Beschluss vom Oberlandesgericht Braunschweig (1. Strafsenat) - 1 Ws 337/15

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten wird der Beschluss der 4. Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Göttingen mit Sitz bei dem Amtsgericht Nienburg vom 1. Oktober 2015 aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung - auch über die Kosten der sofortigen Beschwerde - an die Strafvollstreckungskammer zurückverwiesen.

Gründe

I.

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Der seit 2002 vielfach strafrechtlich in Erscheinung getretene Verurteilte (nachfolgend auch Beschwerdeführer) wurde durch Urteil des Landgerichts Hannover vom 23. August 2013 (Az.: 96 Kls 9/13), rechtskräftig seit dem 24. Januar 2014, wegen Erpressung in 2 Fällen und wegen Betruges - unter Auflösung der mit Beschluss des Amtsgerichts Nienburg vom 12. Juli 2012 (Az.: 4 Cs 505 Js 39854/11) nachträglich gebildeten Gesamtstrafe und Einbeziehung der mit Strafbefehl des Amtsgerichts Nienburg vom 20. Januar 2012 (Az.: 4 Cs 505 Js 39854/11) wegen Diebstahls verhängten Strafe von 90 Tagessätzen zu je 10,00 Euro - mit einer Gesamtfreiheitsstrafe von 10 Monaten sowie wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit dem unerlaubten Führen einer Schusswaffe, räuberischer Erpressung in 2 Fällen und räuberischen Menschenraubes in Tateinheit mit schwerer räuberischer Erpressung mit einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von 6 Jahren und 6 Monaten belegt. Zudem wurde unter Anordnung eines Vorwegvollzuges von 1 Jahr und 8 Monaten Freiheitsstrafe seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Wegen der Einzelheiten wird auf das vorgenannte Urteil (Bl. 1 bis 13 d. VH) verwiesen.

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Durch seit dem 10. Juli 2014 rechtskräftigen Beschluss vom 19. Juni 2014 führte das Landgericht Hannover (Az.: 96 Kls 9/13) unter Auflösung der mit Urteil des Amtsgerichts Hannover vom 11. Dezember 2012 (Az.: 211 Ds 102/12 1483 Js 40712/12) gebildeten Gesamtfreiheitsstrafe von 8 Monaten (Einzelstrafen von 4 und 6 Monaten) und unter Auflösung der mit Urteil des Landgerichts Hannover vom 23. August 2014 (Az.: 96 Kls 6403 Js 94687/11) gebildeten Gesamtfreiheitsstrafe von 6 Jahren und 6 Monaten (Einzelstrafen von 90 Tagessätzen, 3 x 6 Monaten, 1 Jahr,  1 Jahr und 3 Monaten, 5 Jahren und 6 Monaten sowie 1 Jahr und 3 Monaten) die erkannten Strafen auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von 5 Jahren und 11 Monaten - unter Einbeziehung der mit Urteil des Amtsgerichts Hannover vom 11. Dezember 2012 (Az.: 211 Ds 102/12 1483 Js 40712/12 verhängten Einzelfreiheitsstrafen von 4 und 6 Monaten und der mit Urteil des Landgerichts Hannover vom 23. August 2012 (Az.: 96 Kls 6403 Js 94687/11) verhängten Einzelfreiheitsstrafen von 1 Jahr, 1 Jahr und 3 Monaten und 5 Jahren und 6 Monaten - sowie auf eine Einzelfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 3 Monaten zurück. Die Gesamtfreiheitsstrafe von 10 Monaten (gebildet aus Einzelfreiheitsstrafen von 3 x 6 Monaten und der mit Strafbefehl des Amtsgerichts Nienburg vom 20. Januar 2012 verhängten einbezogenen Geldstrafe von 90 Tagessätzen) ließ es bestehen. Ebenso wurde die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt aufrechterhalten.

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Der Untergebrachte befand sich für das vorliegende Verfahren vom 18. Februar 2013 bis zum 23. Januar 2014 in Untersuchungs- und sodann bis zum 17. Oktober 2014 in Strafhaft. Die Unterbringung in der nunmehr für erledigt erklärten Maßregel wurde seither im Maßregelvollzugszentrum Niedersachsen in Rehburg-Loccum vollzogen. Die Höchstfrist der Unterbringung wurde - unter Berücksichtigung einer die regelmäßige Höchstdauer von 2 Jahren durch die weitergehende Freiheitsstrafe verlängernde Höchstdauer - auf den 04. Januar 2020 bestimmt (Bl. 81 d. VH).

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Mit Beschluss vom 17. April 2015 ordnete die Strafvollstreckungskammer auf der Grundlage einer Stellungnahme der Unterbringungseinrichtung vom 5. Februar 2015 (Bl. 96 ff. d. VH) erstmals die Fortdauer der Unterbringung an (Bl. 104 f. d. VH). In der Begründung dieser Entscheidung führte sie dabei aus, dass die Unterbringung Aussicht auf Erfolg habe und der bisherige Therapieverlauf positiv zu bewerten sei. Suchtmittelrückfälle habe es nicht gegeben.

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Am 6. Juni 2015 entwich der Verurteilte sodann anlässlich eines genehmigten Tagesausgangs aus der Unterbringung. Nach seiner Festnahme in Bulgarien am 15. Juli 2015 wurde er am 24. August 2015 erneut dem Maßregelvollzugszentrum zugeführt.

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In seiner anschließenden Stellungnahme vom 14. September 2015 (Bl. 139 ff. d. VH) berichtete das Maßregelvollzugszentrum, dass der Verurteilte nach seiner Aufnahme am 17. Oktober 2014 zunächst eine eingehende Diagnostik- und Motivationsphase in dem besonders gesicherten Bereich der Klinik durchlaufen habe. Danach sei er auf eine weitergehende Therapiestation verlegt worden, wo ihm sukzessive Vollzugslockerungen bis hin zu Tagesausgängen (ab Mai 2015) gewährt worden seien. Diese habe habe der Verurteilte genutzt, um seine Familie zu besuchen oder Zeit mit seiner Freundin zu verbringen. Er habe zuvorderst an einer psycho-edukativen Gruppentherapie teilgenommen, in der es im Wesentlichen um das Wesen, die Erscheinungsform und die Folgen seiner Suchterkrankung gegangen sei. Dabei habe der Verurteilte durchgängig einen Abstinenzvorsatz geäußert. Im weiteren Verlauf der Therapie sei er dann in das psycho- und soziotherapeutische Gruppenangebot der Klinik integriert worden. Des Weiteren habe er auch das arbeits-, bewegungs-, sozio- und milieutherapeutische Programm absolviert. Vor seiner ab Dezember 2014 beginnenden Teilnahme an einem Hauptschulkurs habe er den Posten des Stationshausreinigers innegehabt. Den Hauptschulkurs habe er bis zu seiner Entweichung im Juni 2015 regelmäßig besucht. Eine einzeltherapeutische Versorgung sei aus fachlicher Sicht nicht indiziert gewesen. In den gruppentherapeutischen Prozessen habe sich der Verurteilte überwiegend an den Themen seiner Mitpatienten beteiligt und eigene Themen eher zögerlich eingebracht. Bei der Auseinandersetzung mit den Unterbringungsdelikten sowie seiner Delinquenzentwicklung habe er ebenso wie bei der Darstellung schwieriger Bereiche seines Lebens durch Bagatellisierungen und Externalisierung von Verantwortung imponiert. Im Verlauf der Unterbringung seien  dem Verurteilten zwar keine Suchtmittelrückfälle nachweisbar gewesen, jedoch habe es Auffälligkeiten gegeben. So habe er mehrfach aufgefordert werden müssen, seine Freundin nicht während der Therapiezeiten auf dem Klinikparkplatz aufzusuchen. Im Mai 2015 habe nach dem Einsatz eines Handyfinders zudem der Verdacht bestanden, dass der Verurteilte im Besitz eines nicht genehmigten Mobiltelefons war. Seit seiner Wiederaufnahme am 24. August 2015 befinde er sich auf der besonders gesicherten Aufnahmestation. In nachfolgenden Gesprächen habe er sich dahingehend geäußert, dass das Entweichen spontan erfolgt sei. Grund hierfür sei gewesen, dass seine schwangere Freundin das gemeinsame Kind verloren und er erfahren habe, dass sie in Rumänien intensivmedizinisch behandelt werde. Alkohol habe er während der Entweichung nicht konsumiert. Insgesamt handele es sich bei dem Verurteilten um gering strukturierten Patienten, bei dem die emotionale Kontaktaufnahme erschwert bzw. nicht möglich sei. Er könne sich nicht in ausreichendem Maße emotional öffnen. Dies zeige sich u.a. in dem durchgängig freundlichen, aber nicht immer situationsangemessenen Verhalten des Verurteilten sowie in seinen durchgängigen Bagatellisierungen. Ein tragfähiger emotionaler Kontakt sei jedoch wie ein wechselseitiges Verstehen grundlegende Voraussetzung für einen tragfähigen therapeutischen Kontakt und damit für eine erfolgreiche Bearbeitung der zugrundeliegenden Suchtproblematik sowie Delinquenzentwicklung. Therapeutische Fortschritte im Sinne eines interessierten Problemverstehens oder des Herstellens einer tragfähigen Arbeitsbeziehung seien seit Oktober 2014 auch in Ansätzen nicht erkennbar. Weder ein (weiterer) Vorwegvollzug von Strafhaft noch eine Umwandlung der Unterbringung in eine solche nach § 63 StGB könnten die mangelnden Behandlungsvoraussetzungen des Verurteilten positiv beeinflussen. Es werde daher die Beendigung der Maßregel empfohlen.

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Durch den angefochtenen Beschluss, auf dessen Gründe wegen der näheren Einzelheiten Bezug genommen wird (Bl. 164 ff. d. VH), hat die Strafvollstreckungskammer nach Anhörung des Beschwerdeführers am 21. September 2015 (Bl. 152 d. VH) die Maßregel für erledigt erklärt und die Führungsaufsicht näher ausgestaltet.

8

Der Beschluss ist dem Untergebrachten und seinem Verteidiger jeweils am 6. Oktober 2015 zugestellt worden (Bl. 176, 177 d. VH). Mit einem am 8. Oktober 2015 beim Amtsgericht Nienburg eingegangenen Schriftsatz (Bl. 178 f. d. VH) hat der Verteidiger für den Untergebrachten gegen den Beschluss sofortige Beschwerde eingelegt und diese mit weiterem Schriftsatz vom 24. November 2014 (Bl. 254 ff. d.A.), auf den inhaltlich verwiesen wird, begründet.

9

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die sofortige Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.

II.

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1. Die sofortige Beschwerde ist, soweit sie sich gegen die Anordnung richtet, dass die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nicht weiter zu vollziehen ist, gemäß §§ 463 Abs. 6 S. 1, 462 Abs. 3 S. 1 StPO i.V.m. § 67d Abs. 5 StGB statthaft, form- und fristgerecht eingelegt (§§ 306 Abs. 1, 311 Abs. 2 StPO) und auch im Übrigen zulässig.

11

2. Das Rechtsmittel ist, soweit es die Erledigung der Maßregel betrifft, darüber hinaus auch begründet. Die Darlegungen der Strafvollstreckungskammer tragen nicht die Beendigung des Maßregelvollzugs und die damit verbundene Überweisung des Verurteilten in den Strafvollzug.

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Nach § 67d Abs. 5 S. 1 StGB erklärt das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt für erledigt, wenn die Voraussetzungen des § 64 S. 2 StGB nicht mehr vorliegen, d.h. wenn keine hinreichend konkrete Aussicht mehr besteht, den Verurteilten durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt zu heilen oder eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf seinen Hang zurückgehen. Bei der Entscheidung hierüber hat das Gericht kein Ermessen. Das bedeutet, dass die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nicht erst dann abzubrechen ist, wenn sie sich als zweifelsfrei aussichtslos erwiesen hat, sondern dass ihr weiterer Vollzug bereits unzulässig wird, sobald aus Gründen, die in der Person des Verurteilten liegen, eine hinreichend konkrete Erfolgsaussicht seiner Behandlung im Maßregelvollzug nicht mehr erkennbar ist (vgl. OLG Zweibrücken, Beschluss vom 19. Dezember 2002 - 1 Ws 596/02, juris, Rn. 3). Um dies festzustellen, ist eine Prognose auf zuverlässiger Erkenntnisgrundlage erforderlich, dass der Zweck der Maßregel aller Vorrausicht nach nicht mehr erreicht werden kann. Bei der Prognoseentscheidung muss der Gesamtverlauf der bisherigen Maßregelvollstreckung berücksichtigt werden (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 3. Januar 2008 - 3 Ws 707 -709/07, 3 Ws 707/07, 3 Ws 708/07, 3 Ws 709/07, juris, Rn. 11). Zu beachten ist hierbei, dass die Entscheidung der Vollstreckungsgerichte für den Verurteilten regelmäßig von weitreichender Bedeutung ist und die dem Verurteilten von Ärzten und Gerichten bescheinigte Aussichtslosigkeit der Behandlung regelmäßig dazu angetan ist, in ihm die Vorstellung zu verfestigen, dass weitere Bemühungen, von der Sucht los zu kommen, sinnlos sind (vgl. OLG Zweibrücken, Beschluss vom 19.12.2002 - 1 Ws 596/02, juris, Rn. 3). Bei der Prüfung der Frage, ob keine konkrete Aussicht auf einen Behandlungserfolg mehr besteht, ist entscheidend, ob bei der gebotenen Gesamtschau des bisherigen Behandlungsverlaufs eine mit therapeutischen Mitteln des Maßregelvollzugs nicht mehr aufbrechbare Behandlungsunwilligkeit oder Behandlungsunfähigkeit des Verurteilten vorliegt, namentlich eine realistische Chance auf das Erreichen des Maßregelzwecks weder durch einen Wechsel der behandelnden Therapeuten und/oder der angewandten Therapie, noch durch ein Überwechseln des Verurteilten in den Vollzug einer anderen Maßregel oder einen teilweisen Vorwegvollzug der Strafe begründet werden kann (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 08.08.2002 - 3 Ws 831/02, juris, Rn. 1). Die dauerhafte Therapieunwilligkeit oder -fähigkeit muss sich ausreichend durch sichere Tatsachen untermauern lassen. Insbesondere stellt der Umstand, dass der Verurteilte in der Anstalt Schwierigkeiten bereitet, Rückfälle in sein Suchtverhalten erleidet oder gar Lockerungen zu Straftaten missbraucht, als solches noch keinen Anlass dar, ihn in den Strafvollzug zu überweisen (vgl. OLG Frankfurt, a.a.O.).

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Diesen Beurteilungsmaßstäben wird die angefochtene Entscheidung nicht in vollem Maße gerecht.

14

Soweit die Strafvollstreckungskammer ausgeführt hat, dass der Verurteilte nicht therapiefähig sei, weil er – wie seine zögerliche Auseinandersetzung mit seinem bisherigen Suchtverlauf, die Regelverstöße durch Treffen mit der Verlobten während der Therapiezeiten trotz ausdrücklichen Verbotes, das Entweichen und die fehlende Aufarbeitung des Entweichens zeigen würden – trotz verschiedener therapeutischer Zugangsversuche nicht in der Lage sei, sich auf therapeutische Inhalte einzulassen und eine therapeutische Beziehung aufzubauen, basiert dies nicht auf einer zuverlässigen Erkenntnisgrundlage.  Die Beschlussbegründung lässt zudem die Auseinandersetzung mit in die Gesamtbetrachtung einzubeziehenden wesentlichen Gesichtspunkten vermissen.

15

Der Verurteilte wurde in Usbekistan geboren und wuchs dort auch bis zu seinem 16. Lebensjahr auf. Ein wesentlicher Teil seiner persönlichen Entwicklung wurde daher in einem sich von deutschen Verhältnissen unterscheidenden Kulturkreis geprägt. Dies kann Einfluss auf Fähigkeit des Verurteilten haben, sich auf eine bestimmte Therapie einzulassen bzw. sich in ausreichendem Maße hierfür emotional zu öffnen (vgl. Penka/Schouler-Ocak/Kluge, Bundesgesundheitsbl. 2012, 1168). Ob dieser Umstand bei der Annahme der Therapieunfähigkeit des Verurteilten bedacht und bei den unterschiedlichen therapeutischen Zugangsversuchen im bisherigen Behandlungsverlauf berücksichtigt wurde, lässt sich weder dem angefochtenen Beschluss, noch den ärztlichen Stellungnahmen der Maßregelvollzugseinrichtung entnehmen.

16

Bei der Beurteilung des Unterbringungsverlaufes ist auch von Bedeutung, dass der der Verurteilte sich seit dem 17. Oktober 2014 im Maßregelvollzugszentrum (MRVZN) in Bad Rehburg befand und der Behandlungsverlauf offenbar bis jedenfalls April 2015, also zumindest etwa 6 Monate positiv war. So hat das MRVZN in seiner Stellungnahme vom 5. Februar 2015 noch ausgeführt, dass während des bisherigen Aufenthaltes des Verurteilten „kein Suchtmittelgebrauch wie auch kein Missbrauch der ihm eingeräumten Freiräume bekannt geworden“ sei. Nach dem damaligen Behandlungsstand sei „von einer hinreichend konkreten Aussicht auf einen Behandlungserfolg auszugehen“. Der Beschwerdeführer habe zudem – wie sich der weiteren Stellungnahme des MRVZN vom 14. September 2015 entnehmen lässt – regelmäßig an sämtlichen ihm offerierten therapeutischen Angeboten teilgenommen. Ferner habe er den Posten des Hausreinigers ausgeübt und seit Anfang Dezember 2014 einen Hauptschulkurs besucht. Er hielt im Rahmen von ihm gewährten Tagesausgängen Kontakt zu seiner Familie und zu seiner Freundin. Suchtmittelrückfälle sind ausweislich des angefochtenen Beschlusses zu keinem Zeitpunkt festgestellt worden. Selbst während der Zeit des Entweichens haben sich keine Anhaltspunkte für den Konsum von Alkohol ergeben. Insoweit kann festgestellt werden, dass der Verurteilte mehrere Monate lang in der Lage war, abstinent zu leben und lediglich geringfügige Regelverstöße in Form von Treffen mit der Freundin während der Therapiezeiten auf dem Klinikparkplatz bekannt geworden sind, die für sich gesehen die Schlussfolgerung, der Zweck der Maßregel könne nicht mehr erreicht werden, sicherlich nicht rechtfertigen. Und so attestierte die Maßregeleinrichtung der Behandlung am 5. Februar 2015 eine hinreichend konkrete Erfolgsaussicht und hielt eine bedingte Entlassung des Verurteilten zu diesem Zeitpunkt für verfrüht. Die Strafvollstreckungskammer beschloss in der Folge am 17. April 2015 die Fortdauer der Unterbringung, wobei sie ebenfalls eine therapeutische Erfolgsaussicht bejahte und den bisherigen Therapieverlauf als positiv bewertete.

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Vor diesem Hintergrund ist es schlichtweg nicht nachvollziehbar, wenn das MRVZN in seiner Stellungnahme vom 14. September 2015 erstmals und in Abweichung von seinen bis dahin abgegebenen Erklärungen berichtet, weitergehende therapeutische Fortschritte wie ein interessierendes Problemverstehen oder das Herstellen einer tragfähigen Arbeitsbeziehung seien seit Oktober 2014 (!) auch in Ansätzen nicht erkennbar. Diese Einschätzung widerspricht nach dem Verständnis des Senates der des MRVZN aus Februar 2015, ohne dass dieser Widerspruch seitens der Maßregeleinrichtung aufgeklärt oder eine etwaige Änderung der Beurteilung verständlich erläutert wird. Auch die Strafvollstreckungskammer hat diesen Gesichtspunkt in ihrer Beschlussbegründung unbeleuchtet gelassen und sich desgleichen mit dem geschilderten mehrmonatigen positiven Behandlungsverlauf, von dem sie in ihrem Beschluss vom 17. April 2015 selbst noch ausgegangen ist, im Rahmen der gebotenen Gesamtschau nicht auseinandergesetzt. Dies wäre angesichts des Umstandes, dass sogar im angefochtenen Beschluss noch davon die Rede ist, dass sich der Verurteilte – wenn auch zögerlich – mit seinem bisherigen Suchtverlauf therapeutisch auseinandergesetzt hat, zwingend erforderlich gewesen.

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Das Entweichen des Verurteilten im Juni 2015 könnte, was ebenfalls noch nicht ausreichend aufgeklärt erscheint, einer vorübergehenden Krise geschuldet sein. In diesem Fall wäre auch dies kein ausreichender Grund für eine Erledigungserklärung (vgl. Rissing-van Saan/Peglau, StGB, 12. Auflage, Band 3, § 67d, Rn. 31). Für eine nur vorübergehende Krise könnte sprechen, dass das Entweichen nach der Darstellung des Verurteilten, für deren Richtigkeit die vom Verteidiger im Rahmen des Beschwerdeverfahrens überreichte medizinische Bescheinigung des Medizinischen Zentrums in Elena (Bulgarien) vom 9. September 2015 spricht, von der nachvollziehbaren Sorge um seine Freundin, die gerade eine Fehlgeburt erlitten hatte, getragen war. Im Übrigen könnte dieser Vorfall ein Indiz dafür sein, dass der Verurteilte doch zu der ihm abgesprochenen emotionalen Kontaktaufnahme im Stande ist.

19

Darüber hinaus ist anzumerken, dass über das Verhalten des Verurteilten im (Vorweg-)Vollzug der Strafhaft, insbesondere sein Suchtverhalten, keine Erkenntnisse vorliegen, weil die zuständige Strafvollstreckungskammer vor der Verlegung des Verurteilten in den Maßregelvollzug keine Entscheidung nach § 67c Abs. 1 StGB dahingehend getroffen hat, ob der Zweck der Maßregel die Unterbringung noch erfordert und daher auch keine Stellungnahme der Justizvollzuganstalt über den Verlauf der Strafhaft vorliegt.

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Schließlich verweist die Maßregeleinrichtung zur Begründung der Unfähigkeit der emotionalen Kontaktaufnahme des Beschwerdeführers auch auf dessen nicht immer situationsangemessenes Verhalten, ohne auch nur im Ansatz darzustellen, worin dieses bestanden haben soll. In diesem für die Beurteilung der Erfolgsaussicht relevanten Punkt besteht mithin ebenfalls noch Aufklärungsbedarf.

21

Da es somit der weiteren Aufklärung bedarf, ob (noch) eine hinreichend konkrete Aussicht auf das Erreichen des Maßregelzwecks besteht und gegebenenfalls unter welchen Umständen, war die Sache an die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Göttingen mit Sitz bei dem Amtsgericht Nienburg zurückzuverweisen.

III.

22

Im Hinblick darauf, dass der Erfolg der sofortigen Beschwerde nur ein vorläufiger ist, war die Entscheidung über die Kosten der sofortigen Beschwerde der Strafvollstreckungskammer vorzubehalten.

 


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