Beschluss vom Landessozialgericht Sachsen-Anhalt (3. Senat) - L 3 R 409/17 B

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 26. Oktober 2017 wird zurückgewiesen.

Kosten sind für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe

I.

1

Zwischen den Beteiligten ist im Hauptsacheverfahren die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung einer Rente wegen Erwerbsminderung streitig.

2

Die am ... 1963 geborene Klägerin lebte zum Zeitpunkt ihrer Rentenantragstellung am 20. August 2015 mit ihrem jetzigen Ehemann (Jahrgang 1953) in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft in einer Mietwohnung und bezog in der Bedarfsgemeinschaft Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (Grundsicherung für Arbeitsuchende - SGB II) in Höhe von monatlich 1.074,14 EUR für Oktober bis Dezember 2015 und in Höhe von 1.031,10 EUR für Januar bis März 2016. Dem lagen neben den Kosten für Unterkunft und Heizung die Regelbedarfe für beide Personen in Höhe von insgesamt 630,70 EUR bis Dezember 2015 und in Höhe von 638,70 EUR ab Januar 2016 zugrunde. Ab Januar 2016 wurden die Kosten für Unterkunft und Heizung von dem Jobcenter nur noch im Umfang eines die tatsächlichen Kosten um 25,52 EUR unterschreitenden Betrages übernommen, was der Klägerin mit Bescheid vom 3. Juni 2015 bekannt gegeben worden war. Als Einkommen der Bedarfsgemeinschaft wurde die Witwenrente des damaligen Lebensgefährten der Klägerin in Höhe von 119,30 EUR abzüglich der Versicherungspauschale in Höhe von 30,00 EUR angerechnet.

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Die Beklagte lehnte den Rentenantrag der Klägerin mit Bescheid vom 30. November 2015 mit der Begründung ab, diese könne noch mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein.

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Am 10. Dezember 2015 bestellte die Klägerin bei einem Autohaus einen Neuwagen mit Sonderausstattung zu einem Fahrzeuggrundpreis von 17.990,00 EUR mit einer Bestätigung des Autohauses vom 14. Dezember 2015. Die Klägerin schuldete hierfür Gebühren, Überführungs- und Zulassungskosten in Höhe von insgesamt 810,00 EUR. Den Gesamtbetrag von 18.800,00 EUR finanzierte sie durch ein mit Vertrag vom 10. Dezember 2015 vereinbartes Darlehen mit einer monatlichen Ratenzahlung von 184,02 EUR für 60 Monate und einer Schlussrate in Höhe von 9.152,54 EUR. Mit der Zulassung des Pkw auf die Klägerin entstand ab dem 21. Dezember 2015 eine Kfz-Steuerpflicht in Höhe von jährlich 90,00 EUR und ein Kfz-Versicherungsbeitrag in Höhe von monatlich 35,21 EUR.

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Gegen den Bescheid vom 30. November 2015 legte die Klägerin mit Telefaxschreiben vom 14. Dezember 2015 Widerspruch unter Übersendung einer unter diesem Datum unterzeichneten Vollmacht für den Prozessbevollmächtigten ein, ohne den Widerspruch nachfolgend zu begründen.

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Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 25. Februar 2016 unter Hinweis auf die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides zurück. Hiergegen hat die Klägerin am 7. März 2016 vor dem Sozialgericht Dessau-Roßlau Klage erhoben und gleichzeitig die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt. Ihrer Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 4. März 2016 hat die Klägerin Unterlagen zu der Anschaffung und Versicherung bzw. Steuerpflicht des oben angegebenen Pkw beigefügt. Sie hat einen Versicherungsschein vom 13. Juli 2015 u.a. über eine laufende Wohngebäudeversicherung ihres damaligen Lebensgefährten und Nachweise über monatliche Versicherungsbeiträge in Höhe von monatlich 39,33 EUR und 28,94 EUR übersandt. Sie hat den Mietvertrag über eine von ihr mit ihrem damaligen Lebensgefährten seit dem 1. Juni 2011 angemietete Wohnung vorgelegt. Der Jahresrechnung über die Lieferung von Strom vom 12. November 2015 ist ein monatlicher Abschlag ab Dezember 2015 in Höhe von 56,00 EUR zu entnehmen. Im Übrigen ist eine Seite eines Kontoauszuges (nur teilweise lesbar) zum Kontostand am 1. März 2016 mit einem Guthaben von 499,78 EUR beigefügt worden. Die Erklärung ist im Übrigen nur für die Klägerin im Familienstand "geschieden/ledig" ausgefüllt. Die Angaben zu Sozialleistungen und Kosten der Unterkunft beziehen sich aber erkennbar auf die Bedarfsgemeinschaft. Über Grundeigentum verfüge sie nicht. Als Vermögen ist im Übrigen das auf dem Kontoauszug erkennbare Bankguthaben angegeben. Die Klägerin hat am 30. Dezember 2016 ihren Lebensgefährten geheiratet und das Gericht hiervon am 7. Februar 2017 (nach einer Information des Gerichts durch die Beklagte) in Kenntnis gesetzt, ohne eine geänderte Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse einzureichen.

7

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 16. Oktober 2017 abgewiesen. Zur Begründung hat das Sozialgericht darauf abgestellt, dass die Klägerin in dem zu beurteilenden Zeitraum von August 2015 bis zur mündlichen Verhandlung in der Lage gewesen sei, Arbeiten unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes täglich sechs Stunden und mehr zu verrichten. Das Sozialgericht hat den Antrag auf Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren mit Beschluss vom 26. Oktober 2017 unter Hinweis auf die Gründe des Urteils vom 16. Oktober 2017 abgelehnt.

8

Die Klägerin hat am 13. November 2017 gegen den ihr am 6. November 2017 zugestellten Beschluss Beschwerde bei dem Sozialgericht eingelegt, welches diese an das Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt weitergeleitet hat.

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Der Klägerin und der Landeskasse ist mit richterlichem Schreiben vom 22. März 2018 aufgezeigt worden, dass Bedenken in Bezug auf die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe gesehen werden.

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Die Klägerin hat zur Begründung ihres Rechtsmittels nur auf das vorgenannte richterliche Anschreiben Bezug genommen und mitgeteilt, sie habe den im Dezember 2015 angeschafften Pkw gegen einen Neuwagen mit einer Leasingrate von 180,00 EUR eingetauscht. Sie habe keine Vermögensdisposition zu Lasten der Landeskasse vorgenommen. Beigefügt gewesen sind die Bestellung und der Darlehensantrag des Ehemannes der Klägerin vom 5. Februar 2018.

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Die Klägerin beantragt sinngemäß,

12

den Beschluss des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 26. Oktober 2017 aufzuheben, ihr Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren vor dem Sozialgericht Dessau-Roßlau zu bewilligen und Rechtsanwalt Dr. Dr. G. beizuordnen.

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Die Landeskasse hat im Wesentlichen die Auffassung vertreten, dass der Senat nicht über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse als Voraussetzung der Prozesskostenhilfe entscheide, sondern das Verfahren, soweit hier von der Landeskasse nicht geteilte Bedenken des Senats bestünden, an das Sozialgericht in analoger Anwendung des § 159 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zurückzuverweisen sei.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten aus dem Hauptsache- und dem Beschwerdeverfahren Bezug genommen, der Gegenstand der Beratung des Senats gewesen ist.

II.

15

Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dessau-Roßlau ist zulässig, aber unbegründet.

16

Die Beschwerde ist nach § 172 Abs. 1 SGG statthaft. Die Statthaftigkeit des Rechtsmittels ist insbesondere nicht gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 2 a) und b) SGG ausgeschlossen. Das Sozialgericht hat den Antrag auf Prozesskostenhilfe auf Grund einer nicht hinreichenden Erfolgsaussicht abgelehnt. Die in der Hauptsache streitigen Rentenansprüche überschreiten im Übrigen die maßgebenden betragsmäßigen und zeitlichen Grenzen für eine zulassungsfreie Berufung in der Hauptsache gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 SGG. Die Beschwerde ist auch form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 173 SGG).

17

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die beantragte Prozesskostenhilfe für das Verfahren vor dem Sozialgericht gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit den §§ 114 ff. Zivilprozessordnung (ZPO). Nach § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Der Senat ist im Rahmen der zulässigen Beschwerde nicht auf die Prüfung der hinreichenden Erfolgsaussicht in der Sache beschränkt. Die Regelungen in § 172 Abs. 3 SGG regeln den Zugang zur Beschwerdeinstanz, verengen aber nicht den Prüfungsmaßstab des Rechtsmittelgerichts dahingehend, bei nicht gegebenen persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe das Verfahren an das Sozialgericht zurückverweisen zu müssen. Die von der Landeskasse für die entgegenstehende Auffassung in Anspruch genommene Entscheidung des Bayerischen LSG vom 7. Juni 2011 (- L 11 AS 409/11 B PKH -) betrifft nicht die seit dem 25. Oktober 2013 geltende Fassung des § 172 Abs. 3 SGG und die seit dem 1. Januar 2012 geltende Fassung des § 159 SGG. Die vorgenannte Entscheidung geht im Übrigen von einem Ermessen des dortigen Senats zu diesem Verfahrensschritt aus. Sie steht nicht der Rechtsmeinung des Senats zu einer eigenen Entscheidungskompetenz entgegen, sondern stützt diese. Nach der aktuellen Gesetzeslage wird die analoge Anwendung von § 159 Abs. 1 SGG überwiegend nur in Bezug auf die Nr. 1 dieser Vorschrift, d.h. bei einer Ablehnung eines Antrags als unzulässig, für möglich erachtet (vgl. z.B. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG Kommentar, 12. Aufl. 2017, § 159 RdNr. 1a).

18

Der Senat ist hier nicht von einer hinreichenden Glaubhaftmachung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Klägerin im Sinne des § 118 Abs. 2 Satz 1 ZPO überzeugt. Sie hat bereits keine korrekte Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bei dem Sozialgericht eingereicht. Das betrifft sowohl die teilweise unzutreffenden Angaben auf der tatsächlich eingereichten Erklärung als auch die fehlenden Angaben zu den Verhältnissen nach der Eheschließung. Zwischen der Eheschließung und der Entscheidung des Sozialgerichts über den Antrag auf Prozesskostenhilfe hat fast ein Jahr gelegen, das zur Erstellung einer korrekten Erklärung hätte genutzt werden können und müssen. Der anwaltlich vertretenen Klägerin hat auch klar sein müssen, dass infolge der Heirat sowohl Einkommen als auch Vermögen ihres Ehemannes für die Entscheidung relevant sind.

19

Die Angaben der Klägerin sind teilweise nachweislich unvollständig. Nach den Angaben der Klägerin in dem Berufungsverfahren L 3 R 396/17 stand der Ehemann zum Zeitpunkt der Entscheidung des Sozialgerichts schon im Bezug einer Altersrente. Offen geblieben ist, welchen Bezug die Wohngebäudeversicherung hat, die üblicherweise nicht für eine Mietwohnung vereinbart wird. Das Vorbringen der Klägerin zu ihren Einkommensverhältnissen ist auch für den Zeitpunkt der Klageerhebung nicht schlüssig. Der Bedarfsgemeinschaft stand ein Regelbedarf von 638,70 EUR zur Verfügung, dem das Einkommen des damaligen Lebensgefährten in Höhe von 119,30 EUR hinzuzurechnen gewesen ist. Da die Kosten der Unterkunft und Heizung nicht vollständig vom Jobcenter übernommen wurden, musste aus dem Regelbedarf hierfür ein Betrag in Höhe von monatlich 25,52 EUR aufgewendet werden. Bekannt sind nach den vorgelegten Unterlagen weitere monatlich fällig werdende Ausgaben für Strom in Höhe von 56,00 EUR und Versicherungen in Höhe von 35,21 EUR, 39,33 EUR und 28,94 EUR sowie eine Leasingrate in Höhe von 184,02 EUR. Diese Beträge würden einen Restbetrag für den Lebensunterhalt für zwei Personen in Höhe von 388,98 EUR monatlich ergeben. Das ist vor dem Hintergrund, dass sich diese prekäre Lage im Wesentlichen daraus ergeben hätte, dass an dem Tag der Beauftragung des Prozessbevollmächtigten ein Neuwagen angeschafft wurde, nicht überzeugend.

20

Die Kostenentscheidung beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO.

21

Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar, § 177 SGG.


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