Beschluss vom Oberlandesgericht Düsseldorf - VII-Verg 15/13
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der 1. Vergabekammer des Bundes vom 10. Mai 2013 (VK 1 - 27/13) wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Antragstellerin auferlegt.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf bis zu 155.000 Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2A.
3Die Antragsgegnerin, eine Sektorenauftraggeberin, schrieb mit Bekanntmachung vom 28. Dezember 2012 unionsweit im offenen Verfahren die Gleis- und Weichenerneuerung auf der Bahnstrecke 3450 Hinterweidenthal - Münchweiler aus. Der Zuschlag soll auf das wirtschaftlichste Angebot erteilt werden. Zuschlagskriterien sind der Preis (Gewichtung 80 %) sowie die Qualitätskriterien Terminplanung und Eigenfertigungstiefe (gewichtet mit je 10 %). Unter anderem reichten die Antragstellerin und die Beigeladene fristgerecht Angebote ein. Nach der Nachforderung von Unterlagen und Aufklärungsgesprächen zum Angebotsinhalt schloss die Antragsgegnerin das Angebot der Antragstellerin von der Wertung aus, weil sie den geplanten Bauablauf als undurchführbar ansah. Sie beabsichtigt, der Beigeladenen den Zuschlag zu erteilen. Dies teilte sie der Antragstellerin mit Schreiben vom 28. März 2013 mit. Nach diesbezüglicher Rüge vom 2. April 2013, der die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 4. April 2013 nicht abhalf, reichte die Antragstellerin am 8. April 2013 Nachprüfungsantrag ein mit dem Ziel einer Wiederholung der Wertung. Im Nachprüfungsverfahren machte die Antragsgegnerin weitere Ausschlussgründe geltend, unter anderem die Unvollständigkeit des Angebots hinsichtlich der gemäß Anlage 4.1 geforderten Angaben und eine Abweichung von den Vergabeunterlagen im Hinblick auf den dort nicht vorgesehenen Umbau des Bahnübergangs Bܠ501. Die Vergabekammer hat aufgrund dieser Ausschlussgründe den Nachprüfungsantrag als unbegründet zurückgewiesen, die Frage der Durchführbarkeit des Angebots der Antragstellerin hingegen offen gelassen. Nach einem Telefonat mit einem Mitarbeiter der Antragsgegnerin am 14. Mai 2013 hat die Antragstellerin mit Schreiben vom 16. Mai 2013 weitere Rügen erhoben. Wie sie in dem Gespräch erfahren habe, gebe es für die Durchführung des Auftrags relevante Umstände, die aus den Vergabeunterlagen nicht ersichtlich gewesen seien (u.a. fehlende Abstellmöglichkeiten im Bahnhof Landau und ein abgestellter Museumsbahnzug im Bahnhof Münchweiler). Des Weiteren seien die Angebote aller übrigen Bieter auszuschließen, weil die im Leistungsverzeichnis vorgegebene maximale Zuglänge von 200 m beim Materialtransport überschritten werde.
4Gegen den Beschluss der Vergabekammer hat die Antragstellerin Beschwerde eingelegt, verbunden mit einem Antrag nach § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB. Sie wiederholt und vertieft ihr Rügevorbringen und tritt den geltend gemachten Ausschlussgründen entgegen.
5Die Antragstellerin beantragt,
6den Beschluss der Vergabekammer abzuändern und der Antragsgegnerin aufzugeben, den Zuschlag nicht wie beabsichtigt zu erteilen, sondern die Wertung der Angebote unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Vergabesenats zu wiederholen,
7hilfsweise, der Antragsgegnerin zu untersagen, auf Grundlage der vorliegenden Leistungsbeschreibung einen Zuschlag zu erteilen.
8Die Antragsgegnerin beantragt,
9die Beschwerde zurückzuweisen.
10Sie bestreitet die Antragsbefugnis der Antragstellerin, weil ihr Angebot bei hypothetischer Wertung nicht den ersten Rang einnehme. Zudem habe die Antragstellerin ihre Rügeobliegenheit verletzt, da die fehlende Durchführbarkeit schon Gegenstand des Aufklärungsgesprächs vom 19. März 2013 gewesen sei. Das Angebot der Antragstellerin sei wegen fehlender Durchführbarkeit, Unvollständigkeit bezüglich der Angaben zu Anlage 4.1 sowie wegen Abweichung von den Vergabeunterlagen betreffend den Bahnübergang BÜ 501 zwingend auszuschließen. Auf die angeblichen Äußerungen eines Mitarbeiters im Telefonat vom 14. Mai 2013 komme es nicht an; maßgeblich seien die Vorgaben in den Vergabeunterlagen.
11Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Akten der Vergabekammer, die Vergabeakten und die Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen verwiesen. Die Beigeladene hat sich am Nachprüfungsverfahren nicht beteiligt.
12B.
13Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat keinen Erfolg, weil ihr Angebot auszuschließen ist und eine Rückversetzung des Vergabeverfahrens - die ihr eine zweite Chance zur Abgabe eines zuschlagsfähigen Angebots gäbe - nicht geboten ist.
14I. Allerdings ist der Nachprüfungsantrag zulässig.
151. Die Antragstellerin ist antragsbefugt, § 107 Abs. 2 GWB. Sie hat sich mit einem Angebot am Vergabeverfahren beteiligt und hierdurch ihr Interesse am Auftrag dokumentiert. Weiter macht sie Vergaberechtsverstöße geltend, die, sofern sie gegeben sind, ihre Zuschlagschancen mindern und sie dadurch schädigen können. Der Einwand der Antragsgegnerin, das Angebot der Antragstellerin würde, wäre es zur Wertung zugelassen worden, nicht den ersten Rang belegen und hätte damit ohnehin keine Zuschlagschance, steht dem nicht entgegen. An die Darlegung eines entstandenen oder drohenden Schadens, insbesondere die Möglichkeit, den Zuschlag zu erlangen, sind keine hohen Anforderungen zu stellen. Es genügt, wenn ein Schaden nicht offensichtlich ausgeschlossen ist. Wie der Senat unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschl. v. 29.07.2004, 2 BvR 2248/03) und des Bundesgerichtshofs (Beschl. v. 10.11.2009, X ZB 8/09) bereits mehrfach entschieden hat, erfüllt die Antragsbefugnis die Funktion eines groben Filters, dem lediglich die Aufgabe zukommt, von vornherein eindeutige Fälle, in denen eine Auftragserteilung an den Antragsteller aussichtslos ist, auszusondern (Senat, Beschl. v. 01.10.2012, VII-Verg 34/12; Beschl. v. 29.02.2012, VII-Verg 75/11; Beschl. v. 04.02.2013, Verg 31/12). Dazu zählt der Streitfall bereits deshalb nicht, weil im Fall einer Rückversetzung des Vergabeverfahrens die Antragstellerin Gelegenheit hätte, ein überarbeitetes Angebot einzureichen.
162. Der Nachprüfungsantrag ist nicht gemäß § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB unzulässig. Die Antragstellerin hat die erkannten Vergaberechtsverstöße jeweils unverzüglich gerügt, so dass die Frage, ob nach den Urteilen des EuGH vom 28. Januar 2010 (C-406/08 und C-456/08) auf das Merkmal der Unverzüglichkeit der Rüge abgestellt werden darf, im Streitfall keiner Entscheidung bedarf.
17Auf Mitteilung der Antragsgegnerin mit Schreiben vom 28. März 2012 (Gründonnerstag), dass das Angebot der Antragstellerin ausgeschlossen werde und der Beigeladenen der Zuschlag erteilt werden solle, hat die Antragstellerin mit Schreiben vom 2. April 2013 (am ersten Arbeitstag nach den Osterfeiertagen) eine diesbezügliche Rüge erhoben. Unerheblich ist, dass der Ausschlussgrund bereits Gegenstand des Aufklärungsgesprächs am 19. März 2013 war. Zu rügen sind nicht einzelne Ausschlussgründe, sondern Verstöße gegen Vergabevorschriften, mithin ein Verhalten des Auftraggebers. Ein solches liegt erst im am 27. März 2013 in den Vergabeunterlagen dokumentierten und am 28. März 2013 der Antragstellerin mitgeteilten Angebotsausschluss.
18Auch die vorsorglich (zum Meinungsstand zur Erforderlichkeit einer Rüge nach Einleitung des Nachprüfungsverfahrens vgl. Byok in Byok/Jaeger, Kommentar zum Vergaberecht, 3. Auflage, § 107 GWB Rn. 108 m.w.N.) am 16. Mai 2013 erhobenen Rügen - betreffend Mängel der Vergabeunterlagen hinsichtlich Rahmenbedingungen der Auftragsdurchführung, die nicht aus den Vergabeunterlagen ersichtlich waren, und den unterlassenen Ausschluss aller anderen Angebote wegen Abweichung von den Vergabeunterlagen bezüglich der in der Leistungsbeschreibung festgeschriebenen maximalen Zuglänge von 200 m - sind unverzüglich erhoben worden, nämlich zwei Tage nach dem Telefonat vom 14. Mai 2013, durch das die Antragstellerin nach ihrem Sachvortrag von den vorgenannten Umständen Kenntnis erlangt hat.
19Dafür, dass eine Unvollständigkeit der Leistungsbeschreibung aus den Vergabeunterlagen erkennbar gewesen wäre und damit eine Rügeobliegenheit gemäß § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB bestanden hätte, ist nichts ersichtlich.
20II. Der Nachprüfungsantrag ist nicht begründet.
211. Das Angebot der Antragstellerin ist von der Wertung auszuschließen.
22a) Der Angebotsausschluss war allerdings nicht wegen fehlender Durchführbarkeit des Angebots gerechtfertigt. Die umfangreiche Erörterung der Möglichkeiten zur logistischen Andienung der Baustelle in der mündlichen Verhandlung - insbesondere unter Berücksichtigung des zwischenzeitlich von der Antragstellerin gefertigten detaillierten Ablaufplans - hat die von der Antragsgegnerin vorgebrachten Bedenken hinsichtlich der Materialzuführung über Landau und Zweibrücken und der Überschreitung der maximalen Zuglänge von 200 m nicht bestätigt, vielmehr aufgezeigt, dass die Verfahrensbeteiligten insoweit von unterschiedlichen Abläufen ausgegangen sind.
23b) Ein Ausschluss ist auch nicht wegen Verstoßes gegen die Anforderung im Leistungsverzeichnis, dass der Bahnübergang BÜ 501 „liegen bleiben“ soll, gerechtfertigt. Es lässt sich nicht feststellen, dass die von der Antragstellerin vorgesehenen Maßnahmen gegen diese Vorgabe verstoßen. Das von der Vergabekammer wegen Verletzung der Mitwirkungspflicht nach §§ 113 Abs. 2 GWB als verspätetet zurückgewiesene Vorbringen der Antragstellerin, sie wolle den Bahnübergang nicht um- bzw. aus- und einbauen, sondern lediglich die lose verlegten seitlichen Strail-Platten vorübergehend entfernen, ist im Beschwerdeverfahren zu berücksichtigen. Es wird, wie die Erörterung ergeben hat, durch den Kalkulationsbauzeitenplan der Antragstellerin bestätigt, anhand dessen ersichtlich ist, dass - anders als bei dem Bahnübergang BÜ 501 - ein Umbau in ihrem Angebot gerade nicht vorgesehen ist.
24Die mit dem Ausbau der Strail-Platten verbundene achttägige Sperrung des Bahnübergangs rechtfertigt keinen Angebotsausschluss. Nach dem Leistungsverzeichnis sollten „BÜ Sperrungen während der Bauarbeiten“ „frei“ bleiben, mithin gerade nicht ausgeschlossen sein.
25c) Das Angebot der Antragstellerin ist jedoch zwingend von der Wertung auszuschließen, weil die Antragstellerin die von der Antragsgegnerin geforderten Erläuterungen zur Anlage 4.1 nicht fristgerecht eingereicht hat.
26aa) Nicht zu beanstanden ist allerdings, dass die Antragstellerin nicht das von der Antragsgegnerin den Vergabeunterlagen beigefügte Kalkulations-schlussblatt ausgefüllt, sondern ein älteres, im Wesentlichen gleich lautendes Formblatt als Anlage 4.1 zum Angebot eingereicht hat. Hierbei handelt es sich nicht um eine Eigenfertigung der Antragstellerin, deren Prüfung der Antragsgegnerin aufgrund des hiermit verbundenen zeitlichen Mehraufwands unzumutbar sein könnte, sondern um ein von der Antragsgegnerin selbst in früheren Ausschreibungen verwendetes Formblatt, das ein elektronisches Ausfüllen mit der von Bietern hierfür verwendeten Spezialsoftware zulässt.
27bb) Das Angebot war jedoch unvollständig, weil die gemäß Fußnote 3 zur Spalte „UGK“ des Kalkulationsschlussblatts (Anlage 4.1 zum Angebot) geforderte gesonderte Erläuterung der Zusammensetzung der „UKG“ fehlte, die erforderlich war, weil diese in Summe 12 % überschreiten.
28(1) Entgegen der Auffassung der Antragstellerin war die Erläuterung wirksam gefordert. Nach dem den Vergabeunterlagen beiliegenden „Inhaltsverzeichnis Vergabeunterlagen“ war das Kalkulationsschlussblatt als Anlage 4.1 zum Angebot „als Rücklaufexemplar 1-fach beizulegen“. Die Lesbarkeit des Formulars ist nicht zu beanstanden. Die inhaltlichen Anforderungen an die Erläuterung der UGK sind auch keineswegs widersprüchlich oder unklar:
29Im Kalkulationsschlussblatt waren unter anderem Angaben zu „UGK“ gefordert, die sich aus „Zuschlagssatz für AGK“, „Zuschlagssatz für Wagnis“ und „Zuschlagssatz für Gewinn“ zusammensetzen. Gemäß Fußnote 3 zu den „UGK“ war „soweit die UGK 12 % überschreiten“ „mit Anlage 4.1 eine gesonderte Zusammensetzung abzugeben“. Hinsichtlich der Unterpunkte „Zuschlagssatz für AGK“, „Zuschlagssatz für Wagnis“ und „Zuschlagssatz für Gewinn“
30erforderte Fußnote 4: „Falls nicht (komplett) umsatzbezogen kalkuliert, ist der Betrag vom Bieter aufzugliedern und hinsichtlich der Kosteneigenschaften zu erläutern.“ Für die Bieter war damit mit hinreichender Deutlichkeit erkennbar, dass eine gesonderte Erläuterung gefordert ist, wenn (gemäß Fußnote 3) die UGK in Summe 12 % überschreiten, des Weiteren, wenn (so Fußnote 4) - und insoweit unabhängig von einem Überschreiten der 12-Prozent-Grenze nach Fußnote 3 - die Zuschlagssätze für AGK, Wagnis oder Gewinn nicht komplett umsatzbezogen kalkuliert sind. Das Argument der Antragstellerin, eine Aufgliederung sei entbehrlich gewesen, weil sie bereits durch das Eintragen der Zuschlagssätze für AGK, Wagnis und Gewinn in das Kalkulationsschlussblatt selbst erfolgt sei (wodurch die Anforderung der Fußnote 3 erfüllt werde), auch treffe der Fall der Fußnote 4 nicht zu, da die Zuschlagssätze komplett umsatzbezogen kalkuliert seien, überzeugt nicht. Nach Fußnote 3 war eine gesonderte Erläuterung der Zusammensetzung der UGK abzugeben, die eine Aufgliederung der AGK beinhaltet. Dies hat die Antragstellerin auch so verstanden, wie die von ihr auf den 7. März 2013 datierte, allerdings verspätet vorgelegte Aufstellung zeigt.
31(2) Keiner Entscheidung bedarf, ob die Antragsgegnerin die fehlende Erläuterung gemäß § 19 Abs. 3 SektVO nachfordern durfte oder hieran durch Ziff. 7.2 i.V.m. Ziff. 6.2 der den Vergabeunterlagen beigefügten „Bewerbungsbedingungen Bauleistungen“ gehindert war, wonach eine Nachforderung von Nachweisen und Erklärungen betreffend die im Inhaltsverzeichnis der Vergabeunterlagen als Rücklaufexemplar angekreuzten Anlagen 4.1 ff. ausgeschlossen sein sollte.
32Dem Sektorenauftraggeber kommt nach § 19 Abs. 3 SektVO ein Ermessen dahingehend zu, ob er Erklärungen und Nachweise, die auf seine Anforderung bis zum Ablauf der Frist für den Eingang der Angebote nicht von den Unternehmen vorgelegt wurden, bis zum Ablauf einer von ihm zu bestimmenden Nachfrist anfordert. Ob er sein Ermessen vorab in der Weise ausüben kann, dass er die Möglichkeit einer Nachforderung bereits in den Vergabeunterlagen ausschließt, erscheint zweifelhaft, da der Auftraggeber verpflichtet ist, das ihm rechtlich eingeräumte Ermessen in Kenntnis des vollständigen Sachverhalts und aller Umstände pflichtgemäß auszuüben auf der Grundlage der eingereichten Angebote (vgl. hierzu Senat, Beschl. v. 28.11.2012, VII-Verg 8/12; anders 1. VK Bund, Beschl. v. 08.07.2011, VK 1 - 75/11). Im Streitfall ist den Vergabeakten nicht zu entnehmen, ob und mit welchem Inhalt eine Ermessensausübung der Antragsgegnerin stattgefunden hat.
33(3) Jedenfalls hat die Antragstellerin die ihr mit E-Mail der Antragsgegnerin vom 6. März 2013 eröffnete Möglichkeit, die fehlenden Angaben bis zum 11. März 2013 nachzureichen, ungenutzt verstreichen lassen. Ihr Angebot ist daher zwingend von der Wertung auszuschließen.
34Zwar ist keiner der in § 21 SektVO geregelten Ausschlussgründe erfüllt. Auch im Geltungsbereich der Sektorenverordnung sind Angebote jedoch auszuschließen, wenn sie die Vorgaben der Vergabeunterlagen nicht erfüllen bzw. unvollständig sind (vgl. OLG München, Beschl. v. 29.09.2009, Verg 12/09 m.w.N. zur VOB/A SKR).
35Der Umstand, dass die Antragsgegnerin die fehlenden Angaben mit E-Mail vom 13. März 2013 nochmals - diesmal erfolgreich - nachgefordert und demgemäß den Ausschluss des Angebots der Antragstellerin im Vergabevermerk vom 27. März 2013 nicht auf die Unvollständigkeit des Angebots gestützt, vielmehr zunächst alle Angebote als formell ordnungsgemäß angesehen hat, muss außer Betracht bleiben. Insoweit kann auf sich beruhen, dass das Vorbringen der Antragsgegnerin vor der Vergabekammer, bei der Angebotsprüfung näher bezeichnete formelle Mängel am Angebot der Antragstellerin festgestellt zu haben (darunter die fehlenden Angaben zur Zusammensetzung der „UGK“), in den Vergabeakten keinen Niederschlag gefunden hat.
36Gemäß § 19 Abs. 3 SektVO können Erklärungen und Nachweise, die auf Aufforderung des Auftraggebers bis zum Ablauf der Frist für den Eingang der Teilnahmeanträge oder Angebote nicht von den Unternehmen vorgelegt wurden, bis zum Ablauf einer vom Auftraggeber zu bestimmenden Nachfrist angefordert werden. Wird diese Frist versäumt, ist ein nochmaliges Nachfordern unter Setzen einer Nachfrist unzulässig, wenn hierdurch - wie im Streitfall - einzelne Bieter gegenüber anderen bevorzugt werden. Zwar enthält die Sektorenverordnung anders als andere Vergabeordnungen (vgl. § 16 Abs. 1 Nr. 3 Satz 4 EG VOB/A, § 22 Abs. 6 Satz 2 VSVgV, § 19 Abs. 2, 3 EG VOL/A) keine Regelung über den zwingenden Ausschluss des Angebots, wenn Erklärungen oder Nachweise nicht innerhalb der vorgesehenen Frist vorgelegt werden. Auch ist nach ständiger Rechtsprechung wegen der Besonderheiten auf dem Gebiet der Sektoren eine großzügige Handhabung geboten und den Sektorenauftraggebern ein möglichst großer Entscheidungsspielraum einzuräumen. Die grundlegenden Prinzipien des Vergaberechts wie das Transparenz- und Gleichbehandlungsgebot sowie der Wettbewerbsgrundsatz sind gleichwohl einzuhalten und stehen nicht zur Disposition des öffentlichen Auftraggebers. Ihm ist daher grundsätzlich nicht gestattet, einzelne Bieter zur nochmaligen Vervollständigung ihres Angebotes aufzufordern. Anderenfalls stünde es in seinem Belieben, welche Angebote in die Wertung kommen oder nicht (vgl. auch OLG München, a.a.O., zur erstmaligen Nachforderung nach der VOB/A SKR).
37Besondere Umstände, die eine andere Beurteilung rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich. Insbesondere war die gesetzte Frist nicht zu knapp bemessen, was sich auch daran zeigt, dass die Antragstellerin die geforderte Aufstellung bereits zum 7. März 2013 gefertigt, allerdings verspätet eingereicht hat. Im Hinblick darauf, dass die Erläuterung der „UGK“ bereits mit den Angebot hätte vorgelegt werden müssen, durfte die Antragstellerin die als höfliche Bitte formulierte Aufforderung der Antragsgegnerin, die Angaben bis zum 11. März 2013 einzureichen, auch nicht als unverbindlich ansehen.
382. Eine Rückversetzung des Vergabeverfahrens mit der Folge, dass die Antragstellerin eine zweite Chance zur Abgabe eines zuschlagsfähigen Angebots erhielte, ist nicht geboten. Die der Entscheidung nach § 118 GWB zu Grunde liegende Vermutung des Senats, die Vergabeunterlagen könnten hinsichtlich maßgeblicher Rahmenbedingungen der Auftragsdurchführung unvollständig sein, so dass das Vergabeverfahren in den Stand vor Übersendung vergaberechtskonformer Vergabeunterlagen zurückzuversetzen wäre, hat sich nicht bestätigt.
39Allerdings hat die Antragsgegnerin im Vergabeverfahren, insbesondere in der Korrespondenz mit der Antragstellerin im Nachgang zur Übersendung des Protokolls zur Angebotsaufklärung vom 19. März 2013 die Auffassung vertreten, die „für die Erstellung des Ablaufplanes verbundene Erkundung der betrieblichen Besonderheiten“ sei Sache des Auftragnehmers. Diese Rechtsauffassung ist unzutreffend. § 7 Abs. 1 SektVO gebietet, die Leistung so eindeutig und erschöpfend zu beschreiben, dass alle Bewerber die Beschreibung im gleichen Sinne verstehen müssen und miteinander vergleichbare Angebote zu erwarten sind. In Bezug auf die Angebotskalkulation muss die Beschreibung den Bietern ermöglichen, ihre Angebotspreise möglichst sicher zu kalkulieren. Sie muss daher die für die Kalkulation notwendigen Informationen enthalten. Umfangreiche Vorarbeiten und Recherchen, die eine Angebotskalkulation erst ermöglichen, darf die Ausschreibung dem Bieter nicht abverlangen (Senat, Beschl. v. 12.10.2011, VII-Verg 46/11 zu § 8 EG VOL/A). Entsprechendes hat für die Rahmenbedingungen der Auftragsdurchführung zu gelten. Im Anwendungsbereich der VOB/A ist eine Leistungsbeschreibung eindeutig, wenn sie Art und Umfang der geforderten Leistung mit allen dafür maßgebenden Bedingungen, z.B. hinsichtlich Qualität, Beanspruchungsgrad, technischer und bauphysikalischer Bedingungen, zu erwartende Erschwernisse, besondere Bedingungen der Ausführung und etwa notwendige Regelungen zur Ermittlung des Leistungsumfangs zweifelsfrei erkennen lässt (Ziekow in Ziekow/Völlink, Vergaberecht, § 7 VOB/A Rn. 8 unter Bezugnahme auf Ziff. 4.2.1.1 des Vergabehandbuchs für die Durchführung von Bauaufgaben des Bundes im Zuständigkeitsbereich der Finanzbauverwaltungen - VHB - 2008). Dies setzt voraus, dass nicht nur die bauliche Anlage exakt beschrieben wird, sondern - soweit möglich - auch die für die Ausführung maßgeblichen Umstände. Der Grundsatz, dass die Vergabeunterlagen eindeutig und erschöpfend zu gestalten sind, findet seine Grenze im Prinzip der Verhältnismäßigkeit. So ist beispielsweise nicht erforderlich, auf solche technischen Details einzugehen, die für den bauerfahrenen Fachmann als Adressaten der Leistungsbeschreibung selbstverständlich sind.
40Die vorgenannten Grundsätze sind, obgleich eine § 7 Abs. 1 Nr. 6 VOB/A entsprechende Regelung über die Beschreibung der für die Ausführung der Leistung wesentlichen Verhältnisse der Baustelle fehlt und der Wortlaut des § 7 SektVO anders als § 7 Abs. 1 VOB/A auch nicht erfordert, dass Preise sicher und ohne umfangreiche Vorarbeiten berechnet werden können, in ihrem Kern auch im Anwendungsbereich der Sektorenverordnung zu beachten. Auch hier erfordert das in allen Vergabeordnungen zum Ausdruck kommende Gebot der Transparenz (§ 97 Abs. 1 GWB), dass der Auftraggeber im Rahmen des ihm Möglichen und Zumutbaren die Bieter in den Vergabeunterlagen über alle für die Auftragsdurchführung wichtigen Umstände informiert. Ist, wie im Streitfall, vom Bieter ein Bauablaufplan zu erstellen, der auch die Logistik der Materialzufuhr erkennen lässt, sind ihm etwaige Hindernisse auf den in Frage kommenden Zufahrtsstrecken mitzuteilen.
41Mit Rüge vom 16. Mai 2013 hat die Antragstellerin geltend gemacht, von einem Mitarbeiter der Antragsgegnerin am 14. Mai 2013 erfahren zu haben, dass die Antragsgegnerin ihr Angebot aufgrund von Umständen für undurchführbar halte, die den Vergabeunterlagen nicht entnehmbar waren, nämlich weil der Bahnhof Landau durch zwischenzeitlich erfolgte Umbauarbeiten keine hinreichenden Abstellmöglichkeiten mehr aufweise und auf dem zwischen Landau und der Baustelle gelegenen Bahnhof Münchweiler sei ein Museumsbahnzug abgestellt sei. Diese Umstände stehen, wie die Erörterung vor dem Senat ergeben hat, der Durchführbarkeit des Angebots der Antragstellerin jedoch nicht entgegen. Auch im Übrigen lässt sich eine Unvollständigkeit der Vergabeunterlagen hinsichtlich maßgeblicher Rahmenbedingungen der Auftragsdurchführung nicht feststellen.
423. Die Antragstellerin erhält auch keine zweite Chance auf Abgabe eines zuschlagsfähigen Angebots, weil die Angebote aller übrigen Bieter ebenfalls auszuschließen wären. Ihre aufgrund des Telefonats vom 14. Mai 2013 geäußerte Vermutung, „alle anderen Bieter“ hätten „erkannt und kalkuliert, dass auf der Strecke nach Kaiserslautern jeweils abends eine Fahrt mit Zuglängen über 200 m möglich sei“ und wichen damit von den zwingenden Vorgaben der Leistungsbeschreibung ab, hat sich nicht bestätigt. Die den Angeboten der Bieter beiliegenden Kalkulationsbauzeitenpläne enthalten keine Angaben über die Länge der Züge, die zur Materialzu- und -abfuhr eingesetzt werden sollen. Auch die Erörterung in der mündlichen Verhandlung hat keine Anhaltspunkte dafür erbracht, dass die Angebote der übrigen Bieter unter Missachtung der Längenbegrenzung der Züge auf 200 m kalkuliert worden wären.
43III. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 120 Abs. 2, 78 GWB.
44Die Festsetzung des Streitwerts erfolgt gemäß § 50 Abs. 2 GKG.
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