Urteil vom Oberlandesgericht Düsseldorf - I-1 U 160/13
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 20. September 2013 verkündete Urteil des Einzelrichters der 6. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens, einschließlich der durch die Nebenintervention der Beklagten zu 1. verursachten Kosten, fallen dem Kläger zur Last.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
2Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg.
3Das Landgericht hat mit sachlich richtigen Erwägungen die Klage abgewiesen. Das knappe Berufungsvorbringen rechtfertigt keine Abänderung der angefochtenen Entscheidung.
4Zu Recht hat das Landgericht die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass der Kläger wegen der mehreren Vorschadensfälle, von welchen sein Pkw Audi A 5 unstreitig betroffen ist, schon nicht schlüssig dargelegt hat, dass ihm infolge des Kollisionsereignisses vom 12. Februar 2011 – dessen Authentizität als realer Unfall einmal unterstellt – überhaupt ein ersatzfähiger Fahrzeugschaden entstanden ist. Sein Ersatzverlangen betrifft Fahrzeugbereiche, die mindestens schon einmal, teilweise sogar wiederholt, während seiner Besitzzeit von erheblichen Vorschadensereignissen betroffen sind, ohne dass er nachprüfbare Sachangaben zu durchgeführten Reparaturmaßnahmen macht.
5Den erforderlichen substantiierten Sachvortrag vermag der Kläger nicht dadurch zu ersetzen, dass er seine pauschale Behauptung hinsichtlich einer Beseitigung der Vorschäden durch Einholung eines Sachverständigengutachtens unter Beweis stellt. Die beantragte Sachaufklärung liefe auf die Erhebung eines unzulässigen Ausforschungsbeweises hinaus. Auch in der Berufungsinstanz fehlt es an einem konkreten Sachvortrag des Klägers, welcher eine geeignete Grundlage für eine sachverständige Einschätzung des Umfangs des ersatzfähigen Fahrzeugschadens bietet. Entgegen seinem Rechtsmittelvorbringen scheidet in Anbetracht der Vorschadensüberlagerungen auch die Ermittlung eines ersatzfähgen Teilschadens aus.
6Im Einzelnen ist Folgendes auszuführen:
7I.
8Gemäß § 529 Abs. 1 Ziffer 1 ZPO hat das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen zugrunde zu legen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Konkreter Anhaltspunkt in diesem Sinne ist jeder objektivierbare rechtliche oder tatsächliche Einwand gegen die erstinstanzlichen Feststellungen. Bloß subjektive Zweifel, lediglich abstrakte Erwägungen oder Vermutungen der Unrichtigkeit ohne greifbare Anhaltspunkte wollte der Gesetzgeber ausschließen (BGH NJW 2006, 152 mit Hinweis auf BGHZ 159, 254, 258).
9Derartige Zweifel sind in Bezug auf die Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil nicht gegeben. Entgegen dem Berufungsvorbringen des Klägers betrifft der klagegegenständliche Fahrzeugschaden Bereiche, welche mindestens einmal, teilweise sogar wiederholt, Gegenstände früherer Kollisionsbeeinträchtigungen waren. Der Kläger dringt insbesondere nicht mit seinem Einwand durch, der streitige Schaden sei in abgrenzbarer Weise im Wesentlichen auf der Beifahrerseite sowie mitten auf der Fahrbahnseite entstanden.
101 )
11Das den klagegegenständlichen Schadensfall betreffende Gutachten des Kfz-Sachverständigen XXX vom 7. März 2011 macht in der zeichnerischen Darstellung der Schadenszonen deutlich, dass der gesamte klagegegenständliche Fahrzeugschaden von 13.768,31 € netto den gesamten Vorderwagen des Pkw Audi A 5 betrifft (Bl. 9, 12 d.A.). Dementsprechend findet sich in der Auflistung der Ersatzteile u.a. der vordere rechte und linke Kotflügel, der Kühlergrill, beide vordere Radialreifen sowie die vorderen Scheibenräder aus Leichtmetall. Darüber hinaus sind in der Teile- und Reparaturwegbenennung auch der Austausch der linken Tür, der Radhausschale hinten links, des Radialreifens hinten links sowie des Leichtmetall-Scheibenrades hinten links erwähnt (Bl. 15-16 d.A.). Die Instandsetzungsbeschreibung bezieht sich sogar auf den Aus- und Einbau der Abdeckung für die Stoßfänger hinten, auf den Ein- und Ausbau der hinteren Einparkhilfe, auf die Ausbeulung des hinteren linken Seitenteils und die Instandsetzung der hinteren Stoßfängerabdeckung (Bl. 20-22 d.A.). Entgegen der zeichnerischen Darstellung des Sachverständigen hat die klagegegenständliche Reparaturkostenkalkulation somit die Beseitigung von Fahrzeugbeeinträchtigungen zum Gegenstand, die sich über den Vorderwagen hinaus über die linke Fahrzeugseite hinweg bis in den Heckbereich hinein erstrecken.
122 )
13Diese Fahrzeugzonen waren jedoch schon von früheren, teilweise wiederholten, Schadensereignissen betroffen.
14a )
15Fehl geht der Einwand des Klägers, das Vorschadensereignis vom 25. November 2008 habe, da es auf den Heckbereich des Wagens beschränkt gewesen sei, evident mit dem klagegegenständlichen Schaden nichts zu tun. Ausweislich des Gutachtens XXX vom 15. Dezember 2008 (Anlage R II zum Schriftsatz der Beklagten vom 10. Juli 2012) war seinerzeit die Radhausschale hinten links ebenso zur Erneuerung vorgesehen wie in dem klagegegenständlichen Gutachten XXX vom 7. März 2011 (S. 7). Gleiches gilt bezüglich der Arbeiten an der Abdeckung am hinteren Stoßfänger (S. 6).
16b )
17Der zweite Vorschadensfall vom 26. Februar 2009 hatte dem Vorbringen des Klägers zufolge u.a. die rechte Beifahrerseite zum Gegenstand (Bl. 155 d.A.). Nach dem Gutachten XXX vom 14. März 2009 war u.a. die Erneuerung des vorderen rechten Kotflügels sowie der vorderen rechten Radhausschale vorgesehen (S. 7). Damit liegt bezogen auf die klagegegenständliche Fahrzeugbeeinträchtigung ein Fall gänzlicher Schadensüberlagerung vor, denn nach dem Gutachten XXX vom 17. März 2011 ist wiederum der Austausch derselben Fahrzeugteile vorgesehen (S. 15). Die „Überlappung“ der Schadensbereiche räumt der Kläger in seiner Berufungsbegründung ein (Bl. 206 d.A.).
18c )
19Ein weiterer Fall der gänzlichen Schadensüberlagerung ergibt sich im Hinblick auf das dritte Vorunfallereignis vom 24. September 2009. Darüber verhält sich das Kfz-Schadensgutachten XXX vom 23. März 2010 (Anlage R VII). Darin war, wie die Auflistung der Ersatzteile erkennen lässt, u.a. die Erneuerung des vorderen linken Kotflügels, der vorderen linken Radhausschale, des Radialreifens vorne links sowie des Leichtmetall-Scheibenrades vorne links aufgeführt (S. 4). Darüber hinaus war schon damals der Aus- und Einbau der hinteren Stoßfängerabdeckung vorgesehen (S. 6). Dieselben Instandsetzungsmaßnahmen finden sich im Gutachten XXX vom 7. März 2011 (Bl. 15-16) einschließlich des Aus- und Einbaus der hinteren Stoßfängerabdeckung (Bl. 20 d.A.).
20II.
211 )
22Ist ein unfallgeschädigtes Fahrzeug von massiven Vorschäden – mit teilweise mehreren Schadensüberlagerungen – betroffen, muss der Kläger zu der erforderlichen hinreichend substantiierten Begründung seines Ersatzbegehrens im Einzelnen spezifiziert vortragen, welche Reparaturmaßnahmen in der Vergangenheit zur vollständigen und ordnungsgemäßen Beseitigung der Vorbeeinträchtigungen durchgeführt worden sind und ob eventuelle Reparaturmaßnahmen jeweils in Übereinstimmung mit den gutachterlichen Instandsetzungsvorgaben standen (Senat, Urteil vom 2. März 2010, Az.: I-1 U 111/09, Schaden-Praxis 2011, 114, Rdnr. 49 – zitiert nach juris). Bei unstreitigen Vorschäden im Anstoßbereich und bestrittener unfallbedingter Kausalität des geltend gemachten Schadens muss der Geschädigte im Einzelnen ausschließen, dass Schäden gleicher Art und gleichen Umfangs bereits zuvor vorhanden waren, wofür er konkret zu der Art der Vorschäden und deren behaupteter Reparatur vorzutragen hat; andernfalls kann die unfallbedingte Schadenshöhe grundsätzlich nicht nach § 287 ZPO geschätzt werden (KG NZV 2010, 579; KG DAR 2013, 46); der Geschädigte muss im Einzelnen ausschließen, dass Schäden gleicher Art und gleichen Umfangs bereits zuvor vorhanden waren (OLG Köln NZV 2013, 445).
232 )
24Diesen Substantiierungsanforderungen wird das Klagevorbringen in keiner Weise gerecht, wie die Beklagten bereits in ihrem erstinstanzlichen Schriftsatz vom 26. August 2013 unter Hinweis auf die einschlägige Senatsrechtsprechung geltend gemacht haben (Bl. 166, 167 d.A.). Dieselbe Thematik hatte bereits der Hinweisbeschluss des Landgerichts vom 14. Juni 2013 zum Gegenstand (Bl. 148 d.A.). Auch das Rechtsmittelvorbringen des Klägers schweigt sich über die Streitfrage aus, welche Reparaturmaßnahmen in der Vergangenheit zur vollständigen und ordnungsgemäßen Beseitigung der massiven Vorschäden durchgeführt worden sind und ob eventuelle Reparaturmaßnahmen jeweils in Übereinstimmung mit den gutachterlichen Instandsetzungsvorgaben standen. Die schriftsätzliche Behauptung des Klägers, er habe anlässlich seiner Anhörung glaubhaft dargelegt, dass die streitgegenständlichen Vorschäden anlässlich von Aufenthalten in XXX ordnungsgemäß repariert worden seien (Bl. 206 d.A.) ist im Hinblick auf seine pauschale Angabe in Termin vom 5. Oktober 2012, er habe „den Pkw zwischenzeitlich in XXX reparieren lassen“ (Bl. 89 d.A.), schlicht nichtssagend.
253 )
26Im Hinblick darauf, dass die unfallbetroffenen Fahrzeugbereiche, über die sich das Klagevorbringen verhält, zumindest einmal, teilweise sogar mehrfach, durch Vorbeeinträchtigungen in Mitleidenschaft gezogen worden waren, lässt sich auch unter Berücksichtigung der Darlegungs- und Beweismaßerleichterung des § 287 Abs. 1 ZPO kein abgrenzbarer Instandsetzungsbereich mit der Folge feststellen, dass der diesbezügliche Reparaturaufwand dem Kläger als Mindestschaden zu zuerkennen ist.
274 )
28Der Kläger dringt schließlich nicht mit seinem Einwand durch, entgegen der Annahme des Landgerichts sei ein qualifizierter Sachverständigen durchaus in der Lage festzustellen, ob der Vorschaden vom 26. Februar 2009 beseitigt bzw. hinreichend instandgesetzt worden sei. Ganz abgesehen davon, dass die Schadensüberlagerung nicht nur den Vorunfall vom 26. Februar 2009 betrifft, sondern insgesamt drei frühere Kollisionsereignisse, ist Folgendes zu berücksichtigen:
29a )
30Zwar folgt der erkennende Senat nicht der teilweise vertretenen Rechtsprechung, wonach dem Geschädigten im Falle der Existenz von Vorschäden auch für die mit dem Unfallereignis kompatiblen Fahrzeugbeeinträchtigungen kein Ersatz zu leisten sei, weil sich aufgrund der Vorschäden nicht ausschließen lasse, dass auch die grundsätzlich kompatiblen Beeinträchtigungen durch das frühere Ereignis verursacht worden seien (so OLG Köln NZV 1999, 378; OLG Frankfurt ZfS 2005, 69; KG Schaden-Praxis 2008, 21). Denn die entscheidende Frage ist nicht die der Ausschließbarkeit der Entstehung kompatibler Vorschäden durch ein früheres Ereignis. Damit wird die Beweismaßerleichterung des § 287 ZPO verkannt, wonach eine überwiegende Wahrscheinlichkeit genügt. Eine ursächliche Beteiligung des Fahrzeuges des Beklagten an den streitigen Beschädigungen muss danach nur deutlich wahrscheinlicher sein als das Gegenteil (ständige Rechtsprechung des Senats, Urteil vom 2. März 2010, Az.: I-1 U 111/09, Rdnr. 51 – zitiert nach juris – mit weiteren Rechtsprechungs- und Literaturnachweisen).
31b )
32Allerdings ist der Geschädigte auch im Rahmen der zu seinen Gunsten einschlägigen Darlegungs- und Beweismaßerleichterung des § 287 ZPO verpflichtet, geeignete Schätzgrundlagen, welche Anhaltspunkte für die Einschätzung des Schadens und seiner Höhe bieten, beizubringen und zu beweisen. Eine Schätzung ist unzulässig, wenn sie mangels greifbarer, vom Kläger vorzutragender Anhaltspunkte „völlig in der Luft hängen“ würde (BGH NJW 1984, 2216; BGH NJW 1987, 909, 910). Dies gilt insbesondere für die Darlegung und für den Nachweis, dass der geltend gemachte Schaden nach Art und Umfang insgesamt auf das behauptete Unfallereignis zurückzuführen ist. Fehlt es an einer ausreichenden Schätzungsgrundlage, und ist eine zuverlässige Ermittlung auch nur eines unfallbedingten Teilschadens – wie hier – wegen erheblicher Vorschäden nicht möglich, so hat diese Unsicherheit die vollständige Klageabweisung zur Folge (Senat a.a.O., Rdnr. 2 – zitiert nach juris). Ein Geschädigter kann selbst kompatible Schäden nicht ersetzt verlangen, wenn nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit (§ 287 ZPO) auszuschließen ist, dass sie bereits im Rahmen eines Vorschadens entstanden sind (Senat a.a.O., Rdnr. 52 – zitiert nach juris). Der erforderliche konkrete Sachvortrag wird nicht durch das Vorbringen des Klägers ersetzt, ein qualifizierter Sachverständiger sei in der Lage festzustellen, ob Vorschäden ordnungsgemäß beseitigt worden seien. Eine solche Tatsachenaufklärung liefe auf die Erhebung eines unzulässigen Ausforschungsbeweises hinaus.
33III.
34Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 101 Abs. 1 erster Halbsatz ZPO.
35Die Anordnung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hat ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
36Der Gegenstandswert für den Berufungsrechtszug beträgt 17.832,99 € (16.081,31 € + 1.751,68 €).
37Zur Zulassung der Revision besteht kein Anlass, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind.
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Referenzen
- ZPO § 97 Rechtsmittelkosten 1x
- ZPO § 101 Kosten einer Nebenintervention 1x
- ZPO § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung 1x
- ZPO § 713 Unterbleiben von Schuldnerschutzanordnungen 1x
- ZPO § 287 Schadensermittlung; Höhe der Forderung 5x
- ZPO § 543 Zulassungsrevision 1x
- 1 U 111/09 2x (nicht zugeordnet)