Urteil vom Oberlandesgericht Hamm - 31 U 126/14
Tenor
Die Berufung der Kläger gegen das am 22. August 2014 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht zuvor die Beklagte Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Gründe
2 3A)
4Die Parteien streiten über die Rückabwicklung eines Darlehensvertrags nach einem von den Klägern erklärten Widerruf des Darlehensvertrags. Diesen schlossen die Parteien am 09.02.2006 in einer Geschäftsstelle der Beklagten. Der Darlehensvertrag über eine Summe von 143.000 € diente den Klägern zum Erwerb der Immobilie C-Straße in C. Dem Darlehensvertrag ist auf einem gesonderten Blatt eine Widerrufsbelehrung beigefügt, wegen deren Einzelheiten der Senat Bezug nimmt auf GA 14 d.A. Das Darlehen erhielten die Kläger Ende März 2006 abzüglich eines Bearbeitungsentgeltes/CAP-Prämie i.H.v. 1.430 € und einer Wertermittlungsgebühr i.H.v. 400 € i.H.v. 141.170 € ausbezahlt. Ab April 2006 bis Ende August 2012 erbrachten die Kläger die vertraglich geschuldeten Zins- und Tilgungsleistungen in Höhe von monatlich 782,71 €. Die Zinsbindungsfrist betrug 7 Jahre. Da die Kläger den Vertrag wegen Arbeitslosigkeit des Klägers danach nicht mehr bedienen konnten, wurde die Immobilie am 28.02.2013 wieder veräußert. Die Beklagte erklärte sich mit einer vorzeitigen Rückführung des Darlehens gegen Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung i.H.v. 11.192,62 € und eines Bearbeitungsentgelts i.H.v. 300 € einverstanden. Sie erhielt Ende April 2013 aus dem Hausverkauf insgesamt 138.800 €, von denen sie den Klägern im Mai 2013 überzahlte 3.771,06 € zurückerstattete.
5Mit anwaltlichem Schreiben vom 21.06.2013 erklärten die Kläger den Widerruf ihrer auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärung vom 09.02.2006 und forderten die Beklagte auf, bis zum 05.07.2013 15.079,54 € an sie zu zahlen. Dies lehnte die Beklagte ab und zahlte lediglich das von den Klägern gezahlte Bearbeitungsentgelt i.H.v. 300 € an diese zurück.
6Die Kläger sind der Auffassung, sie hätten ihre Willenserklärung vom 09.02.2006 auch am 21.06.2013 noch widerrufen können, da die dem Darlehensvertrag beigefügte Widerrufsbelehrung nicht den gesetzlichen Vorgaben entsprochen habe. Der übliche Zinssatz für Baufinanzierungsdarlehen mit achtjähriger Laufzeit habe damals nur bei 3,36 % gelegen.
7Unter Berücksichtigung üblicher Zinsen i.H.v. 29.549,52 €, des an sie ausgezahlten Darlehens i.H.v. 141.170 € und der von ihnen erbrachten Leistungen i.H.v. insgesamt 199.068,67 € stehe ihnen ein Zahlungsanspruch i.H.v. 24.578,09 € zu.
8Die Kläger haben beantragt,
91. die Beklagte zu verurteilen, an sie als Gesamtgläubiger 24.578,09 € zuzüglich Zinsen i.H.v. 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 06.07.2013 zu zahlen;
102. die Beklagte zu verurteilen, an sie vorgerichtliche Kosten i.H.v. 1.493,21 € zu zahlen.
11Die Beklagte hat beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Sie hat die Auffassung vertreten, der Widerruf sei unwirksam. Die Kläger seien ordnungsgemäß über ihr Widerrufsrecht belehrt worden. Nach beiderseitiger Erfüllung sämtlicher Vertragspflichten sei der Widerruf ins Leere gegangen, zumindest aber verwirkt. Der vertraglich vereinbarte Zins habe den durchschnittlichen Marktzins seinerzeit nur um 0,3 % überstiegen (GA 117). Dass die Kläger die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten beglichen haben, hat die Beklagte bestritten.
14Wegen des weitergehenden Sachvortrags der Parteien nimmt der Senat Bezug auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung.
15Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
16Mit dieser Entscheidung sind die Kläger nicht einverstanden. Sie sind der Auffassung, dass die Beklagte sie auch über die Rechtsfolgen eines Widerrufs habe belehren müssen. Das Landgericht habe sich insoweit rechtsfehlerhaft auf § 355 Abs. 1 BGB a.F. beschränkt, ohne sich mit § 355 Abs. 2 BGB a.F. auseinandergesetzt zu haben. Das Muster gemäß Anl. 2 zu § 14 BGB Informationspflichten-Verordnung spreche ausdrücklich im Hinblick auf § 346 BGB von beiderseits empfangenen Leistungen und darüber hinaus auch von den beiderseits gezogenen Nutzungen. Dies verdeutliche, dass der Gesetzgeber davon ausgegangen sei, dass auch über die Rechtsfolgen eines Widerrufs zu belehren sei.
17Die Kläger beantragen,
18das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 22.08.2014, Az. 1 O 268/13 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an sie 24.578,09 € zuzüglich Zinsen von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 06.07.2013 zu zahlen;
19Die Beklagte zu verurteilen, an sie vorgerichtliche Kosten i.H.v. 1.493,21 € zu zahlen.
20Die Beklagte beantragt,
21die Berufung der Kläger zurückzuweisen.
22Die Beklagte wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Tatsachenvortrag und verteidigt die angefochtene Entscheidung.
23Wegen des weiteren Tatsachenvortrags der Parteien nimmt der Senat Bezug auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen.
24B)
25Die Berufung ist unbegründet. Die Klage ist unbegründet. Den Klägern steht kein Anspruch gegen die Beklagte aus § 346 BGB auf Zahlung des von ihnen verlangten Betrags i.H.v. 24.578,09 € zu.
26I. Im Zeitpunkt des Widerrufs des Darlehensvertrags am 21.06.2013 war das den Klägern ursprünglich zustehende Widerrufsrecht gemäß §§ 491 I, 495 I BGB infolge Fristablaufs gemäß § 355 Absatz 1 S. 2 BGB erloschen. Gemäß § 355 Abs. 1 S. 2 1. HS 1 BGB muss der Widerruf innerhalb einer Frist von 2 Wochen gegenüber dem Unternehmer erklärt werden, wobei gemäß § 355 Absatz 1 S. 2 Halbsatz 2 zur Fristwahrung die rechtzeitige Absendung genügt. Diese Frist haben die Kläger nicht eingehalten.
27II. Entgegen der von den Klägern vertretenen Rechtsauffassung genügte die im vorliegenden Fall von der Beklagte verwendete Widerrufserklärung den Anforderungen des § 355 Abs. 2 S. 1, 3 BGB a. F.
28Gemäß § 355 Abs. 2 S. 1 BGB beginnt die Frist mit dem Zeitpunkt, zu dem dem Verbraucher eine deutlich gestaltete Belehrung über sein Widerrufsrecht, die ihm entsprechend den Erfordernissen des eingesetzten Kommunikationsmittel seine Rechte deutlich macht, in Textform mitgeteilt worden ist, die auch Namen und Anschrift desjenigen enthält, gegen über dem der Widerruf zu erklären ist sowie einen Hinweis auf den Fristbeginn und die Regelung des Abs. 1 S. 2 BGB. Handelt es sich bei dem Vertrag – wie im vorliegenden Fall – um einen Verbraucherdarlehensvertrag (§ 492 Abs. 1 BGB a.F.), der schriftlich abzuschließen ist, so beginnt die Frist nicht zu laufen, bevor dem Verbraucher auch eine Vertragsurkunde, der schriftliche Antrag des Verbrauchers oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder des Antrags zur Verfügung gestellt worden ist (§ 355 Abs. 2 S. 3 BGB a.F.). Diesen Anforderungen entsprach die von der Beklagten verwendete Widerrufsbelehrung.
291. Die dem Darlehensvertrag beigelegte Widerrufsbelehrung entsprach dem Deutlichkeitsgebot. Sie war auf einem gesonderten Blatt abgedruckt und mit fetter Schrift und unterstrichen gedruckter Überschrift „Widerrufsbelehrung“ übertitelt. Ferner waren die einzelnen Passagen jeweils gesondert mit in fett gedruckter Schrift geschriebenen Überschriften versehen. Die einzelnen Absätze waren darüber hinaus durch die Zwischenüberschriften textlich untergliedert.
302. Die Belehrung entsprach auch inhaltlich den gesetzlichen Vorgaben. Ohne Erfolg wendet sich die Berufung gegen die Annahme des Landgerichts, der Beginn der Widerrufsfrist sei in der Widerrufsbelehrung unzutreffend dargestellt. Dort heißt es:
31„Der Lauf der Frist für den Widerruf beginnt einen Tag, nachdem mir
32• Ein Exemplar dieser Widerrufsbelehrung und
33• Eine Vertragsurkunde, mein schriftlicher Vertragsantrag oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder meines Vertragsantrages zur Verfügung gestellt wurden. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs“.
34Diese Hinweise entsprechen der gesetzlichen Regelung in § 355 Abs. 2 S. 3 BGB a.F. Die Belehrung ist entgegen der Darstellung der Kläger hinsichtlich des Beginns der Widerrufsfrist unmissverständlich.
353. Entgegen der Auffassung der Kläger war eine Belehrung über die Rechtsfolgen eines Widerrufs nach § 355 Abs. 1 BGB entbehrlich. Insbesondere berufen sich die Kläger insoweit zu Unrecht auf die Urteile des Bundesgerichtshofs vom 12.04.2007, VII ZR 122/06, und vom 18.10.2004, II ZR 352/02. Insoweit verkennen die Kläger, dass diese Entscheidungen des Bundesgerichtshofs jeweils Haustürgeschäfte im Sinne des § 312 BGB betrafen. Für solche Geschäfte sah § 312 Abs. 2 BGB a.F. ausdrücklich vor, dass in der erforderlichen Belehrung über das Widerrufs- oder Rückgaberecht auf die Rechtsfolgen des § 357 Abs. 1 und 3 BGB hinzuweisen ist. Demzufolge findet sich auch in der einschlägigen Literatur kein Hinweis darauf, dass bei anderen als Haustürgeschäften in der Widerrufsbelehrung auf die Rechtsfolgen des Widerrufs hinzuweisen war (vgl. statt aller Palandt-Heinrichs, BGB, 64. Auflage, § 355 Rz. 13-20). Ein Haustürgeschäft lag hier nicht vor. Der Darlehensvertrag wurde vielmehr – was unstreitig ist – in der Geschäftsstelle der Beklagten am 09.02.2006 geschlossen. Die Auszahlung des Darlehens erfolgte erst nach Ablauf der Widerrufsfrist und zwar Ende März 2006. Ebenfalls nicht nachvollziehbar ist die Behauptung der Kläger, die Widerrufsbelehrung betreffend die Sicherungszweckerklärung und die Widerrufsbelehrung betreffend den Abschluss des Darlehensvertrags hätten vertauscht sein können. Die Kläger verkennen in diesen Zusammenhang, dass es in der vorliegenden Widerrufsbelehrung unter der Überschrift Widerrufsrecht ausdrücklich heißt, dass „ich (bin) an meine Willenserklärung (Antrag auf Abschluss des Darlehensvertrages mit der D AG bzw. ihren Kooperationspartnern) nicht mehr gebunden (bin), wenn ich sie binnen 2 Wochen widerrufe“.
364. Unverständlich ist der Hinweis der Kläger auf § 1 Abs. 1 Nr. 10 BGB-InfoV. § 1 BGB-InfoV betrifft Informationspflichten bei Fernabsatzverträgen. Einen solchen Vertrag hatten die Kläger nicht geschlossen, weshalb die genannte Regelung für die Auslegung des §§ 355 Abs. 2 BGB ohne Bedeutung ist. Der Hinweis auf die aktuell gültige Regelung des §§ 356 Abs. 3 BGB ist für den vorliegenden Sachverhalt ebenfalls unerheblich. Denn die Kläger haben den Darlehensvertrag im Jahr 2006 geschlossen.
375. Zutreffend hat das Landgericht ausgeführt, dass die streitgegenständliche Belehrung jedenfalls nicht grundsätzlich irreführend ist. Bei einem widerrufenen Realkredit hat der Darlehensgeber dem Darlehensnehmer die erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen nebst marktüblicher Verzinsung zu erstatten, wohingegen der Darlehensnehmer dem Darlehensgeber die ausgezahlte Darlehensvaluta nebst marktüblicher Verzinsung zurückzuzahlen hat. Der Hinweis in der Widerrufsbelehrung, dass der Darlehensnehmer, soweit er den Vertrag widerruft, die empfangene Leistung an die Bank bzw. den jeweiligen Kooperationspartner zurückzugewähren und der Bank bzw. dem jeweiligen Kooperationpartner die von ihm aus der Leistung gezogenen Nutzungen herauszugeben hat, trifft im Ergebnis zu. Nach Auszahlung der Darlehensvaluta verbleibt auch nach dem Beginn von Zins- und Tilgungsleistungen nach erfolgter Saldierung der wechselseitigen Ansprüche ein Anspruch der Bank auf Erstattung der restlichen Darlehnsvaluta zuzüglich Zinsen.
38III. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Z. 10, 711 ZPO. Die Revision hat der Senat nicht zugelassen, weil die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.
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Referenzen
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