Beschluss vom Oberlandesgericht Hamm - 10 W 85/20
Tenor
Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2) wird der Beschluss des Amtsgerichts – Nachlassgericht – Soest vom 28.04.2020 abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Beteiligten zu 1) wird für ihre Tätigkeit als Nachlasspflegerin eine Vergütung aus dem Nachlass der Erblasserin in Höhe von 824,30 € und eine weitere Vergütung nebst Auslagen aus der Staatskasse in Höhe von 1.989,40 € festgesetzt. Der weitergehende Vergütungsantrag wird zurückgewiesen.
Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben, eine Erstattung von Auslagen findet nicht statt.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5.203,37 € festgesetzt.
1
Gründe:
2I.
3Mit Beschluss vom 29.01.2018 ordnete das Nachlassgericht Nachlasspflegschaft an und bestellte die Beteiligte zu 1) zur berufsmäßigen Nachlasspflegerin mit dem Wirkungskreis der Sicherung und Verwaltung des Nachlasses sowie der Ermittlung der Erben.
4Die Verpflichtung der Beteiligten zu 1) erfolgte am 01.02.2018.
5Mit Beschluss vom 30.09.2019, der Beteiligten zu 1) zugestellt am 07.10.2019, hob das Nachlassgericht die Nachlasspflegschaft auf, da es davon ausging, die Erben seien ermittelt. Der Nachlass weist ein Kontoguthaben in Höhe von 824,30 € auf.
6Mit Antrag vom 23.12.2019 beantragte die Beteiligte zu 1) für den Zeitraum vom 01.02.2018 bis zum 07.10.2019 die Festsetzung einer Vergütung nebst Aufwendungsersatz in Höhe von insgesamt 6.027,67 € brutto. Hierbei rechnete sie 44,3333 näher dargelegte Stunden zu einem Stundensatz in Höhe von 110,00 € netto sowie Auslagenersatz für Telefon, Porto und Fahrtkosten in Höhe von insgesamt 188,60 € ab.
7Mit dem angefochtenen Beschluss vom 28.04.2020, in dem die Beteiligte zu 2), eine Tochter der Erblasserin, als Erbin bezeichnet worden ist, hat das Nachlassgericht eine Vergütung nebst Auslagenersatz in Höhe von 6.027,67 € festgesetzt und angeordnet, dass dieser Betrag in Höhe von 824,30 € dem Nachlass entnommen werden könne und der restliche Betrag in Höhe von 5.203,37 € gegen die Erbin geltend zu machen sei.
8Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beteiligten zu 2) vom 19.05.2020. Sie wendet sich gegen die Annahme ihrer Erbenstellung, weil sie die Erbschaft am 26.01.2018 ausgeschlagen und nur Gegenstände aus der Wohnung der Erblasserin mitgenommen habe, um ihren Bruder bei der Räumung der Wohnung zu unterstützen. Zudem hält sie die dem Vergütungsantrag beigefügte Zeitaufstellung für unwahr, diese entbehre jeglicher Grundlage für die angeblich erbrachten Tätigkeiten.
9Mit Beschluss vom 30.07.2020 hat das Nachlassgericht der Beschwerde mit näherer Begründung nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
10II.
11Die Beschwerde der Beteiligten zu 2) ist nach § 58 Abs. 1 FamFG statthaft und auch im Übrigen gem. §§ 59 ff. FamFG zulässig, insbesondere frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden.
12Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Zu Unrecht hat das Nachlassgericht eine Vergütung in beantragter Höhe festgesetzt und angeordnet, dass der nicht durch den Nachlass gedeckte Teil der Vergütung gegen die Beteiligte zu 2) als Erbin geltend zu machen sei.
131.
14Liegt - wie hier - ein teilmittelloser Nachlass vor, weil der vorhandene Nachlass nicht zur vollständigen Befriedigung aller vom Nachlasspfleger geleisteten Stunden ausreicht, so besteht ein Vergütungsanspruch des Nachlasspflegers aus §§ 1960, 1915 Abs. 1 S. 2 i. V. m. 1836 Nr. 2 BGB gegen den Nachlass, soweit dieser vermögend ist, und hinsichtlich der verbliebenen Stunden nach den niedrigeren Stundensätzen des § 3 VBVG gegen die Staatskasse (BGH, Beschlüsse vom 29.06.2021, IV ZB 16/20 und IV ZB 36/20).
15Mit seinem Vergütungsantrag hat der Nachlasspfleger eine Aufstellung über seinen Zeitaufwand vorzulegen, die vom Nachlassgericht auf ihre Plausibilität hin zu überprüfen ist. Erforderlich, aber auch ausreichend für einen ordnungsgemäßen Vergütungsantrag ist, dass die Angaben in der Tätigkeitsaufstellung die Feststellung einer ungefähren Größenordnung des Zeitaufwandes für die entfalteten Tätigkeiten ermöglichen und so zur Grundlage einer Schätzung nach § 287 ZPO gemacht werden können. Verlangt wird deshalb, dass der Nachlasspfleger die zur Abrechnung gestellten Tätigkeiten zumindest stichwortartig angibt und in einem Umfang konkretisiert, der eine überschlägige Prüfung des abgerechneten Zeitraumes und so eine sachliche Überprüfung der Abrechnungspositionen erlaubt (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27.11.2019, I-3 Wx 189/19 m. w. N., - juris).
16Die von der Beteiligten zu 1) vorgelegte Aufstellung über die von ihr in dem abrechenbaren Zeitraum entfalteten Tätigkeiten genügt diesen Anforderungen und ist plausibel. Konkrete Einwendungen hiergegen hat die Beteiligte zu 2) nicht erhoben, sondern lediglich pauschal die inhaltliche Richtigkeit der Aufstellung in Frage gestellt. Für die Vergütungsfestsetzung ist daher von einem zu vergütenden Zeitaufwand von 44,33 Stunden auszugehen.
17Angesichts des vorliegend nicht zu beanstandenden und von der Beschwerde nicht gerügten Stundensatzes der Nachlasspflegerin von 110,00 € netto bzw. 130,90 € inkl. MwSt. reicht der Nachlass in Höhe von 824,30 € nur aus, um 6,3 Stunden der insgesamt abgerechneten 44,33 Stunden zu vergüten. Nur in Höhe dieses Betrages besteht ein Anspruch gegen den Nachlass.
18Für die darüber hinaus abgerechneten 38,03 Stunden kann die Nachlasspflegerin nur den Stundensatz des § 3 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 VBVG in Höhe von 39,00 € zzgl. MwSt. verlangen, so dass ihr insoweit insgesamt nur ein Anspruch in Höhe von 1.764,97 € nebst Auslagen in Höhe von 224,43 € (§ 1835 Abs. 1 und 4 BGB i. V. m. § 168 Abs. 5, Abs. 1 S. 1 Nr. 1 FamFG) zusteht. Dieser Anspruch richtet sich jedoch weder gegen den Nachlass noch gegen den oder die Erben, sondern gegen die Staatskasse, auf die mögliche Ansprüche nach §§ 1836e Abs. 1 S. 1 i. V. m. 1915 Abs. 1 S. 1 BGB gegen den oder die Erben übergehen (Staudinger/Mesina, 2017, § 1960 BGB, Rn. 36).
19Die Frage, wer Erbe der Erblasserin geworden ist und somit von der Staatskasse auf Rückzahlung der an die Nachlasspflegerin gezahlten Vergütung in Anspruch genommen werden kann, ist nicht Gegenstand des Vergütungsfestsetzungsverfahrens. Es kann daher dahinstehen, ob die frist- und formgerecht erklärte Erbausschlagung durch die Beteiligte zu 2) wirksam ist oder ob sie aufgrund einer (zuvor) erfolgten konkludenten Annahme der Erbschaft nach § 1943 BGB nicht mehr zur Ausschlagung berechtigt war.
202.
21Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 FamFG.
22Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, weil die hierfür nach § 70 Abs. 2 FamFG erforderlichen Voraussetzungen nicht vorliegen. Die Frage der Berechnung der Höhe des Vergütungsanspruchs des Nachlasspflegers bei sog. teilmittellosem Nachlass ist höchstrichterlich geklärt.
23Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 61 GNotKG und bemisst sich nach der Höhe der erstinstanzlich zu Lasten der Beteiligten zu 2) festgesetzten Vergütung, deren Beseitigung die Beteiligte zu 2) mit der Beschwerde verfolgt hat.
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Referenzen
- BGB § 1960 Sicherung des Nachlasses; Nachlasspfleger 1x
- IV ZB 16/20 1x (nicht zugeordnet)
- IV ZB 36/20 1x (nicht zugeordnet)
- §§ 59 ff. FamFG 1x (nicht zugeordnet)
- 3 Wx 189/19 1x (nicht zugeordnet)
- FamFG § 58 Statthaftigkeit der Beschwerde 1x
- BGB § 1836e Gesetzlicher Forderungsübergang 1x
- FamFG § 168 Beschluss über Zahlungen des Mündels 1x
- § 3 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 VBVG 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 287 Schadensermittlung; Höhe der Forderung 1x