Beschluss vom Oberlandesgericht Hamm - 15 W 476/15
Tenor
Die angefochtene Zwischenverfügung wird aufgehoben.
1
G r ü n d e :
2I.
3In dem eingangs genannten Grundbuch ist der Beteiligte zu 1) als Eigentümer eingetragen.
4In Abteilung III war am #.##.1996 aufgrund der Bewilligung des Beteiligten zu 1) vom ##.##.1995 (UR-Nr. 722/95 des Notars C in I) unter der laufenden Nummer 1 eine Buchgrundschuld über 300.000 DM mit 14 % Zinsen für die Landeskreditbank C-X eingetragen worden. Nach dem Inhalt der Grundschuldbestellung und der Bewilligung war Zinsbeginn der ##.##.1995.
5Am ##.##.2005 hatte die Landeskreditbank C-X die Buchgrundschuld nebst 14 % Zinsen seit dem #.##.1996 an die Sparkasse W-S abgetreten, die entsprechend auch am ##.##.2005 im Grundbuch eingetragen worden war.
6Mit Kaufvertrag vom ##.##.2015 veräußerte der Beteiligte zu 1) sein Wohnungseigentum an die Beteiligten zu 2) und 3). Nach § 2 des Vertrages (UR-Nr.169/2015 des Notars Ulrich Schitteck in Gelsenkirchen) schuldet der Beteiligte zu 1) die lastenfreie Übertragung mit Ausnahme des in Abteilung II Nr. 1 eingetragenen Wegerechts.
7Mit Schreiben vom ##.##.2015 hat der beurkundende und bevollmächtigte Notar unter Bezugnahme auf die im notariellen Kaufvertrag abgegebenen Erklärungen und unter Bezugnahme auf die Löschungsbewilligung der Sparkasse W-S vom #.##.2015 beantragt, die Eigentumsumschreibung vorzunehmen und die in Abteilung III unter laufender Nummer 1 eingetragene Buchgrundschuld zu löschen.
8Mit Zwischenverfügung vom #.##.2015 hat das Grundbuchamt den Vollzug der Anträge davon abhängig gemacht, dass auch eine Löschungsbewilligung der Landesbank C-X als Rechtsnachfolgerin der Landeskreditbank C-X beigebracht wird. Die ursprüngliche Grundschuld sei ab dem ##.##.1995 zu verzinsen gewesen; die Abtretung an die Sparkasse W-S erfasse nur die Zinsen ab dem 9.04.1996, so dass die Landeskreditbank C-X Gläubigerin der in dem Zeitraum vom 20.11.1995 bis zum 8.04.1996 entstandenen Zinsen geblieben sei. Zur Behebung der Eintragungshindernisse wurde eine Frist bis zum 13.11.2015 gesetzt.
9Gegen diese Zwischenverfügung richtet sich die von den Beteiligten eingelegte Beschwerde vom 6.10.2015, der das Grundbuchamt mit Beschluss vom 13.10.2015 nicht abgeholfen und die es dem Senat zur Entscheidung vorgelegt hat.
10II.
11Die Beschwerde der Beteiligten ist zulässig (§§ 71, 73 GBO) und führt zur Aufhebung der Zwischenverfügung.
12Das Grundbuchamt kann die Vollziehung der Eintragung der Beteiligten zu 2) und 3) als Miteigentümer zu ½ und der Löschung der in Abteilung III unter der laufenden Nr. 1 eingetragenen Buchgrundschuld nicht davon abhängig machen, dass auch die Landeskreditbank C-X eine Löschungsbewilligung abgibt.
131.
14Formell ist die Zwischenverfügung nicht zu beanstanden.
15Der Senat sieht es im Anschluss an die Rechtsprechung des Bayerischen Obersten Landesgerichts (BayObLG Beschluss vom 17.01.1990 – BReg 2 Z 1/90 – und Rechtspfleger 1994, 58) als zulässig an, dass beim Vorliegen der Eintragungsvoraussetzungen des Hauptgegenstands – hier der Auflassung – das Fehlen von Löschungsbewilligungen nur mittelbar Betroffener – hier der Grundschuldgläubiger – durch eine Zwischenverfügung aufgegeben wird (so auch OLG München FGPrax 2008, 11; Bauer/von Oefele-Wilke, GBO, 3. Auflage, § 18 Rn.11).
162.
17Durch die von der Landeskreditbank C-X vorgenommene Abtretung der Kapitalgrundschuld mit Zinsen erst ab dem 9.04.1996 ist ein sog. Zinsgrundpfandrecht entstanden, das die im Zeitpunkt der Abtretung bereits rückständigen Zinsen vom 20.11.1995 bis zum 8.04.1996 umfasst. Dessen Gläubigerin ist weiterhin die Landeskreditbank C-X.
18In Rechtsprechung und Literatur ist umstritten, ob die Löschung der eingetragenen Grundschuld auch von der Zustimmung des Gläubigers der sog. Zinsgrundschuld abhängig gemacht werden kann. Die herrschende Meinung verneint – mit unterschiedlicher dogmatischer Begründung – das Erfordernis einer Löschungsbewilligung des sog. Zinsgrundschuldgläubigers (OLG Nürnberg FGPrax 2011, 114; OLG München NotBZ 2014, 306 – Rz.14 – zitiert nach juris; LG Regensburg MittBayNot 1987, 102; KG JW 1938, 2406; OLG Braunschweig OLGE 15, 336; Schöner/Stöber Grundbuchrecht, 15. Auflage, Rn.2751; Demharter, GBO, 29. Auflage, § 27 Rn.20; Bauer/von Oefele- Kohler, GBO, 3. Auflage, § 27 Rn.21; Staudinger-Wolfsteiner, BGB, Neubearbeitung 2015, § 1159 Rn.23; Wolfsteiner MittBayNot 2012, 127). Die Gegenmeinung bejaht hingegen das Erfordernis auch einer Löschungsbewilligung des Zinsgrundpfandrechtsgläubigers (Meikel-Böttcher, GBO, 11. Auflage, 2015, § 27 Rn.23; Münchener Kommentar zum BGB-Eickmann, 6. Auflage 2013, § 1159 Rn.11; Böttcher in Rechtspfleger 1984, 85 und NJW 2012, 2769).
19Der Senat hält im Anschluss an die herrschende Meinung eine Löschungsbewilligung des sog. Zinsgrundpfandrechtsgläubigers nicht für erforderlich. Argumentativ folgt der Senat dabei der überzeugenden Begründung Wolfsteiners (bei Staudinger, a. a. O., § 1159 Rn.8 ff. sowie in MittBayNot 2012, 127).
20Das Erlöschen der Kapitalgrundschuld lässt nicht automatisch auch die Grundschuld über die bereits vor der Erfüllung des Hauptanspruchs entstandenen und fällig gewordenen Zinsen (sog. Zinsgrundschuld) erlöschen. Ein von der herrschenden Meinung teilweise vertretenes automatisches Erlöschen der bereits entstandenen und fälligen Zinsen durch Erfüllung der Hauptforderung lässt sich dogmatisch nicht begründen. Die bereits entstandenen und fälligen Zinsen sind gegenüber der Hauptforderung vielmehr selbständig und behalten ihren dinglichen Charakter als Grundpfandrecht. Dieses lässt sich auch aus der Bestimmung des § 10 Abs. 1 ZVG ableiten, der von dem – wenn auch wirkungsgeminderten - Fortbestehen der Zinsgrundpfandrechte ausgeht (Ziffer 4 und Ziffer 8 der vorgenannten Norm).
21Durch ihre Abspaltung von der Kapitalgrundschuld scheidet die Zinsgrundschuld aber aus dem Schutzbereich des Grundbuchs aus, was sich aus der Bestimmung des § 1159 BGB ableiten lässt. Die Übertragung der Zinsgrundschuld vollzieht sich nach § 1159 Abs. 1 Satz 1 BGB nach den für Forderungen geltenden Grundsätzen (§§ 398 ff. BGB) und damit außerhalb des Grundbuchs. Dementsprechend gibt das Grundbuch auch keine mit öffentlichem Glauben ausgestattete Auskunft über Bestand und Gläubigerzuordnung mehr, weshalb der gutgläubige Erwerb rückständiger Zinsansprüche nach § 892 BGB nach der Bestimmung des § 1159 Abs. 2 BGB gerade ausscheidet. § 1159 BGB schaltet den öffentlichen Glauben des Grundbuchs vollständig ab. Die Zinsen verlieren unbeschadet ihres Fortbestands als Grundpfandrecht ihre Eintragungsfähigkeit. Soweit das Grundbuch rückständige Zinsen noch ausweist, ist es formell unrichtig, weil es zu Unrecht den Anschein erweckt, den Bestand des Rechts mit öffentlichem Glauben nachzuweisen. Da die Zinsgrundschuld nicht eintragungsfähig ist, wäre sie – bei einer vorhandenen Eintragung – ohne Zustimmung ihres Inhabers von Amts wegen zu löschen (§ 53 Abs. 1 Satz 2 GBO). Dementsprechend bedarf die Löschung der eingetragenen Kapitalgrundschuld auch nicht der Zustimmung des Zinsgrundpfandrechtsgläubigers (Staudinger-Wolfsteiner, a. a. O., Rn.23).
223.
23Eine Wertfestsetzung ist wegen des Erfolgs der Beschwerde nicht veranlasst.
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Referenzen
- GBO § 71 1x
- ZVG § 10 1x
- §§ 398 ff. BGB 1x (nicht zugeordnet)
- GBO § 73 1x
- BGB § 892 Öffentlicher Glaube des Grundbuchs 1x
- GBO § 53 1x
- BGB § 1159 Rückständige Nebenleistungen 4x
- 2 Z 1/90 1x (nicht zugeordnet)