Beschluss vom Oberlandesgericht Düsseldorf - Kart 3/19 (V)
Tenor
I. Die Beschwerde der Beteiligten zu 1. gegen den Beschluss des Bundeskartellamts vom 11. Juli 2019 (B 4 – 21/19) wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligte zu 1. hat die gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. Ihr fallen darüber hinaus die dem Bundeskartellamt und der Beigeladenen zu 2. in der Beschwerdeinstanz entstandenen notwendigen Auslagen zur Last.
Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.
III. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
IV. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 30 Mio. Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e
2I.
3Mit dem Beschwerdeverfahren wendet sich die Beteiligte zu 1. gegen den Untersagungsbeschluss des Bundeskartellamtes vom 11. Juli 2019.
4Die Beteiligte zu 1. beabsichtigt, über ihre 100 %-ige Tochter, die S., im Wege des Anteilserwerbs nach § 37 Abs. 1 Nr. 2, Nr. 3 lit a) GWB von der Beteiligten zu 3. sämtliche Geschäftsanteile an der Beteiligten zu 2. zu erwerben.
5Die S.-Gruppe ist in der Entsorgungs- und Kreislaufwirtschaft tätig und erbringt Leistungen entlang der gesamten Verwertungskette von der Erfassung, Sortierung und Aufbereitung sowie der Verwertung und Vermarktung von Abfällen und Schadstoffen.
6Die Beteiligte zu 2. gehört der Beteiligten zu 3. und verfügt über mehrere Tochtergesellschaften. Den Schwerpunkt der operativen Tätigkeit erbringt die Tochtergesellschaft E., die als duales System gemäß § 6 Abs. 3 VerpackV (bis zum 31.12.2018) bzw. nach § 7 Abs. 1 VerpackG (seit dem 01.01.2019) zugelassen und tätig ist. Duale Systeme erbringen Dienstleistungen in Zusammenhang mit der den Herstellern und Inverkehrbringern von Verkaufsverpackungen gesetzlich auferlegten Verpflichtung zur Rücknahme und dem Recycling solcher Verpackungen. Hierzu melden die Inverkehrbringer die Verpackungen differenziert nach Materialart zur Lizensierung bei einem oder mehreren dualen Systemen an, wobei im Wesentlichen nach den drei großen Abfallfraktionen Leichtverpackungen (LVP), Hohl-/Behälterglas (nachfolgend: Hohlglas) und Pappe-Papier-Karton (PPK) unterschieden wird. Die Höhe der Lizenzentgelte richtet sich nach der Materialart und der jeweils lizensierten Menge und bestimmt sich vor allem nach dem Aufwand der jeweiligen Entsorgung. Die dualen Systeme ihrerseits organisieren hierzu die Erfassung (Sammlung), Sortierung und Aufbereitung der Verkaufsverpackungen und sind damit auf dem Markt als Nachfrager entsprechender Erfassungs-, Sortier- und Aufbereitungsleistungen tätig. Während die Erfassung von den dualen Systemen bundesweit zu gewährleisten ist und deshalb durch die Gemeinsame Stelle dualer Systeme gemeinschaftlich organisiert wird, vergeben die dualen Systeme die Sortierung und Aufbereitung individuell und stehen insoweit untereinander im Wettbewerb. Dabei kann die Vergabe der Sortier- und Aufbereitungsleistung im Rahmen von Dienstleistungsverträgen, bei denen die dualen Systeme die sortierten und aufbereiteten Stoffströme zur eigenen Weitervermarktung wieder übernehmen (Lohnsortierung/Lohnaufbereitung) oder in der Form von „All-inclusive-Verträgen“ erfolgen, bei denen die gesammelten Stoffmengen dem Sortierer oder Aufbereiter verkauft werden, der diese seinerseits weiter vermarktet oder verkauft.
7Um als duales System tätig werden zu können, bedarf es einer vorherigen Genehmigung durch alle zuständigen Landesbehörden. Zum Zeitpunkt des Erlasses der Untersagungsverfügung waren bundesweit insgesamt acht duale Systeme am Markt tätig.
8Eine Besonderheit des E. besteht darin, dass das Unternehmen Inhaber des Markenzeichens „Der Grüne Punkt“ ist. Dieses Markenzeichen hat seinen Ursprung in einer Kennzeichnungspflicht, die seit den 1990er Jahren in der Verpackungsverordnung verankert war und damals zum einen als Nachweis für eine korrekt lizensierte Verpackung und zum anderen als Orientierungshilfe bei der Sortierung von Müll für die Haushalte diente. Der Grüne Punkt war von dem damals noch einzigen dualen System E. entwickelt worden. Obwohl die gesetzliche Kennzeichnungspflicht 2009 aufgehoben wurde, versehen nach wie vor viele Inverkehrbringer ihre Verpackungen mit diesem Bildzeichen, auch wenn die Lizensierung der Verpackungen nicht über E. erfolgt. E. vergibt hierzu entsprechende Nutzungsrechte an dem Markenzeichen in Deutschland bzw. in Europa über die Dachorganisation Q..
9Auf dem Angebotsmarkt für Erfassungs-, Sortier- und Aufbereitungsleistungen stehen sich S. und deren Konkurrenten als Anbieter und die dualen Systeme als Nachfrager gegenüber. Daneben sind sowohl S. als auch E. als Anbieter der sortierten bzw. aufbereiteten Stofffraktionen auf den Vermarktungsmärkten tätig, weil E. die Sortierung und Aufbereitung überwiegend in Lohnaufbereitung durchführen lässt und die Stoffe sodann selbst vermarktet.
10Das Bundeskartellamt hat das Zusammenschlussvorhaben mit dem angefochtenen Beschluss gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1 GWB untersagt. Zur Begründung hat es ausgeführt, das Zusammenschlussverfahren führe (1) durch die vertikale Integration des führenden dualen Systems E. und des in der operativen Entsorgung von Verkaufsverpackungen in Deutschland führenden Unternehmens S. zu einer erheblichen Behinderung des Wettbewerbs auf dem Markt für duale Systeme sowie (2) aufgrund der horizontalen Marktanteilsadditionen der Zusammenschlussbeteiligten mit gemeinsamen Marktanteilen von über 40 % zur Entstehung einer marktbeherrschenden Stellung auf dem Markt für die Vermarktung von Hohlglasscherben. Die von den Zusammenschlussbeteiligten zur Abwendung der Untersagung vorgeschlagenen Zusagen hat das Bundeskartellamt als nicht ausreichend zurückgewiesen.
11Gegen den Beschluss hat die Erwerberin S. Anfechtungsbeschwerde eingelegt. Sie rügt die formelle und materielle Rechtswidrigkeit der angefochtenen Amtsentscheidung und führt dazu im Einzelnen aus.
12Die Beteiligte zu 1. beantragt,
13- 14
1. den Beschluss des Bundeskartellamtes vom 11. Juli 2019 (AZ.B4-21/19) aufzuheben;
- 16
2. das angemeldete Zusammenschlussverfahren freizugeben:
- 18
3. hilfsweise: das Bundeskartellamt zu verpflichten, erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts über das angemeldete Zusammenschlussverfahren zu entscheiden.
Das Bundeskartellamt und die Beigeladene zu 2. beantragen,
20die Beschwerde zurückzuweisen.
21Sie verteidigen die Untersagung und treten den Ausführungen der Beschwerde in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht entgegen.
22Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schrift-sätze der Verfahrensbeteiligten nebst Anlagen und den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen.
23II.
24Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Die angefochtene Entscheidung ist jedenfalls insoweit formell (nachfolgend: A.) und materiell (nachfolgend: B.) rechtmäßig, wie das Bundeskartellamt in seiner Untersagungsentscheidung auf den Markt für die Vermarktung von aufbereiteten Hohlglasscherben abgestellt hat. Auf diesem Markt lässt das Zusammenschlussvorhaben die Entstehung einer marktbeherrschenden Stellung der fusionsbeteiligten Unternehmen erwarten (§ 36 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. GWB) und werden die Untersagungsvoraussetzungen durch die angebotenen Nebenbestimmungen nicht beseitigt. Ob der Verbotstatbestand auch in Bezug auf den Markt für duale Systeme verwirklicht ist, kann auf sich beruhen (nachfolgend: C.).
25A.
26Der angegriffene Beschluss ist nicht aus formellen Gründen wegen der Verletzung von Verfahrensrechten der Zusammenschlussbeteiligten aufzuheben.
27- 28
1.
Eine entsprechende Rechtswidrigkeit ergibt sich zunächst nicht aus einer Verletzung des Akteneinsichtsrechts der S..
30a)
31Gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 VwVfG, der auch für das Akteneinsichtsrecht im kartellbehördlichen Verfahren gilt (Senat, Beschluss v. 5.4.2017, VI-Kart 13/15 (V) = NZKart 2017, 316, 317 – Preisvergleichsmaschinenverbot; Senat, Beschluss vom 23.8.2017, VI-Kart 5/16 (V) = NZKart 2017, 542, 545 – Fusionsuntersagung EDEKA/Tengelmann; Senat, Beschluss vom 3.4.2019, VI-Kart 2/18 (V)), hat die Behörde den Verfahrensbeteiligten Einsicht in die das Verfahren betreffenden Akten zu gestatten, soweit deren Kenntnis zur Geltendmachung oder Verteidigung ihrer rechtlichen Interessen erforderlich ist. Soweit die Erforderlichkeit nicht ohne weiteres erkennbar oder aus dem Zusammenhang und den Umständen offensichtlich ist, muss der Beteiligte substantiiert vortragen, inwiefern und wozu die Kenntnis der Akteneinsicht notwendig ist. Ein rechtliches Interesse ist gegeben, wenn die Akteneinsicht dem Zweck dient, die Voraussetzungen für ein rechtlich relevantes Verhalten nach dem Ergebnis der Einsichtnahme zu klären oder eine gesicherte Grundlage für die Verfolgung eines Anspruchs zu schaffen (Senat, Beschluss vom 23.8.2017, VI–Kart 5/16 (V), Umdruck Seite 15, NZKart 2017, 542, 545 – Fusionsuntersagung EDEKA/Tengelmann; Senat, Beschluss vom 3.4.2019, VI-Kart 2/18 (V); Kopp/Ramsauer, VwVfG, 11. Aufl., § 29 Rn. 18 m.w.N.). Von der Akteneinsicht ausgenommen können Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sein (§§ 29 Abs. 2, 30 VwVfG).
32b)
33Gemessen an diesen Grundsätzen erweist sich der Vorwurf der Beteiligten zu 1., das Bundeskartellamt habe ihr nur verzögert und unvollständig Akteneinsicht gewährt und dadurch den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, als unzutreffend. Dass das Bundeskartellamt das Recht der S. auf Akteneinsicht verletzt hätte, ist von ihr schon nicht substantiiert dargelegt. Es fehlt an jedem Vorbringen dazu, welches Verteidigungsvorbringen S. durch eine mangelnde Akteneinsicht unmöglich gemacht oder behindert worden sein soll.
34aa)
35Lediglich pauschal und damit ohne die insoweit erforderliche Substanz reklamiert die Beteiligte zu 1., dass das Bundeskartellamt den Inhalt der Verfahrensakte nur mit erheblicher Verzögerung und auch nur mit umfangreichen Schwärzungen offengelegt habe. Dabei stützt S. den Vorwurf einer Verzögerung offensichtlich auf den Umstand, dass, nachdem ihr bereits zuvor unter dem 20. März 2019, dem 16. April 2019 und dem 23. Mai 2019 Datenträger mit dem Inhalt der Verfahrensakten zugegangen seien, ein weiterer Teil der Verfahrensakte erst am 15. Juli 2019 und damit zu einem Zeitpunkt zugänglich gemacht worden sei, als die Untersagungsverfügung vom 11. Juli 2019 bereits erlassen gewesen sei, so dass keine Möglichkeit mehr bestanden habe, zu diesem Teil der Akten gehört zu werden. Das Vorgehen des Amtes sei auch deshalb zu beanstanden, weil die Zusammenschlussbeteiligten bereits unter dem 19. Juni 2019 förmlich Akteneinsicht beantragt hätten.
36Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, die Verletzung von Verfahrensrechten darzulegen.
37Zunächst lässt die Beteiligte zu 1. in diesem Zusammenhang unberücksichtigt, dass – wie die Beschwerde nicht bestreitet – das Amt ihr zusätzlich unter dem 21. Juni 2019 und damit zeitnah zu ihrem letzten Akteneinsichtsgesuch bereits weitere Aktenbestandteile per E-Mail übermittelt hat (RZ. 62 der Amtsentscheidung (nachfolgend: AE) und S. 73 der Beschwerdeerwiderung (BE)).
38Zudem hat S. unabhängig davon, dass ein Anspruch auf besonders zeitnahe Erledigung des Akteneinsichtsgesuches nicht besteht und das Bundeskartellamt angesichts der ihm durch die Fristen des § 40 Abs. 1 und 2 GWB und der damit verbundenen Freigabefiktion auferlegten engen eigenen Prüfungsfristen auch darauf Bedacht zu nehmen hat, dass es selbst die Bearbeitung des Fusionsfalles zeitnah vorantreibt (siehe dazu auch Senat, Beschluss vom 23.8.2017, VI-Kart 5/16 (V) = NZKart 2017, 542, 545 – Fusionsuntersagung EDEKA/Tengelmann), nicht schlüssig vorgetragen, worin eine unzulässige Verzögerung überhaupt gelegen haben soll. Das Akteneinsichtsrecht ist kein Selbstzweck, sondern dient dazu, die Betroffenen in die Lage zu versetzen, sich ordnungsgemäß und sachgerecht zu verteidigen. Angesichts des ihr später gewährten Einsichtsrechts und der ausführlichen Begründung der angegriffenen Amtsentscheidung hätte die Beteiligte zu 1. im Einzelnen darlegen müssen, zu welchem Teil der ihr dann erst nachträglich übermittelten Akten sie aufgrund einer solchen Verzögerung nicht mehr habe rechtzeitig Stellung nehmen können und insbesondere, inwieweit ihre Verteidigungsmöglichkeit hierdurch beeinträchtigt worden ist. Entsprechende Ausführungen lässt ihr Vorbringen vermissen.
39bb)
40Ohne ausreichende Substanz bleibt auch die Behauptung der Beteiligten zu 1., das Bundeskartellamt habe die ihr vorgelegte Akte bis zur Unkenntlichkeit geschwärzt, ohne dass dies ihr gegenüber begründet worden sei. Hierzu trägt die Beschwerde vor, das Bundeskartellamt habe – trotz der Zurverfügungstellung einer Zusammenfassung einzelner Ermittlungsergebnisse – die Verfahrensakte extensiv geschwärzt, so dass nicht ausgeschlossen werden könne, dass Sie (die Beteiligte zu 1.) den ihr vorenthaltenen Akten Informationen hätte entnehmen können, die es ihr ermöglicht hätten, sich überzeugend gegen die gegen das Zusammenschlussvorhaben vorgebrachten Argumente zu wehren und das Amt davon zu überzeugen, dass wettbewerbliche Bedenken unbegründet seien.
41Das Bundeskartellamt hat sowohl im angegriffenen Beschluss (Rz. 73 ff. AE) als auch in der Beschwerdeerwiderung (S. 73 ff,) ausgeführt, dass die vorgenommenen Anonymisierungen nach § 29 Abs. 2 VwVfG zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen der befragten Marktteilnehmer erforderlich gewesen seien. Nach dieser Norm kann die Akteneinsicht verweigert werden, wenn die Vorgänge nach einem Gesetz oder ihrem Wesen nach, namentlich wegen der berechtigten Interessen der Beteiligten oder dritter Personen, geheim gehalten werden müssen.
42Das Recht der Verfahrensbeteiligten auf Einsicht in die Akten des behördlichen Verfahrens steht damit gemäß § 29 Abs. 2 VwVfG unter dem Vorbehalt, dass die aktenführende Stelle Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse zu schützen hat. Folgerichtig bestimmt § 72 Abs. 2 Satz 2 GWB für das kartellgerichtliche Verfahren, dass die Kartellbehörde die Zustimmung zur Offenlegung ihrer Akten ablehnen muss, wenn und soweit dies aus wichtigen Gründen, insbesondere zur Wahrung von Fabrikations-, Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen, geboten ist. Die Vorschrift dient der Interessenwahrung derjenigen Personen und Unternehmen, die der Kartellbehörde freiwillig oder aufgrund der gesetzlichen Verpflichtung aus § 59 GWB geheimhaltungsbedürftige Angaben gemacht haben (Senat, Beschluss vom 23.08.2017, VI Kart 5/16, Fusionsuntersagung Edeka/Tengelmann).
43Der oben dargestellte Sachvortrag der Beteiligten zu 1. lässt indessen nicht erkennen, hinsichtlich welchen Akteninhalts sie sich trotz dieser Grundsätze auf einen Verstoß gegen ihr Recht auf Akteneinsicht berufen will. Obwohl das Bundeskartellamt in dem angegriffenen Beschluss im Einzelnen dargelegt hat, auf welche Grundlagen und Ermittlungsergebnisse es die zur Untersagung des Zusammenschlusses führenden Feststellungen getroffen hat, macht die Beschwerde keinerlei Angaben dazu, hinsichtlich welcher der in dem Beschluss verwerteten Informationen und Grundlagen sie sich aufgrund der von ihr gerügten Schwärzungen und Anonymisierungen zuvor unzureichend unterrichtet gefühlt haben will. Darüber hinaus lässt der Vortrag auch nicht ansatzweise erkennen, um welche Schriftstücke es konkret gehen soll, welcher Inhalt der Schriftstücke in Rede steht und inwieweit es nach dem Zusammenhang, in dem die anonymisierten Textstellen zu dem übrigen Textinhalt stehen, möglich erscheint, dass die anonymisierten Passagen für die Verfolgung der Rechte der S. hätten von Belang gewesen sein können. Allein der Umstand, dass in dem behaupteten (erheblichen) Umfang Teile der kartellbehördlichen Akten anonymisiert sind, lässt angesichts der durch das Bundeskartellamt zu wahrenden Geschäftsgeheimnisse Dritter weder den Schluss zu, dass die Schwärzungen ganz oder teilweise zu Unrecht erfolgt sein und ihnen in Wahrheit keine Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse zugrunde liegen könnten, noch rechtfertigt er die Annahme, dass die Rechtsverfolgung der S. zwangsläufig beeinträchtigt sein muss.
44Vor dem dargestellten Hintergrund obliegt es nicht dem Bundeskartellamt, die vorgenommenen Anonymisierungen näher zu erläutern und im Einzelnen zu rechtfertigen. Vielmehr ist es zunächst Sache der Beschwerde, im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren nachvollziehbar darzulegen, durch welche konkreten Schwärzungen welcher Aktenbestandteile ihre Rechtsverfolgung in welchen konkreten Punkten beeinträchtigt gewesen sein könnte. Erst ein schlüssiger – vorliegend indes fehlender – Sachvortrag würde die verfahrensrechtliche Obliegenheit der Kartellbehörde auslösen, in Bezug auf die jeweils in Rede stehenden Schwärzungen zu den Voraussetzungen der vorgenommenen Anonymisierung vorzutragen (vgl. dazu auch Senat, Beschuss vom 3.4.2019, VI-Kart 2/18 (V)).
45c)
46Auch soweit die Beteiligte zu 1. reklamiert, dass ihr neben dem nur eingeschränkten Einsichtsrecht in die Verfahrensakte überdies keinerlei Einsicht in die behördliche Ermittlungsakte gewährt worden sei, führt dies nicht zu einer formellen Rechtswidrigkeit der angegriffenen Untersagungsverfügung.
47Auch hierzu beschränkt die Beschwerde ihr Vorbingen darauf, dass nicht auszuschließen sei, dass das Bundeskartellamt weitere Gespräche mit Marktteilnehmern geführt habe, die bislang geheim geblieben seien. Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, Zweifel an der formellen Rechtmäßigkeit des Verfahrens zu begründen. Zwar weist die Beteiligte zu 1. zutreffend darauf hin, dass auch die Ermittlungsakten als Verfahrensakten vom Recht auf Akteneinsicht nach § 29 VwVfG erfasst sind. Auch hier gilt jedoch, dass das Einsichtsrecht - wie bereits oben ausgeführt (siehe dazu oben unter a)) - unter dem Vorbehalt der Wahrung der ihr mitgeteilten Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse durch die aktenführende Stelle steht.
48Das Bundeskartellamt hat bereits in dem angegriffenen Beschluss (Rz. 74 ff. AE) und nochmals in der Beschwerdeerwiderung unwidersprochen und rechtlich zutreffend darauf hingewiesen, dass ursächlich für die vorgenommenen Schwärzungen der Schutz von Geschäftsgeheimnissen der befragten Unternehmen und der Umstand ist, dass viele der befragten Unternehmen aus Sorge vor Repressalien durch die Zusammenschlussbeteiligten Informationen nur unter der Voraussetzung erteilt haben, dass eine Identifizierung der Informanten ausgeschlossen werden könne. Der Beteiligten zu 1. ist daher bekannt, welche Marktteilnehmer befragt und welche Antworten gegeben worden sind. Unterblieben ist nur die Zuordnung der Antworten zu den betreffenden Unternehmen. Dass hierdurch die Verteidigungsmöglichkeiten der Beteiligten zu 1. beeinträchtigt worden sind, legt die Beschwerde nicht dar. Ebenso wenig ist ersichtlich, dass das Bundeskartellamt bei seiner Entscheidung Tatsachen berücksichtigt hat, die es der Beteiligten zu 1. gegenüber nicht aufgedeckt hat. Denn es hat dem Umstand, dass eine bestimmte Auskunft von einem bestimmten Unternehmen erteilt worden ist, keine besondere Bedeutung beigemessen.
49Weiter hat das Bundeskartellamt nach seinem insoweit unwidersprochenen Vortrag den Inhalt der nicht zur Einsicht freigegebenen Ermittlungsakte durch einen den Beteiligten übersandten mehr als hundertseitigen Vermerk vom 17.05.2019 („Einführung von anonymisierten und um Geschäftsgeheimnisse bereinigten Dokumenten und Akteninhalten in die Verfahrensalte“, Bd. 9 der Verfahrensakte, Bl. 3383-3484) in die Verfahrensakte eingeführt. In diesem Ermittlungsbericht sind alle zur Grundlage der Untersagungsverfügung gemachten Erkenntnisse aus den Ermittlungen enthalten. Die Untersagungsverfügung ist nur auf die offengelegten Aktenteile, in welche der Beteiligte zu 1. Einsicht gewährt worden ist, gestützt. Damit war S. jedenfalls bekannt, aufgrund welcher Ermittlungen das Bundeskartellamt die Informationen, auf deren Grundlage sie den Zusammenschluss untersagt hat, erlangt hatte und welche Befragungen diesen Erkenntnissen zugrunde lagen. Sie wäre daher gehalten, zumindest darzulegen, welche ihr fehlenden Informationen zu einer Einschränkung bei der Geltendmachung ihrer Rechte geführt haben sollten. Allein der Hinweis, es habe möglicherweise weitere Gespräche mit anderen Marktteilnehmer gegeben, ist rein spekulativ und nicht ausreichend. Konkrete Zweifel daran, dass die von dem Bundeskartellamt verwerteten Angaben der anonym gebliebenen Befragten von diesen so gemacht worden sind, macht die Beschwerde nicht geltend; dafür ist auch ansonsten nichts ersichtlich.
50d)
51Ebenfalls ohne Erfolg wendet die Beteiligte zu 1. ein, dass das Bundeskartellamt die datenmäßigen Grundlagen und die Methodik der im Beschluss in Bezug genommenen Datenbank-Auswertung nicht offengelegt habe. Die Beteiligte zu 1. rügt hierzu lediglich pauschal – und damit verfahrensrechtlich unbeachtlich – die Nichtoffenlegung der datenmäßigen Grundlagen und die Methodik der im Beschluss in Bezug genommenen Datenbank-Auswertungen. Nur in einem einzigen Fall bezieht sich die Beschwerde konkret auf Ausführungen des Bundeskartellamtes in dem angegriffenen Beschluss, nämlich auf die dortigen Randziffern 320 ff.. Auch dieses Vorbringen ist indes nicht geeignet, einen Verfahrensverstoß durch das Bundeskartellamt darzutun.
52In den von der Beschwerde in Bezug genommenen Ausführungen (Rz. 320 ff. AE) weist das Bundeskartellamt darauf hin, dass Ermittlungen in Bezug auf vertikal integrierte Entsorgungsunternehmen ergeben haben, dass in Einzelfällen Informationen, die ein Entsorger über sein konzernverbundenes duales System erhalte, nicht ungenutzt geblieben seien. Dabei hat das Bundeskartellamt in einer Fußnote zu diesen eigenen Auswertungen weiter ausgeführt, dass diese anhand der N.-Datenbank - durchgeführt mithilfe von Filterfunktion - erstellt worden seien. Weiter werden in dem Beschluss die maßgeblichen vertikal intergierten Unternehmen und die hinsichtlich dieser Unternehmen in der zugrundliegenden Auswertung getroffenen Feststellungen ausdrücklich benannt. Dabei hat das Amt die der Datei entnommenen Zahlen in zu Anonymisierungszwecken eingesetzten Spannen von +/- 2,5 % im Beschluss aufgeführt und nachvollziehbar dargelegt, aus dem Vergleich welcher Zeiträume und Anbieter es die für die Feststellung, dass vertikal intergierte Versorgungsunternehmen die ihnen durch das konzernverbundenen duale System zugänglichen Informationen aus vorangegangenen Ausschreibungen nutzbar machen können, gewonnen hat.
53Die vom Bundeskartellamt vorgenommene anonymisierte Darstellung durch Verwendung von Spannen +/- 2,5 ist zulässig. Diese Art der Darstellung trägt dem Umstand Rechnung, dass das Bundeskartellamt gemäß § 72 Abs. 2 Satz 2 GWB verpflichtet ist, im Verwaltungsverfahren und damit auch in der dieses Verfahren abschließenden Entscheidung Geschäftsgeheimnisse zu wahren. Sie entspricht ständiger – vom Senat bereits seit langem gebilligter – Amtspraxis (Senat, Beschluss vom 25.09.2013, VI-Kart 4/12 (V)). Das Amt hat die Beteiligten auch bereits während des Verfahrens darüber in Kenntnis gesetzt, dass es die in der Untersagungsverfügung näher dargelegten Schlüsse aus der Auswertung der N.-Datenbank in dieser Form gezogen hat. Die von S. insoweit in Bezug genommene Passage Rz. 320 ff. der angegriffenen Untersagungsverfügung war nahezu wortgleich Bestandteil des den Beteiligten übersandten Beschlussentwurfes vom 17. Juni 2019 (dort Rz. 299 ff., Seite 111 ff. des Beschlussentwurfes vom 17. Juni 2019, Anlage BF 5 zur Beschwerdebegründung vom 11. Oktober 2019, sowie Verfahrensakte Bl. 4055 ff.). Dennoch hat die Beteiligte zu 1. auch im Beschwerdeverfahren ihr Vorbringen dazu, aufgrund der Vorenthaltung welcher Daten konkret sie sich in ihrer Verteidigung eingeschränkt gesehen hat, nicht weiter konkretisiert. Ihr Vorbringen ist damit ohne die erforderliche Substanz und unschlüssig.
542.
55Die Untersagungsverfügung ist auch nicht deshalb formell rechtswidrig, weil das Bundeskartellamt im Untersagungsverfahren das Recht der S. auf rechtliches Gehör verletzt hätte.
56a)
57Die Beschwerde bemängelt hierzu, dass bei der Beteiligten zu 1. während des Verfahrens mehrfach der Eindruck entstanden sei, dass das Bundeskartellamt aufgrund der von ihm angekündigten zeitlichen Abfolge der Verfahrensschritte gar nicht die Möglichkeit und den Willen gehabt habe, sich eingehend mit den in diversen Stellungnahmen von S. und E. vorgebrachten Argumenten zu befassen. Dabei stützt die Beschwerde ihre Bedenken zum einen auf den Umstand, dass das Bundeskartellamt zunächst beabsichtigt habe, den Untersagungsbeschluss einen Tag nach der S. bis zum 25. Juni 2019 eingeräumten Stellungnahmefrist zu erlassen, und des Weiteren auf die Tatsache, dass die Untersagungsverfügung letztendlich am 11. Juli 2019 und damit nur 3 Tage nach Abgabe der Stellungnahme der S. zur vorläufigen rechtlichen Beurteilung des Zusagenangebots durch das Bundeskartellamt erlassen wurde. In dieser kurzen Frist könne es – so meint die Beschwerde – dem Bundeskartellamt kaum möglich gewesen sein, die 18-seitige Stellungnahme der Zusammenschlussbeteiligten in angemessenem Umfang zu würdigen.
58b)
59Die Argumentation der Beteiligten zu 1. ist schon im Ansatz unschlüssig. Da das Bundeskartellamt seine Fusionskontrollentscheidung nicht, wie zunächst beabsichtigt, am 26. Juni 2019, sondern erst am 11. Juli 2019 erlassen hat, ist die bis zum 25. Juni 2019 gewährte Stellungnahmefrist schon in zeitlicher Hinsicht ohne jede Aussagekraft für die Frage, ob sich das Amt mit den Argumenten der Fusionsbeteiligten in der gebotenen Art und Weise befassen konnte. Gleiches gilt, soweit das Amt seine Entscheidung drei Tage nach Erhalt der Stellungnahme der S. zu den angebotenen Nebenbestimmungen vom 8. Juli 2019 getroffen hat. Es liegt auf der Hand, dass eine 18-seitige Stellungnahme von den mit dem Streitstoff bestens vertrauten Mitgliedern der entscheidenden Beschlussabteilung mühelos innerhalb einer dreitägigen Frist zur Kenntnis genommen und in die Entscheidungsfindung einbezogen werden konnte. Die ausführlich begründete Amtsentscheidung, die mehrfach auf das Vorbringen der Zusammenschlussbeteiligten vom 8. Juli 2019 Bezug nimmt und sich mit deren Argumenten im Einzelnen auseinandersetzt (so AE S. 200 in Rz. 495; S. 206 f. in Rz. 512 f. und auf S. 208 f in Rz. 515 ff.), belegt im Übrigen, dass das Amt den fusionsbeteiligten Unternehmen in der gebotenen Weise rechtliches Gehör gewährt hat. Der gleichwohl pauschal erhobene Vorwurf der Beschwerde, das Bundeskartellamt habe sich nach ihrem (der Beteiligten zu 1.) Eindruck nicht mit dem in Rede stehenden Vortrag auseinandersetzen wollen, ist vor diesem Hintergrund vollkommen haltlos und in jeder Beziehung unberechtigt.
60c)
61Ohne Relevanz bleibt schließlich auch der von der Beteiligten zu 1. zuletzt im Schriftsatz vom 1. April 2020 (dort S. 5, Rz. 12 f.) erhobene Vorwurf, das Bundeskartellamt habe ihre Verfahrensrechte dadurch verletzt, dass es sie nicht zu den im Schriftsatz vom 13. März 2020 mitgeteilten gesellschaftsrechtlichen Verhältnissen ihrer Tochterunternehmen F., H.1 und H.2 angehört habe, die im Zuge der vom Senat veranlassten Nachermittlung gewonnen worden sind. Zunächst hat die Beteiligte zu 1. Gelegenheit gehabt, zu diesen Ermittlungen Stellung zu nehmen, und davon auch in ihrem Schriftsatz vom 1. April 2020 Gebrauch gemacht. Darüber hinaus wären, wie unten weiter ausgeführt werden wird (s. dazu unten unter B. 2. b) bb) (1) (1.1) (d) und (e)), etwaige Anhörungsmängel schon deshalb nicht relevant, weil der Senat bei seiner Berechnung der Marktanteile zugunsten der Beteiligten zu 1. deren Vortrag als zutreffend unterstellt.
623.
63Schließlich lässt sich eine formelle Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung nicht mit einer entscheidungserheblichen Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes oder einer unzureichenden Begründung der Untersagungsentscheidung rechtfertigen. Wie nachfolgend dargelegt werden wird, ist dem Bundeskartellamt in Bezug auf den Markt für die Vermarktung von aufbereiteten Hohlglasscherben weder ein Ermittlungs- noch ein Begründungsdefizit zur Last zu legen. Ob die erhobenen Verfahrensrügen – ganz oder teilweise – berechtigt sind, soweit es um den Markt für duale Systeme geht, kann dahinstehen. Denn auf diesen Markt kommt es entscheidungserheblich nicht an, weil die Untersagungsvoraussetzungen bereits auf dem Vermarktungsmarkt für Hohlglasscherben erfüllt sind.
64Aus diesem Grund bleiben im Übrigen auch die vorstehend erörterten Rügen zur Verletzung des Akteneinsichtsrechts und zur Gewährung rechtlichen Gehörs von vornherein erfolglos. Wie die Beteiligte zu 1. auf den Senatsbeschluss vom 17. März 2020 unwidersprochen gelassen hat, betreffen der Inhalt der Ermittlungsakte und die Datenbankauswertung ausschließlich den Markt für duale Systeme. Ob das Amt im Zusammenhang mit seinen Feststellungen und Ausführungen zum Markt für duale Systeme der Beteiligten zu 1. irgendwelche Ermittlungsergebnisse oder den Akteninhalt vorenthalten und den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt haben soll, ist für den Befund, dass sich die angefochtene Amtsentscheidung jedenfalls deshalb als rechtmäßig erweist, weil die Untersagungsvoraussetzungen auf dem Angebotsmarkt für aufbereitete Hohlglasscherben vorliegen, ohne Bedeutung.
65B.
66Die Untersagungsverfügung des Bundeskartellamtes ist in materieller Hinsicht rechtmäßig. Die Untersagungsvoraussetzungen des § 36 Abs. 1 GWB sind jedenfalls auf dem Markt für die Vermarktung von aufbereiteten Hohlglasscherben erfüllt, weil der geplante Zusammenschluss dort das Entstehen einer marktbeherrschenden Stellung der Fusionsbeteiligten erwarten lässt.
671.
68Die Rechtmäßigkeit des zur Überprüfung stehenden Zusammenschlussvorhabens ist auf der Grundlage der aktuellen Gesetzeslage zu beurteilen. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung folgt aus dem Charakter der fusionsrechtlichen Untersagungsverfügung als Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, dass für die Beschwerdeentscheidung die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Beschwerdegericht maßgeblich ist, mithin tatsächliche Veränderungen oder Gesetzesänderungen bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung zu berücksichtigen sind (BGHZ 155, 214, 227 - HABET/Lekkerland; BGH WuW DE-R 2905, Rn. 34 f. - Phonak/GN Store).
692.
70Der Zusammenschluss lässt nach dem Sach- und Streitstand im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung des Senats das Entstehen einer marktbeherrschenden Stellung der zusammenschlussbeteiligten Unternehmen auf dem Markt für die Vermarktung von aufbereiteten Hohlglasscherben im Sinne der § 36 Abs. 1 Satz 1 GWB erwarten.
71a)
72Das Bundeskartellamt hat den vom Zusammenschluss betroffenen Markt zutreffend abgegrenzt.
73aa)
74Fusionsbetroffen ist in sachlicher Hinsicht der Angebotsmarkt für aufbereitete Hohlglasscherben, auf dem sich duale Systeme und Glasaufbereiter als Anbieter sowie Glashütten und andere Glashersteller als Nachfrager gegenüber stehen.
75Ausgangspunkt für die sachliche Marktabgrenzung ist das Bedarfsmarktkonzept. Danach gehören zu einem Markt alle Waren oder gewerbliche Leistungen, die sich aus der Sicht der Marktgegenseite nach ihren Eigenschaften, ihrem wirtschaftlichen Verwendungszweck und ihrer Preislage so nahe stehen, dass sie als für die Deckung eines bestimmten Bedarfs gleichermaßen geeignet betrachtet und funktional als gegeneinander austauschbar angesehen werden. Anzulegen ist ein objektiver Maßstab (BGH, WuW/E DE-R 1355 - Staubsaugerbeutelmarkt), wobei im Allgemeinen die Sicht der direkten Marktgegenseite und dort wiederum die Beurteilung eines verständigen Abnehmers maßgebend ist (BGH, WuW/E DE-R 2327, 2336 - Kreiskrankenhaus Bad Neustadt). Von diesen Grundsätzen ist das Bundeskartellamt bei seiner Entscheidung ausgegangen. Zunächst hat es den Markt – insoweit von der Beschwerde auch nicht angegriffen – auf die Vermarktung aufbereiteter Hohlglasscherben beschränkt und Flachglasscherben als nicht zum relevanten Markt gehörend ausgeklammert. Das ist angesichts der Tatsache, dass bei der Herstellung von Hohl-/Behälterglas aus produktionstechnischen Gründen maximal ein Anteil an Flachglasscherben in Höhe von 25 % beigegeben werden kann und sich die Preise für aufbereitete Hohl- und Flachglasscherben signifikant unterscheiden, rechtlich nicht zu beanstanden. Zutreffend hat das Amt ebenso den Markt für Hohlglasscherben nicht nach den verschiedenen Glasfarben (Weiß, Grün und Braun) unterteilt. Auch wenn die Glashütten für ihre Glasproduktion farbreine Scherben nachfragen, spricht gegen die Bildung von Teilmärkten, dass die Farbmenge des gesammelten Verpackungsglasgemisches nicht beeinflussbar ist und die Glasaufbereiter als Anbieter der Hohlglasscherben ohne größere Umrüstzeiten alle Glasfarben aus denselben Anlagen heraussortieren können (AE Rz. 169). Mit Recht erhebt die Beschwerde gegen diese Marktabgrenzung keine Einwände.
76bb)
77Das Bundeskartellamt hat den vom Zusammenschluss betroffenen Markt in räumlicher Hinsicht – der Einschätzung der Fusionsbeteiligten folgend – bundesweit abgegrenzt. Auch das ist nachvollziehbar. Eine räumlich weitere Marktabgrenzung ist angesichts der vom Bundeskartellamt festgestellten unbedeutenden Quote an Importen in das Bundesgebiet [rund 5 %] und an Exporten aus dem Gebiet der Bundesrepublik [3-5 %] ausgeschlossen. Eine engere Marktabgrenzung mit den drei Teilmärkten „Nord/ West“, „Ost“ und „Süd“ hält das Bundeskartellamt zwar für wahrscheinlich, hat dazu aber keine belastbaren Feststellungen getroffen. Der bloß pauschale Hinweis des Amtes, die Standorte der Glashütten im Bundesgebiet und die von diesen Glashütten erteilten Auskünfte zu der Frage, von welcher Aufbereitungsanlage jeweils die höchsten Mengen eingeliefert werden (AE Rz. 174), legten eine regionale Marktabgrenzung mit den Marktgebieten „Nord/West“, „Ost“ und „Süd“ nahe, ist ganz offensichtlich nicht geeignet, die erwogene regionale Marktabgrenzung nachvollziehbar und belastbar zu begründen. Zugunsten der zusammenschlussbeteiligten Unternehmen ist deshalb von einem bundesweiten Vermarktungsmarkt auszugehen.
78b)
79Die Untersagungsvoraussetzungen des § 36 Abs. 1 Satz 1 GWB liegen auf dem Markt für die Vermarktung von aufbereiteten Hohlglasscherben vor. Nach der genannten Vorschrift ist ein Zusammenschluss zu untersagen, durch den wirksamer Wettbewerb erheblich behindert würde, insbesondere von dem zu erwarten ist, dass er eine marktbeherrschende Stellung begründet oder verstärkt. Vorliegend würde das Zusammenschlussvorhaben zur Entstehung einer marktbeherrschenden Stellung der fusionsbeteiligten Unternehmen führen.
80aa)
81Nach gefestigter Rechtsprechung lässt ein Zusammenschluss die Entstehung einer marktbeherrschenden Stellung erwarten, wenn rechtliche oder tatsächliche Umstände dem marktbeherrschenden Unternehmen zwar nicht zwingend, aber doch mit einiger Wahrscheinlichkeit (vgl. BGH, Beschluss vom 19.6.2012, KVR 15/11 – Haller Tagblatt = NZKart 2013, 36) im Prognosezeitraum von in der Regel drei bis fünf Jahren (vgl. BGH, WM 2013, 1806, Rz. 38; Senat, Beschluss vom 6.9.2006, VI-Kart 13/05 (V), Rz. 18) eine überragende Marktstellung (§ 18 Abs. 1 Nr. 3 GWB), d.h. einen wettbewerblich nicht mehr hinreichend kontrollierten Verhaltensspielraum, verschaffen.
82Die im Zuge der 8. GWB-Novelle erfolgte Einführung des SIEC-Tests, wonach die "erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs" nunmehr Untersagungskriterium ist und die "Entstehung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung" Regelbeispiele dieses Verbotstatbestands sind, hat an dieser Rechtslage nichts geändert. Durch die Erweiterung des Untersagungstatbestands wollte der Gesetzgeber die Prüfungs- und Eingriffsmöglichkeiten der deutschen Kartellbehörden und Kartellgerichte erweitern und diese in die Lage versetzen, komplexe Oligopolsachverhalte, nicht koordinierte Effekte, unilaterales Verhalten, Fälle vertikaler Integration, konglomerate Zusammenschlüsse oder Sachverhalte ohne Einzelmarktbeherrschung, die man mit dem bisherigen Kriterium der Entstehung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung nicht, nur eingeschränkt oder nur mit erheblichem Aufwand erfassen konnte, wirksamer und einfacher handhaben zu können. Nur insoweit war eine Angleichung der deutschen Normlage an das europäische Recht gewollt. Die Kartellrechtsnovelle hat nicht zu dem Ergebnis geführt, dass für die Untersagung eines Zusammenschlussvorhabens nunmehr eine "erhebliche" Verstärkung der marktbeherrschenden Stellung (Senat, Beschluss vom 5.12.2018, VI – Kart 3/18 (V) = NZKart 2019, 53 – Ticketvertrieb I) notwendig ist oder qualifizierte Anforderungen an die zu erwartende marktbeherrschende Stellung zu stellen sind. In der Gesetzesbegründung (dort zu Nummer 20 Absatz 3 = WuW-Sonderheft 8. GWB-Novelle, Seite 148) hat der Gesetzgeber klargestellt, dass die bisherige gerichtliche Praxis zur Entstehung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung unverändert fort gilt. In der Begründung der Bundesregierung zur Neufassung des § 36 Abs. 1 GWB heißt es:
83"Die Ergänzung des Untersagungstatbestands führt nicht zu Rechtsunsicherheit. Die Untersagungsvoraussetzung der Begründung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung, die seit Einführung der deutschen Fusionskontrolle 1973 das alleinige Prüfkriterium war, gilt ebenso weiter wie die dazu ergangene Entscheidungspraxis der Gerichte, etwa zu der Frage, wann eine marktbeherrschende Stellung durch einen Zusammenschluss verstärkt wird. Die Begründung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung stellt stets eine erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs dar (Marktbeherrschung als Regelbeispiel)."
84Umstände, aus denen sich gegenläufige Auswirkungen ergeben und die die Annahme rechtfertigen können, dass trotz entstehender Marktbeherrschung eine erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs nicht zu befürchten ist (vgl. BGH, Beschluss vom 23.9.2014, KVZ 82/13 = NZKart 2015, 56 – Marktbeherrschung als Regelbeispiel), sind nicht zu erkennen und werden von der Beschwerde auch nicht aufgezeigt.
85bb)
86Die Fusion würde den zusammengeschlossenen Unternehmen auf dem Angebotsmarkt für aufbereitete Hohlglasscherben eine überragende Marktstellung verschaffen, bei dem ein wirksamer Wettbewerb nicht mehr gewährleitstet wäre.
87(1)
88Für eine zusammenschlussbedingt entstehende überragende Marktstellung spricht bereits die Höhe des über Jahre hinweg auf die Fusionsbeteiligten entfallenden absoluten Marktanteils von über 50 % und des daraus resultierenden erheblichen Marktanteilsabstands gegenüber dem nächstgrößten Konkurrenten.
89(1.1)
90Bei der Berechnung des Marktanteils auf dem bundesweiten Angebotsmarkt für aufbereitete Hohlglasscherben hat das Bundeskartellamt ein Gesamtmarktvolumen unter Einbeziehung der Aufbereitungsmengen der 2017 von S. erworbenen H.3 und unter Ausschluss sogenannter Captive-Use-Mengen zugrunde gelegt. Ohne Erfolg reklamiert S. ein höheres Marktvolumen.
91(a)
92Das Bundeskartellamt hat das Marktvolumen auf der Grundlage einer Befragung sowohl aller Glasaufbereiter als auch der Glashütten ermittelt. Führt das Bundeskartellamt eine Marktdatenerhebung durch, kann sich das Beschwerdegericht grundsätzlich darauf beschränken, die Ergebnisse dieser Erhebung zur Kenntnis zu nehmen und zu verwerten. Ob die Daten zuverlässig ermittelt worden sind, braucht das Gericht nicht von Amts wegen zu prüfen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Vortrag der Verfahrensbeteiligten oder der Sachverhalt im Übrigen bei sorgfältiger Überlegung der sich aufdrängenden Möglichkeiten dazu Anlass gibt. Dazu reicht es nicht, wenn nur allgemeine Zweifel an der Zuverlässigkeit der von der Kartellbehörde gesammelten Daten und der von ihm vorgenommenen Auswertung geäußert werden (BGH, WuW/E DE-R 2451, 2456- E.ON/Stadtwerken Eschwege). Solche ernsten Zweifel trägt die Beschwerde nicht vor. Soweit sie meint, das Bundeskartellamt habe bei seinen Erhebungen die sogenannten „freien Scherben“ unberücksichtigt gelassen und stattdessen nur die aufbereiteten Hohlglasscherben aus der Erfassung durch die dualen Systeme berücksichtigt (Rz. 86 BB), trifft dieser Einwand in tatsächlicher Hinsicht nicht zu. Das Amt hat die Glasaufbereitungsanlagen nach ihrer insgesamt vermarkteten Hohlglasscherbenmenge – unabhängig davon, ob diese Scherben von dualen Systemen oder anderen Anbietern geliefert wurden – befragt und ebenso die Glashütten um Auskunft über ihre Gesamtbezugsmenge an Hohlglasscherben gebeten (S. 50 der Beschwerdeerwiderung sowie Seiten 5 f. des Schriftsatzes vom 13.3.2020). Die Richtigkeit und Verlässlichkeit dieser erhobenen Echtzahlen wird durch die von der Beschwerde entgegen gehaltene Schätzung des Marktvolumens nicht in Frage gestellt. Das gilt umso mehr, als die Beteiligte zu 1. die Grundlagen ihrer Schätzung nicht aufdeckt und das reklamierte höhere Marktvolumen im Laufe des Verfahrens überdies ganz unterschiedlich begründet hat, nämlich vorgerichtlich (Stellungnahme der Zusammenschlussbeteiligten zur vorläufigen Bewertung des Zusagenangebots vom 27.06.2019, Anlage BF 30, Seite 11 f., Rz. 36 ff) und in der Beschwerdebegründung (Rz. 86 BB) mit einer angeblich fehlenden Berücksichtigung freier Scherben durch das Bundeskartellamt und in der Replik (dort Rz. 102) mit dem Einbezug der „Captive Use“-Mengen.
93Ebenso unerheblich sind die von der Beteiligten zu 1. im Schriftsatz vom 1. April 2020 (dort S. 17, Rz. 60 ff.) vorgebrachten Bedenken gegen die vom Bundeskartellamt ermittelten Zahlen. Die Beteiligte zu 1. begnügt sich mit der Behauptung, dass sich die von ihr vermarkteten Mengen in den Jahren seit 2017 „nicht wesentlich verändert“ haben und die von E. und ihr selbst für das Jahr 2020 prognostizierten Glasvermarktungsmengen bei etwa 240.000 t und 440.000 t liegen. Welche Mengenveränderungen nicht wesentlich gewesen sein sollen, ist dem Vorbringen der Beschwerde nicht zu entnehmen. Es enthält ebenso wenig eine Erläuterung, welche Erkenntnisse und Annahmen der vorgetragenen Prognose zugrunde liegen. Der Vortrag der Beschwerde geht damit über die Geltendmachung bloß ganz allgemeiner Zweifel an der Richtigkeit der kartellbehördlich ermittelten Marktanteile nicht hinaus. Er gibt als solcher keine Veranlassung, die Ermittlungsergebnisse des Amtes in Frage zu stellen oder ihre Richtigkeit zu überprüfen.
94(b)
95Es ist nicht zu beanstanden, dass das Bundeskartellamt bei der Ermittlung des relevanten Marktvolumens die als „Captive Use“ bezeichneten Mengen aufbereiteter Hohlglasscherben unberücksichtigt gelassen hat. Hierunter sind solche Mengen an Hohlglasscherben zu verstehen, die von den Glasaufbereitern für den Eigenverbrauch in konzerneigenen Glashütten aufbereitet werden.
96Konkret betroffen sind hiervon die in den Glasaufbereitungsanlagen von W. in … und von X. in … aufbereiteten Mengen. Diese Mengen werden konzernintern weiterverwertet und stehen damit dem Markt zur Vermarktung von Hohlglasscherben nicht zur Verfügung. Das bestreitet auch die Beschwerde nicht.
97(c)
98Ebenso zutreffend hat das Amt diejenigen Scherbenmengen, die in den von S. und B. betriebenen Aufbereitungsanlagen lohnaufbereitet werden, in die Berechnung des Gesamtmarktvolumens einbezogen. Denn über die Verwertung dieser Mengen entscheidet der jeweilige Auftraggeber der Lohnaufbereitung und nicht der vertikal integrierte Glasaufbereiter. Damit war es auch folgerichtig, die im Auftrag von E. lohnaufbereiteten Scherbenmengen in das Marktvolumen einzubeziehen.
99(d)
100Auch hinsichtlich der Scherbenmengen, die von der F. aufbereitet und an B. geliefert werden, käme grundsätzlich eine Einbeziehung in die Berechnung des Gesamtmarktvolumens in Betracht. Nach den Feststellungen, die das Bundeskartellamt im Zuge seiner vom Senat veranlassten Nachermittlungen getroffen hat, handelt es sich bei F. nicht um ein Gemeinschaftsunternehmen von S. und B.. Das Unternehmen steht vielmehr nach den vom Amt hierzu am 10.03.2020 eingesehenen Angaben im Handelsregister im Alleineigentum der S. (vgl. Seite 10 des Schriftsatzes des Amtes vom 13.3.2020), weshalb davon auszugehen wäre, dass die Liefermengen an B. über den Angebotsmarkt für aufbereitete Hohlglasscherben abgesetzt werden und folglich zum Marktvolumen gehören.
101Die Beschwerde hat diesen erstmals in Zusammenhang mit den vom Senat aufgegebenen Nachermittlungen mitgeteilten Feststellungen des Bundeskartellamtes entgegengehalten, dass sie die tatsächliche gesellschaftsrechtliche Situation verkennen und maßgebliche gesellschaftsrechtliche Unterlagen außer Acht lassen würden. Tatsächlich stellten sich die Beteiligungsverhältnisse so dar, dass die Beteiligte zu 1. aufgrund von gesellschaftsvertraglichen Vereinbarungen 50 % der Anteile an der F. lediglich als Treuhänder für die B. halte. Damit handle es sich bei der F. faktisch um ein im Miteigentum der B. stehendes Unternehmen.
102Letztlich kann diese Frage dahinstehen. Selbst wenn man zugunsten der Beteiligten zu 1. ihrem Vortrag folgend davon ausgeht, dass die Mengen, die F. an B. liefert, als Captive-Use nicht in das Gesamtmarktvolumen eingerechnet werden, entfällt auf die zusammenschlussbeteiligten Unternehmen ein gemeinsamer Marktanteil von über 50 %.
103(e)
104Einiges spricht schließlich dafür, dass es sich auch bei den Aufbereitungsunternehmen H.1 in … und H.2 in … nicht um ein von S. und B. gemeinsam beherrschtes Gemeinschaftsunternehmen handelt, bei dem es gerechtfertigt sein kann, die an B. gelieferten Scherbenmengen als einen reinen Binnenumsatz zu betrachten, der bei der Berechnung des Marktvolumens auf dem Angebotsmarkt für aufbereitete Hohlglasscherben außer Betracht bleibt. Denn nach den Erkenntnissen des Amtes werden beide Unternehmen durch S. beherrscht, die die Mehrheit der Kommanditanteile hält. Die Beschwerde hält dem entgegen, dass auch insoweit eine erhebliche Beteiligung der B. an den Aufbereitungsunternehmen gegeben sei und zudem Vorkaufsrechtsvereinbarungen zugunsten der B. an den Produktionsmengen der beiden Aufbereiter bestünden, die eine Behandlung als Captive-Use erforderlich machten. Letztlich kann auch diese Frage auf sich beruhen. Selbst wenn man – zugunsten der Beschwerde – die Mengen, die H.1 und H.2 an B. liefern, als Captive-Use betrachtet und nicht S. zurechnet, entfällt auf die zusammenschlussbeteiligten Unternehmen ein Marktanteil von über 50 %.
105Die Marktanteile der Zusammenschlussbeteiligten und ihr Marktanteilsvorsprung gegenüber dem nächstgrößten Wettbewerber stellen sich mit dieser Maßgabe in den Jahren 2015 bis 2019 sowie im Januar 2020 im Einzelnen wie folgt dar:
106Kalenderjahr |
S. |
E. |
Addierter MA |
MA-Vorsprung |
2015 |
10-20 % |
30-40 % |
50-60 % |
über 40 % |
2016 |
10-20 % |
30-40 % |
50-60 % |
über 40 % |
2017 |
10-20% |
30-40 % |
40-50 % |
über 40 % |
2018 |
10-20 % |
30-40 % |
50-60 % |
über 40 % |
2019 |
10-20 % |
30-40 % |
50-60 % |
über 40 % |
Januar 2020 |
30-40 % |
10-20 % |
50-60 % |
über 40 % |
Die Marktanteile der größten Wettbewerber verteilen sich im genannten Zeitraum folgendermaßen:
108Kalenderjahr |
U. |
S.1 |
T. |
C. |
W.1 |
N.1 |
2015 |
5-10 % |
10-20 % |
5-10 % |
0-5 % |
0-5 % |
0-5 % |
2016 |
10-20 % |
10-20 % |
5-10 % |
0-5 % |
0-5 % |
0-5 % |
2017 |
5-10 % |
10-20 % |
5-10 % |
0-5 % |
0-5 % |
0-5 % |
2018 |
5-10 % |
10-20 % |
10-20 % |
0-5 % |
0-5 % |
0-5 % |
2019 |
10-20 % |
10-20 % |
5-10 % |
0-5 % |
0-5 % |
0-5 % |
Januar 2020 |
10-20 % |
10-20 % |
5-10 % |
0-5 % |
0-5 % |
5-10 % |
Auf sonstige Anbieter aus dem Inland und dem Ausland entfallen Marktanteile von zusammen jeweils 0-5% bzw. 5-10% (Tabelle 2 des Schriftsatzes vom 13.3.2020).
110(f)
111Ohne Erfolg rügt die Beschwerde, dass das Bundeskartellamt bei der Ermittlung des Marktvolumens die Aufbereitungsanlagen in … und … unberücksichtigt gelassen habe (Rz. 85 BB). Die Aufbereitungsanlage L. in … durfte außer Betracht bleiben, weil sie nach den Feststellungen des Amtes (AE Rz. 451, Fn. 291 und Rz. 454 f., Fn. 292) nur belanglose Glasmengen aufbereitet. Außer Betracht bleiben konnten ebenso die von der Glashütte M. in einer vollkommen untergeordneten Größenordnung bezogenen Scherbenmengen (Fußnote 4 des Schriftsatzes vom 13.3.2020). Die in … von dem Glasaufbereiter N.1 aufbereiteten Glasmengen hat das Amt ausweislich des Inhalts der Tabelle 20 der angegriffenen Verfügung (AE Rz. 454) bei der Ermittlung des Marktvolumens berücksichtigt.
112(1.2)
113Bereits die vom Bundeskartellamt für die Jahre 2015 bis 2019 ermittelten Marktanteile legen es nahe, dass die zusammenschlussbeteiligten Unternehmen durch die Fusion eine marktbeherrschende Stellung auf dem Angebotsmarkt für aufbereitete Hohlglasscherben erlangen würden. E. war im gesamten Zeitraum Marktführer, S. und S.1, auf die beide jeweils Marktanteile von 10 – 20 % entfallen, die nächstgrößten Wettbewerber. Das Zusammenschlussvorhaben würde für S. zu addierten Marktanteilen führen, die konstant weit oberhalb der Schwelle von 40 % liegen, an die § 18 Abs. 4 GWB die Vermutung einer Einzelmarktbeherrschung knüpft. Verbunden wäre dieser hohe absolute Marktanteile von S. mit einem erheblichen Marktanteilsvorsprung gegenüber seinem nächstgrößten Konkurrenten in Höhe von durchgehend über 40 %.
114Den über Jahre hinweg stabil weit oberhalb der Vermutungsgrenze für eine Marktbeherrschung liegenden Marktanteilen und dem damit einhergehenden enormen Marktanteilsvorsprung von über 40 % sowie der Tatsache, dass im gesamten Betrachtungszeitraum auch die Marktanteile der Wettbewerber der Fusionsbeteiligten weitgehend stabil geblieben sind, kommt bei der Gesamtwürdigung aller Umstände ein erhebliches Gewicht zu (vgl. BGH, Beschluss vom 11.11.2008, KVR 60/07, BGHZ 178, 285 = WuW/E DE-R 2451, Rz. 53). Die genannten Umstände deuten darauf hin, dass die Marktanteile der zusammenschlussbeteiligten Unternehmen über Jahre hinweg wettbewerblich nicht wirksam angefochten werden konnten. Die gemeinsamen hohen Marktanteile und die erheblichen Marktanteilsabstände fallen bei der Würdigung umso mehr ins Gewicht, als es sich bei dem Angebotsmarkt für aufbereitete Hohlglasscherben um einen – wie das Bundeskartellamt festgestellt hat (RZ. 473 ff. AE) – aufgrund mangelnder Ausweichmöglichkeiten weitgehend unelastischen Markt handelt. Hohlglasscherben stellen in Deutschland ein knappes Gut dar und den Glasherstellern ist ein Ausweichen auf Scherbenimporte oder Primärrohstoffe praktisch nicht möglich.
115(1.3)
116Die dargelegte Bedeutung und Aussagekraft der hohen (absoluten und relativen) Marktanteile in den Jahren 2015 bis 2019 wird nicht dadurch geschmälert, dass der Marktanteil des E. im Januar 2020 von 30 - 40 % auf 10 - 20 % zurückgegangen ist.
117(a)
118Die für Januar 2020 ermittelten E.-Zahlen sind schon wenig aussagekräftig.
119Sie basieren auf reinen Mengenprognosen der dualen Systeme und sind auch nach Auffassung der die Marktanteile ermittelnden T.1 nicht als belastbare Aussagewerte für die Markanteile im gesamten Kalenderjahr 2020 heranzuziehen. Im Zuge dieser Prognose müssen die dualen Systeme die prognostizierten Zahlen auch auf die zukünftigen Quartale verteilen, wobei die einzelnen Systeme dazu unterschiedliche Methoden anwenden. Bereits daraus resultieren signifikante Ungenauigkeiten und Unwägbarkeiten. Es kommt hinzu, dass sich die jeweiligen Mengenmeldungen erst im Laufe des Jahres durch die dann erst vorliegenden Ist-Mengenmeldungen der Hersteller unter Berücksichtigung der von diesen tatsächlich in Verkehr gebrachten Verpackungsmengen angleichen. Es liegt in der Natur der Sache, dass die Januarzahlen noch keine verlässliche und belastbare Auskunft über die Marktanteile der einzelnen Anbieter geben. Bei der Q 1/2020 Prognose besteht überdies die besondere Schwierigkeit, dass sich aufgrund des bisher nur in einzelnen Bundesländern erfolgten Markteintritts des dualen Systems Q.1 Veränderungen des Marktanteilsberechnungskonzeptes durch die T.1 ergeben können, die Auswirkungen auf das Ergebnis der Marktanteilsverteilung haben können. Vor diesem Hintergrund ist auch nicht von Bedeutung, dass bei E. der Marktanteil des Unternehmens im ersten Quartal mit demjenigen für das gesamte Kalenderjahr im Jahr 2016 mit einer Abweichung von rund … % (1 % – 3 %) und in den Jahren 2017 bis 2019 mit einer Abweichung von jeweils unter … % (0 % – 2 %) übereinstimmte.
120Ohne Erfolg behauptet die Beschwerde auf Seite 8 des Schriftsatzes vom 1. April 2020, die am 25. März 2020 veröffentlichten Marktanteile für das zweite Quartal belegten die Belastbarkeit und Aussagekraft des für das erste Quartal auf Basis der Zwischenmeldung vom 23. Januar 2020 festgestellten Marktanteilsgefüges. Soweit sich die Beschwerde zum Beweis auf die Anlage BF 51 beruft, handelt es sich bei dieser gerade nicht um die Meldungen für das zweite Quartal, sondern um die auf die einzelnen Bundesländer verteilte Meldung für das erste Quartal. Für das zweite Quartal 2020 weist die Homepage der T.1 bei E. jeweils um 1-2 Prozentpunkte höhere Werte aus, als sie sich aus der von der Beschwerde vorgelegten Übersicht für das erste Quartal ergeben. Im Übrigen sind – dies räumt die Beschwerde im Schriftsatz selbst ein – auch die Zahlen des zweiten Quartals nicht endgültig aussagekräftig. Darauf weist die T.1 auf ihrer Homepage (https://www.....org/) unter der Überschrift „Marktanteilsberechnung für das zweite Quartal“ ausdrücklich mit dem Verweis auf die bereits oben geschilderte besondere Situation um den Neueintritt der Firma Q.1 hin.
121(b)
122Der Marktanteilsrückgang bei E. im Januar 2020 ist im Übrigen maßgeblich auf den Umstand zurückzuführen, dass E. für das Jahr 2020 den B.1 Konzern als einen seiner größten Kunden an J. verloren hat. Unwidersprochen führt das Bundeskartellamt aus, dass die Verpackungsmengen von B.1 bei den Glasverpackungen etwa 10 % des Gesamtmarktvolumens ausmachen (Seite 33 der Duplik vom 31.1.2020). Es kann auf sich beruhen, ob – wie die Beigeladene zu 2. meint – E. den Auftrag nicht ganz unfreiwillig verloren hat, um seinen Marktanteil im anhängigen Beschwerdeverfahren abzuschmelzen. Selbst wenn dies nicht der Fall gewesen sein sollte, würde der beabsichtigte Zusammenschluss für S. zu einem wettbewerblich nicht mehr hinreichend kontrollierten Verhaltensspielraum führen. Das gilt schon deshalb, weil S. seinen Marktanteil zeitgleich im Januar 2020 von 10 - 20 % auf 30 - 40 % gesteigert hat, weshalb die fusionsbeteiligten Unternehmen im Ergebnis über einen addierten Marktanteil von unverändert 50 - 60 % verfügen würden. Es kommt hinzu, dass der bei E. aktuell eingetretene Marktanteilsverlust lediglich eine Momentaufnahme ist. Lizensierungsverträge werden in der Regel jährlich ausgeschrieben und es gibt keine Anhaltspunkte für die Annahme, dass es E. nicht möglich sein wird, die Größenordnung seines seit 2015 gehaltenen Marktanteils von 30 – 40 % wiederzuerlangen. Darauf hat das Amt zutreffend hingewiesen und die Beschwerde ist dem nicht ansatzweise entgegen getreten.
123(1.4)
124Eine zusammenschlussbedingt entstehende marktbeherrschende Position wird auch nicht durch die Tatsache in Frage gestellt, dass E. bei der Glaslizenzierung seit 2018 erhebliche Marktanteile verloren hat, vor allem im Jahr 2018 an das duale System C.1. Nach den Feststellungen des Amtes haben sich die Marktanteile bei der Lizenzierung von Hohlglas seit 2015 wie folgt entwickelt:
1252015 Q 4 |
2016 Q 4 |
2017 Q 4 |
2018 Q 4 |
2019 Q 4 |
2020 Q 1 |
|
C.1 |
20,4 |
18,4 |
21,6 |
31,95 |
37,48 |
34,96 |
E. |
37,6 |
37,7 |
43,8 |
33,89 |
30,16 |
14,6 |
F.1 |
4,8 |
10,4 |
2,76 |
0 |
0 |
|
J. |
5,3 |
4,9 |
6,7 |
15,16 |
12,82 |
13,37 |
M.1 |
3,3 |
3,4 |
4,3 |
3,28 |
4,06 |
4,04 |
M.2 |
0,2 |
0,15 |
1,46 |
6,49 |
||
W.2 |
17,6 |
13,9 |
15,3 |
7,56 |
4,15 |
8,64 |
S.2 |
8,2 |
9 |
6,8 |
3,8 |
0 |
0 |
W.1 |
0,2 |
0,1 |
0,1 |
0,16 |
0,35 |
0,3 |
A. |
2,8 |
2,4 |
1,2 |
1,29 |
9,52 |
13,31 |
Q.1 |
0 |
0 |
0 |
4,29 |
Der erhebliche Marktanteilsverlust an C.1 im Jahr 2018 hatte keine signifikanten Auswirkungen auf die Marktposition der E. auf dem Angebotsmarkt für aufbereitete Hohlglasscherben. E. besaß auf jenem Markt in den Jahren 2017, 2018 und 2019 konstant einen Marktanteil von 30 - 40 %. Zur Erläuterung verweist das Amt plausibel auf den Umstand, dass C.1 seine aufzubereitenden Hohlglasscherben nicht auf dem Markt anbietet, sondern an eine vertikal integrierte Glashütte liefert, die die Aufbereitung der Scherben in der eigenen Anlage durchführt. Die im Januar 2020 prognostizierte Halbierung des E.-Marktanteils bei der Glaslizenzierung wird sich demgegenüber wohl auf die Marktstellung der E. beim Angebot von aufbereiteten Hohlglasscherben auswirken, allerdings keine Auswirkungen auf den addierten Marktanteil der Fusionsbeteiligten haben. Die Prognosen für Januar 2020 weisen bei E. zwar einen Marktanteilsrückgang von 30 - 40 % auf 10 – 20 % aus, bei S. gleichzeitig aber einen Marktanteilszuwachs von 10 – 20 % auf 30 – 40 %. Nichts spricht dafür, dass die zusammenschlussbeteiligten Unternehmen bei einer Fusion gleichwohl ihren seit 2015 unangefochten bestehenden gemeinsamen Marktanteil von 50 – 60 % mit Verlusten einbüßen werden, die ihre überragende Marktposition in Frage stellen. Zu alledem vermag auch die Beschwerde keine belastbaren Gesichtspunkte aufzuzeigen.
127(2)
128Die nach Marktanteilen mit Abstand führende Marktstellung der Fusionsbeteiligten würde durch einen bevorzugten Zugang der S. zu den Beschaffungsmärkten verstärkt (§ 18 Abs. 3 Nr. 3 GWB).
129(2.1)
130Nach den Feststellungen des Amtes verfügt S. bei bundesweiter Betrachtung über die weitaus höchsten genehmigten Aufbereitungskapazitäten für Hohlglasscherben. Auf das Unternehmen entfällt ein Anteil von 35-40%, auf die nachfolgenden Wettbewerber X. und S.1 sowie das neu auf den Markt getretene Unternehmen Q.1/U. nur Anteile von jeweils 10-15 %. Dieser deutliche Vorsprung bei den Aufbereitungskapazitäten wird flankiert durch eine bundesweit nahezu flächendeckende Verteilung der von S. unterhaltenen Aufbereitungsstandorte. Während S. über insgesamt neun Aufbereitungsstandorte verfügt, die mit Ausnahme von … und … über das gesamte Bundesgebiet verteilt sind, unterhalten Q.1/U. lediglich zwei Standorte in …, S.1 nur drei Standorte in … und …, T. zwei Standorte in … und … sowie W.1 einen Standort in …. Die vergleichsweise hohe Anzahl der Aufbereitungsstandorte und ihre nahezu flächendeckende Verteilung im Bundesgebiet ermöglichen es S., die Lieferwege zur Beschaffung von Aufbereitungsgut tendenziell kurz und die Transportkosten dementsprechend gering zu halten. Es versetzt das Unternehmen überdies in die Lage, seine Aufbereitungsanlagen flexibel und kostengünstig auszulasten. Das wiederum verschafft Spielräume, um die eigene Kostenstruktur in den Werken zu verbessern und dadurch die Finanzkraft des Unternehmens auf dem Vermarktungsmarkt zu erhöhen.
131Zu Unrecht hält die Beschwerde dem entgegen, dass die bundesweite Kapazitätsauslastung bei den Glasaufbereitungsanlagen im Jahr 2017 bei nur 62 % gelegen habe (AE Rn. 471) und die bei S. bestehende Überkapazität in besonderem Maße zu einer geschwächten Verhandlungsposition bei der Scherbenbeschaffung führe, weil große Kapazitäten auch die Notwendigkeit mit sich brächten, für eine kostendeckende Auslastung der Anlagen große Mengen zu verarbeiten. Das Argument wäre schon im Ansatz nur dann plausibel, wenn S. seine Aufbereitungsanlagen mit einer geringeren Quote als 62 % auslasten würde. Das behauptet die Beschwerde indes selbst nicht und dazu ist auch ansonsten nichts ersichtlich. Liegt – wovon mangels entgegenstehender Anhaltspunkte auszugehen ist – die Auslastung der S.-Aufbereitungsstandorte im Bundesdurchschnitt, sind alle Glasaufbereiter gleichermaßen von den Überkapazitäten ihrer Anlagen betroffen. Für S. verbleibt gegenüber seinen Wettbewerbern damit aber der Vorteil, Hohlglasscherben durch eine flexible Auslastung der nahezu flächendeckend verteilten neun Standorte kostengünstiger anliefern und aufbereiten zu können als die Konkurrenz.
132(2.2)
133Der Zusammenschluss wäre für S. überdies mit signifikanten Vorteilen auf der Beschaffungsseite verbunden. S. hat im Jahr 2017 etwas mehr als 50 % der bei E. anfallenden Hohlglasscherben lohnaufbereitet. Nach dem Zusammenschluss würde dem Unternehmen auch die restliche Scherbenmenge der E. zur Aufbereitung anfallen, wodurch eine bessere Auslastung der eigenen Aufbereitungsanlagen erzielt werden kann. Die hohe Zahl und die weitgehend bundesweite Verteilung der Aufbereitungsstandorte von S. ermöglichen dabei kurze Lieferwege und eine flexible, möglichst kostengünstige Auslastung der Aufbereitungswerke.
134(3)
135Das Zusammenschlussvorhaben würde für S. ferner den Zugang zu den Absatzmärkten verbessern (§ 18 Abs. 3 Nr. 3 GWB).
136(3.1)
137Die bislang von S. und E. getrennt vermarkteten aufbereiteten Hohlglasscherbenmengen können nach dem Zusammenschluss von S. alleine verkauft werden. Die damit verbundene höhere Absatzmenge verstärkt die Verhandlungsposition des Unternehmens gegenüber den Glashütten, weil nach den Feststellungen des Amtes ein Mangel an aufbereiteten und aufzubereitenden Hohlglasscherben besteht.
138Den Überkapazitäten der Glasaufbereitungsanlagen kommt in diesem Zusammenhang keine Bedeutung zu. Zum einen lassen sie das Kräfteverhältnis im Horizontalverhältnis ohnehin unberührt, weil alle Anbieter von aufbereiteten Hohlglasscherben gleichermaßen der insoweit beeinflussten Verhandlungsmacht der Glashütten ausgesetzt sind. Zum anderen trifft es nicht zu, dass sich – wie die Beschwerde meint – die glasaufbereitenden Unternehmen aufgrund der Überkapazitäten in einer schwachen Verhandlungsposition befinden. Wie noch im Einzelnen auszuführen sein wird, sind die Glashütten für ihre Glasproduktion auf einen bestimmten Scherbeneinsatz angewiesen und ist das Angebot von Hohlglasscherben außerordentlich knapp. Vor diesem Hintergrund ist die Behauptung der Beschwerde, die Glashersteller könnten gleichwohl die Preise diktieren, unplausibel und bei kaufmännisch vernünftiger Betrachtung durch nichts nahegelegt.
139(3.2)
140E. verfügt außerdem deshalb über einen bevorzugten Zugang zu den Absatzmärkten, weil es im Gegensatz zu seinen Konkurrenten einen branchenerfahrenen Mitarbeiter mit guten Kontakten zur Marktgegenseite beschäftigt (AE Rz. 483). Nach den Ermittlungen des Bundeskartellamtes konnte E. die Vermarktung der aufbereiteten Hohlglasscherben vor allem aus diesem Grund erfolgreich selbst betreiben und bis 2019 mit einem Marktanteil von 25-35 % der größte Anbieter von aufbereiteten Hohlglasscherben werden; ihm folgen S., U. und S.1 mit Marktanteilen von jeweils 10-20 %. Demgegenüber haben alle anderen dualen Systeme gegenüber dem Bundeskartellamt angegeben, dass der Zugang zu den Glashütten für sie schwierig sei (AE Rz. 483), weshalb sie ihre Rohglasscherben nicht selbst vermarkten, sondern im Rahmen von „All-In-Verträgen“ an die Glasaufbereiter verkaufen.
141Dass der beschriebene Absatzvorteil der E. im Prognosezeitraum in Fortfall gerät, ist nicht anzunehmen. Es fehlen schon konkrete Anhaltspunkte dafür, dass andere duale Systeme in den Markt eintreten, indem sie von den bislang praktizierten All-Inclusive-Verträgen auf eine Lohnaufbereitung ihrer Glasscherben wechseln und die aufbereiteten Hohlglasscherben sodann selbst vermarkten. Der nicht näher substantiierte Hinweis der Beschwerde auf Gewinnmöglichkeiten bei dem Verkauf von Hohlglasscherben an Glashersteller ist nicht stichhaltig, weil mangels näherer Ausführungen nicht zu erkennen ist, dass auf diesem Wege ein Gewinn in einem solchen Umfang zu generieren ist, dass es im Prognosezeitraum mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu Markteintritten anderer dualen Systeme kommen wird. Außerdem ist nicht zu erkennen, dass etwaige Newcomer einen mit E. vergleichbaren Zugang zu den Glashütten erlangen können, indem sie ebenfalls Personal mit guten Kontakten zur Absatzseite für ihr Unternehmen gewinnen.
142(3.3)
143Auch der Markteintritt des dualen Systems Q.1, das mit dem Glasaufbereiter U. vertikal verbunden ist, lässt eine relevante Änderung der Verhältnisse auf dem Angebotsmarkt für aufbereitete Hohlglasscherben nicht erwarten. Zwar repräsentiert Q.1 als ein Unternehmen der T.2-Gruppe (M.2) einen geschätzten Anteil von 10 % der in Verkehr gebrachten Hohlglasverpackungen. Es ist auch zu erwarten, dass die von Q.1 erfassten Hohlglasscherben bei U. aufbereitet und von dort an Glashütten verkauft werden. Nichts spricht indes dafür, dass das Unternehmen im Prognosezeitraum eine Marktposition erringen wird, die den wettbewerblichen Spielraum der Fusionsbeteiligten wirksam kontrollieren kann.
144(3.4)
145Ebenso wenig ist im Prognosezeitraum mit Markteintritten von Hohlglasaufbereitungsunternehmen zu rechnen. Angesichts der Knappheit von Hohlglasscherben und der Überkapazitäten bei den bereits am Markt tätigen Hohlglasaufbereitern ist der wirtschaftliche Anreiz für einen Markteintritt denkbar gering.
146(4)
147Die aus den hohen Marktanteilen, den erheblichen Marktanteilsabständen und dem bevorzugten Zugang zu den Beschaffungs- und Absatzmärkten resultierende überragende Marktstellung der Zusammenschlussbeteiligten wird durch die Macht der Marktgegenseite nicht in Frage gestellt.
148Das wettbewerbliche Verhalten eines Unternehmens kann nicht nur durch seine Wettbewerber, sondern auch durch die Marktgegenseite beschränkt werden. Das ist insbesondere der Fall, wenn die Marktgegenseite die Möglichkeit besitzt, bei seiner Bedarfsdeckung auf andere Unternehmen auszuweichen (§ 18 Abs. 3 Nr. 8 GWB). Diese Ausweichmöglichkeit spielt für das Kräfteverhältnis der Wettbewerber untereinander allerdings nur dann eine Rolle, wenn sie gerade den Verhaltensspielraum desjenigen Unternehmens begrenzt, für das eine überragende Marktstellung in Frage steht. Bleibt die Stellung der Wettbewerber zueinander durch das Vorhandensein der Gegenmacht dagegen unberührt, weil alle Anbieter ihr gleichermaßen ausgesetzt sind, so schließt sie eine überragenden Marktstellung nicht aus (BGH, WuW/E BGH 2783, 2791 – Warenzeichenerwerb; Senat, Beschluss vom 25.9.2013, VI Kart 4/12 (V), Rz. 43).
149Im Streitfall ist eine gegengewichtige Marktmacht der Glashersteller nicht vorhanden. Entweder fehlt es bereits an der von der Beschwerde reklamierten Ausweichmöglichkeit der Glashütten oder sämtliche Glasaufbereiter sind derselben Verhandlungsmacht der Marktgegenseite ausgesetzt, so dass das Machtgefälle im Horizontalverhältnis unberührt bleibt.
150(4.1)
151Die Glashütten als Hauptabnehmer der aufbereiteten Hohlglasscherben sind für ihre Glasproduktion darauf angewiesen, in einem erheblichen Umfang aufbereitete Hohlglasscherben einzukaufen. Wie der Senat im Zuge seiner Amtsermittlungspflicht nach § 70 Abs. 1 GWB aufgeklärt hat (vgl. verfahrensleitende Verfügung vom 4. März.2020, GA Bl. 1050) und von den Verfahrensbeteiligten nicht in Abrede gestellt wird, beträgt der mittlere Altglasscherbenanteil bei der Produktion von Hohlglas 60 % bis maximal 90 %. Diese Altscherbenmenge können die Glashersteller in einem nennenswerten Umfang weder durch Importe noch durch Primärrohstoffe ersetzen. Das hat das Bundeskartellamt in der angefochtenen Entscheidung detailliert und zutreffend ausgeführt, ohne dass die Beschwerde dem Rechtserhebliches entgegen halten kann.
152(a)
153Für die Glashütten ist ein Ausweichen auf Anbieter aus dem Ausland weder für aufbereitete Scherben noch für Rohscherben möglich. Wegen der hohen Transportkosten käme nach den Angaben der Glashütten ein Ausweichen allenfalls auf Importe aus grenznahen Regionen wie den Niederlande, Belgien, Polen oder Tschechien in Betracht. Hier sind allerdings nach den Feststellungen des Bundeskartellamtes für den deutschen Markt keine relevanten Mengen verfügbar. In den Niederlande und Tschechien gibt es einen eigenen hohen Bedarf und in Polen verfügt S. selbst über eine grenznahe Aufbereitungsanlage. Insgesamt haben die Nachfragen des Bundeskartellamtes bei den Glashütten ergeben, dass nur in Einzelfällen Importe aus dem Ausland stattfinden und diese auch nur aufgrund dort gegebener besonderer Konstellationen (weitergehende anderweitige Geschäftsbeziehungen oder besonders günstige Transportmöglichkeiten). Daher ist mit einer Ausweitung der sehr geringen Importquote von 3 % im Prognosezeitraum nicht zu rechnen.
154(b)
155Auch ein Ausweichen der Glashütten auf andere Einsatzstoffe, insbesondere auf die Primärrohstoffe Soda und Dolomit, ist im Prognosezeitraum nicht zu erwarten. Abgesehen davon, dass das Angebot an Soda und Dolomit begrenzt ist, was dem Einsatz dieser Primärrohstoffe schon natürliche Grenzen setzt, halten weder die vom Amt befragten Glasaufbereiter noch die Glashütten in Zukunft einen verstärkten Einsatz von Primärrohstoffen für plausibel. Die dazu angegebenen Gründe sind stichhaltig. Es bestehen schon erhebliche Beschaffungsprobleme. Die in Rede stehenden Rohstoffe sind am Markt nur schwer verfügbar. Speziell bei der Herstellung von Soda würden durch die begrenzten Kapazitäten am Markt die Preise enorm ansteigen oder die benötigten Mengen gar nicht erst zur Verfügung stehen. Bei Dolomit ist der Markt noch enger; nach aktuellem Stand sind die benötigten Mengen am Markt gar nicht verfügbar (AE Rz. 477). Der Einsatz von Primärrohstoffen führt nach den Feststellungen des Amtes überdies zu einem signifikant höheren Energieeinsatz, weil eine erheblich höhere Schmelztemperatur der Rohstoffrezeptur notwendig ist. Eine Reduktion des Scherbeneinsatzes um 10 % würde zu einem um 1,5 % bis 3 % höheren Energieeinsatz führen. Der zusätzliche Einsatz von Primärrohstoffen erhöht überdies den CO2-Ausstoß der Produktionsanlage in einer Größenordnung von 30 kg CO² pro Tonne Glas, schädigt also zusätzlich die Umwelt und kann den zusätzlichen Einkauf von Emissionszertifikaten nach sich ziehen, was nicht nur zu einer Kostensteigerung führt, sondern auch den Zielen der Kreislaufwirtschaft und der Nachhaltigkeit, denen die Entsorgung und Wiederverwertung der Verkaufsverpackungen dienen soll, zuwiderläuft (AE RZ 478). Eine Erhöhung der Primärrohstoffquote erfordert außerdem zusätzliche Lagerkapazitäten sowie eine zeit- und kostenintensive Umrüstung der Produktionsanlagen (Umbauten an den Gemengehäusern und Neubauten der Schmelzwannen), die allenfalls mittel- und langfristig durchführbar ist und sich erst mittel- und langfristig rechnen kann. Eine Erhöhung der Primärrohstoffmenge würde ohne Erweiterungsinvestitionen zudem zu einer deutlichen Abnahme der Produktionsmengen führen, und zwar bei einer Verringerung des Scherbeneinsatzes um 10 % zu einem Rückgang der Schmelzleistung in einer Größenordnung zwischen 25 % und 35 %. Angesichts der dargestellten Zusammenhänge können die Glashütten bei kaufmännisch vernünftigem Verhalten weder in einem relevanten Umfang von Altglasscherben auf Primärrohstoffe ausweichen noch glaubhaft mit einer signifikanten Reduzierung der nachgefragten Glasscherbenmenge drohen. Es ist bezeichnend, dass die Beschwerde in diesem Kontext selbst nur ein angeblich denkbares Szenario reklamiert, aber selbst nicht vorträgt, dass in den Preisverhandlungen mit den Glashütten jemals mit einem erhöhten Einsatz von Primärrohstoffen gedroht worden sei. Hat – wie die Beschwerde glauben machen will – das in Rede stehende Drohpotential immer schon bestanden, ist unverständlich, dass es von den Glashütten bis heute kein einziges Mal verwendet worden ist. Lebensnah und plausibel ist nur der gegenteilige Schluss: Die pauschale Behauptung der Beschwerde, Scherben könnten um 10 % bis 20 % und mittelfristig um sogar 50 % durch Primärrohstoffe ersetzt werden, entspricht nicht den Tatsachen. Da der Sachvortrag durch keinen einzigen Anhaltspunkt nur ansatzweise nahegelegt ist, gibt er auch keinen Anlass zu diesbezüglichen Ermittlungen von Amts wegen.
156(4.2)
157Eine den wettbewerblichen Verhaltensspielraum der Fusionsbeteiligten einschränkende Marktmacht der Glashersteller lässt sich ebenso wenig mit dem Argument der Beschwerde begründen, die Nachfrage nach aufbereiteten Hohlglasscherben sei hoch konzentriert, weshalb die Marktgegenseite den Glasaufbereitern die Preise diktieren könne.
158(a)
159Der Einwand der Beschwerde trifft schon in tatsächlicher Hinsicht nicht zu. Die Marktgegenseite ist nicht hoch konzentriert. Nach den Ermittlungen des Amtes entfällt auf den größten Nachfrager, den Glashersteller B., ein Nachfrageanteil von mehr als 20 %. Die Glashersteller X. und W. beziehen bundesweit zwischen 10 % und 20 % der aufbereiteten Hohlglasscherben. Die anderen sieben Glashersteller in Deutschland verfügen über einen Nachfrageanteil von jeweils unter 10 % (BE S. 55 f.).
160Die Behauptung der Beteiligten zu 1., die drei weltweit größten Glashersteller W., B. und P. kämen zusammen auf einen Marktanteil von 90 % (BB Rz. 322), ist in dieser pauschalen Form nicht nachvollziehbar und begründet mangels jeglicher näherer Erläuterung, auf welche Erkenntnisse und Feststellungen die Beschwerde den behaupteten gemeinsamen Marktanteil stützt, keine Zweifel an der Richtigkeit und Verlässlichkeit der Ermittlungsergebnisse des Amtes. Demzufolge sind eigene Ermittlungen des Senats zu den auf die einzelnen Glashersteller entfallenden Nachfrageanteilen nicht erforderlich.
161(b)
162Davon abgesehen würde eine hohe Konzentration der Marktgegenseite die Untersagungsvoraussetzungen auf dem Vermarktungsmarkt auch nicht ausräumen. Die Schlussfolgerung der Beschwerde, dass eine hoch konzentrierte Marktgegenseite den wettbewerblichen Verhaltensspielraum der zusammenschlussbeteiligten Unternehmen wirksam kontrolliert könne, ist aus mehreren Gründen nicht berechtigt.
163(aa)
164Es fehlt an einer horizontalen Beeinflussung der Wettbewerbsverhältnisse. Alle Anbieter von aufbereiteten Hohlglasscherben sind derselben Nachfragemacht der Glasproduzenten ausgesetzt. Aus diesem Grund lässt eine gegengewichtige Macht der Nachfrageseite das Kräfteverhältnis der Wettbewerber untereinander unberührt. Das gilt unabhängig davon, wie groß oder gering der wettbewerbliche Einfluss der Marktgegenseite ist.
165(bb)
166Darüber hinaus würde eine hohe Konzentration der Nachfrageseite den Glasherstellern nach den Besonderheiten des betroffenen Marktes keine große Verhandlungsmacht vermitteln. Geprägt wird der Angebotsmarkt für aufbereitete Hohlglasscherben durch die Tatsache, dass das Angebot der zur Produktion von Hohlglas benötigten Glasscherben außerordentlich knapp (AE Rn. 475) und die Angebotsmenge für Hohlglasscherben im Vergleich zur Nachfragemenge sehr knapp ist. Es kommt hinzu, dass das benötigte Glasscherben-Marktvolumen von keinem der am Markt Beteiligten beeinflusst werden kann. Denn die anfallende Hohlglasscherbenmenge hängt maßgeblich vom Umfang der zuvor in Verkehr gebrachten Glasverpackungen ab, und hierauf haben weder die Glasaufbereiter noch die Glashersteller einen Einfluss. Da die Glashütten – wie oben dargelegt – weder auf Importe aus dem benachbarten Ausland noch auf den verstärkten Einsatz von Primärrohstoffen ausweichen können, sie also für ihre Glasherstellung auf den Einkauf von aufbereiteten Hohlglasscherben angewiesen sind, die im Markt knapp sind, liegt die Verhandlungsmacht bei vernünftiger Betrachtung nicht bei den Glasherstellern, sondern bei den Anbietern von aufbereitetem Hohlglas. Unter diesen Umständen liegt es fern anzunehmen, die Glashersteller könnten den Anbietern von aufbereiteten Hohlglasscherben den Preis diktieren.
167Das gilt auch gegenüber vertikal integrierten Glashütten mit eigenen Glasaufbereitungsanlagen. Nach den Feststellungen des Amtes decken die eigenen Aufbereitungskapazitäten den Bedarf der betreffenden Glashütten nicht ab, weshalb diese in einem mehr oder weniger großen Umfang aufbereitete Glasscherben zukaufen müssen. In diesem Umfang sind sie ebenso wie ihre nicht vertikal integrierten Konkurrenten der Verhandlungsmacht der Anbieterseite ausgesetzt und wären nach der Fusion mit der überragenden Marktstellung der zusammengeschlossenen Unternehmen konfrontiert. Für kein einziges Unternehmen legt die Beschwerde nur im Ansatz nachvollziehbar das Gegenteil dar. Hier – wie an anderer Stelle – erschöpft sich das Beschwerdevorbringen vielmehr in bloßen Spekulationen, unbegründeten Vermutungen oder pauschalen Behauptungen.
168(4.3)
169Schließlich sind – anders als die Beteiligte zu 1. meint (BB Rz. 323) – auch die gesetzlich vorgeschriebenen Recyclingquoten, die die dualen Systeme zwingen, die im Verkehr befindlichen Glasmengen zu vermarkten, angesichts der Knappheit von Hohlglasscherben nicht geeignet, das Verhandlungspotential der Glashersteller zu verbessern. Da aufbereitete Hohlglasscherben einen erheblichen Marktpreis haben, wäre es für die Vermarkter ohnehin unwirtschaftlich, sie anders als durch Recyceln zu verwerten (BE S. 57). Eine besondere Verhandlungsmacht der Glashütten wird hierdurch nicht begründet.
170(5)
171Der Zusammenschluss ist – anders als die Beschwerde reklamiert – schließlich nicht deshalb wettbewerbsrechtlich unbedenklich, weil die Preisobergrenze für aufbereitete Hohlglasscherben bereits erreicht ist und deshalb fusionsbedingt ein zusätzlicher Preissetzungsspielraum der Zusammenschlussbeteiligten nicht eröffnet werden kann. Abgesehen davon, dass Anbieter von Hohlglasscherben nicht nur über den Preis, sondern auch über die Produktqualität sowie Produkt- und Marktinnovationen oder die Vertragskonditionen in Wettbewerb treten können, ist das Vorbringen der Beschwerde selbst unter Heranziehung der dazu vorgelegten Analysen im Privatgutachten der F.2 nicht stichhaltig und plausibel.
172(5.1)
173Die Beschwerde macht unter Bezugnahme auf das vorgelegte Privatgutachten geltend, dass die Preise für aufbereitetes Hohlglas in erster Linie von den nachfragenden Glasherstellern bestimmt werden. Die Analysen ihres Privatgutachters hätte dies – so meint sie – in dreifacher Weise empirisch belegt. Durch einen Vergleich der Produktionskosten von Behälterglas bei drei verschiedenen Produktionsszenarien (100 % Primärrohstoffeinsatz bzw. 50 % Scherbeneinsatz und 50 % Primärrohstoffeinsatz bzw. 100 % Scherbeneinsatz) werde zum ersten nahegelegt, dass sich der Preis für aufbereitete Hohlglasscherben nach den Preisen für die Primärrohstoffe richte. Durch die Tatsache, dass die Preise für nicht aufbereitete Glasscherben keinen Zusammenhang mit den Preisen für aufbereitete Glasscherben zeigen, werde zum zweiten nachgewiesen, dass die Glasaufbereiter ihre Kosten nicht ohne weiteres an die Nachfrager weitergeben können. Schließlich sei drittens festzustellen, dass die Erlöse aus dem Verkauf aufbereiteter Hohlglasscherben bei weitem nicht ausreichen, um die Kosten für die Erfassung und Aufbereitung von Verpackungsaltglas zu decken. Der Umstand, dass jene Kosten nur begrenzt auf die Glashersteller abgewälzt werden könnten, deute darauf hin, dass die Preise der Vermarktung gegeben seien und der maximal von den Glashütten zu erzielende Preis bereits erreicht sei.
174(5.2)
175Der Argumentation der Beschwerde ist nicht zu folgen.
176(a)
177Die behauptete maßgebliche Verhandlungsmacht der Glashersteller widerspricht – wie bereits ausgeführt – den Gegebenheiten des Angebotsmarktes für aufbereitete Hohlglasscherben. Sie steht insbesondere nicht in Einklang mit der Tatsache, dass die Glashütten für ihre Glasproduktion auf den Einsatz von Glasscherben angewiesen sind, weil sie den Glasscherbenanteil weder durch erhöhte Importe noch durch einen erhöhten Anteil an Primärrohstoffen reduzieren können, und aufbereitete Hohlglasscherben ein knappes Gut sind. Die Beschwerde zeigt keinen einzigen Gesichtspunkt auf, der bei dieser Ausgangslage dafür sprechen könnte, dass nicht die Glasproduzenten von den Glasaufbereitern, sondern umgekehrt die Glasaufbereiter von den Glashütten abhängig und deren Verhandlungsmacht ausgeliefert sind.
178(b)
179Das von S. vorgelegte Privatgutachten ist in diesem Zusammenhang ohne Aussagekraft. Die von den Privatgutachtern gewählten Rechen(bei)spiele sind ergebnisorientiert. Sie belegen weder die These von der Verhandlungsmacht der Glashersteller noch diejenige vom fehlenden Preissetzungsspielraum der Glasaufbereiter.
180(aa)
181Die im Gutachten der F.2 vorgenommene Simulation der Produktionskosten für die Herstellung von Behälterglas (Seiten 50 und 51 der Präsentation der F.2) ist aus mehreren Gründen nicht stichhaltig und unbrauchbar. Sie betrifft schon nicht den fusionsbetroffenen Markt für die Vermarktung von Hohlglasscherben, sondern den Angebotsmarkt für Hohlglas. Die Simulation ist zudem unplausibel. In der Simulation werden die Herstellungskosten unter Heranziehung der Kosten für Energie und der zur Glasherstellung verwendeten Materialien (Primärrohstoffe und aufbereitete Hohlglasscherben) ermittelt, wobei drei Szenarien verglichen werden, nämlich die Herstellung von Hohlglas aus 100 % Hohlglasscherben, die Produktion von Hohlglas aus 50 % Hohlglasscherben und 50 % Primärrohstoffen sowie die Hohlglasherstellung aus 100 % Primärrohstoffen. Der von den Privatgutachtern dabei festgestellte weitgehende Gleichlauf der Kosten soll als Indiz für die These dienen, dass sich die Preise für Hohlglasscherben nach den Preisen für Primärrohstoffe richten.
182Die Simulation gestattet keinen plausiblen und belastbaren Rückschluss auf die Preisbildung für aufbereitete Hohlglasscherben. Schon die vom Privatgutachter gewählten drei Herstellungsszenarien sind realitätsfern. Die Herstellung von Hohlglas, bei der ausschließlich Hohlglasscherben oder ausschließlich Primärrohstoffe verwendet werden, widerspricht der Lebenswirklichkeit. Die Beschwerde räumt ein, dass es eine maximale Scherbeneinsatzquote gibt (Rn. 332 der BB). Nach den Feststellungen des Senats (vgl. Verfügung vom 4. März 2020, Bl. 1050 GA) liegt die mittlere Scherbeneinsatzquote bei 60 % bis höchstens 90 %. Hohlglas wird also weder alleine aus Glasscherben noch zu 100 % aus Primärrohstoffen hergestellt. Auch das dritte Szenario geht mit einem jeweils hälftigen Einsatz von Hohlglasscherben und Primärrohstoffen an den tatsächlichen Gegebenheiten vorbei. Es kommt hinzu, dass das Privatgutachten die Herstellungskosten simuliert, statt sie anhand der tatsächlichen Preise von Energie, Primärrohstoffen und aufbereiteten Hohlglasscherben der letzten Jahre festzustellen und auszuweisen. Einen Grund für diese Vorgehensweise nennt das Privatgutachten nicht. Ebenso wenig legt es dar, dass die bloße Simulation der berücksichtigten Kosten keinen Einfluss auf das gefundene Ergebnis haben kann. Die Herstellungskosten für Hohlglas erschöpfen sich überdies nicht – wie in der Simulation unterstellt – in den Kosten für Energie und Primärrohstoffen, sondern umfassen beispielsweise auch Personalkosten, die Kosten für benötigte Betriebsmittel (Maschinenpark etc.) sowie fixe Kosten. Alle diese preisrelevanten Kostenpositionen lässt der Privatgutachter außer Betracht. Seine Schlussfolgerung basiert damit auf einer derart verkürzten Tatsachengrundlage, dass sie keinerlei Aussagekraft besitzt und dem Senat auch keine Veranlassung gibt, der Kostenfrage von Amts wegen nachzugehen. Die Simulation lässt schließlich unberücksichtigt, dass die Energiekosten bei der Verwertung höherer Anteile von Primärrohstoffen deutlich steigen und die Produktionsmengen sich zugleich verringern. Beide Aspekte machen zusätzlich deutlich, dass die Preise für Hohlglasscherben nicht durch die Preise für Primärrohstoffe bestimmt werden. Maßgeblich für die Preisbildung sind vielmehr die Knappheit von Hohlglasscherben, die anfallenden Aufbereitungskosten und die Wettbewerbsverhältnisse zwischen den dualen Systemen, den Glasaufbereitern und den Glasherstellern. Diese Zusammenhänge nimmt das Privatgutachten nicht ansatzweise in den Blick.
183(bb)
184Ohne Aussagekraft ist ebenso der von dem Privatgutachter für richtig gehaltene Vergleich der Preise für aufbereitete Hohlglasscherben und Rohscherben. Dass die Preise für aufbereitete Hohlglasscherben und für nicht aufbereitete Scherben keinen Zusammenhang zeigen (S. 52 der Präsentation der F.2), beweist nicht, dass für aufbereitete Glasscherben eine Preisobergrenze erreicht ist. Die unterschiedliche Preisentwicklung kann viele Ursachen haben. Nichts legt nahe, dass sie auf einer bei den aufbereiteten Hohlglasscherben erreichten Preisobergrenze beruht. Ohne Erfolg verweist die Beschwerde in diesem Kontext auf die Tatsache, dass der Preis für aufbereitete Hohlglasscherben die weitaus höheren Kosten der Sammlung und Aufbereitung von Altglas nicht deckt. Daraus ergibt sich nicht ansatzweise ein Indiz für die behauptete Preisobergrenze. Die Beschwerde verkennt die maßgeblichen wirtschaftlichen Zusammenhänge. Behälterglas wird nicht deshalb eingesammelt und aufbereitet, um die Hohlglasscherben mit Gewinn an Glashütten und andere Glashersteller verkaufen zu können. Glasscherben fallen an, weil der bundesdeutsche Gesetzgeber den Inverkehrbringern von Glasverpackungen im Verpackungsgesetz die Verpflichtung zum Einsammeln und Recyceln dieser Verpackungen auferlegt hat. Die Kosten des Einsammelns und Recycelns sind deshalb in erster Linie über die Lizensierungsentgelte von den Inverkehrbringern aufzubringen und müssen nicht von den Erlösen aus dem späteren Verkauf der aufbereiteten Glasscherben gedeckt werden.
1853.
186Anhaltspunkte, dass der Zusammenschluss zugleich Verbesserungen der Wettbewerbsbedingungen bewirkt und diese die Nachteile der Marktbeherrschung im Sinne des § 36 Abs. 1 2. Halbsatz GWB überwiegen, sind nicht ersichtlich und von der Beschwerde auch nicht dargetan.
1874.
188Das Bundeskartellamt hat es zu Recht und mit zutreffender Begründung abgelehnt, das Zusammenschlussvorhaben gemäß § 40 Abs. 3 GWB unter Nebenbestimmungen freizugeben.
189Die Zusammenschlussbeteiligten haben, soweit der hier relevante Angebotsmarkt für aufbereitete Hohlglasscherben betroffen ist, in ihrem Zusagenangebot vom 25. Juni 2019 den Verkauf der Hohlglasaufbereitungsanlagen in … und … sowie den Verzicht auf die Lohnaufbereitung der E.-Altglasmengen für fünf bis zehn Jahre angeboten. Diese Zusagen sind nicht geeignet, die gegen den Zusammenschluss bestehenden wettbewerblichen Bedenken auszuräumen.
190a)
191Nach § 40 Abs. 3 Satz 1 GWB kann die Freigabe mit Bedingungen und Auflagen verbunden werden. Bedingungen und Auflagen sind allerdings nur dann und insoweit zulässig, wie ohne diese Nebenbestimmungen der Zusammenschluss untersagt werden müsste. Die Nebenbestimmungen müssen deshalb geeignet und erforderlich sein, um die Begründung oder Verstärkung eine marktbeherrschenden Stellung zu verhindern oder zu bewirken, dass durch den Zusammenschluss auch Verbesserungen der Wettbewerbsbedingungen eintreten, die die Nachteile der Marktbeherrschung überwiegen (§ 36 Abs. 1 GWB). Da sich die Zusammenschlusskontrolle gegen strukturelle Verschlechterungen der Wettbewerbsbedingungen richtet und es bei der Feststellung der Entstehung oder Verstärkung der Marktbeherrschung in erster Linie auf strukturelle Gegebenheiten ankommt, eignen sich auch als Nebenbestimmungen grundsätzlich nur strukturelle Maßnahmen, die die Wettbewerbsbedingungen – und nicht das Wettbewerbsverhalten der beteiligten Unternehmen – beeinflussen. Das ausdrückliche Verbot, die beteiligten Unternehmen einer laufenden Verhaltenskontrolle zu unterstellen (§ 40 Abs. 3 Satz 2 GWB), verdeutlicht und konkretisiert diese durch den Gesetzeszweck vorgegebene Zielrichtung der Nebenbestimmungen (BGHZ 166, 165 Rn. 56 - DB Regio/Üstra). Veränderungen der Marktstruktur können freilich in aller Regel nur über ein bestimmtes Verhalten der Unternehmen erreicht werden. Aus diesem Grund lässt sich eine exakte Trennlinie zwischen der Beeinflussung von Wettbewerbsbedingungen und der Beeinflussung des Wettbewerbsverhaltens der unter diesen Bedingungen agierenden Unternehmen nicht ziehen. Entscheidend ist daher weniger, ob auf das Verhalten der Unternehmen eingewirkt wird, als vielmehr die Frage, ob hierdurch ein struktureller Effekt erzielt wird, der hinreichend wirksam und nachhaltig ist, um eine Verschlechterung der Wettbewerbsbedingungen durch den Zusammenschluss zu verhindern oder zu kompensieren (BGHZ 166, 165 Rn. 59 - DB Regio/Üstra).
192Unter dieser Maßgabe kommt die Freigabe unter Nebenbestimmungen nur dann in Betracht, wenn die von den Zusammenschlussbeteiligten angebotenen Auflagen und Bedingungen sicherstellen, dass die Untersagungsvoraussetzungen beseitigt werden. Dazu muss mit hinreichender Gewissheit festgestellt werden können, dass durch die Nebenbestimmungen der Eintritt der fusionsbedingt zu erwartenden Marktstrukturverschlechterung verhindert wird oder die wettbewerbsbeschränkenden Fusionswirkungen zumindest auf ein kartellrechtlich unbedenkliches Maß beschränkt werden können. Verbleibende Zweifel gehen zu Lasten der Zusammenschlussbeteiligten (Senat, Beschluss vom 12.11.2008, VI – Kart 5/08 (V))
193b)
194Die von den Zusammenschlussbeteiligten angebotenen Maßnahmen erfüllen die genannten Voraussetzungen nicht.
195aa)
196Soweit die Zusammenschlussbeteiligten den Verkauf der beiden S.-Aufbereitungsanlagen in … und … angeboten haben, bestehen durchgreifende Zweifel daran, dass diese strukturelle Maßnahme den Marktanteil der Fusionsbeteiligten auf dem Markt der Vermarktung von Hohlglasscherben dauerhaft abschmelzen wird.
197Die Beschwerde macht insoweit geltend, die Maßnahme führe gemeinsam mit der zusätzlich für fünf bis zehn Jahre angebotenen Aufgabe der Lohnaufbereitung durch E. (s. dazu noch weiter unter b)) dazu, dass sich der Marktanteil der Zusammenschlussbeteiligten signifikant verringere, da S./E. neben den Mengen, die S. in den beiden veräußerten Anlagen über All-in-Verträge aufbereitet und selbst vermarktet habe, auch die dort aufbereiteten E.-Mengen verliere, die durch Aufgabe des Geschäftsmodells bei E. der gemeinsamen Vermarktung entzogen würden. Dass die Mengen in größerem Umfang auf andere S.-Anlagen verschoben würden, sei wegen der höheren Transportkosten und weil anzunehmen sei, dass sich ein Erwerber der Aufbereitungsanlagen in … und … entweder durch langfristige Verträge mit E. gegen einen Mengenabzug absichern oder auf einen entsprechenden Abschlag beim Kaufpreis bestehen würde, nicht zu erwarten (BB Rz. 344).
198Diese Argumentation überzeugt nicht.
199Unwidersprochen kann S. nach den Feststellungen des Bundeskartellamtes aufgrund der flächendeckenden Verteilung seiner übrigen Anlagen und aufgrund der derzeit dort bestehenden Überkapazitäten die bislang in den zum Verkauf angebotenen Anlagen aufbereiteten Glasmengen in andere konzerneigene Anlagen verlagern. Aufgrund freier Kapazitäten können die bisher in … aufbereiteten Glasmengen in vollem Umfang im 57 km entfernten … und die bisher in … aufbereiteten Glasmengen vollständig im 51 km entfernten … verarbeitet werden (AE Rn. 517). Gründe, die eine solche Verlagerung der Aufbereitungsmengen ausschließen oder zumindest zu einem hohen Grad unwahrscheinlich machen, liegen nicht vor. Angesichts der nur geringen Mehrstrecke von jeweils etwa 50 Kilometern ist es bei vernünftiger und lebensnaher Betrachtung weder aus Kostengründen noch aus ökologischen Gründen ausgeschlossen oder auch nur überwiegend wahrscheinlich, dass S. auf eine Verlagerung der Aufbereitungsmengen – und damit auf seine starke Stellung auf dem Vermarktungsmarkt – verzichten wird. Den damit verbundenen höheren Transportkosten und längeren Anlieferungszeiten stehen Vorteile aus einer besseren Auslastung der Anlagen in … und … sowie zusätzliche Gewinne aus der eigenen Vermarktung der aufbereiteten Hohlglasscherben gegenüber. Dass diese Vorteile hinter den Nachteilen aus den rund 50 km längeren Transportwegen zurückbleiben, legt die Beschwerde nicht dar. Auch sonstige (etwa ökonomische oder ökologische) Umstände, die gegen die in Rede stehende Verschiebung der Aufbereitungsmengen aus … und … sprechen können, zeigt die Beschwerde nicht auf.
200bb)
201Auch der von E. für einen Zeitraum von fünf bis zehn Jahren angebotene Verzicht auf die Durchführung von Lohnaufbereitungen ist nicht geeignet, den Marktanteil der Fusionsbeteiligten auf dem Markt der Vermarktung von Hohlglasscherben dauerhaft abzuschmelzen.
202Die Zusage macht eine laufende Verhaltenskontrolle der fusionierten Einheit erforderlich, weshalb eine Freigabe des Zusammenschlussvorhabens unter dieser Auflage gemäß § 40 Abs. 3 S. 2 GWB schon unzulässig ist.
203Die Zusage ist darüber hinaus inhaltlich nicht geeignet, die Fusionswirkungen auf ein kartellrechtlich unbedenkliches Maß abzumildern. Sie beschränkt sich darauf, dass E. für einen Zeitraum von fünf bis zehn Jahren aus dem Angebotsmarkt für aufbereitete Hohlglasscherben ausscheiden und die betreffende Scherbenmenge fortan im Rahmen von All-Inklusive-Verträgen an Glasaufbereiter überlassen wird. Mit dem Verzicht auf die Lohnaufbereitung für E. haben die Zusammenschlussbeteiligten allerdings nicht zugleich das Angebot verknüpft, die E.-Mengen an dritte Wettbewerber zu verkaufen. Angesichts der bei S. vorhandenen freien Kapazitäten können die in Rede stehenden Mengen vollständig als „All-in-Verträge“ in die verbleibenden S.-Anlagen verlagert werden. Aus der Aufgabe der Lohnaufbereitung folgt – anders als die Beschwerde glauben machen will – deshalb keineswegs der Verkauf der E.-Mengen an konkurrierende Aufbereiter der S.. Selbst wenn S. seine Aufbereitungsanlagen in … und … verkauft, stehen in … und … weitere Standorte des Unternehmens zur Verfügung, die die E.-Mengen aufnehmen können. Eine solche Verlagerung ist durch nichts ausgeschlossen. Insbesondere ist es vollkommen offen, ob es den Erwerbern der Anlagen in … und … gelingt, mit E. einen langfristigen Vertrag über die bislang dort aufbereiteten Glasmengen abzuschließen. Es kommt hinzu, dass bisher etwas mehr als die Hälfte der E.-Scherbenmenge von E. und der Rest von Wettbewerbern aufbereitet werden. Diese Wettbewerbermenge kann E. im Rahmen von All-Inklusive-Verträgen künftig ohnehin an S. vergeben.
204C.
205Sind damit die Untersagungsvoraussetzungen des § 36 Abs. 1 GWB jedenfalls hinsichtlich der Vermarktung von Hohlglasscherben erfüllt, weil der Zusammenschluss hier zum Entstehen einer marktbeherrschenden Stellung der Zusammenschlussbeteiligten führt, ist die Entscheidung des Bundeskartellamtes, den Zusammenschluss zu untersagen, schon unter diesem Aspekt rechtmäßig. Es kann dahinstehen, inwieweit Untersagungsvoraussetzungen daneben auch auf dem Markt für duale Systeme erfüllt sind.
206III.
207Die Beteiligte zu 1. hat als unterlegene Partei die gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen und dem Bundeskartellamt in der Beschwerdeinstanz zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten (§ 78 GWB).
208Sie hat darüber hinaus auch die notwendigen Auslagen der Beigeladenen zu 2. im Beschwerdeverfahren zu tragen.
2091.
210Ist die Beigeladene nicht selbst Rechtsmittelführer, gilt der Grundsatz, dass sie weder mit den gerichtlichen Kosten noch mit den Verfahrenskosten anderer Verfahrensbeteiligter zu belasten ist. Andererseits ist ihr aber auch ein Anspruch auf Erstattung ihrer außergerichtlichen Kosten nur unter besonderen Umständen zuzuerkennen. Über die Erstattungsfähigkeit ihrer eigenen außergerichtlichen Kosten ist unter Heranziehung des § 162 Abs. 3 VwGO nach Billigkeitsgesichtspunkten zu entscheiden. Danach genügt es für die Zubilligung eines Kostenerstattungsanspruchs nicht, dass die Beigeladene im Beschwerdeverfahren mit ihrem Standpunkt durchgedrungen ist. Eine Kostenerstattungspflicht durch den unterlegenen Verfahrensbeteiligten kommt aus Billigkeitsgründen vielmehr nur dann in Betracht, wenn die Beigeladene am Ausgang des Verfahrens besonders interessiert war und die Angelegenheit durch (schriftsätzlichen oder mündlichen) Vortrag oder auf andere Weise in der Beschwerdeinstanz wesentlich gefördert hat (BGH, WuW/E BGH 2627 - Sportübertragungen; Senat, Beschluss vom 15.3.2017, VI-Kart 4/16 (V); Senat, Beschluss vom 30.6.2015, VI - Kart 4/15 (V), Umdruck Seite 3).
2112.
212Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Die Beigeladene zu 2. hat als C.2 als Interessenvertreterin der auf den streitgegenständlichen Märkten tätigen Unternehmen ein erhebliches Interesse am Ausgang des Verfahrens. Sie hat ferner sowohl im Verwaltungsverfahren als auch im Beschwerdeverfahren in den Schriftsätzen vom 13. Dezember 2019 (Bl. 401 ff. GA) und 12. Februar 2020 (Bl. 995 ff. GA) umfassend zur Sache vorgetragen. Dabei hat sich ihr Vorbringen nicht in der Wiederholung der Gründe der Amtsentscheidung erschöpft. Vielmehr hat die Beigeladene sich mit der Argumentation der Beteiligten zu 1. ausführlich auseinandergesetzt und ihre abweichende eigene Auffassung stichhaltig und umfassend begründet. Dass ihre Argumente sich teilweise mit denen des Bundeskartellamtes decken, liegt in der Natur der Sache begründet und führt nicht dazu, dass von eigenen Beiträgen der Beigeladenen im Verfahren nicht ausgegangen werden könnte.
213IV.
214Die Entscheidung, die Rechtsbeschwerde nicht zuzulassen, beruht auf § 74 Abs. 2 GWB. Die Voraussetzungen für die Zulassung einer Rechtsbeschwerde liegen nicht vor. Der Senat hat den Streitfall auch der Grundlage der höchstrichterlichen Rechtsprechung entschieden. Rechtsgrundsätzliche Fragen stellen sich nicht.
215Die Wertfestsetzung für das Beschwerdeverfahrens folgt aus § 39 II GKG.
216Prof. Dr. Kühnen Poling-Fleuߠ Dr. Mis-Paulußen
217Rechtsmittelbelehrung:
218Die Hauptsachenentscheidung kann nur aus den in § 74 Abs. 4 GWB genannten absoluten Rechtsbeschwerdegründen mit der Rechtsbeschwerde angefochten werden. Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Frist von einem Monat schriftlich beim Oberlandesgericht Düsseldorf, Cecilienallee 3, 40474 Düsseldorf, einzulegen. Die Frist beginnt mit der Zustellung dieser Beschwerdeentscheidung. Die Rechtsbeschwerde ist durch einen beim Beschwerdegericht oder Rechtsbeschwerdegericht (Bundesgerichtshof) einzureichenden Schriftsatz binnen zwei Monaten zu begründen. Diese Frist beginnt mit der Zustellung der angefochtenen Verfügung und kann auf Antrag des Vorsitzenden des Rechtsbeschwerdegerichts verlängert werden. Die Begründung der Rechtsbeschwerde muss die Erklärung enthalten, inwieweit die Beschwerdeentscheidung angefochten und ihre Abänderung oder Aufhebung beantragt wird. Die Rechtsbeschwerdeschrift und die Rechtsbeschwerdebegründung müssen durch einen bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein.
219Gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde ist die Nichtzulassungsbeschwerde gegeben. Diese ist binnen einer Frist von einem Monat schriftlich beim Oberlandesgericht Düsseldorf einzulegen. Die Frist beginnt mit der Zustellung dieser Beschwerdeentscheidung. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist durch einen beim Oberlandesgericht Düsseldorf oder beim Bundesgerichtshof einzureichenden Schriftsatz binnen zwei Monaten zu begründen. Diese Frist beginnt mit der Zustellung der angefochtenen Verfügung und kann auf Antrag von dem Vorsitzenden des Rechtsbeschwerdegerichts (Bundesgerichtshof) verlängert werden. Die Begründung muss die Erklärung enthalten, inwieweit die Beschwerdeentscheidung angefochten und ihre Abänderung oder Aufhebung beantragt wird. Die Nichtzulassungsbeschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass die Beschwerdeentscheidung auf einer Verletzung des Gesetzes beruht. Die Nichtzulassungsschrift und –begründung müssen durch einen bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein.
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Referenzen
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- GWB § 70 Untersuchungsgrundsatz 1x
- § 39 II GKG 1x (nicht zugeordnet)
- VwVfG § 30 Geheimhaltung 1x
- § 7 Abs. 1 VerpackG 1x (nicht zugeordnet)
- VwVfG § 29 Akteneinsicht durch Beteiligte 4x
- GWB § 40 Verfahren der Zusammenschlusskontrolle 3x
- VI Kart 5/16 1x (nicht zugeordnet)
- GWB § 18 Marktbeherrschung 5x
- § 6 Abs. 3 VerpackV 1x (nicht zugeordnet)
- GWB § 74 Zulassung, absolute Rechtsbeschwerdegründe 2x
- GWB § 78 Kostentragung und -festsetzung 1x
- GWB § 72 Akteneinsicht 1x
- GWB § 36 Grundsätze für die Beurteilung von Zusammenschlüssen 7x