Beschluss vom Oberlandesgericht Hamm - 4 RVs 109/20
Tenor
Die Revision wird mit der Maßgabe, dass der Angeklagte eines „sexuellen Übergriffs mit Gewalt“ schuldig ist, als unbegründet verworfen.
Die Kosten des Rechtsmittels, einschließlich der der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen, trägt der Angeklagte (§ 473 Abs. 1 StPO).
Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Angeklagten, der auch die der Nebenklägerin im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen hat (§ 473 Abs. 1 StPO), als unzulässig verworfen.
1
Gründe
2I.
3Das Amtsgericht Warendorf hat den Angeklagten mit Urteil vom 16.11.2017 wegen sexueller Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt und die Vollstreckung dieser Strafe zur Bewährung ausgesetzt.
4Auf die rechtzeitige Berufung des Angeklagten hat das Landgericht Münster die Berufung des Angeklagten mit Urteil vom 10.10.2018 verworfen.
5Auf die rechtzeitig eingelegte und rechtzeitig begründete Revision des Angeklagten hat der Senat mit Beschluss vom 05.03.2019 das vorbezeichnete Urteil des Landgerichts Münster mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben. Zur Begründung hat der Senat ausgeführt, dass die Beweiswürdigung des angefochtenen Urteils lückenhaft sei, weil sie den an die Darstellung der Aussagekonstanz und Aussageentstehung in Aussage gegen Aussagekonstellationen nicht gerecht werde.
6Mit dem nunmehr angefochtenen Urteil vom 12.05.2020 hat das Landgericht Münster die Berufung des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil des Amtsgerichts Warendorf mit der Maßgabe, dass der Angeklagte des sexuellen Übergriffs schuldig ist, verworfen.
7Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte erneut mit der Revision, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, sein Rechtsmittel mit der Maßgabe, dass der Schuldspruch dahin korrigiert wird, dass der Angeklagte einer „sexuellen Nötigung (§ 177 Abs. 5 Nr. 1 StGB)“ schuldig ist, als offensichtlich unbegründet zu verwerfen. Auch die Nebenklägerin hält die Revision für offensichtlich unbegründet.
8Im Rahmen seiner Revisionsbegründung wendet sich der Angeklagte zudem gegen die Kosten- und Auslagenentscheidung. Er meint, es sei nicht billig, ihm die Kosten des ersten Berufungs- und Revisionsverfahrens aufzuerlegen.
9II.
10Die zulässige Revision des Angeklagten ist offensichtlich unbegründet, da die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
11III.
12Der Schuldspruch war zu berichtigen, da der Angeklagte die Tatbestandsmerkmale des § 177 Abs. 5 Nr. 1 StGB erfüllt hat, indem er gegenüber der Nebenklägerin Gewalt angewendet hat. Der Angeklagte hat nach den getroffenen Feststellungen die Nebenklägerin, nachdem er sie durch ihre Wohnung verfolgt hatte, zu fassen bekommen und sie von hinten mit einem festen Klammergriff umklammert, wobei er ihr beide Hände auf die Brüste drückte und sie so fest an sich presste, dass die Nebenklägerin das erigierte Glied des Angeklagten an ihrem Gesäß spürte. Der Klammergriff war so fest, dass die Nebenklägerin mehrfach erfolglos versuchte, den Angeklagten von sich wegzudrücken. Damit hat der Angeklagte auf den Körper des Opfers eine Krafteinwirkung entfaltet, welche eine von diesem empfundene Zwangswirkung entfaltete, also Gewalt angewendet (vgl. Fischer, StGB, 67. Aufl., § 177 Rdn. 64). Diese Gewalt diente zwar nicht als Nötigungsmittel zur Durchführung der sexuellen Handlung, sondern war mit dieser eins. Nach der Neufassung des § 177 StGB – so die höchstrichterliche Rechtsprechung – ist es aber nicht erforderlich, dass die Gewalt als Nötigungsmittel zur Ermöglichung der sexuelle Handlung eingesetzt wird, damit die Variante des § 177 Abs. 5 Nr. 1 StGB erfüllt ist. Es reicht, dass der Täter Gewalt ab Versuchsbeginn bis zum Zeitpunkt der Beendigung des sexuellen Übergriffs anwendet; ein Finalzusammenhang ist nicht erforderlich (BGH, Beschl. v. 10.10.2018 – 4 StR 311/18 – juris).
13Der Senat kann die Schuldspruchberichtigung vornehmen. Ein Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot liegt nicht vor und auch § 265 StPO steht nicht entgegen, da sich der sexuelle Handlungen insgesamt bestreitende Angeklagte auch insoweit nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können. Der Senat verweist insoweit auf die zutreffenden Ausführungen in der Antragsschrift der Generalstaatsanwaltschaft.
14Entgegen der Ansicht der Generalstaatsanwaltschaft war der Schuldspruch aber nicht in „sexuelle Nötigung“ zu berichtigen, da hier gerade kein finaler Zusammenhang zwischen Gewaltausübung und sexuellem Übergriff besteht, sondern in „sexueller Übergriff mit Gewalt“ (vgl. BGH a.a.O.).
15IV.
16Die sofortige Beschwerde gegen die Kosten- und Auslagenentscheidung ist unzulässig, da sie nicht binnen der Wochenfrist des § 311 StPO eingelegt worden ist, was erforderlich gewesen wäre (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 63. Aufl., § 464 Rdn. 21), sondern erst rund eineinhalb Monate nach Verkündung der Kosten- und Auslagenentscheidung im Rahmen der Revisionsbegründung.
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Referenzen
- StPO § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss 1x
- StPO § 473 Kosten bei zurückgenommenem oder erfolglosem Rechtsmittel; Kosten der Wiedereinsetzung 2x
- StGB § 177 Sexueller Übergriff; sexuelle Nötigung; Vergewaltigung 3x
- StPO § 311 Sofortige Beschwerde 1x
- 4 StR 311/18 1x (nicht zugeordnet)
- StPO § 265 Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes oder der Sachlage 1x