Beschluss vom Oberlandesgericht Düsseldorf - 3 WF 166/21
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 29.10.2021 gegen den Beschluss des Amtsgerichts -Familiengericht- Kleve vom 29.09.2021 (5 F 79/21) wird zurückgewiesen.
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Gründe:
2Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.
3Das Amtsgericht hat mit der angefochtenen Entscheidung der Antragstellerin für das von ihr beabsichtigte Scheidungsverfahren die beantragte Verfahrenskostenhilfe mit der Begründung verweigert, die Antragstellerin sei nicht bedürftig im Sinne von § 115 ZPO .V.m. § 76 Abs. 1FamFG / i.V.m. § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG. Es hat darauf abgestellt, die Antragstellerin sei in der Lage, die Kosten der Verfahrensführung aus dem Einkommen oder dem Vermögen zu bestreiten. Zur weiteren Begründung hat das Amtsgericht angeführt, die Antragstellerin habe in Kenntnis der Notwendigkeit eines Scheidungsverfahrens aus der Auflösung einer Lebensversicherung einen Betrag in Höhe von 11.00,-- € , den zur zunächst zur Deckung der Verfahrenskosten hätte einsetzten müssen. Es sei nicht erkennbar, dass dieser zum Lebensunterhalt verbraucht worden sei, insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Antragstellerin selbst im Verfahren 5 F 133/20 angegeben habe, hiervon einen PKW im Wert von 8.000,-- € angeschafft zu haben, obwohl ihr ein solcher bereits zur Verfügung gestanden habe.
4Im Hinblick auf das Vorbringen der Antragstellerin in der Schrift vom 17.11.2021 zur Begründung der gegen die Verfahrenskostenhilfeverweigerung eingelegten sofortigen Beschwerde, hat das Amtsgericht in der Nichtabhilfeentscheidung vom 06.12.2021 ausgeführt, das Vorbringen der Antragstellerin , sie habe den Betrag aus der Lebensversicherung zur Deckung ihres eigenen Unterhalts verbraucht, treffe vor dem Hintergrund ihrer eigenen Aussage, mit dem Erlös aus der Lebensversicherung einen PKW angeschafft zu haben, nicht zu. Die Anschaffung sei jedoch überflüssig gewesen, da ihr ein weiteres Fahrzeug zur Verfügung gestanden habe. Auch habe sie ein Fahrzeug nicht benötigt, soweit sie keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen sei.
5Die Angriffe der sofortigen Beschwerde im Rahmen der Begründung des Rechtsmittels wie im weiteren Schriftsatz vom 28.02.2022 geben im Ergebnis keinen Anlass, von der Rechtsauffassung des Amtsgerichts im Hinblick auf die für die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe erforderliche Bedürftigkeit zugunsten der Antragstellerin abzuweichen. Auszugehen ist von folgenden rechtlichen Grundlagen:
6Zutreffend und von der sofortigen Beschwerde auch nicht in Abrede gestellt ist, dass die Antragstellerin in dem durch die Auflösung einer Lebensversicherung einen Betrag von ca. 11.000,-- € erlangt hat, wie sie in dem mündlichen Verhandlung vom 10.02.2021 in dem Verfahren 5 F 133/20 eingeräumt hat. Dieser Betrag musste, soweit er das durch §§ 115 Abs. 3 ZPO, 90 SGB XII iVm § 1 Nr. 1 der Verordnung zur Durchführung des § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII (BGBl. 2017 I S. 519) festgelegte Schonvermögen von (jetzt) 5.000 € an kleineren Barbeträgen oder sonstigen Geldwerten übersteigt, als zwischenzeitlich erworbenes Vermögen grundsätzlich zur Bestreitung der Kosten des Scheidungsverfahrens, mit dem die Antragsstellerin rechnen musste, zurückgelegt werden (vgl. BGH, Beschluss vom 25. November 1998 - XII ZB 117/98 - FamRZ 1999, 644; Beschluss vom 20. Juni 2018 – XII ZB 636/17 –, juris Rn. 6ff).
7Obgleich der durch die Auflösung der Lebensversicherung eingenommene Betrag von 11.000,-- € nach der Darstellung der Antragstellerin nicht mehr vorhanden ist, muss ihn sich die Antragsstellerin als fiktives Vermögen zurechnen lassen, soweit sie ihre Leistungsunfähigkeit durch Vermögen aufzehrende Ausgaben böswillig herbeigeführt hat.
8Sind nämlich Rechtsverfolgungskosten absehbar, darf vorhandenes Vermögen nicht mehr leichtfertig für nicht unbedingt notwendige Zwecke ausgegeben werden. Geschieht dies gleichwohl, muss sich der Antragsteller nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die ausgegebene Summe als fiktives Vermögen anrechnen lassen und kann sich insoweit auch nicht mehr auf den Schonbetrag nach § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII berufen (vgl. BGH Beschlüsse vom 25. November 1998 - XII ZB 117/98 - FamRZ 1999, 644 und vom 30. September 2009 - XII ZB 135/07 - FamRZ 2009, 1994 Rn. 11; BGH Beschluss vom 21. September 2006 - IX ZB 305/05 - NJW-RR 2007, 628 Rn. 7; Beschluss vom 20. Juni 2018 – XII ZB 636/17 –, juris Rn. 10).
9Dies steht im Einklang mit dem sozialhilferechtlichen Grundsatz, dass zum Ersatz der Sozialhilfeleistungen verpflichtet ist, wer die Voraussetzungen für deren Gewährung durch vorsätzliches oder grobfahrlässiges Verhalten herbeigeführt hat (§ 103 Abs. 1 SGB XII; vgl. Beschluss vom 20. Juni 2018 – XII ZB 636/17 –, juris Rn. 10; OLG Karlsruhe NJW-RR 1986, 799; MünchKommZPO/Wache 5. Aufl. § 115 Rn. 61). Nach dem Rechtsgedanken dieser Vorschrift ist Sozialwidrigkeit anzunehmen, wenn das maßgebliche Verhalten eine ersatzlose Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts aus Steuermitteln als unbillig erscheinen lässt, weil dann die Solidargemeinschaft vorwerfbar entgegen geforderter Eigenbemühungen in Anspruch genommen würde (BeckOK SozR/Adams [Stand: 1. März 2018] SGB XII § 103 Rn. 1).
10Der Anwendung dieser Grundsätze und damit der Berücksichtigung der 11.000,-- € als fiktives Vermögen steht nicht das weitere Vorbringen der Antragstellerin im Schriftsatz vom 28.01.2022 entgegen.
11Unbeachtlich ist der Einwand der Antragstellerin sie habe Leistungen nach dem SGB II beantragen müssen, da sie über keine Einkünfte verfügt habe und sei vom Jobcenter verpflichtet worden, die bestehende Lebensversicherung aufzulösen. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang nicht, die Auflösung der Lebensversicherung als solche, sondern die Frage der Ausgabe des hieraus erlangten Betrages nicht nur für das Bestreiten der unbedingt notwendigen Ausgaben des Lebensunterhalts sondern auch für sonstige nicht zwingend erforderliche Anschaffungen. Als solche ist die Anschaffung des PKW für 8.499,-- € entsprechend der von der Antragstellerin im sofortigen Beschwerdeverfahren vorgelegten Barzahlungsquittung anzusehen.
12Das Vorbringen der Antragstellerin, der Antragsgegner habe ihr gegenüber die Herausgabe des von ihr gefahrenen PKW gefordert und sie - die Antragstellerin - sei vom Jobcenter konkret angehalten worden, für ihre anstehende Stellensuche mobil zu sein, ist ohne hinreichende Substanz, pauschal und im Übrigen nicht glaubhaft gemacht. Wann der Antragsgegner die Herausgabe des bisher von ihr genutzten PKW verlangt habe, trägt die Antragstellerin nicht ansatzweise vor. Zudem ist die vorgetragene Aufforderung des Jobcenters, bei der anstehenden Jobsuche mobil zu sein, keineswegs gleichzusetzen mit einer Erklärung, für jegliche ihr - der Antragstellerin - unterbreitete Anstellungsangebote ein eigenes Fahrzeug vorhalten zu müssen.
13Unbehelflich ist auch der Hinweis der Antragstellerin darauf, dass ein PKW selbst nach den Maßgaben des SGB II zum geschützten Vermögen gehöre, wenn gewisse Werte nicht überschritten würden (§ 12 Abs. 3 Nr. 2 SGB II). Der obigen Bewertung des Erwerb des PKW steht nämlich nicht entgegen, dass das erworbene Fahrzeug, wäre es zur Zeit der Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe bereits vorhanden gewesen, möglicherweise als Schonvermögen gemäß § 115 Abs. 3 ZPO in Verbindung mit § 90 Abs. 2 Nr. 5 SGB XII geschützt gewesen wäre (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Juli 2007 – XII ZA 11/07 –,
14FamRZ 2007, 1720 Rn. 16 f. für nachträglich angeschafftes Wohneigentum). Ausgangspunkt ist, dass derjenige der Prozesskosten- oder Verfahrenskostenhilfe begehrt, bei absehbaren Anfall von Rechtsverfolgungskosten bereits vorhandenes Vermögen nur für unbedingt notwendige Zwecke ausgeben darf und ansonsten hiervon die Rechtsverfolgung bestreiten muss.
15Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist auch im konkreten Fall von einer sie treffenden Obliegenheit auszugehen, eine Rücklage für die Kosten des Scheidungsverfahrens aus dem aus der Kündigung der Lebensversicherung erlangten Betrages zu bilden. Nach eigener Darstellung ist die Trennung im Januar 2019 erfolgt. Mit Blick auf das Datum des vorgelegten und von der Antragstellerin in Bezug genommene Schreibens des Jobcenter vom 25.02.2020 ist anzunehmen, dass erst nachfolgend die Antragstellerin die Lebensversicherung gekündigt und den in Rede stehenden Betrag von ca. 11.000,--€ erlangt hat. Bei diesem zeitlichen Ablauf hatte die Antragstellerin jeglichen Anlass gehabt, für das jederzeit mögliche Scheidungsverfahren einen entsprechenden Betrag für die hierbei anfallenden Rechtsverfolgungskosten zurückzuhalten.
16Soweit die Antragstellerin in der Beschwerdeschrift auch Tierarztkosten sowie Autoreparaturkosten angeführt hat, ist darauf zu verweisen, dass diese ausweislich der jeweiligen Rechnungsdaten noch im Jahre 2019 angefallen waren und nicht dargelegt, belegt und glaubhaft gemacht worden ist, inwieweit diese noch und wenn ja in welcher Höhe zum Zeitpunkt der Kündigung der Lebensversicherung noch zu begleichen gewesen waren.
17Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, §§ 127 Abs. 4 ZPO i. V. m. 76 Abs. 1 bzw. 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG.
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Referenzen
- 5 F 79/21 1x (nicht zugeordnet)
- IX ZB 305/05 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 115 Einsatz von Einkommen und Vermögen 2x
- XII ZA 11/07 1x (nicht zugeordnet)
- § 103 Abs. 1 SGB XII 1x (nicht zugeordnet)
- § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII 2x (nicht zugeordnet)
- XII ZB 636/17 3x (nicht zugeordnet)
- XII ZB 117/98 2x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 127 Entscheidungen 1x
- §§ 115 Abs. 3 ZPO, 90 SGB XII 2x (nicht zugeordnet)
- § 90 Abs. 2 Nr. 5 SGB XII 1x (nicht zugeordnet)
- FamFG § 113 Anwendung von Vorschriften der Zivilprozessordnung 1x
- XII ZB 135/07 1x (nicht zugeordnet)
- 5 F 133/20 2x (nicht zugeordnet)
- § 12 Abs. 3 Nr. 2 SGB II 1x (nicht zugeordnet)