. GmbH gehalten. Die Aussagen der Rumänen unterlägen zudem einem Verwertungsverbot. Es sei nicht erkennbar, von wann bis wann die Vernehmungen am 12. September 2003 durchgeführt worden seien. Sie seien zudem nicht ordnungsgemäß über ihr Recht zur Aussageverweigerung belehrt worden. Ausweislich der Protokolle sei in rumänischer Sprache gedolmetscht worden. Sämtliche Beschuldigte seien zwar rumänische Staatsbürger gewesen; sie gehörten jedoch zur ungarischen Minderheit in R ... Ihre Mutter- und Schulsprache sei ungarisch. Sie seien der rumänischen Sprache nicht oder nur völlig unzureichend mächtig. Ausführungen wie "nach abermaliger Belehrung die Märchenstunde zu beenden erklärt sich der Beschuldigte zur Wahrheit bereit" oder "nach abermaliger Belehrung" deuteten darauf hin, dass offensichtlich auf die Beschuldigten "eingewirkt" worden sei, um eine bestimmte Aussage zu erhalten. Von den Ausländern, auf deren Aussagen sich das Sozialgericht gestützt habe, lägen zudem keine richterlichen Vernehmungsprotokolle vor. Das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft gegen ihn wegen "Schwarzarbeit", illegaler Beschäftigung, Beitragsbetrug und Beitragsvorenthaltung sei eingestellt worden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Blatt 319 bis 338 der Gerichtsakte Band II und Blatt 369 bis 394 der Gerichtsakte Band III Bezug genommen.

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Mit Beschluss des Senats vom 7. April 2015 sind die Beiladungen zu 6. bis 17. bewirkt worden; die Beiladung von K. I., S. M. und E. K. konnte nicht erfolgen, da die ladungsfähigen Anschriften nicht zu ermitteln waren.

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Der Kläger beantragt,

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das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 14. September 2012 und den Bescheid der Beklagten vom 31. August 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Dezember 2006 aufzuheben.

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Die Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Sie hält das angefochtene Urteil und ihren Bescheid für rechtmäßig.

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Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt.

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Im Berufungsverfahren sind von der Staatsanwaltschaft M. die Verfahrensakten zum Aktenzeichen 626 Js 19222/05 und die Ermittlungsakten des HZA D. in den Verfahren 2720 EV 125 bis 127/13, 130/13, 132/13 und 134/13 beigezogen worden. Hieraus ergibt sich u.a., dass der Kläger mit rechtskräftigem Urteil des Amtsgerichts M. vom 31. März 2009 wegen gemeinschaftlichen Einschleusens von Ausländern verurteilt worden ist. In der Urteilsbegründung ist ausgeführt, bei den eingeschleusten Ausländern handele es sich um die in diesem Verfahren Beigeladenen zu 6.,13. und 16.

23

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der von der Staatsanwaltschaft M. übersandte Verfahrensakten 626 Js 1922/05 und der Ermittlungsakten des HZA D. in den Verfahren 2720 EV 125 bis 127/13, 130/13, 132/13 und 134/13, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Der Senat konnte den Rechtsstreit verhandeln und entscheiden, obwohl die Beigeladenen zu 1. bis 7., zu 9., zu 11. bis 15. und zu 17. im Verhandlungstermin nicht erschienen und nicht vertreten gewesen sind. Denn sie sind mit den ihnen ordnungsgemäß zugestellten Ladungen auf diese Möglichkeit hingewiesen worden.

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Die zulässige Berufung ist unbegründet.

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Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der angefochtene Bescheid vom 31. August 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Dezember 2006 ist rechtmäßig. Der Kläger ist durch den angefochtenen Bescheid nicht beschwert (§§ 153 Abs. 1, 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)). Er ist verpflichtet, Sozialversicherungsbeiträge für die Beigeladenen zu 6. bis 17., K. I., S. M. und E. K. zu entrichten.

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Die Beklagte konnte im Rahmen der am 25. April 2005 durchgeführten Betriebsprüfung gemäß § 28p Abs. 1 Satz 5 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - SGB IV) über die Versicherungspflicht der Beigeladenen zu 6. bis 17. sowie des K. I., des S. M. und der E. K. und die Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung durch Verwaltungsakt gegenüber dem Kläger entscheiden.

28

Der Kläger war Arbeitgeber der genannten Beigeladenen zu 6. bis 17. sowie des K. I., des S. M. und der E. K. im Sinne von § 28e Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Nach § 28b Abs. 1 Satz 1 SGB IV prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach dem SGB IV, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen. Die Träger der Rentenversicherung erlassen gegenüber den Arbeitgebern im Rahmen dieser Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe (§ 28b Abs. 1 Satz 5 SGB IV). Den Gesamtsozialversicherungsbeitrag für einen kraft Gesetzes versicherten Beschäftigten (vgl. § 28d Satz 1 i.V.m. § 7 SGB IV und § 5 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V), § 25 Abs. 1 SGB III, § 1 Satz 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI), § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch - Soziale Pflegeversicherung (SGB XI)) hat grundsätzlich der Arbeitgeber zu zahlen (§ 28e Abs. 1 Satz 1 SGB IV).

29

Als Arbeitgeber im sozialversicherungsrechtlichen Sinne ist regelmäßig derjenige anzusehen, zu dem ein anderer - der Beschäftigte - in einem persönlichen Abhängigkeitsverhältnis steht. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV (hier m.W.v. 1. Januar 1999 anzuwenden i.d.F. des Gesetzes vom 20. Dezember 1999, BGBl. I 2000, 2) ist Beschäftigung die "nicht selbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis". Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (§ 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV). Eine - nicht auf Arbeitsverhältnisse in einem engen arbeitsrechtlichen Sinne beschränkte - Beschäftigung setzt nach ständiger Rechtsprechung des Senats voraus, dass der Beschäftigte von seinem "Arbeitgeber" persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in dem Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Ob jemand im Verhältnis zu einem anderen abhängig beschäftigt ist, richtet sich ausgehend von genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) vgl. z.B. Urteil vom 27. Juli 2011 - B 12 KR 10/09 R -, SozR 4-2400 § 28e Nr. 4, SozR 4-2400 § 7 Nr. 13 und juris m.w.N.). Arbeitgeber ist derjenige, dem der Anspruch auf die vom Beschäftigten nach Maßgabe des Weisungsrechts geschuldete Arbeitsleistung zusteht und der dem Beschäftigten dafür als Gegenleistung zur Entgeltzahlung verpflichtet ist. Arbeitgeber ist, wer die Arbeit unmittelbar an andere vergibt und dem die Verfügung über die Arbeitskraft, Einstellung, Verwendung und Entlassung zusteht, für dessen Rechnung das Arbeitsentgelt gezahlt wird und dem die erfolgte Arbeitsleistung zu Gute kommt (Sehner in Hauck/Heines, SGB IV, K § 28a Rn. 8).

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Hier sieht es der Senat - ebenso wie das Sozialgericht - als erwiesen an, dass die Beigeladenen zu 6. bis 17., K. I., S. M. und E. K. als Arbeitnehmer für den Kläger tätig geworden sind.

31

Die Vorgenannten sind auf Veranlassung des Klägers nach W. gebracht worden, um dort nach dessen Weisungen Gewächshäuser abzubauen, die nach B. gebracht und wieder aufgebaut werden sollten. Der Kläger hat den männlichen Arbeitnehmern 170,00 EUR/Woche und den weiblichen Arbeitnehmern 100,00 EUR/Woche als Entlohnung sowie freie Verpflegung und Unterkunft vor Ort zugesagt. Er hat hierfür Arbeiten in der Zeit von 7.00 bis 19.00 Uhr - teilweise bis 21.00 Uhr als Überstunden - verlangt, die Arbeit eingeteilt und regelmäßig die Arbeitsfortschritte überwacht. Die Beigeladenen waren vom Kläger persönlich und wirtschaftlich abhängig. Sie hatten keine finanziellen Möglichkeiten, ohne Hilfe des Klägers zurück in die Heimatorte zu gelangen. Alle haben die für das Ende der Beschäftigung zugesagte Entlohnung nicht erhalten.

32

Dies folgt für den Senat aus den Aussagen der Beigeladenen zu 6.,7.,13. und 17. ausweislich der richterlichen Vernehmungsprotokolle, die im Beisein des Verteidigers und eines Dolmetschers erstellt worden sind. Sie stimmen in den wesentlichen Punkten in Bezug auf die Gesamtumstände der Beschäftigung, d.h. die Anwerbung in Rumänien durch den Bruder des Klägers, die Anreise nach Deutschland, die vorherige Tätigkeit im Reifenhandel in B., die Vereinbarungen über die Lohnhöhe, d.h. 170,00 EUR für die Männer und 100,00 EUR für die Frauen jeweils monatlich, die tägliche Arbeitszeit, Unterkunft und Verpflegung sowie die Anweisung des Klägers, die 200,00 EUR-Quittung bei Kontrollen vorzulegen und zu behaupten, das Gewächshaus gekauft zu haben, sämtlich überein. Andererseits enthalten die Aussagen jeweils weitere individuelle Details, die darauf schließen lassen, dass eine ausreichende Verständigung zwischen den Beigeladenen und den jeweiligen Dolmetschern möglich gewesen ist. Alle Beigeladenen sowie S. M. und E. K. sind nach ihren richterlichen Vernehmungen auf freien Fuß gesetzt worden.

33

Der Senat ist davon überzeugt, dass der in dem beigezogenen Aktenordner abgeheftete Kaufvertrag vom 6. August 2003, den die Beigeladenen zu 6. bis 17., K. I. und S. M. mit Ausnahme der Beigeladenen zu 16. und der E. K. unterzeichnet haben, zum Schein abgeschlossen worden ist, um bei Kontrollen über die Arbeitnehmereigenschaft der Beigeladenen zu täuschen. Hierfür sprechen die von der Staatsanwaltschaft M. sichergestellten Unterlagen. Danach hat die HGV B. GmbH als Eigentümer des Grundstücks, auf dem sich die acht Gewächshäuser befanden, unter dem 5. August 2003 der P. GmbH die von ihr - der HGV B. GmbH - beantragte Baugenehmigung zum Abbruch der Gewächshäuser mit Nebengebäuden mit dem Auftrag zugeleitet, die erforderlichen Arbeiten durchzuführen. Die Entgegennahme des Auftrags ist vom Kläger unterzeichnet. Die handschriftliche Änderung der ursprünglichen Formulierung der HGV B. GmbH, von "Arbeiten" in "Montagen" durch den Kläger weist auf die Vorbereitung des Scheinkaufvertrages vom 6. August 2003 hin. Nachdem angeblich am 6. August 2003 der Kaufvertrag abgeschlossen war - in dem der Eigentümer, die HGV B. GmbH, als solcher nicht aufgeführt ist - wurde gleichwohl unter dem Briefkopf der P. GmbH, d.h. nicht durch die angeblichen Erwerber der Gewächshäuser, mit der Stadtwerke W. GmbH am 11. August 2003 ein Vertrag zur Wasserentnahme für den Abbruch einer Gärtnerei abgeschlossen. Der Vertrag ist vom Kläger unterzeichnet. Zudem beauftragte der Kläger nachfolgend telefonisch die Transportfirma "l. in gmbh" mit dem Abtransport der Gewächshäuserteile in der 36. Kalenderwoche von W. nach B.; das Angebot hierüber ist unter Bezugnahme auf das Telefonat unter dem 28. August 2003 an den Kläger gerichtet. Er ist im Bestätigungsschreiben unter dem Briefkopf der P. GmbH vom 9. September 2003 als Ansprechpartner für die Transportfirma "l. gmbh" genannt.

34

Auch die vorgelegten Quittungen über 200,00 EUR für "Vorauszahlung Kauf. vom 06.08.03. für Acht Gewächshäuser in W." sind zur Überzeugung des Senats gefertigt worden, um die Arbeitnehmereigenschaft der Beigeladenen zu 6. bis 17, des K. I., des S. M. und der E. K. zu verschleiern. Bereits das Sozialgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, es sei lebensfremd, dass 14 Personen aus unterschiedlichen Wohnorten in Rumänien acht Gewächshäuser mit einer Grundfläche von mehreren 1000 qm kaufen, die durch einen Dritten von zu entlohnenden Frachtfirmen zunächst nach B. gebracht werden, um sie dann letztendlich frachtkostenpflichtig und durch die mehrmals erforderlichen Grenzübertritte 2003 noch zollpflichtig nach Rumänien zu transportieren, ohne zu wissen, wo sie die Gewächshäuser auf einem entsprechend großen Gelände wieder aufbauen sollten. Für die Kaufvariante sprechen auch nicht vom Kläger vorgelegten Rechtsanwaltsschreiben, wonach er angeblich von den Beigeladenen 16. und 17. auf Herausgabe der Gewächshäuser in Anspruch genommen werden sollte. Diese Schreiben stammen aus Februar 2009, sind fünfeinhalb Jahre nach dem angeblichen Kauf verfasst und somit weit nach Ablauf jeglicher Verjährungsfristen. Nach der ursprünglichen Behauptung des Klägers, es seien als Kaufpreis 3.000,00 EUR vereinbart worden, wäre dieser Kaufpreis im Übrigen bis heute nicht vollständig bezahlt worden; nach den vorgelegten Quittungen und den Unterzeichnungen des Kaufvertrages sind nur von 14 Personen 200,00 EUR und damit 2.800,00 EUR geflossen. Soweit der Kläger im Berufungsverfahren erstmals behauptet hat, lediglich für die Vermittlung des Kaufs und seine Dolmetschertätigkeit 3.000,00 EUR erhalten zu haben, steht dies im Widerspruch zu dem Inhalt der Quittungen und allen Aussagen der befragten Rumänen.

35

Es ist zudem nicht erkennbar, in welcher konkreten Ausgestaltung ein wirksamer Erwerb von acht großen Gewächshäusern durch insgesamt 14 Personen ohne eine gesellschaftliche Verbundenheit der Erwerber hätte umgesetzt werden können. Die Zahlung von Beträgen in derselben Höhe ohne ein koordiniertes Handeln der Erwerber, wodurch sichergestellt worden wäre, dass der volle Kaufpreis für das Verkaufsobjekt erbracht werde, war selbst aus der Sicht eines mit dem deutschen Vertragsrecht nicht vertrauten Käufers offenkundig ungeeignet, einen Kauf erfolgreich abzuschließen.

36

Soweit die übrigen Beigeladenen, insbesondere die im Verhandlungstermin erschienenen, behauptet haben, Käufer der Gewächshäuser gewesen und als Selbstständige tätig gewesen zu sein, führt dies aus den vorgenannten Gründen nicht zu einer anderen Beurteilung. Selbst wenn von einigen der Beigeladenen die Hoffnung gehegt worden wäre, nach dem Abbau der Gewächshäuser und dem Abtransport von W. nach B. hätten diese zu einem späteren Zeitpunkt nach Rumänien gebracht werden können, damit sie dort mit einigen der Arbeiter in W. Gemüse oder Blumen hätten anpflanzen können, ändert dies nichts an der konkreten Arbeitgeber-/Arbeitnehmerkonstellation während des Gewächshausabbaus im hier maßgeblichen Zeitraum.

37

Der Senat ist davon überzeugt, dass der Kläger und nicht die P. GmbH der Arbeitgeber der vorgenannten Personen war. Der Kläger trat im Rechtsverkehr unterschiedlich auf: als P. P., als Reifenhandel B., als r. (bei ebay) sowie für die P. GmbH. Geschäftsführer der P. GmbH war zum Zeitpunkt des in diesem Berufungsverfahren zu beurteilenden Vorgangs V. R. und nicht der Kläger. Alle befragten Rumänen haben angegeben, in B. bei der Firma P. Reifenarbeiten, Sortieren, Prüfen etc. verrichtet zu haben und in W. bei P. P. gearbeitet zu haben. Für sie war der Kläger derjenige, dem sie zur Arbeit verpflichtet waren, der weisungsberechtigt war und der ihnen hierfür den vereinbarten Lohn schuldete. Dies allein ist für die Frage nach der Arbeitgebereigenschaft maßgeblich.

38

Hat ein Arbeitgeber die Aufzeichnungspflicht nicht ordnungsgemäß erfüllt und können dadurch die Versicherungs- oder Beitragspflicht oder die Beitragshöhe nicht festgestellt werden, kann der prüfende Träger der Rentenversicherung den Beitrag in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung und zur Arbeitsförderung von der Summe der vom Arbeitgeber gezahlten Arbeitsentgelte geltend machen. Satz 1 gilt nicht, soweit ohne unverhältnismäßig großen Verwaltungsaufwand festgestellt werden kann, dass Beiträge nicht zu zahlen waren oder Arbeitsentgelt einem bestimmten Beschäftigten zugeordnet werden kann. Soweit der prüfende Träger der Rentenversicherung die Höhe der Arbeitsentgelte nicht oder nicht ohne unverhältnismäßig großen Verwaltungsaufwand ermitteln kann, hat er diese zu schätzen. Dabei ist für das monatliche Arbeitsentgelt eines Beschäftigten das am Beschäftigungsort ortsübliche Arbeitsentgelt mit zu berücksichtigen (§ 28 f Abs. 2 Satz 1 bis 4 SGB IV). Diese Schätzung bezieht sich hier nur auf die genaue Zahl der von den Beigeladenen zu 6. bis 17., K. I., S. M. und E. K. verrichteten Arbeitsstunden und ist mangels ordentlich geführter Stundenzettel nicht zu beanstanden.

39

Der Kläger ist auch verpflichtet, Gesamtsozialversicherungsbeiträge unter Zugrundelegung des Baumindestlohns für die alten Bundesländer zu entrichten. Die Beklagte hat zutreffend den am Arbeitsort W. gültigen tariflich festgelegten Mindestlohn im Baugewerbe für Baustellen im Gebiet der alten Bundesländer zugrunde gelegt.

40

Nach § 1 der Dritten Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen im Baugewerbe vom 21. August 2002 (BGBL. I S. 3372) finden die in der Anlage 1 zu dieser Verordnung aufgeführten Rechtsnormen des Tarifvertrages zur Regelung der Mindestlöhne im Baugewerbe im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland vom 4. Juli 2002 (TV Mindestlohn) auf alle an ihn nicht gebundenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer Anwendung, die unter seinen am 1. September 2002 gültigen Geltungsbereich fallen, wenn der Betrieb überwiegend Bauleistungen im Sinne des § 211 Abs. 1 Satz 2 SGB III erbringt. Die in § 2 aufgeführten Anwendungsausnahmen, insbesondere die in § 2 Abs. 4 Nr. 5 genannten, sind hier nicht erfüllt. Danach erstreckt sich die Verordnung nicht auf Betriebe und selbstständige Betriebsabteilungen, die Spreng-, Abbruch- und Enttrümmerungsarbeiten ausführen, sofern ihre Leistungen nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit anderen in den Betrieben oder den selbstständigen Betriebsabteilungen in erheblichem Umfang anfallenden baulichen Leistungen stehen.

41

Hier haben die Beigeladenen zu 6. bis 17., K. I., S. M. und E. K. Demontagearbeiten an den Gewächshäusern ausgeführt, die notwendig waren, um die Gewächshäuser abzubauen und an einem anderen Ort wieder aufzubauen. Insoweit haben sie keinen Abbrucharbeiten in dem Sinne ausgeübt, dass sie ein vorhandenes Bauwerk zerstört haben, was die Ausnahmetatbestände Spreng-, Abbruch- und Enttrümmerungsarbeiten kennzeichnet, sondern bauliche Leistungen im Sinne von § 1 Abs. 2 Abschnitt 2 der Anlage 1 zu § 1 TV Mindestlohn. Danach unterfallen dem betrieblichen Geltungsbereich Betriebe, die gewerblich bauliche Leistungen erbringen, die u.a. der Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen. Hier mussten die Arbeitnehmer die Demontage so ausführen, dass der geplante Wiederaufbau möglich blieb.

42

Die vorgenannten Arbeitnehmer waren eine feste Gruppe von Personen, die ausschließlich im hier maßgebenden Zeitraum bei der Demontage der Gewächshäuser in W. zusammengearbeitet haben. Sie stellten damit einen für die Erfüllung der Merkmale des "Betriebsbegriffs" notwendigen organisatorischen Betriebs(-teil) dar. Denn unter einem Betrieb ist eine organisatorische Einheit zu verstehen, innerhalb derer ein Arbeitgeber allein oder mit seinen Arbeitnehmern mit Hilfe technischer und immaterieller Mittel bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt (Bundesarbeitsgericht (BAG), Beschluss vom 25. Mai 2005 - 7 ABR 38/04 -, juris ). Eine selbstständige Betriebsabteilung liegt vor, wenn mehrere baugewerblich tätige Arbeitnehmer in koordinierter Form baugewerbliche Arbeiten durchführen (vgl. Hessisches Landesarbeitsgerichts (LAG), Urteil vom 16. August 2004 - 16 Sa 198/04 -, juris).

43

Soweit die Beigeladenen zu 8. und 16. auf der Baustelle gekocht, geputzt und die Scheiben der Gewächshäuser gewaschen und eingepackt haben, unterfallen sie auch mit diesen Arbeiten dem Baumindestlohn. Nach gefestigter Rechtsprechung des BAG können sog. Vor-, Neben-, Nach- und Hilfsarbeiten den eigentlichen baulichen Haupttätigkeiten dienen und ihnen deshalb grundsätzlich zugeordnet werden, sofern sie im Zusammenhang mit den baulichen Arbeiten erbracht werden (vgl. BAG, Urteil vom 15. Januar 2014 - 10 AZR 669/13 -, juris). Hier hatten auch die Beigeladenen zu 8. und 16. nach Anweisung des Klägers je nach Arbeitsanfall mit den Abbrucharbeiten eng in Zusammenhang stehende Tätigkeiten zu verrichten, ohne die das Gesamtbauprojekt "Abbruch der Gewächshäuser und Aufbau an einem anderen Ort" nicht möglich gewesen wäre. Mangels entsprechender Aufzeichnungen ist nicht mehr feststellbar, in welchem Umfang jeweils welche konkreten Tätigkeiten verrichtet wurden. Auch insoweit war deshalb die Schätzung der Beklagten nicht zu beanstanden.

44

Die Berechnung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge durch die Beklagte ist unter Zugrundelegung der im maßgeblichen Zeitraum geltenden Sachbezugsverordnung - wie im Tatbestand dargelegt - jedenfalls nicht zu Lasten des Klägers unzutreffend. Die Beklagte durfte auch für die Unterbringung der Arbeitnehmer 25 Prozent des Wertes einer Unterkunft zugrunde legen, obwohl die Arbeitnehmer unter Bedingungen untergebracht waren, die mit einer üblichen Gemeinschaftsunterkunft nicht zu vergleichen waren. Aus Gründen der Praktikabilität und der Rechtssicherheit sind die Schätzwerte der Sachbezugsverordnung einer konkreten Berechnung vorzuziehen. Insbesondere auf die Qualität der Unterkunft kommt es nicht an (Urteil des BSG vom 3. Juli 1991 - 9b/11 Rar 131/89 -, juris Rn. 27). Einwände gegen die konkrete Berechnung der Beiträge sind vom Kläger nicht erhoben worden und für den Senat nicht ersichtlich.

45

Die Beklagte konnte Säumniszuschläge erheben, da die Voraussetzungen des § 24 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 SGB IV erfüllt sind. Der Kläger konnte nicht glaubhaft machen, dass er von seiner Zahlungspflicht in Bezug auf die Sozialversicherungsbeiträge für die von ihm im streitigen Zeitraum beschäftigten Rumänen keine Kenntnis hatte. Denn er hat das Bestehen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses bewusst zu verschleiern versucht, um die Folge, als Arbeitgeber Sozialversicherungsbeiträge abführen zu müssen, zu verhindern

46

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

47

Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage, ohne dass der Senat von einer Entscheidung der in § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte abweicht.


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