Urteil vom Landessozialgericht Sachsen-Anhalt (3. Senat) - L 3 R 130/12

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen tragen die Klägerin zu neun Zehntel und die Beklagte zu einem Zehntel. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

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Die Beteiligten streiten über die Nachforderung von Beiträgen für die Tätigkeit des M. T. (Beigeladener zu 3)) als ehrenamtlicher Bürgermeister der Gemeinde T. vom 1. Juli 2008 bis zum 30. Juni 2009.

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Die Klägerin ist eine Stadt in der zum 1. Januar 2010 gebildeten Verbandsgemeinde "G. A." und wird durch deren zuständigen Bürgermeister vertreten. Die Gemeinde T. war vom 1. Januar 2004 bis zum 31. Dezember 2009 Mitgliedsgemeinde der Verwaltungsgemeinschaft "G. A." und ist seit dem 1. Juli 2009 ein Ortsteil der Klägerin. Im Zeitraum vom 1. Juli 2001 bis zum 30. Juni 2009 war der (verstorbene) Beigeladene zu 3) ehrenamtlicher Bürgermeister der Gemeinde T., wobei das Amtsverhältnis nach Ablauf der siebenjährigen Amtszeit zum 1. Juli 2008 erneut begründet wurde. Er erhielt ab dem 1. Juli 2008 eine monatliche Aufwandsentschädigung in Höhe von 716,00 EUR. Daneben bezog er ab Juni 2007 eine Vollrente wegen Alters.

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Die Beklagte führte bei der Klägerin vom 14. bis zum 21. Juli 2009 eine Betriebsprüfung für den Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis zum 30. Juni 2009 durch. Im Rahmen der Schlussbesprechung am 21. September 2009 wurden mit der Klägerin die Prüfungsfeststellungen, die beanstandeten Sachverhalte und die beabsichtigten Beitragsnachforderungen besprochen. Der Inhalt der Besprechung ergibt sich aus dem Protokoll vom 21. September 2009. Im Protokoll wurde vermerkt, dass mit der Schlussbesprechung die Anhörung nach § 24 Abs. 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - SGB X) als durchgeführt gelte.

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Mit Bescheid vom 5. Oktober 2009 forderte die Beklagte von der Klägerin die Beiträge für den Beigeladenen zu 3) zur gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung bzw. den Arbeitgeberanteil zur gesetzlichen Rentenversicherung sowie zu der Umlage U2 nach dem Gesetz über den Ausgleich der Arbeitgeberaufwendungen für Entgeltfortzahlung (AAG) für den Zeitraum vom 1. Juli 2008 bis zum 30. Juni 2009 in Höhe von insgesamt 1.437,80 EUR einschließlich Säumniszuschlägen in Höhe von 108,00 EUR. Die Beklagte begründete ihren Bescheid damit, dass ehrenamtliche Bürgermeister in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stünden und damit der Versicherungspflicht unterlägen, sofern sie eine dem allgemeinen Arbeitsmarkt zugängliche Verwaltungstätigkeit ausübten und nicht nur Repräsentationsaufgaben wahrnähmen. Darüber hinaus sei Voraussetzung, dass eine den tatsächlichen Aufwand übersteigende pauschale Aufwandsentschädigung gezahlt werde. Bei einem ehrenamtlichen Bürgermeister sei ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis anzunehmen, wenn dieser in seinem Amt verpflichtet sei, über Repräsentationsaufgaben hinaus weisungsgebundene Verwaltungsaufgaben auszuüben, und dieser Aufgabenbereich auch das Bild der Tätigkeiten präge. Dies sei gegeben, wenn der ehrenamtliche Bürgermeister Leiter der Verwaltung sei. Die Beklagte verwies hierzu auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 25. Januar 2006 (Az.: B 12 KR 12/05 R). Aus dieser Entscheidung gehe hervor, dass der Bereich der weisungsgebundenen Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben die Tätigkeit eines ehrenamtlichen Bürgermeisters präge, sofern er nach der Ausgestaltung des Ehrenamtes in der maßgebenden Kommunalverfassung dazu verpflichtet sei. In Sachsen-Anhalt seien auch die ehrenamtlichen Bürgermeister Dienstvorgesetzte des Leiters des gemeinsamen Verwaltungsamtes und höhere Dienstvorgesetzte sowie oberste Dienstbehörden aller Bediensteten des gemeinsamen Verwaltungsamtes. Darüber hinaus müssten ehrenamtliche Bürgermeister in Sachsen-Anhalt auch die sich aus den §§ 62 und 63 Gemeindeordnung Land Sachsen-Anhalt (in der Fassung vom 5. Oktober 1993, zuletzt geändert durch das Gesetz vom 14. Februar 2008 (GO LSA)) ergebenden Verwaltungsaufgaben erfüllen. Der Beigeladene zu 3) sei als ehrenamtlicher Bürgermeister an die GO LSA gebunden gewesen. Damit sei er abhängig beschäftigt gewesen und habe der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken-, Rentenversicherung und sozialen Pflegeversicherung unterlegen. Aus Vertrauensschutzgründen verbleibe es bis zum Ende der Amtszeit, welche am 30. Juni 2008 geendet habe, bei der bisherigen Beurteilung der Versicherungspflicht. Ab Beginn der neuen Amtszeit am 1. Juli 2008 seien jedoch Sozialversicherungsbeiträge zu berechnen. Aufgrund der im streitgegenständlichen Zeitraum erhaltenen monatlichen Aufwandsentschädigungen in Höhe von 716,00 EUR betrage das beitragspflichtige Arbeitsentgelt monatlich 477,33 EUR. Dabei sei als Steuerfreibetrag ein Drittel der gewährten Aufwandsentschädigung in Höhe von 238,67 EUR gewertet worden.

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Im hiergegen eingelegten Widerspruch vom 26. Oktober 2009 trug die Klägerin vor, das Formerfordernis des § 24 SGB X sei nicht beachtet worden. Ebenso sei gegen das Dokumentationsgebot für behördliche Entscheidungen und das sich aus § 35 SGB X ergebende Begründungserfordernis verstoßen worden. Darüber hinaus sei der Bescheid materiell rechtswidrig, da es an einer Ermächtigungsgrundlage mangele. Die Tätigkeit als ehrenamtlicher Bürgermeister in der Gemeinde T. ergebe sich vorliegend aus der Hauptsatzung der Klägerin in der Fassung vom 21. September 1999, wonach der ehrenamtliche Bürgermeister lediglich repräsentative Aufgaben ausübe. Sämtliche Verwaltungsaufgaben seien auf die Verwaltungsgemeinschaft übertragen worden. Weder die Vorbereitung der Beschlüsse des Gemeinderates noch seiner Ausschüsse obliege dem Bürgermeister. Auch habe er gegenüber dem Gemeinderat keine Informationspflicht über alle wichtigen, die Gemeinde und ihre Verwaltung betreffenden Angelegenheiten. Sie verfüge über keine eigene Verwaltung, sodass der ehrenamtlich tätige Bürgermeister den Gemeinderat ausschließlich über Gemeindeangelegenheiten unterrichten könne. Daraus ergebe sich auch, dass der ehrenamtliche Bürgermeister keine Aufgaben der Verwaltung wahrnehme. Auch die Geschäfte der laufenden Verwaltung würden vom ehrenamtlichen Bürgermeister nicht in eigener Verantwortung erledigt. Hier oblägen der Entscheidungsvollzug und damit die Verwaltungstätigkeit der Verwaltungsgemeinschaft. Die Aufgaben des übertragenen Wirkungskreises würden ebenfalls von der Verwaltungsgemeinschaft erfüllt. Mangels eigener Verwaltung müsse der ehrenamtlich tätige Bürgermeister keine Personalangelegenheiten erledigen. Darüber hinaus übe er keine dem allgemeinen Erwerbsleben zugänglichen Tätigkeiten aus. Der ehrenamtliche Bürgermeister führe lediglich einige Kontrollaufgaben durch, was lediglich die Möglichkeit eröffne, die Gemeinde nach seinem Gewissen und seinen Wertvorstellungen, aufgrund derer er gewählt worden sei, zu leiten und zu vertreten. Lediglich diese Subjektivität werde vom Amt des ehrenamtlichen Bürgermeisters zur Erfüllung der ihm auferlegten Aufgaben gefordert. Es sei kein Verwaltungshandeln auszuüben, wofür der Beigeladene zu 3) auch keine hinreichende Ausbildung besitze. Darüber hinaus bestehe der streitgegenständlich geforderte Beitrag nicht in der geforderten Höhe. Der ehrenamtliche Bürgermeister erhalte lediglich seine Aufwendungen pauschal erstattet. Soweit der Aufwendungsersatz sowohl ein Entgelt für repräsentative als auch für verwaltende Tätigkeiten darstelle, handele es sich zumindest bei den repräsentativen Tätigkeiten nicht um eine nicht selbstständige Beschäftigung nach Weisung des Weisungsgebers.

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Die Beklagte befragte im Widerspruchsverfahren den Beigeladenen zu 3). Er gab an, seit dem 9. April 1993 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit und seit dem 1. Juni 2007 eine Altersrente zu beziehen. Befragt zu den Aufgaben, die er im Zusammenhang mit dem übernommenen Ehrenamt auszuüben habe, erklärte er im Fragebogen vom 23. Februar 2010, der Bürgermeister repräsentiere die Gemeinde bei Vereinen, Gratulationen und Veranstaltungen der Gemeinde. Er sei für die Vorbereitung der Beschlüsse des Gemeinderates und deren Vollzug verantwortlich. Der Bürgermeister sei Vorgesetzter der Angestellten und Arbeiter der Gemeinde. Darüber hinaus müsse der Bürgermeister Beschlüssen des Gemeinderates widersprechen, wenn er der Auffassung sei, dass diese gesetzeswidrig seien. In Rechtsbehelfsverfahren unterschreibe er die Schriftsätze, die durch das Verwaltungsamt geprüft und dort vorbereitet worden seien. Ebenso unterschreibe er Widersprüche gegen Ratsbeschlüsse. Der Beigeladene zu 3) führte weiterhin aus, dass die Gemeinde T. sechs Arbeitnehmer beschäftigt habe. Für die Gemeindeangelegenheiten sei auch eine Bürokraft zur Verfügung gestellt worden. Ein Weisungsrecht gegenüber der Verwaltungsgemeinschaft habe nicht bestanden. Die Verwaltungsgemeinschaft habe jedoch den Bürgermeister in rechtlichen Angelegenheiten unterstützt. Hinsichtlich der Rechnungen des Gemeindehaushalts habe er als Bürgermeister weder eine sachliche noch eine rechnerische Vorprüfung vornehmen müssen. Vertragsabschlüsse seien von der Verwaltung vorbereitet worden, die jedoch Rücksprache mit ihm gehalten habe. Eine Bürgersprechstunde habe wöchentlich stattgefunden. Der ehrenamtliche Bürgermeister habe sich um die Angelegenheiten der Bürger und die Weitergaben zur Erledigung an die Verwaltungsgemeinschaft zu kümmern.

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Der Beklagten lag darüber hinaus die Hauptsatzung der Gemeinde T. (K.) vom 21. September 1999 vor. Daraus ergibt sich unter § 3 zu "Vorsitz im Gemeinderat", dass der Bürgermeister Vorsitzender des Gemeinderates ist. § 4 bestimmt, dass der Gemeinderat über die Zustimmung zu über- und außerplanmäßigen Ausgaben und zu Verpflichtungsermächtigungen im Wert von über 5.000,00 EUR zuständig ist. Nach § 6 Abs. 2 erledigt der Bürgermeister in eigener Verantwortung die Geschäfte der laufenden Verwaltung. Außerdem unterrichtet er nach § 7 die Einwohner der Gemeinde. Unter § 8 sind Einzelheiten zur Einwohnerfragestunde geregelt.

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Mit Bescheid vom 23. Juli 2010 an den Beigeladenen zu 3) stellte die Beklagte gegenüber diesem fest, dass er im Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis zum 30. Juni 2009 in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stand.

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Mit Widerspruchsbescheid vom 17. Mai 2011 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Im Widerspruchsbescheid wiederholte sie ihre Ausführungen aus dem Bescheid vom 5. Oktober 2009 und verwies darüber hinaus auf den Beschluss des erkennenden Senats vom 17. Mai 2010 - L 3 R 18/10 B ER - juris. Darin werde ausgeführt, dass der ehrenamtliche Bürgermeister die Gemeinde vertrete, soweit diese ihre Aufgaben nicht auf die Verwaltungsgemeinschaft übertragen habe. Er habe nach den entsprechenden Vorschriften der GO LSA auf Verlangen den Gemeinderat zu unterrichten und Fragen binnen einer angemessenen Frist zu beantworten. Er habe den Gemeinderat einzuberufen, Beschlüsse des Gemeinderates vorzubereiten und gesetzwidrigen Beschlüssen zu widersprechen. Erklärungen, durch welche die Gemeinde verpflichtet werden soll, bedürften, soweit sie nicht gerichtlich oder notariell beurkundet werden, der handschriftlichen Unterzeichnung durch den Bürgermeister. Auch aus der Aufgabenzuweisung für den Gemeindeausschuss seien Verwaltungstätigkeiten von den ehrenamtlichen Bürgermeistern wahrzunehmen. Aus der Hauptsatzung der Gemeinde T. ergebe sich, dass die Gemeinde von dem ehrenamtlichen Bürgermeister, hier dem Beigeladenen zu 3), nach innen und außen vertreten werde. Außerdem gehöre die Willensbildung der Gemeinde zu seinen Aufgaben. Er sei Leiter des Gemeinderates und würde wöchentliche Bürgersprechstunden durchführen. Die Gemeinde beschäftige sechs Arbeitnehmer, deren Dienstvorgesetzter er sei. Zwar seien auch verschiedene Aufgaben des ehrenamtlichen Bürgermeisters auf die Verwaltungsgemeinschaft übertragen worden, gleichwohl verblieben bei typisierender Betrachtung in ausreichendem Umfang Verwaltungstätigkeiten. Aus der Befragung des Beigeladenen zu 3) habe sich ergeben, dass es sich bei der Tätigkeit des ehrenamtlichen Bürgermeisters um eine abhängige Beschäftigung im Sinne von § 7 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - SGB IV) handele. Im Übrigen sei es ausreichend, wenn die Möglichkeit der Übernahme von Verwaltungstätigkeiten bestünde. Der ehrenamtliche Bürgermeister habe auch eine den tatsächlichen Aufwand übersteigende pauschale Aufwandsentschädigung erhalten. Ab der Neuwahl zum 1. Juli 2008 sei er als abhängig Beschäftigter anzusehen und damit versicherungspflichtig. Auch die Berechnung der Beiträge der Höhe nach sei zutreffend. Nach § 17 Abs. 1 Satz 2 SGB IV sei eine möglichst weitgehende Übereinstimmung mit den Regelungen des Steuerrechts sicherzustellen. Daher sei ein Drittel der gewährten Aufwandsentschädigung als steuerfrei anzusehen. Das übrige Arbeitsentgelt sei dagegen beitragspflichtig. Der Bescheid sei auch nicht aus formellen Gründen zu beanstanden. Es sei eine Schlussbesprechung durchgeführt worden, in der ausführlich über die Prüfungsbeanstandungen sowie die anstehende Nachforderung der Beiträge gesprochen worden sei. Die Mitarbeiter der Verwaltungsgemeinschaft hätten Gelegenheit gehabt, sich zu äußern. Dies sei entsprechend protokolliert worden. Auch sei kein Verstoß gegen das sich aus § 35 SGB X ergebende Begründungserfordernis erkennbar.

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Die Klägerin hat beim Sozialgericht Halle am 31. Mai 2011 Klage erhoben. Sie hat im Wesentlichen ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt und weiter ausgeführt, dass sich die Lösung am Aufgabenbereich des ehrenamtlichen Bürgermeisters orientieren müsse. Auf das Urteil des BSG vom 25. Januar 2006 könne nicht verwiesen werden, da dieses die Rechtslage im Freistaat Sachsen darstelle, nicht jedoch diejenige im Land Sachsen-Anhalt. Es sei eine Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung der Ausgestaltung des Ehrenamtes in der Kommunalverfassung zu beurteilen. Daraus ergebe sich, dass in Sachsen-Anhalt die Funktion des Leiters der Gemeindeverwaltung lediglich von hauptamtlichen Bürgermeistern wahrgenommen werde. Bei Mitgliedsgemeinden einer Verwaltungsgemeinschaft würden die Aufgaben der Gemeindeverwaltung ausschließlich vom gemeinsamen Verwaltungsamt erledigt. Damit würden die ehrenamtlich tätigen Bürgermeister - wenn überhaupt - nur in einem geringen Umfang Verwaltungstätigkeiten ausüben, sodass diese für ihre Tätigkeit nicht prägend seien. Auch habe ein ehrenamtlicher Bürgermeister in Sachsen-Anhalt nicht die Leitung der Verwaltung inne. Bei den in der Hauptsatzung der Gemeinde T. benannten Aufgaben handele es sich allenfalls um theoretisch mögliche Aufgaben, welche für sich allein betrachtet keinen Rückschluss darauf zuließen, welche Aufgaben vom ehrenamtlichen Bürgermeister wahrgenommen würden. Im streitbefangenen Zeitraum seien die aufgeführten möglichen Verrichtungen vom ehrenamtlichen Bürgermeister nicht wahrgenommen worden. Die theoretisch möglichen Aufgaben des ehrenamtlichen Bürgermeisters seien im streitbefangenen Zeitraum auf die Verwaltungsgemeinschaft übertragen worden. Organ der Verwaltungsgemeinschaft sei der Gemeindeausschuss, der grundsätzlich aus den Bürgermeistern der Mitgliedsgemeinden bestehe. Darüber hinaus könnten die Mitgliedsgemeinden weitere Mitglieder des Gemeinderates in den Gemeinschaftsausschuss entsenden, wovon die Verwaltungsgemeinschaft auch Gebrauch gemacht habe. In den Angelegenheiten der Verwaltungsgemeinschaft habe der Gemeinschaftsausschuss ein Weisungsrecht, nicht jedoch der einzelne Bürgermeister. Der ehrenamtliche Bürgermeister sei damit auch nicht Dienstvorgesetzter des Verwaltungsamtsleiters. Die Tätigkeit des ehrenamtlichen Bürgermeisters im Gemeinschaftsausschuss sei mit der kommunalpolitischen Tätigkeit eines Gemeinderatsmitglieds im Gemeinderat gleichzusetzen und könne nicht als Verwaltungstätigkeit eingestuft werden. Darüber hinaus habe der ehrenamtliche Bürgermeister keine Arbeitgeberfunktion übernommen.

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Das Sozialgericht Halle hat mit Gerichtsbescheid vom 27. Februar 2012 die Klage abgewiesen. Sowohl aus der GO LSA als auch aus der Hauptsatzung der Gemeinde T. ergebe sich, dass der Bürgermeister zur Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben verpflichtet sei. Er erledige in eigener Verantwortung die Geschäfte der laufenden Verwaltung. Erklärungen, durch welche die Gemeinde verpflichtet werden soll, seien beim Erfordernis der Schriftform nur rechtsverbindlich, wenn sie handschriftlich vom Bürgermeister unterzeichnet und mit dem Dienstsiegel versehen seien. Der Bürgermeister vertrete und repräsentiere die Gemeinde. Nach § 62 GO LSA sei der Bürgermeister für die Vorbereitung der Beschlüsse des Gemeinderates und seiner Ausschüsse sowie deren Vollzug verantwortlich. Auch die Höhe der ermittelten Nachforderung sei zutreffend. Es sei eine möglichst weitgehende Übereinstimmung mit den Regelungen des Steuerrechts sicherzustellen. Daher sei nicht zu beanstanden, dass die Beklagte monatliche Einnahmen in Höhe von zwei Dritteln des Betrages als steuerpflichtig und damit als beitragspflichtig angesehen habe.

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Die Klägerin hat gegen den ihr am 1. März 2012 zugestellten Gerichtsbescheid am Montag, dem 2. April 2012, Berufung bei dem Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt eingelegt und ihr Begehren weiterverfolgt.

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Mit Schriftsatz vom 6. Oktober 2014 hat die Beklagte den angefochtenen Bescheid teilweise zurückgenommen und mitgeteilt, dass die festgestellte Nachforderung nunmehr einschließlich der Säumniszuschläge in Höhe von 98,00 EUR insgesamt 1.316,70 EUR betrage. Dies beruhe darauf, dass nach dem Erlass des Ministeriums für Finanzen des Landes Sachsen-Anhalt vom 11. Dezember 2001 für ehrenamtliche Bürgermeister, die zugleich Vorsitzende des Gemeinderats seien, ein zusätzlicher steuerfreier Betrag in Höhe von dreimal 90,00 EUR möglich sei. Dies sei nunmehr umgesetzt worden. Die Klägerin hat das Teilanerkenntnis angenommen.

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Die Klägerin führt zur Begründung ihres Rechtsmittels weiter aus, nicht der ehrenamtliche Bürgermeister, sondern die Verwaltungsgemeinschaft habe alle Aufgaben wahrgenommen, die ihr durch Rechtsvorschriften übertragen worden seien, sowie alle Aufgaben des eigenen Wirkungskreises, soweit diese nicht zur Erfüllung übertragen worden seien. Vorliegend habe die Verwaltungsgemeinschaft G. A. mit Wirkung ab 1. Januar 2004 auch aus der Gemeinde T. bestanden. Darüber hinaus erfülle die Verwaltungsgemeinschaft weiterhin die nachstehend genannten Aufgaben des eigenen Wirkungskreises für alle Mitgliedsgemeinden. Eine weisungsgebundene Tätigkeit liege nicht vor. Hierzu bedürfe es einer qualitativen und quantitativen Bewertung der konkret vom ehrenamtlichen Bürgermeister wahrgenommenen Aufgaben. Der Beigeladene zu 3) habe keine dem allgemeinen Erwerbsleben zugängliche Tätigkeit ausgeübt. Er sei nicht zur weisungsgebundenen Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben verpflichtet gewesen. Sofern Verwaltungstätigkeiten wahrzunehmen gewesen seien, hätten diese den Aufgabenbereich seiner Tätigkeit nicht geprägt. Dem Bürgermeister habe es auch nicht oblegen, den Gemeinderat über alle wichtigen, die Gemeinde und ihre Verwaltung betreffenden Angelegenheiten zu informieren. Dies beruhe darauf, dass die Gemeinde T. über keine eigene Verwaltung verfügt habe. Auch stelle die Mitgliedschaft im Gemeinschaftsausschuss der Verwaltungsgemeinschaft keine Verwaltungstätigkeit dar. Ebenfalls sei die Beschäftigung von sechs Mitarbeitern durch die Gemeinde nicht geeignet, eine Sozialversicherungspflicht zu begründen. Hierbei handele es sich um eine Arbeitgeberfunktion und nicht um eine versicherungspflichtige Tätigkeit. Der ehrenamtliche Bürgermeister habe keinem arbeitsrechtlichen Direktionsrecht unterlegen, er sei lediglich "an Recht und Gesetz gebunden" gewesen. Ein Weisungsrecht habe damit nicht bestanden. Auch sei die Ausübung des Ehrenamtes unentgeltlich gewesen. Der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 29. August 2012 (10 AZR 499/11 - juris) sei zu entnehmen, dass eine unentgeltliche ehrenamtliche Tätigkeit keine Arbeitnehmerstellung begründe. Lediglich eine Aufwandsentschädigung werde gezahlt, um die finanziellen Zusatzbelastungen auszugleichen. Es bedürfe auch keines besonderen Schutzes des ehrenamtlichen Bürgermeisters, da er die Amtsgeschäfte "neben seiner Erwerbstätigkeit oder dem Rentenbezug" realisiere.

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Die Klägerin beantragt,

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den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Halle vom 27. Februar 2012 und den Bescheid der Beklagten vom 5. Oktober 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Mai 2011 und des angenommenen Teilanerkenntnisses der Beklagten vom 6. Oktober 2014 aufzuheben.

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Die Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Sie hält den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Halle und ihren Bescheid für zutreffend. Sie verweist auf den Inhalt des Widerspruchsbescheides und die Ausführungen im Klageverfahren. Es komme gerade nicht auf ein quantitatives oder qualitatives Überwiegen der Verwaltungsaufgaben an. Die Ausübung von Verwaltungsaufgaben sei schon allein deshalb zu bejahen, weil dem ehrenamtlichen Bürgermeister nach der kommunalrechtlichen Ausgestaltung als Leiter der Gemeindeverwaltung jedenfalls die Überwachung der sachgemäßen Erledigung von Aufgaben obliege, unabhängig davon, dass deren konkrete Durchführung auf den Verwaltungsverband übertragen sei. Nicht maßgebend sei, ob der ehrenamtliche Bürgermeister auch Leiter der Gemeindeverwaltung gewesen sei. Ausreichend sei vielmehr, dass er zur weisungsgebundenen Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben verpflichtet gewesen sei. Auch soweit Aufgaben des eigenen Wirkungskreises der Mitgliedsgemeinden durch die Verwaltungsgemeinschaft erfüllt würden, handele es sich um Verwaltungsaufgaben, da die Verwaltungsgemeinschaft an die Beschlüsse und Weisungen der Gemeindeorgane gebunden sei und die Gemeindeorgane der Mitgliedsgemeinden selbst die Entscheidung träfen sowie die Erfolgskontrolle übernähmen.

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Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt.

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Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Das Berufungsverfahren ist durch das Versterben des Beigeladenen zu 3) nicht unterbrochen. Nach § 202 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 239 Zivilprozessordnung (ZPO) tritt im Falle des Todes einer Partei eine Unterbrechung des Verfahrens ein. Der Beigeladene ist mit einem gewöhnlichen Streithelfer vergleichbar und damit kein Hauptbeteiligter des Verfahrens (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hertmann, ZPO, 70. Auflage, § 239 Rn 7), so dass das Versterben des Beigeladenen zu 3) nicht zu einer Unterbrechung des Rechtsstreits führt.

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Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

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Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der angefochtene Bescheid vom 5. Oktober 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Mai 2011 und des Teilanerkenntnisses vom 6. Oktober 2014 ist rechtmäßig. Die Klägerin ist hierdurch nicht in ihren Rechten verletzt (§§ 153 Abs. 1, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG).

25

Zutreffend hat die Beklagte mit Bescheid vom 5. Oktober 2009 eine abhängige Beschäftigung des Beigeladenen zu 3) im Zeitraum vom 1. Juli 2008 bis zum 30. Juni 2009 und damit eine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung festgestellt sowie die Klägerin gleichzeitig zur Zahlung der Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung bzw. des Arbeitgeberanteils zur gesetzlichen Rentenversicherung sowie der Umlage U2 nach dem AAG herangezogen. In der gesetzlichen Rentenversicherung ist der Beigeladene zu 3) zwar als Bezieher einer Vollrente wegen Alters versicherungsfrei (§ 6 Abs. 4 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI)). Seine Amtstätigkeit als ehrenamtlicher Bürgermeister in der Gemeinde T. wäre jedoch als abhängige Beschäftigung grundsätzlich versicherungspflichtig, so dass der Arbeitgeberanteil zu entrichten ist (§ 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI).

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Der Bescheid vom 5. Oktober 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Mai 2011 in der Fassung des Teilanerkenntnisses der Beklagten vom 6. Oktober 2014 ist formell rechtmäßig. Die Beklagte hat der Anhörungspflicht gemäß § 24 Abs. 1 SGB X genügt. Sie hat ausweislich des Protokolls im Rahmen der am 21. September 2009 durchgeführten Schlussbesprechung auf die Prüfungsfeststellungen, die beanstandeten Sachverhalte und die beabsichtigten Beitragsnachforderungen, insbesondere die Versicherungspflicht des ehrenamtlichen Bürgermeisters, hingewiesen. Die Mitteilung der erheblichen Tatsachen muss nicht mit der ausdrücklichen Aufforderung verbunden sein, zu diesen Tatsachen Stellung zu nehmen (vgl. BSG, Urteil vom 30. März 1982, 2 RU 73/81 - SozR 1300 § 24 Nr. 4). Es reicht aus, wenn dem Betroffenen die Möglichkeit hierzu deutlich erkennbar ist (vgl. KassKomm/Mutschler SGB X § 24 Rn. 17). Die Klägerin hatte im Rahmen der Schlussbesprechung am 21. September 2009 die Möglichkeit, zu der Problematik der Versicherungspflicht des ehrenamtlichen Bürgermeisters Stellung zu nehmen. Die Anhörungspflicht beinhaltet dabei nur die Pflicht zur Berücksichtigung der Argumente des Betroffenen, nicht jedoch zur Übernahme seiner Rechtsauffassung (LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 17. Mai 2010 - L 3 R 18/10 B ER -, Rn. 21, juris).

27

Die Ausführungen in dem angefochtenen Bescheid genügen auch dem Begründungserfordernis des § 35 SGB X. Danach sind die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen. Die tatsächlichen Gründe ergeben sich aus dem ermittelten Sachverhalt (§ 20 SGB X), die rechtlichen Gründe aus den zu Grunde gelegten Vorschriften. Die Beklagte hat ausführlich erläutert, dass aufgrund der Tätigkeit des ehrenamtlichen Bürgermeisters die Versicherungspflicht auf Grundlage der aufgeführten Normen angenommen wurde.

28

Der angefochtene Bescheid ist in der Fassung des Teilanerkenntnisses auch materiell rechtmäßig. Die Versicherungspflicht der Tätigkeit des Beigeladenen zu 3) ergibt sich aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (Gesetzliche Krankenversicherung - SGB V) und § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (Soziale Pflegeversicherung - SGB XI), die Verpflichtung zur Abführung des Arbeitgeberanteils in der gesetzlichen Renten-versicherung resultiert aus § 172 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI sowie die Zahlungspflicht für die Umlage U2 aus § 7 AAG.

29

Im Rahmen der Betriebsprüfung konnte die Beklagte gemäß § 28 p Abs. 1 Satz 5 SGB IV durch Verwaltungsakt gegenüber der Klägerin über die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 3) in der Sozialversicherung entscheiden.

30

Versicherungspflichtig in der gesetzlichen Kranken-, Renten- sowie sozialen Pflegeversicherung sind insbesondere Arbeiter und Angestellte, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, § 1 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI, §§ 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 58 Abs. 1 Satz 1 SGB XI).

31

Einer Versicherungspflicht des ehrenamtlichen Bürgermeisters nach diesen Vorschriften steht nicht dessen Stellung als Ehrenbeamter im Sinne des Beamtengesetzes Sachsen-Anhalt (BG LSA) entgegen (vgl. zur Begründung im Einzelnen der Beschluss des erkennenden Senats vom 17. Mai 2010 - L 3 R 18/10 B ER -, Rn. 26, juris).

32

Nach § 7 Abs. 1 SGB IV ist eine Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Bei einer Tätigkeit in einem fremden Betrieb muss ein Beschäftigter in den Betrieb eingegliedert sein und einem Zeit, Dauer und Ort der Ausführungen umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegen, wobei das Weisungsrecht bei Diensten höherer Art eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" modifiziert sein kann. Ehrenbeamte stehen danach in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis gem. § 7 Abs. 1 SGB IV, wenn sie dem allgemeinen Erwerbsleben zugängliche Verwaltungsaufgaben wahrnehmen und hierfür eine den tatsächlichen Aufwand übersteigende pauschale Aufwandsentschädigung erhalten (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 25. Januar 2006 - B 12 KR 12/05 R m.w.N. - juris).

33

Ob der Ehrenbeamte in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis steht, ist in einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung der Ausgestaltung des Ehrenamts in der Kommunalverfassung des jeweiligen Bundeslandes zu beurteilen (vgl. BSG, Urteil vom 25. Januar 2006 - B 12 KR 12/05 R - a.a.O.). Hierzu wird auf die Ausführungen im Beschluss des erkennenden Senats vom 17. Mai 2010 (a.a.O.) umfassend Bezug genommen. Der Beigeladene zu 3) war zur Wahrnehmung der Verwaltungsaufgaben verpflichtet. Dies ergibt sich aus der GO LSA, der Hauptsatzung der Gemeinde T. sowie der Erklärung des Beigeladenen zu 3) über seine tatsächliche Ausgestaltung der Tätigkeit.

34

Das Amt des ehrenamtlichen Bürgermeisters ist in der GO LSA ausgestaltet. Danach ist der Bürgermeister neben dem Gemeinderat ein Verwaltungsorgan der Gemeinde (§ 35 GO LSA), wobei der Gemeinderat sowohl aus ehrenamtlichen Mitgliedern (Gemeinderäten) und dem Bürgermeister, der zugleich als Vorsitzender benannt wird, besteht (§ 36 Abs. 1, 2 GO LSA). Der Bürgermeister hat jedem Mitglied des Gemeinderates Auskunft zu erteilen, zur Prüfung, ob Anträge im Gemeinderat oder in den Ausschüssen, denen er angehört, zu stellen sind (§ 42 Abs. 3 GO LSA). Der Gemeinderat ist nach § 44 Abs. 2 GO LSA zuständig für alle Angelegenheiten der Gemeinde, soweit nicht der Bürgermeister selbst kraft Gesetzes zuständig ist oder ihm der Gemeinderat bestimmte Angelegenheiten übertragen hat. Soweit der Gemeinderat zu der Erkenntnis gelangt, dass Missstände innerhalb der Gemeindeverwaltung auftreten, hat der Gemeinderat die Beseitigung durch den Bürgermeister zu überwachen (§ 44 Abs. 2 Satz 2 aE GO LSA). § 44 Abs. 4 GO LSA normiert dazu ausdrücklich, dass der Gemeinderat Dienstvorgesetzter, höherer Dienstvorgesetzter und oberste Dienstbehörde des Bürgermeisters ist. Jedes Mitglied des Gemeinderates kann an den Bürgermeister Anfragen über einzelne Angelegenheiten der Gemeinde und ihrer Verwaltung stellen, die dieser binnen angemessener Zeit zu beantworten hat (§ 44 Abs. 6 GO LSA). Dies führt zur Weisungsgebundenheit der Tätigkeit des ehrenamtlichen Bürgermeisters. Darüber hinaus hat er den Gemeinderat einzuberufen (§ 51 Abs. 1 Satz 2 GO LSA), die Sitzungen zu leiten (§ 55 Abs. 1 Satz 1 GO LSA), das Sitzungsprotokoll zu unterschreiben (§ 55 Abs. 1 Satz 3 GO LSA), Beschlüsse des Gemeinderats vorzubereiten, diesen über wichtige die Gemeinde und ihre Verwaltung betreffenden Angelegenheiten zu unterrichten und gesetzeswidrigen Beschlüssen zu widersprechen (§ 62 Abs. 1 bis 3 GO LSA). Erklärungen, durch welche die Gemeinde verpflichtet werden soll, bedürfen, soweit sie nicht gerichtlich oder notariell beurkundet werden, der handschriftlichen Unterzeichnung durch den Bürgermeister (§ 70 Abs. 1 Satz 2 GO LSA). Der ehrenamtliche Bürgermeister ist nach §§ 47 Abs. 2, 48 Abs. 4 GO LSA auch in der Regel Vorsitzender der beschließenden und beratenden Ausschüsse. Er ist nach § 63 Abs.1 und 4 GO LSA für die sachgemäße Erledigung der Aufgaben und den ordnungsgemäßen Gang der Verwaltung verantwortlich, regelt die innere Organisation der Gemeindeverwaltung und erledigt in eigener Verantwortung die Geschäfte der laufenden Verwaltung. Aufgaben des übertragenen Wirkungskreises erledigt der Bürgermeister in eigener Zuständigkeit, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Darüber hinaus ist er Vorgesetzter, Dienstvorgesetzter, höherer Dienstvorgesetzter und oberste Dienstbehörde der Beigeordneten, Beamten, Angestellten und Arbeiter der Gemeinde (§ 63 Abs. 5 GO LSA). Auch aus der Hauptsatzung der Gemeinde T. (K.) ergibt sich, dass er als Vorsitzender des Gemeinderates (§ 3) nach § 6 Abs. 2 in eigener Verantwortung die Geschäfte der laufenden Verwaltung zu erledigen und die Einwohner der Gemeinde zu unterrichten hatte (§ 7).

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Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Gemeinde T. im streitgegenständlichen Zeitraum Mitglied in der Verwaltungsgemeinschaft "G. A." war. Die GO LSA sah in den §§ 75 ff. die Möglichkeit der Bildung einer Verwaltungsgemeinschaft vor. Dies führte dazu, dass die Aufgaben der Gemeindeverwaltung ausschließlich vom gemeinsamen Verwaltungsamtes zu erledigen waren (§ 75 Abs. 3, 5 GO LSA). Dabei war nach § 75 Abs. 5 Satz 2 GO LSA auf Antrag gegenüber dem gemeinsamen Verwaltungsamt dem Bürgermeister eine Bürokraft zur Verfügung zu stellen, deren Vorgesetzter er nach § 75 Abs. 5 Satz 6 GO LSA blieb. Auch hinsichtlich der bestehenden Arbeitsverhältnisse der Bürokräfte blieb er Vorgesetzter der Angestellten und Arbeiter der Gemeinde. Die Verwaltungsgemeinschaft besorgte gemäß § 77 Abs. 1 GO LSA alle Aufgaben des eigenen Wirkungskreises der Mitgliedsgemeinden, sofern diese der Verwaltungsgemeinschaft nicht nach Absatz 2 zur Erfüllung übertragen wurden, und unterstützte die Mitgliedsgemeinden bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben. Nach Abs. 2 konnte sie mit Zustimmung des Gemeinschaftsausschusses Aufgaben des eigenen Wirkungskreises der Mitgliedsgemeinden durchführen, die zur Erfüllung übertragen wurden, wobei jedoch die dabei entstandenen Kosten von der jeweiligen Mitgliedsgemeinde zu tragen waren. Die Verwaltungsgemeinschaft war dabei an die Beschlüsse und Weisungen der Gemeindeorgane gebunden. Daraus ergibt sich, dass dem ehrenamtlichen Bürgermeister weiterhin die oben beschriebenen Aufgaben als Leiter der Gemeindeverwaltung oblagen. Dies galt sowohl für nicht auf den Verwaltungsverband übergegangene bzw. übertragene Verwaltungsaufgaben als auch für die von der Verwaltungsgemeinschaft im Namen und im Auftrag der Gemeinde T. zu erledigenden Aufgaben. Der ehrenamtliche Bürgermeister hatte die sachgemäße Erledigung dieser Aufgaben weiter zu überwachen, auch wenn deren konkrete Durchführung bei der Verwaltungsgemeinschaft lag.

36

Unter Berücksichtigung dieser Ausgestaltung des Ehrenamts in der Kommunalverfassung stehen auch, entgegen der Auffassung der Klägerin, die tatsächlichen Umstände im Einzelfall der Einordnung der Tätigkeit des Beigeladenen zu 3) als sozialversicherungspflichtig nicht entgegen. Im Fragebogen vom 23. Februar 2010 führte dieser aus, er sei für die Vorbereitung der Beschlüsse des Gemeinderates und deren Vollzug verantwortlich gewesen. Er sei verpflichtet gewesen, den Beschlüssen des Gemeinderates zu widersprechen, wenn er der Auffassung gewesen sei, dass diese gesetzeswidrig seien. In Rechtsbehelfsverfahren habe er die Schriftsätze zu unterschreiben gehabt, die durch das Verwaltungsamt geprüft und dort vorbereitet worden seien. Ebenso habe er Widersprüche gegen Ratsbeschlüsse unterschrieben. Ob er all diese Tätigkeiten auch im streitgegenständlichen Zeitraum ausgeübt hat, kann offen bleiben. Er selbst hatte diese sich aus der GO LSA ergebenden Tätigkeiten als seinen Aufgabenbereich erfasst. Die konkrete Ausgestaltung der Tätigkeit entspricht daher den vom Gesetzgeber vorgegebenen "theoretischen" Möglichkeiten.

37

Diese Aufgaben sind auch prägend für die Tätigkeit gewesen. Der Beigeladene zu 3) als ehrenamtlicher Bürgermeister der Gemeinde T. hat nicht lediglich repräsentative Aufgaben, sondern ebenso verwaltende Tätigkeiten ausgeübt. In welchem Verhältnis die Aufgaben zueinander standen, kann offen bleiben. Entgegen der Auffassung der Klägerin muss nicht geklärt werden, ob die Verwaltungstätigkeit qualitativ und quantitativ überwiegt. Die Rechtsprechung des BSG (s.o.), der sich der Senat anschließt, lässt für die Bejahung der abhängigen Beschäftigung eines ehrenamtlichen Bürgermeisters seine Tätigkeit als Leiter der Verwaltung auch bei einer verbandsangehörigen Gemeinde ausreichen. Eine darüber hinaus gehende qualitative oder quantitative Bewertung der Verwaltungsaufgaben muss nicht vorgenommen werden. Unabhängig davon, dass es für eine solche zusätzliche Bewertung an geeigneten Maßstäben fehlt, ist diese auch nicht erforderlich. Ein Amtsinhaber, der nicht über eine andere versicherungspflichtige Beschäftigung verfügt, wäre durch eine solche Handhabung weitgehend schutzlos gestellt (LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss des erkennenden Senats vom 17. Mai 2010 - a.a.O.). Es obliegt dem jeweiligen Amtsinhaber, in welcher Intensität er die eine oder andere Aufgabe wahrnimmt und wo er den Schwerpunkt seiner Tätigkeit sieht. Der Status ist daher von der konkreten Aufgabenwahrnehmung und ebenso von dem konkreten Schutzbedürfnis unabhängig, sondern vielmehr aufgrund der abstrakten Möglichkeiten im konkreten Einzelfall zu beurteilen. Auf die etwaig fehlende Schutzbedürftigkeit des Beigeladenen zu 3) aufgrund seiner Rentenbezüge kommt es daher ebenfalls nicht an.

38

In der gesetzlichen Rentenversicherung ist der Beigeladene zu 3) im streitgegenständlichen Zeitraum zwar aufgrund des Bezugs einer Vollrente wegen Alters gemäß § 5 Abs. 4 Nr. 1 SGB VI versicherungsfrei. Die Verpflichtung der Klägerin zur Zahlung des hälftigen Beitrages ergibt sich jedoch aus § 172 Abs. 1 S. 1 SGB VI.

39

Die nach § 33 Abs. 2 Satz 1 GO LSA gezahlte Aufwandsentschädigung in Höhe von 716,00 EUR ist von der Beklagten zutreffend mit ihrem steuerpflichtigen Anteil als Arbeitsentgelt aus einer Beschäftigung i.S. von § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV angesehen worden. Arbeitsentgelt sind alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. Soweit die Entschädigung für die ehrenamtliche Tätigkeit nicht einen tatsächlich entstehenden Aufwand abgilt, ist sie daher Arbeitsentgelt. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist auch der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Urteil vom 29. August 2012, 10 AZR 499/11) nichts anderes zu entnehmen. Soweit in dieser Entscheidung festgestellt wurde, dass die Ausübung einer unentgeltlichen ehrenamtlichen Tätigkeit gegen eine Arbeitnehmereigenschaft spreche, ist dies nicht auf den vorliegenden Streitfall übertragbar. Der Beigeladene zu 3) hat zwar ebenfalls eine ehrenamtliche Tätigkeit ausgeübt. Die ihm gezahlte Aufwandsentschädigung gilt jedoch nicht lediglich den tatsächlich entstandenen Aufwand ab und stellt sich insoweit - entgegen dem Streitfall vor dem BAG - mit ihrem steuerpflichtigen Anteil als Arbeitsentgelt dar.

40

In der auf Grund der Ermächtigung in § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB IV erlassenen Verordnung über die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung von Zuwendungen des Arbeitgebers als Arbeitsentgelt (SvEV) mit Geltung ab dem 1. Januar 2007 wird bestimmt, wie das Arbeitsentgelt zu ermitteln und zeitlich zuzurechnen ist. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 SvEV sind einmalige Einnahmen, laufende Zahlungen, Zuschläge, Zuschüsse sowie ähnliche Einnahmen, die zusätzlich zu Löhnen oder Gehältern gewährt werden, soweit sie lohnsteuerfrei sind, dem Arbeitsentgelt nicht zuzurechnen. In der beitragsrechtlichen Behandlung des Arbeitsentgelts ist eine möglichst weitgehende Übereinstimmung mit den Regelungen des Steuerrechts sicherzustellen (§ 17 Abs. 1 Satz 2 SGB IV).

41

Nach § 3 Nr. 12 Einkommensteuergesetz (EStG) sind steuerfrei aus einer Bundeskasse oder Landeskasse gezahlte Bezüge, die in einem Bundesgesetz oder Landesgesetz oder einer auf bundesgesetzlicher oder landesgesetzlicher Ermächtigung beruhenden Bestimmung oder von der Bundesregierung oder einer Landesregierung als Aufwandsentschädigung festgesetzt sind und als Aufwandsentschädigung im Haushaltsplan ausgewiesen sind; das Gleiche gilt für andere Bezüge, die als Aufwandsentschädigung aus öffentlichen Kassen an öffentliche Dienste leistende Personen gezahlt werden, soweit nicht festgestellt wird, dass sie für Verdienstausfall oder Zeitverlust gewährt werden oder den Aufwand, der dem Empfänger erwächst, offenbar übersteigen. Sind die Anspruchsberechtigten und der Betrag oder auch ein Höchstbetrag der aus einer öffentlichen Kasse gewährten Aufwandsentschädigung durch Gesetz oder Rechtsverordnung bestimmt, so ist die Aufwandsentschädigung bei ehrenamtlich tätigen Personen in Höhe von einem Drittel der gewährten Aufwandsentschädigung, mindestens in Höhe von 154,00 EUR steuerfrei (R 3.12 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Lohnsteuer-Richtlinien 2008), wobei ein zusätzlicher steuerfreier Betrag in Höhe von dreimal 90,00 EUR zu berücksichtigen ist. Nach Teil 2 Nr. 1 des Runderlasses vom 1. Dezember 2004 betreffend die Aufwandsentschädigung für ehrenamtlich tätige Bürger und ehrenamtliche Bürgermeister nach § 33 GO LSA gilt als Rahmen für die Höhe der Aufwandsentschädigung des ehrenamtlichen Bürgermeisters bei einer Einwohnerzahl der Gemeinde von 801 bis 1.000 Einwohner ein Betrag von 410,00 EUR bis 665,00 EUR und bei einer Gemeindegröße von 1.001 bis 1.400 Einwohnern ein Betrag von 461,00 EUR bis 767,00 EUR. Dem Beigeladenen zu 3) wurde für seine Tätigkeit als ehrenamtlicher Bürgermeister der Gemeinde T. mit 878 Einwohnern (Stand 30. Juni 2008, Statistischer Bericht des Landes Sachsen-Anhalt vom 31. Dezember 2008) eine Aufwandsentschädigung von monatlich 716,00 EUR gezahlt, die damit oberhalb der maßgebenden gesetzlichen Regelung liegt. Es ist jedenfalls nicht zu beanstanden, dass die Beklagte monatliche Einnahmen in Höhe von zwei Dritteln dieses Betrages als steuerpflichtig und damit beitragspflichtig angesehen hat (LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 17. Mai 2010 - L 3 R 18/10 B ER -, Rn. 38, juris). Auch hierbei ist nicht zu prüfen, in welchem Verhältnis die repräsentativen und die verwaltenden Aufgaben zueinander stehen. Wie bereits oben ausgeführt, ist nicht die konkrete Ausübung der Tätigkeit maßgebend, sondern die abstrakte Möglichkeit der Aufgabenwahrnehmung. Die Tätigkeit ist insgesamt - auch trotz der nicht weisungsgebunden repräsentativen Aufgabenerfüllung - versicherungspflichtig. Gleiches gilt für die Aufwandsentschädigung, die insgesamt mit ihrem steuerpflichtigen Anteil als Arbeitsentgelt gilt.

42

Von diesem Arbeitsentgelt hat die Beklagte die Beiträge auch der Höhe nach zutreffend berechnet. Insbesondere im Hinblick auf die versicherungsfreie Tätigkeit im Rahmen der gesetzlichen Rentenversicherung hat die Beklagte auch zutreffend die Klägerin lediglich zur Zahlung der Hälfte des Beitrags aufgefordert (§ 172 Abs. 1 Satz 1 SGB VI).

43

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 155 Abs. 1 S. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die Beigeladenen haben selbst keine Anträge gestellt und sich damit auch nicht in ein Kostenrisiko begeben, § 162 Abs. 3 VwGO. Vor diesem Hintergrund hat der Senat ihnen auch keine Kostenerstattung zugesprochen.

44

Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.


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