Beschluss vom Oberlandesgericht Düsseldorf - VI-2 Kart 4/13 (V)
Tenor
Der Antrag der Beteiligten zu 3) auf Gewährung von Einsicht in die Verfahrensakten vom 08.07.2013 wird zurückgewiesen.
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G r ü n d e:
2Der Antrag der Beteiligten zu 3) auf Gewährung von Einsicht in die Verfahrensakten ist unbegründet. Sie hat weder einen Anspruch auf Akteneinsicht aus §§ 72 Abs. 1 Satz 1, 67 Abs. 1 Nr. 3 GWB noch ist ihr Einsicht in die Verfahrensakten unter Berücksichtigung der Interessen der am Verfahren Beteiligten nach § 72 Abs. 3 GWB zu gewähren.
31. Der Antrag der Beteiligten zu 3) auf Gewährung von Akteneinsicht ist zulässig. Sie ist antragsbefugt, auch wenn der Beschwerdegegner über ihren Antrag auf Beiladung gemäß § 54 Abs. 2 Nr. 3 GWB mit Schreiben vom 18.01.2013 nicht entschieden hat. Behandelt die Kartellbehörde einen Dritten als Verfahrensbeteiligten, obwohl er weder Beteiligter im Sinne von § 54 Abs. 2 Nr. 1, 2 oder 4 GWB ist noch auf seinen Antrag gemäß § 54 Abs. 2 Nr. 3 GWB beigeladen wurde, liegt eine Verfahrensbeteiligung kraft faktischer Hinzuziehung vor. Diese gesetzlich nicht geregelte und von der Literatur entwickelte Beteiligungsform ist durch die Rechtsprechung anerkannt (KG Berlin, Beschl. v. 09.09.1983, Kart 19/81, WuW/E OLG 3137, 3138 f.; Loewenheim/Meessen Riesenkampff – Becker, Kartellrecht, 2. Aufl., § 54 Rnr. 22).
42. Die Beteiligte zu 3) hat keinen Anspruch auf Gewährung von Akteneinsicht. Da sie nicht Beschwerdeführerin ist, kommt ein Anspruch auf Akteneinsicht nach §§ 72 Abs. 1 Satz 1, 67 Abs. 1 Nr. 3 GWB grundsätzlich nur in Betracht, wenn die Voraussetzungen einer notwendigen Beiladung erfüllt sind. Dies ist jedoch nicht der Fall. Die notwendige Beiladung im kartellverwaltungsrechtlichen Verfahren ist gesetzlich nicht geregelt. Nach § 54 Abs. 2 Nr. 3 GWB steht eine Beiladung von Personen und Personenvereinigungen, deren Interessen durch die Entscheidung der Kartellbehörde erheblich berührt werden, vielmehr im pflichtgemäßen Ermessen der Kartellbehörde. Nur in bestimmten Fällen der Interessenberührung kommt eine Reduzierung des Ermessens auf Null und damit ein Anspruch auf Beiladung, also eine notwendige Beiladung in Betracht (Loewenheim/Meessen Riesenkampff – Becker, Kartellrecht, 2. Aufl., § 54 Rnr. 16; Bechtold, GWB, 6. Aufl., § 54 Rnr. 12). Um einen solchen Fall notwendiger Beiladung handelt es sich hier nicht. Zwar reicht für die in § 54 Abs. 2 Nr. 3 GWB erforderliche Interessenberührung grundsätzlich bereits eine nur mittelbare Berührung in wirtschaftlicher Hinsicht aus, so etwa bei dem Wunsch nach einer Beteiligung an einem Wettbewerb auf dem relevanten Markt (Loewenheim/Meessen/Riesenkampff – Becker, a.a.O., Rnr. 15). Ein Anspruch auf Beiladung erfordert darüber hinaus aber, dass der Gang des Kartellverwaltungsverfahrens für den Dritten rechtsgestaltende Wirkung haben kann (Loewenheim/Meessen/ Riesenkampff – Becker, a.a.O., Rnr. 16 mit w.N.; Bechtold, a.a.O.). Das ist hier nicht der Fall. Der Rechtskreis der Beigeladenen wird durch das Kartellverwaltungsverfahren nicht berührt. Ihr Interesse am Gang des Verfahrens ist auf wirtschaftliche Aspekte, nämlich die Chance auf einen Zuschlag in einem erneuten Konzessionsvergabeverfahren beschränkt.
53. Akteneinsicht ist der Beteiligten zu 3) auch nicht unter Berücksichtigung der zu beachtenden Interessen der Verfahrensbeteiligten nach § 72 Abs. 3 GWB zu gewähren. Gemäß § 72 Abs. 3 GWB liegt es im pflichtgemäßen Ermessen des Beschwerdegerichts, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang es dem beigeladenen Dritten Zugang zur Gerichtsakte und den anderen Unterlagen gestattet. Abzuwägen ist das Interesse der Beteiligten zu 3) an einer möglichst umfassenden Kenntnis des Sach- und Streitstoffs und das Interesse an einer Geheimhaltung der in Rede stehenden Tatsachen und Informationen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 12.01.2009, VII-Verg 67/08; Loewenheim/Meessen/Riesenkampff – Becker, a.a.O., § 72 Rnr. 14 m.w.N.; Byok-Jaeger-Byok, Kommentar zum Vergaberecht, § 11 GWB, Rnr. 8 m.w.N.).
6Die Bestandteile der Akten des Beschwerdegegners, zu denen neben der Verfahrensakte die Vergabeakte der Beschwerdeführerin zu 2) gehört und in die die Antragstellerin bisher keinen Einblick hat nehmen können, enthalten Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse. Sie enthalten die internen Vorstellungen der Beschwerdeführerin zu 2) über die von ihr beabsichtigte Rekommunalisierung von Versorgungsnetzen im Gemeindegebiet nebst Verträgen und Protokollen über im Rat geführte Diskussionen sowie das Angebot der Beschwerdeführerin zu 1), das ebenso wie der geschlossene Konzessionsvertrag Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse auch der Beschwerdeführerin zu 1) enthält. Des Weiteren enthalten die Akten eine ausführliche Dokumentation des durchgeführten Vergabeverfahrens. Durch die Kenntnisnahme weiterer Aktenbestandteile erhielte die Beteiligte zu 3) in einem weitgehenden Umfang Kenntnisse, die ihr im Falle eines erneut durchzuführenden Wettbewerbs Vorteile bringen würden, die mit dem Grundsatz eines fairen Wettbewerbs unvereinbar wären.
7Die Beteiligte zu 3) ist auf die Einsicht in die Verfahrensakten auch nicht angewiesen. Soweit ihr Inhalt für die zu treffende Entscheidung von Belang sein könnte, enthalten sie im Wesentlichen nicht mehr als das, was der Beteiligten zu 3) bereits bekannt ist; ihre Kenntnis ist für die Wahrung ihrer Rechte im Beschwerdeverfahren nicht notwendig.
8Unter diesen Umständen ist die Offenlegung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen der Beschwerdeführerinnen nicht geboten.
9Dicks Brackmann Barbian
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Referenzen
- GWB § 72 Akteneinsicht 4x
- GWB § 67 Beteiligte am Beschwerdeverfahren 1x
- § 11 GWB 1x (nicht zugeordnet)
- GWB § 54 Einleitung des Verfahrens, Beteiligte 5x