Urteil vom Oberlandesgericht Hamm - 4 UF 15/99
Tenor
1
Tatbestand:
2Die am 19.05.1972 geborene Klägerin und der am 11.10.1968 geborene Beklagte sind getrennt lebende Eheleute. Die Klägerin lebt seit Juni 1998 nicht mehr in der ehelichen Wohnung. Die Parteien haben ein gemeinsames Kind, und zwar den am 04.05.1995 geborenen Sohn R . Die Klägerin ist als Verkäuferin teilzeitbeschäftigt. Sie hat den Beklagten auf Zahlung von Kindesunterhalt und Trennungsunterhalt für die Zeit ab Juli 1998 in Anspruch genommen. Der Beklagte, der in erster Instanz anwaltlich nicht vertreten war, hat sich auf Kreditverbindlichkeiten berufen.
3Durch das angefochtene Urteil, auf welches verwiesen wird, hat das Amtsgericht den Beklagten verurteilt, an Kindesunterhalt für Juli 1998 508,00 DM und ab August 1998 monatlich 288,00 DM, sowie ab Juli 1998 973,00 DM monatlichen Trennungsunterhalt zu zahlen. Das Amtsgericht hat das Einkommen des Beklagten auf 3.390,00 DM bemessen, davon Darlehensverbindlichkeiten in Höhe von 355,00 DM und 64,00 DM abgezogen und ist so zu einem Einkommen von 2.971,00 DM gelangt. Danach hat es den Kindesunterhalt auf einen Tabellenbetrag von 398,00 DM bemessen, für Juli 1998 110,00 DM Kindergeld hinzugerechnet und für die Zeit danach 110,00 DM Kindergeld abgezogen, weil der Beklagte bis Juli und die Klägerin ab August das Kindergeld bezogen habe. Nach Abzug des Tabellenbetrages von 398,00 DM und beruflichen Aufwendungen von 100,00 DM von dem Ausgangsbetrag von 2.971,00 DM hat das Amtsgericht der Klägerin 973,00 DM zugesprochen, weil eine höhere Leistungsfähigkeit nicht gegeben sei. Den Eigenverdienst der Klägerin hat das Amtsgericht außer Betracht gelassen, da die Tätigkeit überobligatorisch sei.
4Gegen diese Entscheidung wendet sich der Beklagte mit der Berufung, mit der er den Kindesunterhalt ab Januar 1999 angreift, da er das inzwischen höhere Kindergeld berücksichtigt wissen will. Den Trennungsunterhalt greift er für die Zeit ab Juni 1998 an und trägt zur Begründung vor, das Amtsgericht habe einen weiteren Kredit mit einer monatlichen Rate von 64,70 DM, den er bei der C für eine Waschmaschine aufgenommen habe, unberücksichtigt gelassen. Außerdem sei es unzutreffend, daß das Amtsgericht den Verdienst der Klägerin außer Betracht gelassen habe, obwohl die Klägerin selbst in der Klageschrift sich 300,00 DM anrechnen lassen wolle. Sein eigenes Einkommen sei um den Gewerkschaftsbeitrag von 28,00 DM noch zu vermindern. 1999 sei das Einkommen geringer wegen Wechsel der Steuerklasse und weil Sonderzahlungen wie in 1998 nicht mehr flössen. Der Beklagte ist der Auffassung, das Einkommen der Klägerin sei im Wege der Differenzmethode in die Unterhaltsberechnung einzubeziehen, weil sie auch während des Zusammenlebens gearbeitet habe, und der Sohn von 7.30 Uhr bis 12.30 Uhr den Kindergarten besuche.
5Der Beklagte beantragt,
6unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen, soweit er verurteilt worden sei, an die Klägerin Kindesunterhalt für R ab Januar 1999 von mehr als monatlich 273,00 DM
7und Trennungsunterhalt für die Klägerin von Juli bis Dezember 1998 von mehr als monatlich 842,00 DM und ab Januar 1999 von mehr als monatlich 415,00 DM zu zahlen.
8Die Klägerin beantragt,
9die Berufung zurückzuweisen.
10Sie ist der Auffassung, es könnten nur der Gewerkschaftsbeitrag von 28,00 DM und Fahrtkosten für eine Entfernung von 5 km = 77,00 DM in Abzug gebracht werden. Sie ist ferner der Auffassung, daß ihre Berufstätigkeit nur hälftig angerechnet werden könne, da sie überobligationsmäßig erfolge. Sie meint, daß ein über 300,00 DM hinausgehendes Einkommen außer Betracht zu lassen sei.
11Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Parteien sind gem. § 141 ZPO in der mündlichen Verhandlung persönlich angehört worden.
12Entscheidungsgründe:
13Die Berufung ist zum Teil begründet.
14Das Einkommen des Beklagten im Jahre 1998 ist der Dezember-Abrechnung zu entnehmen. Nach Berücksichtigung der gesetzlichen Abzüge verbleibt ein monatlicher Betrag von 3.683,00 DM. In Abzug zu bringen sind der Gewerkschaftsbeitrag mit 28,00 DM und Fahrtkosten von 77,00 DM, insgesamt also 105,00 DM. Dies ist bei der Erörterung unter den Parteien unstreitig geworden. In Abzug zu bringen sind weiterhin 35,00 DM vermögenswirksame Leistungen sowie Kredite mit einer monatlichen Rate von 355,02 DM, 64,00 DM und 64,70 DM. Auch insoweit ist zwischen den Parteien nach der Erörterung in der mündlichen Verhandlung nicht mehr streitig, daß diese Kreditraten bestehen und von dem Beklagten bedient werden. Hinzuzurechnen ist eine Steuererstattung von 25,11 DM. Daraus ergibt sich ein Einkommen des Beklagten von 3.084,98 DM. Der Kindesunterhalt mit dem Tabellenbetrag von 398,00 DM ist zwischen den Parteien ebenfalls nicht umstritten. Die Berufung des Beklagten hat insofern Erfolg, als ab Januar 1999 von diesem Tabellenbetrag das Kindergeld mit dem hälftigen Betrag von 125,00 DM in Abzug zu bringen ist, so daß ein Zahlbetrag von 273,00 DM verbleibt.
15Nach Abzug des Tabellenbetrages vom errechneten Einkommen des Beklagten verbleiben noch 2.686,98 DM. Daraus ergibt sich ein Bedarf der Klägerin von 3/7 = 1.151,76 DM.
16Entgegen der von dem Beklagten vertretenen Auffassung sind die Eigeneinkünfte der Klägerin nicht im Wege der Differenzmethode in die Unterhaltsberechnung einzubeziehen, weil sie die ehelichen Lebensverhältnisse nicht geprägt haben. Wenngleich die Klägerin auch während des Zusammenlebens bereits ihre jetzige Tätigkeit ausgeübt und mit ihrem Verdienst zu den Einkünften beigesteuert hat, hat eine Prägung der ehelichen Lebensverhältnisse dadurch nicht nachhaltig stattgefunden. Eine Prägung ehelicher Lebensverhältnisse kann nur durch solche Einkünfte erfolgen, von denen feststeht, daß sie nachhaltig erzielt werden können und nicht unter Umständen plötzlich aufgegeben werden müssen. Die Eheleute können nämlich nicht die Gestaltung ihrer Lebensverhältnisse auch nur teilweise durch solche Einkünfte bestimmen lassen, deren Fortbestehen mit erheblichen Unsicherheitsfaktoren behaftet ist. Eheprägende Einkünfte in diesem Sinne hat die Klägerin aber nicht erzielt und erzielt sie auch weiterhin nicht. Denn ihre Tätigkeit übt sie aus, obwohl ihr die Betreuung des gemeinsamen Kindes obliegt. Zwar kann sie ihrer Berufstätigkeit nachgehen, solange das Kind den Kindergarten besucht. Unsicherheiten ergeben sich aber daraus, daß das Kind krank werden kann und den Kindergarten nicht aufsucht und sie deshalb genötigt ist, bei dem Kind zu weilen. Darüber hinaus ist die Betreuungssituation ohnehin unsicherer, sobald das Kind in die Schule kommt, weil vor allem in den unteren Schulklassen der Grundschule oft unregelmäßiger Unterricht stattfindet und auch bei Krankheit eine Betreuung für das Kind zu Hause erforderlich ist. Aus dieser Situation ergibt sich für die Klägerin unter Umständen die Notwendigkeit, zu jeder Zeit damit rechnen zu müssen, in stärkerem Umfange als bisher für das Kind da zu sein und ihre Berufstätigkeit zurückzustecken und unter Umständen sogar ganz aufzugeben. Daß das Kind zur Zeit während ihrer Abwesenheit zeitweilig von der Großmutter betreut wird, ändert daran nichts wesentliches. Auch die Großmutter steht nicht zwangsläufig immer zur Verfügung; ob das Kind in einem solchen Fall einer anderen Betreuungsperson anvertraut werden könnte, ist spekulativ und kann nicht zugrundegelegt werden. Damit steht fest, daß aus der Betreuungssituation für das Kind eine nachhaltige Prägung der Einkünfte der Klägerin nicht angenommen werden kann, ganz abgesehen davon, daß die Klägerin als betreuender Elternteil bei einem Kind diesen Alters ohnehin nicht verpflichtet wäre, neben der Betreuung einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, auch wenn für das Kind eine anderweitige Betreuungsmöglichkeit besteht. Wegen der Unzumutbarkeit und der mangelnden Prägung der ehelichen Lebensverhältnisse können deshalb ihre Einkünfte nicht im Wege der Differenzmethode berücksichtigt werden (vgl. BGH FamRZ 1993, 146). Auf den so ermittelten Bedarf der Klägerin von 1.151,76 DM sind die Eigeneinkünfte in entsprechender Anwendung des § 1577 Abs. 2 BGB anzurechnen. Da hier keine besondere Gesichtspunkte geltend gemacht worden sind, erscheint es gerechtfertigt, die Hälfte des Eigenverdienstes auf den Bedarf anzurechnen. Dabei ist zuvor jedoch der Erwerbstätigenbonus der Klägerin anrechnungsfrei zu belassen. Bei im Senatstermin unstreitig gewordenen Einkünften von 677,00 DM ergibt sich nach Abzug des Erwerbstätigenbonus noch ein Betrag von 580,28 DM, der mit der Hälfte = 290,14 DM anzurechnen ist. Es bleibt dann noch ein Anspruch in Höhe von rund 861,00 DM übrig. Eine hälftige Anrechnung des Eigenverdienstes der Klägerin erscheint deswegen angemessen, weil dadurch der Klägerin der Erwerbstätigenbonus verbleibt und im übrigen der Vorteil ihrer Tätigkeit beiden Parteien in gleicher Weise zugute kommt. Die Klägerin hat damit insgesamt 861,00 DM + 677,00 DM zur Verfügung, also insgesamt Beträge, die oberhalb der als notwendiger Selbstbehalt angesehenen finanziellen Mitteln von 1.500,00 DM liegen, wodurch ihr Lebensunterhalt gesichert ist.
17Für die Zeit von Januar bis September 1999 ergeben sich Änderungen im Einkommen des Beklagten durch Steuerklassenwechsel, wodurch eine Einkommenseinbuße beim Beklagten von etwa 629,00 DM anzunehmen ist. Dies ergibt sich aus einem Vergleich der Juli-Abrechnungen für 1998 und 1999. Dies bedeutet, daß nach Abzug des Kindesunterhalts das Einkommen des Beklagten nicht mehr 2.686,98 DM, sondern lediglich noch 2.057,98 DM beträgt. Daraus leitet sich ein Bedarf der Klägerin von 3/7 = 881,99 DM ab. Darauf ist nach § 1577 Abs. 2 BGB das Eigeneinkommen anzurechnen. Nach den Erörterungen im Senatstermin ist das Einkommen der Klägerin auf etwa 580,00 DM gesunken. Nach Abzug des Erwerbstätigenbonus verbleiben davon noch 497,14 DM. Die Hälfte davon = 248,57 DM ist auf den Bedarf anzurechnen, so daß noch ein Restbedarf von 633,42 DM besteht. Jedoch beträgt die Leistungsfähigkeit des Beklagten lediglich rd. 558,00 DM (2.057,98 DM abzüglich notwendiger Selbstbehalt von 1.500,00 DM). Damit ist der Unterhaltsanspruch für diesen Zeitraum auf 558,00 DM zu ermäßigen.
18Von Oktober 1999 bis Dezember 1999 ergibt sich eine Änderung daraus, daß die Kreditrate in Höhe von 64,70 DM entfällt, so daß die Leistungsfähigkeit des Beklagten auf rund 623,00 DM steigt.
19Für die Monate Januar und Februar 2000 kann der Beklagte das Realsplitting geltend machen, da ein monatlicher Unterhaltsbetrag von mindestens 600,00 DM als gesichert feststeht. Bei einem Grenzsteuersatz von etwa 40 % ergibt sich dadurch eine Steuerersparnis für den Beklagten von rund 240,00 DM. Das Einkommen des Beklagten beträgt damit 2.057,98 DM + 240,00 DM Steuerersparnis + 64,70 DM Wegfall einer Kreditrate, so daß das Einkommen des Beklagten 2.362,68 DM beträgt. Daraus ergibt sich ein Bedarf für die Klägerin von 1.012,57 DM. Darauf sind 248,57 DM anzurechnen, so daß sich ein Restbedarf von rund 764,00 DM ergibt.
20Für die Zeit ab März 2000 fällt auch die größere Kreditrate mit 355,02 DM weg. Dadurch erhöht sich das Einkommen des Beklagten von 2.364,70 DM auf 2.717,70 DM. Daraus ergibt sich ein Bedarf der Klägerin von 1.164,28 DM. Unter Anrechnung von Eigeneinkünften von 248,57 DM verbleibt ein Restanspruch von 916,00 DM.
21Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 708 Ziff. 10 ZPO.
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