Beschluss vom Oberlandesgericht Hamm - 6 WF 272/14
Tenor
Auf die Beschwerde des Mündels vom 19.08.2014 wird der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Dortmund vom 14.08.2014 (107 F 2522/10 SH) dahin abgeändert, dass die an den Vormund zu zahlende Vergütung von 2.436,78 € aus der Landeskasse zu zahlen ist.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Landeskasse.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.436,78 € festgesetzt.
1
Gründe:
2I.
3Durch Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Dortmund vom 30.04.2010 wurde der Kindesmutter D die elterliche Sorge für ihre am ##.##.2007 geborene Tochter K - das Mündel - entzogen. Als berufsmäßigen Vormund bestellte das Amtsgericht die Beteiligte zu 1). Aufgrund einer im Jahr 2008 zu Ks Nachteil begangenen Gewalttat bezieht diese eine Grundrente nach § 1 Abs. 1 OEG i.V.m. den Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes; im Frühjahr 2012 erhielt sie eine Rentennachzahlung von insgesamt 7.114,5 €.
4Die Beteiligte zu 1) beantragte unter dem 24.10.2013, ihre Vergütung als Vormund für K für den Zeitraum vom 01.06.2010 bis zum 27.07.2012 auf 2.436,78 € festzusetzen. Durch Beschluss vom 14.08.2015 setzte das Amtsgericht die Vergütung antragsgemäß fest und ordnete an, dass die Vergütung aus dem Vermögen des Mündels zu zahlen ist. Zur Begründung wies das Amtsgericht darauf hin, dass K nicht mittellos sei, sondern aus den angesparten Rentenzahlungen über ein Sparguthaben von 5.406,78 € zum 16.12.2013 verfüge.
5Hiergegen richtet sich die Beschwerde des in diesem Verfahren durch die eigens bestellte Ergänzungspflegerin vertretenen minderjährigen Kindes und Mündels. Die Beschwerdeführerin ist der Ansicht, dass sie für die Festsetzung der Vergütung als mittellos anzusehen sei, weil sie ihr aus den Rentenleistungen angespartes Guthaben nicht für die Vergütung ihres Vormundes einsetzen müsse. Die zuständige Bezirksrevisorin - Beteiligte zu 2) - widerspricht der Zahlung der Vergütung aus der Landeskasse.
6II.
7Die gemäß §§ 58 ff. FamFG zulässige Beschwerde des Mündels ist begründet.
8Die der Höhe nach zutreffend festgesetzte Vergütung der Beteiligten zu 1) ist nicht aus dem Vermögen des Mündels, sondern aus der Landeskasse zu zahlen, weil das Mündel nach §§ 1836c, 1836d BGB mittellos ist.
9Entgegen der Ansicht der Beteiligten zu 2) muss K ihr aus der Opferentschädigungsrente angespartes Guthaben von rund 5.400,00 € nicht für die Vergütung ihres Vormundes einsetzen, weil dies für sie eine Härte bedeuten würde, §§ 1836c Nr. 2 BGB, 90 Abs. 3 SGB XII.
10Allerdings ist die Frage, ob eine angesparte Rente nach dem Opferentschädigungsgesetz für die Vergütung eines Vormundes oder eines Betreuers einzusetzen ist, umstritten. Auf der einen Seite wird die Ansicht vertreten, dass ein solches Vermögen für die Vergütung einzusetzen ist, soweit es den Grenzwert nach § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII i.V. mit der Durchführungsverordnung übersteigt. Für die Frage, ob das Vermögen einzusetzen sei, sei dessen Herkunft grundsätzlich unerheblich. Dass das Vermögen aus Einkünften angespart worden sei, die - wie auch die laufende Rente nach dem Opferentschädigungsgesetz - nach § 82 Abs. 1 SGB XII nicht einzusetzen sind, führe nicht zwangsläufig dazu, dass auch die Ersparnisse nicht eingesetzt werden müssten. Vielmehr seien solche Ersparnisse nur dann nicht einzusetzen, wenn der in das Vermögen geflossene Wert dem gleichen Zweck dienen solle wie das Einkommen und dieser Zweck bei Einsatz gefährdet werde. Die Grundrente nach dem Opferentschädigungsgesetz diene der Deckung des schädigungsbedingten laufenden Mehrbedarfs. Dieser Zweck aber sei nicht gefährdet, wenn das angesparte Vermögen für andere Zahlungspflichten eingesetzt werden müsse (BayObLG, Beschluss vom 24.02.2005, 3Z BR 261/4, Rn. 13; ähnlich OVG Lüneburg, Beschluss vom 15.08.2013, 4 PA 184/13, Rn. 6 – beide zitiert nach juris). Nach anderer Ansicht sind Ersparnisse von einer Rente nach dem Opferentschädigungsgesetz regelmäßig nicht einzusetzen. Solche Rentenzahlungen dienten neben einem typisierenden und pauschalierenden Ausgleich des schädigungsbedingten Mehrbedarfs auch der Entschädigung für die Beeinträchtigung der körperlichen Integrität und damit immateriellen Zwecken wie der Genugtuung für erlittenes Unrecht. Dies gelte besonders für Opfer von Straftaten, die gerade auch deshalb entschädigt würden, weil sie einen erheblichen Schaden an immateriellen Rechtsgütern erlitten haben (BVerwG, Urteil vom 27. Mai 2010, 5 C 7/9, NVwZ-RR 2010, 771, 772; LG Münster, 5 T 861/10, Rn. 17 ff. – zitiert nach juris). Damit erfülle die Grundrente nach dem Opferentschädigungsgesetz zumindest ganz maßgeblich den Zweck, der auch mit Schmerzensgeldzahlungen verfolgt werde. Diese sind aber nach allgemeiner Meinung auch von einem Einsatz des Vermögens ausgenommen (BVerwG, a.a.O., S. 772; Staudinger-Bienwald, BGB, Neubearbeitung 2014, § 1836c Rn. 28; Wagenitz, in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Auflage 2012, § 1836c Rn. 16, je m. w. N.).
11Der Senat schließt sich dieser letztgenannten Auffassung an. Im Ausgangspunkt gehen beide Auffassungen zutreffend davon aus, dass die Herkunft des Vermögens für die Frage, ob dieses nach § 90 SGB XII einzusetzen ist, grundsätzlich unerheblich ist und deshalb eine Anordnung, dass ein bestimmtes Einkommen nicht einzusetzen ist, nicht zwangsläufig dazu führt, dass auch Ersparnisse von diesem Einkommen nicht einzusetzen sind (so auch BVerwG, a.a.O., S. 772). Beide Auffassungen stimmen auch darin überein, dass das angesparte Vermögen jedenfalls dann nicht eingesetzt werden muss, wenn es dem gleichen Zweck wie das nicht einzusetzende laufende Einkommen dient und dieser Zweck bei Einsatz gefährdet wird. Während jedoch die erstgenannte Auffassung den Zweck der Opferentschädigungsrente allein darin sieht, den schädigungsbedingten Mehrbedarf auszugleichen, stellt die letztgenannte Ansicht zutreffend die Doppelfunktion dieser Rente heraus, die neben dem Mehrbedarf auch und zunehmend immaterielle Einbußen ausgleichen soll. Vor dem Hintergrund, dass nicht aufgeschlüsselt wird, zu welchem Anteil die Rente nach dem Opferentschädigungsgesetz den Mehrbedarf ausgleichen soll und welcher Anteil auf die Entschädigung für immaterielle Beeinträchtigungen entfällt, müssen aber nach Ansicht des Senats Ersparnisse von einer Rente nach dem Opferentschädigungsgesetz insgesamt nach § 90 Abs. 3 SGB XII vom Einsatz des Vermögens ausgenommen sein. Nur so wird gewährleistet, dass Ersparnisse von einer Entschädigung für immaterielle Beeinträchtigungen von einem Einsatz des Vermögens ausgenommen werden.
12Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 FamFG. Es entspricht der Billigkeit, die notwendigen Auslagen der Beteiligten wegen des erfolgreichen Rechtsmittels der Staatskasse aufzuerlegen (Keidel-Zimmermann, FamFG, 18. Auflage 2014, § 84 Rn. 8).
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Referenzen
- BGB § 1836c Einzusetzende Mittel des Mündels 1x
- §§ 1836c Nr. 2 BGB, 90 Abs. 3 SGB XII 2x (nicht zugeordnet)
- § 90 SGB XII 1x (nicht zugeordnet)
- FamFG § 81 Grundsatz der Kostenpflicht 1x
- § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII 1x (nicht zugeordnet)
- §§ 58 ff. FamFG 1x (nicht zugeordnet)
- BGB § 1836d Mittellosigkeit des Mündels 1x
- § 1 Abs. 1 OEG 1x (nicht zugeordnet)
- § 90 Abs. 3 SGB XII 1x (nicht zugeordnet)
- 107 F 2522/10 1x (nicht zugeordnet)
- 4 PA 184/13 1x (nicht zugeordnet)
- 5 T 861/10 1x (nicht zugeordnet)
- § 82 Abs. 1 SGB XII 1x (nicht zugeordnet)