Beschluss vom Oberlandesgericht Hamm - 7 W 1/19
Tenor
Der Senat sieht sich zur Entscheidung über die am 04.01.2019 eingegangene Eingabe der Zeugin P nicht veranlasst.
1
Gründe:
2I.
3Die Zeugin – Beschwerdeführerin – begehrt die Aufhebung des Beschlusses des Landgerichts Bochum vom 12.11.2018, mit dem gegen sie wegen nicht entschuldigten Fehlens am am gleichen Tag stattgefundenen Termin ein Ordnungsgeld in Höhe von 150,00 €, für den Fall des Nichtbetreibens für je 50,00 € ein Tag Ordnungshaft, festgesetzt worden ist.
4Zu dem auf den 12.11.2018 verlegten Termin ist die Zeugin formlos geladen worden. Sie erschien ohne Entschuldigung nicht. Der mit einer Rechtsmittelbelehrung versehene Ordnungsgeldbeschluss ist der Zeugin am 21.11.2018 zugestellt worden. Mit Schreiben vom 20.11.2018 wurde die Zeugin zur Zahlung aufgefordert und am 02.01.2019 erneut erinnert. Mit am 04.01.2019 bei Gericht eingegangenem undatiertem Schreiben teilte die Zeugin mit, dass sie den „Brief mit dem verschobenen Gerichtstermin nicht bekommen“ habe. Der Brief sei evtl. aus ihrem Briefkasten entwendet worden, weswegen sie um Aufhebung des Ordnungsgeldes bitte.
5Das Landgericht hat das Schreiben als „sofortige Beschwerde“ ausgelegt und dieser mangels Zulässigkeit nicht abgeholfen. Die Beschwerde sei bereits nicht innerhalb der zweiwöchigen Beschwerdefrist eingelegt worden. Wegen der weiteren Begründung wird auf den Inhalt des Beschlusses Bezug genommen.
6II.
7Die Zeugin hat mit der am 04.01.2019 eingegangenen Eingabe keine sofortige Beschwerde im Sinne des § 380 Abs. 3 i.V.m. § 567 ff ZPO eingelegt. Daher sieht sich der Senat nicht zur Entscheidung über eine solche veranlasst.
8Gegen den Ordnungsgeldbeschluss ist zwar gemäß § 380 Abs. 3 ZPO das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde statthaft. Mit der Beschwerde kann der Beschwerdeführer auch einwenden, die Voraussetzungen für den Erlass eines Ordnungsgeldbeschlusses hätten nicht vorgelegen, welches die Zeugin mit der Begründung, die Ladung zum Termin nicht erhalten zu haben, letztlich auch anführt.
9Eine sofortige Beschwerde hat die Zeugin allerdings nicht eingelegt. Weder bezeichnet sie ihre Eingabe ausdrücklich als solche, noch kann ihr Schreiben als sofortige Beschwerde ausgelegt werden.
10Nach § 569 Abs. 2 S. 2 ZPO geschieht die Einlegung der Beschwerde grundsätzlich durch Einreichung einer Beschwerdeschrift, die die angefochtene Entscheidung bezeichnen und die Erklärung enthalten muss, dass die Beschwerde eingelegt wird. Wegen der geringen Formstrenge reicht es dabei aus, wenn die Schrift bei großzügiger Auslegung den Beschwerdeführer, die angefochtene Entscheidung und das Anliegen der Überprüfung derselben durch die höhere Instanz hinreichend klar erkennen lässt (BGH, Beschluss vom 23.10.2003, Az.: IX ZB 369/02, Rn. 6 – juris). Im Zweifel ist das als gewollt anzusehen, was nach Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der recht verstandenen Interessenlage entspricht (BGH, Beschluss vom 08.10.1991, Az.: XI ZR ZB 6/91 – juris).
11Auch nach Maßgabe dieser Grundsätze der großzügigen Auslegung kann die Eingabe der Zeugin nicht als sofortige Beschwerde ausgelegt werden. Im Einzelnen:
12Bereits nach dem von der Zeugin verwendeten Wortlaut ist ihr Anliegen als Bitte um Aufhebung des Ordnungsgeldes formuliert. Sie bezieht sich damit auf die von Gesetzes wegen bestehende Möglichkeit des § 381 Abs. 1 S. 3 ZPO, die Aufhebung eines angeordneten Ordnungsgeldes bei nachträglicher Entschuldigung des Ausbleibens zu erreichen. Das Schreiben ist an das Prozessgericht erster Instanz gerichtet, mithin dasjenige, welches über eine Entscheidung über die Aufhebung des Ordnungsgeldbeschlusses zu befinden hat, und lässt daraus folgend gerade nicht erkennen, dass eine Überprüfung durch die höhere Instanz begehrt wird, wie sich auch sonst keine Anhaltspunkte für ein solches Anliegen aus dem Schreiben der Zeugin ergeben.
13Auch der Interessenlage der Zeugin entspricht die Überprüfung der Anordnung des Ordnungsgeldes im Wege der Beschwerde nicht, auch wenn sie mit ihrer Begründung u.a. das Vorliegen der Voraussetzungen für den Erlass des Ordnungsgeldbeschlusses angreift, die bei fehlender – jedenfalls fehlender nachgewiesener – Zustellung der Ladung nicht vorliegen und damit einen typischen, mit einer Beschwerde anzugreifenden Fall betreffen. Denn nur mit der fristgebundenen Beschwerde konnte die Zeugin zum Zeitpunkt ihrer Eingabe das von ihr begehrte Rechtsschutzziel ohnehin nicht (mehr) erreichen, weil ihre Eingabe offenkundig nicht innerhalb der zweiwöchigen Notfrist des § 569 Abs. 1 S. 1 ZPO erfolgte. In dem Zusammenhang konnte dahinstehen, ob die in dem Ordnungsgeldbeschluss enthaltene Rechtsmittelbelehrung überhaupt der Richtigkeit entsprach, weil sie die Beschwerde nur in den Fällen als statthaft bezeichnet, in denen der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 € übersteigt. Jedenfalls bei einer Beschwerde gegen die Festsetzung eines Ordnungsmittels muss die Beschwerdesumme des § 567 Abs. 2 ZPO nicht erreicht sein, weil es sich insoweit nicht um eine Entscheidung über Kosten im Sinne dieser Vorschrift handelt (Musielak/Voit/Huber, 16. Aufl. 2019, ZPO § 380 Rn. 6; diff. MüKoZPO/Damrau, 5. Aufl. 2016, ZPO § 380 Rn. 11, beck-online). Allerdings verlängert eine unrichtige Belehrung über den Fristbeginn die Beschwerdefrist nicht; diese kann allenfalls eine Wiedereinsetzung begründen (BGH, Beschluss vom 16.10.2003, Az.: IX ZB 36/03 –, juris). Ein solcher Antrag ist indes nicht gestellt worden, so dass der Zeugin eine erst Anfang des Jahres eingelegte Beschwerde gegen den bereits am 21.11.2018 zugestellten Ordnungsgeldbeschluss unter keinen Umständen zum Erfolg verhelfen konnte.
14Davon ausgehend kann ein dahingehender Wille der Zeugin, unter diesen Umständen dennoch ein Beschwerdeverfahren durchzuführen, nicht erkannt werden, zumal dieses – je nach Höhe des Beschwerdewertes – nicht nur unerhebliche Kosten auslösen kann, die im Falle des Unterliegens von der Zeugin zu tragen wären. Vielmehr ist es dann vernünftig und entspricht der recht verstandenen Interessenlage, die von Gesetzes wegen vorgesehene Möglichkeit der Beseitigung des Ordnungsgeldbeschlusses durch dessen nachträgliche Aufhebung anzustreben, weil diese einerseits noch Aussicht auf Erfolg verspricht und andererseits keine Kosten verursacht. Dies gilt vor allem vor dem Hintergrund, dass das Begehren der Zeugin auch ausdrücklich als „Bitte um Aufhebung des Ordnungsgeldes“ formuliert worden ist.
15Vor diesem Hintergrund wäre es daher zunächst seitens des Prozessgerichts angezeigt gewesen zu prüfen, ob die Voraussetzung einer Aufhebung im Sinne des § 381 Abs. 1 S. 3 ZPO vorliegen. Erst wenn das Prozessgericht die Voraussetzungen für die Aufhebung verneint, wäre der Antrag dem Beschwerdegericht vorzulegen, soweit er als eine solche ausgelegt werden kann, welches vorliegend allerdings zu verneinen war. Bei Auslegungszweifeln kann der Zeuge zudem um Klarstellung gebeten werden (vgl. zum Verhältnis des Antrags nach § 381 Abs. 1 S. 3 ZPO zur sofortigen Beschwerde: Greger in Zöller, ZPO, 32. Auflage, § 381 Rn. 6; BeckOK ZPO/Scheuch, 31. Ed. 1.12.2018, ZPO § 381 Rn. 7 – beck-online; MüKoZPO/Damrau, 5. Aufl. 2016, ZPO § 381 Rn. 16, beck-online; Musielak/Voit/Huber, 16. Aufl. 2019, ZPO § 381 Rn. 9-11, beck-online).
16Eine Kostenentscheidung entfällt.
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Referenzen
- ZPO § 567 Sofortige Beschwerde; Anschlussbeschwerde 2x
- ZPO § 380 Folgen des Ausbleibens des Zeugen 1x
- ZPO § 569 Frist und Form 2x
- ZPO § 381 Genügende Entschuldigung des Ausbleibens 2x
- IX ZB 369/02 1x (nicht zugeordnet)
- XI ZR ZB 6/91 1x (nicht zugeordnet)
- IX ZB 36/03 1x (nicht zugeordnet)