Urteil vom Oberlandesgericht Hamm - 11 U 126/21
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 05.07.2022 verkündete Urteil des Einzelrichters der 6. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Dieses und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
1
Gründe:
2A.
3Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.
4B.
5Die Berufung des Klägers ist zulässig, aber nicht begründet.
6Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche stehen diesem unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt zu.
7I. Soweit der Kläger mit den Berufungsanträgen zu 3) und 4) die Unterlassung von Äußerungen begehrt, welche der Beklagte in der mündlichen Verhandlung vom 14.12.2020 vor dem Landgericht Bielefeld in dieser Sache getätigt haben soll, ist die Klage bereits unzulässig, da ihr das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis fehlt.
81. Nach der gefestigten Rechtsprechung besteht für Ehrschutzklagen gegen Äußerungen, die der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung in einem Gerichtsverfahren oder dessen Vorbereitung dienen, in aller Regel kein Rechtsschutzbedürfnis. Das Ausgangsverfahren soll nicht durch eine Beschneidung der Äußerungsfreiheit der daran Beteiligten beeinträchtigt werden. Die Parteien müssen in einem Gerichtsverfahren grundsätzlich alles vortragen dürfen, was sie zur Wahrung ihrer Rechte für erforderlich halten, auch wenn hierdurch die Ehre eines anderen berührt wird. Ob das Vorbringen wahr und erheblich ist, soll allein in dem Ausgangsverfahren geprüft werden. Der von der ehrkränkenden Äußerung Betroffene kann deswegen weder Unterlassungs- noch Widerrufsansprüche geltend machen (BGH, Urteil vom 28.02.2012 – VI ZR 79/11, juris Rn. 7). Dies trägt dem Recht der Parteien auf wirkungsvollen gerichtlichen Rechtsschutz aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip sowie dem Recht auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 Rechnung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15.12.2008 – 1 BvR 1404/04, juris Rn. 17). Die Rechte des Betroffenen werden hinreichend dadurch gewahrt, dass ihm bereits im Ausgangsverfahren prozessual wie materiell-rechtlich ausreichende Rechtsgarantien zum Schutz seiner Interessen bereitstehen; er kann schon in diesem Verfahren die Behauptung des Prozessgegners zur Nachprüfung durch das Gericht stellen (vgl. BGH, Urteil vom 28.02.2012 – VI ZR 79/11, juris Rn. 7 m. w. N.).
9Der angestrebte Schutz der Äußerungsfreiheit in einem gerichtlichen Verfahren kann auch nicht dadurch „umgangen“ werden, dass Unterlassungsansprüche wegen einzelner Äußerungen im Wege der Klageerweiterung in das Ausgangsverfahren „eingeführt“ werden. In Bezug auf das Ausgangsverfahren stellen diese Anträge selbständige Streitgegenstände dar, die in rechtlicher Hinsicht einer selbständigen Prüfung ihrer Zulässigkeit und Begründetheit unterliegen. Das aus rechtsstaatlichen Gründen grundsätzlich fehlende Rechtsschutzinteresse dieser Klagen entsteht nicht dadurch, dass sie von einer Partei mit dem Ausgangsverfahren verbunden werden. Denn auch in diesem Fall würden sie die Rechtsverfolgung des Gegners im Ausgangsverfahren beeinträchtigen und ihm die Äußerungsfreiheit beschneiden, wenn er sich nicht dem Risiko eines Unterlassungsurteils in dem weiteren (verbundenen) Verfahren aussetzen will. Für den noch laufenden Ausgangsprozess wäre das auch deswegen nachteilig, weil es für die Entscheidung eines Zivilprozesses regelmäßig auf den Sach- und Streitstand im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ankommt.
102. Eine Ausnahme von dem dargestellten Grundsatz gilt allenfalls dann, wenn die beanstandeten Äußerungen in keinerlei Zusammenhang zur Rechtsverfolgung des Äußernden stehen, erkennbar falsch sind oder eine unzulässige Schmähung darstellen (BGH, Urteil vom 11.12.2007 – VI ZR 14/07, juris Rn. 14 m. w. N.).
11Dies ist hier allerdings nicht der Fall.
12Vielmehr ist zunächst davon auszugehen, dass die Aussagen des Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 14.12.2020 im Zusammenhang mit dessen Rechtsverteidigung standen. Zwar ist der genaue Wortlaut der Äußerungen zwischen den Parteien streitig und auch nicht protokolliert. Die Angaben des Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 14.06.2021 vor dem Landgericht Bielefeld, wie sie dem Sitzungsprotokoll zu entnehmen sind, lassen aber erkennen, dass es dem Beklagten darum ging, die Belastung zu verdeutlichen, die er – wie auch die anderen Mitglieder des E-Mail-Verteilers – sich aufgrund der durch den Kläger und dessen Bruder angestrengten Zivilprozesse ausgesetzt sahen. Dieses Vorbringen konnte der Beklagte als dienlich für seine Rechtsverteidigung erachten, da es im Rahmen der Beurteilung der Widerrechtlichkeit eines etwaigen Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers – insbesondere im Hinblick auf die Wahrnehmung berechtigter Interessen – von Bedeutung sein konnte. Damit ist ein hinreichender Zusammenhang zur Rechtsverteidigung des Beklagten gegeben.
13Dass die – inhaltlich streitigen – Aussagen des Beklagten des Weiteren erkennbar falsch sind, liegt ebenso fern wie die Annahme einer unzulässigen Schmähung.
14Selbst wenn man den vom Kläger behaupteten Inhalt der Äußerungen zu Grunde legt, handelt es sich nicht um Äußerungen, die bereits auf der Hand liegend falsch waren. Der Hinweis auf die „Gleichstellung mit Mördern“ wie dem „A-Mörder“ hatte einen sprachlichen Bezug zu einem strafrechtlichen Beschwerdeschreiben des Klägers, wie der Beklagte dem Landgericht glaubhaft geschildert hat. Der weitere Hinweis auf ein „Gegen-die-Wand-Fahren“ von Menschen, die sich in psychiatrische Behandlung ergeben müssten, stand nach den nachvollziehbaren Angaben des Beklagten im Zusammenhang mit der Schilderung einer vom Kläger ebenfalls verklagten Person über dessen psychische Belastungen aufgrund des geführten Rechtsstreits.
15An einer Schmähung fehlt es bei diesen Äußerungen bereits deshalb, weil ihr sachlicher Gehalt unverkennbar ist und zudem ein Zusammenhang mit den für den Rechtsstreit wesentlichen Fragen und damit der Rechtsverteidigung des Beklagten bestand, insbesondere dem Druck und der Belastung, der sich der Beklagte aufgrund des gegen ihn angestrengten Zivilprozesses und der auf Veranlassung des Klägers zu seinem Nachteil eingeleiteten strafrechtlichen Ermittlungsverfahren ausgesetzt sah.
16II. Im Übrigen ist die Klage unbegründet.
171. Der Kläger kann nicht die mit dem Berufungsantrag zu 1) begehrte Unterlassung der Herstellung oder Verbreitung des als Anlage K 1 vorgelegten Schriftstücks (Blatt 8 ff. der Akte) verlangen.
18a) Ein solcher Anspruch folgt nicht aus § 823 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK.
19aa) Eine etwaige Verletzung der Rechte des Klägers durch das von diesem beanstandete Schriftstück wäre dem Beklagten allerdings zuzurechnen.
20Der konkrete Umfang der Mitwirkung des Beklagten an der Erstellung des Schriftstücks kann dahinstehen. Denn der Beklagte hat das Dokument in der vom Kläger vorgelegten Fassung per E-Mail an die Mitglieder des E-Mail-Verteilers versandt, ohne dessen Inhalt in Frage zu stellen. Störer ist neben dem Verfasser einer Erklärung auch, wer fremde Erklärungen an andere weiterleitet, wenn er diese nicht als ungeprüfte Behauptungen Dritter kennzeichnet, sondern sich den Inhalt der Äußerung erkennbar zu eigen macht (Rixecker, in: Münchener Kommentar zum BGB, 9. Auflage 2021, Anhang zu § 12 Rn. 305). Indem der Beklagte – wie er selbst einräumt – jedenfalls Teile des Dokuments erstellt bzw. aktualisiert hat, hat er durch dessen Weiterleitung, ohne den Inhalt in Frage zu stellen, sich denselben zu eigen gemacht. Auch stellt die Weiterleitung selbst eine Verbreitung dar, die für eine Inanspruchnahme als Störer ausreichend ist. Denn der Beklagte ist nicht lediglich als technischer sondern als intellektueller Verbreiter tätig geworden, da er mit dem Inhalt des Dokuments befasst war.
21bb) Erstellung und Verbreitung des Dokuments stellen allerdings keine widerrechtliche Verletzung des hier allein ein als verletztes Rechtsgut in Betracht kommenden aus Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG bzw. Art. 8 Abs. 1 EMRK abgeleiteten allgemeinen Persönlichkeitsrechts dar.
22Der Eigenart des allgemeinen Persönlichkeitsrechts als offenes Rahmenrecht entspricht es, dass seine Reichweite nicht absolut festgelegt ist, sondern erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden muss, wobei die besonderen Umstände des Einzelfalls sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu berücksichtigen sind (BGH, Urteil vom 20.12.2011 – VI ZR 261/10, juris Rn. 12). So sind als Schutzgüter des allgemeinen Persönlichkeitsrechts anerkannt die Privatsphäre, Geheimsphäre und Intimsphäre, die persönliche Ehre, das Verfügungsrecht über die Darstellung der eigenen Person, das Recht am eigenen Bild und am gesprochenen Wort und unter bestimmten Umständen das Recht, von der Unterschiebung nicht getaner Äußerungen verschont zu bleiben. Diese Ausformungen des verfassungsrechtlich geschützten Persönlichkeitsrechts müssen entsprechend beachtet werden, wenn es sich um gerichtliche Entscheidungen über kollidierende Interessen nach den Vorschriften des Privatrechts handelt (BGH, Urteil vom 26.11.2019 – VI ZR 20/19, juris Rn. 13; BGH, Urteil vom 05.11.2013 – VI ZR 304/12, juris Rn. 10 jeweils m. w. N.).
23(1) Soweit der Kläger die Verbreitung seiner persönlichen Daten unter der Bezeichnung „Steckbrief“ (Seite 3 des Schriftstücks) beanstandet, kommt eine Verletzung des Rechts des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in Betracht.
24(a) Unter diesem Aspekt ist der Rechtsgutsträger vor dem Eindringen und Ausforschen des privaten und persönlichen Lebensumfeldes geschützt, das er als geschütztes „Reservat“ und privaten Rückzugsraum nur zu öffnen braucht, wenn er dies will und das er auch nur demjenigen gegenüber zu öffnen braucht, den er dafür selbst frei ausgewählt hat. Ferner gewährt das allgemeine Persönlichkeitsrecht unter diesem Aspekt das Recht, exklusiv selbst über die eigene Darstellung der Person in der Öffentlichkeit zu entscheiden. Dies bezieht sich insbesondere auf die Offenlegung solcher persönlicher Lebenssachverhalte, durch die der Betroffene der Öffentlichkeit preisgegeben wird. Hier steht kraft des Persönlichkeitsrechts allein dem Betroffenen die Befugnis zu, darüber zu befinden, ob, wann und innerhalb welcher Grenzen seine personenbezogenen Daten in die Öffentlichkeit gebracht werden (BGH, Urteil vom 20.12.1994 – VI ZR 108/94, juris Rn. 19).
25Das so konturierte Recht auf „Privatheit“ lässt sich in mehrere Schutzzonen unterschiedlicher Schutzbedürftigkeit und Schutzwürdigkeit aufgliedern: Danach lagern sich um den unantastbaren Persönlichkeitskern (Intimsphäre) zunächst die Privatsphäre, in die aufgrund überwiegender Interessen der Allgemeinheit eingegriffen werden darf, die Sozialsphäre, die dadurch gekennzeichnet ist, dass der Mensch in Kontakt mit der Öffentlichkeit tritt und in die unter weniger strengen Anforderungen eingegriffen werden darf und schließlich die Öffentlichkeitssphäre, für die kein Schutz gewährleistet wird (vgl. BGH, Urteil vom 20.12.2011 – VI ZR 261/10, juris Rn. 13 m. w. N.).
26Durch die Verwendung der Daten zur Person des Klägers ist hier das Recht auf informationelle Selbstbestimmung betroffen, da die auf Seite 3 des Schriftstücks enthaltenen Angaben (Name, Geburtsdatum, Anschrift und Beruf) den Kläger insoweit beschreiben. Diese Angaben sind – wie das Landgericht ausgeführt hat – der Sozialsphäre des Klägers zuzuordnen, nicht aber seiner Privatsphäre. Die Sozialsphäre betrifft den Bereich, in dem sich die persönliche Entfaltung von vornherein im Kontakt mit der Umwelt vollzieht, also insbesondere das berufliche und politische Wirken des Individuums. Demgegenüber umfasst die Privatsphäre sowohl in räumlicher als auch in thematischer Hinsicht den Bereich, zu dem andere grundsätzlich nur Zugang haben, soweit er ihnen gestattet wird. Dies betrifft in thematischer Hinsicht Angelegenheiten, die wegen ihres Informationsinhalts typischerweise als „privat“ eingestuft werden, etwa weil ihre öffentliche Erörterung als unschicklich gilt, das Bekanntwerden als peinlich empfunden wird oder nachteilige Reaktionen in der Umwelt auslöst (BGH, Urteil vom 20.12.2011 – VI ZR 261/10, juris Rn. 16). Nach dieser Maßgabe sind die auf Seite 3 des Schriftstücks enthaltenen Angaben zur Person des Klägers seiner Sozialsphäre zuzuordnen, da sie in erster Linie seiner Identifizierung dienen.
27(b) Es fehlt aber an der Rechtswidrigkeit der Rechtsverletzung.
28Dass der Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts betroffen ist, indiziert – im Gegensatz zur Verletzung eines absoluten Rechts im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB – noch nicht die Rechtswidrigkeit der Verletzung. Vielmehr ist eine Interessenabwägung vorzunehmen und die Rechtswidrigkeit positiv festzustellen. An dieser fehlt es, wenn der Störer berechtigte Interessen wahrnimmt, deren Gewicht den Interessen des Betroffenen an seiner immateriellen Integrität überlegen ist. Die Abwägung geht hier zu Lasten des Klägers.
29Im Rahmen der Abwägung ist unter anderem von Bedeutung, wie die entsprechenden Informationen gewonnen wurden. Denn es macht einen Unterschied, ob Daten heimlich oder durch Täuschung erlangt wurden oder der Betroffene sie selbst öffentlich gemacht oder jedenfalls dazu beigetragen hat, dass sie öffentlich werden (vgl. BGH, Urteil vom 19.10.2004 – VI ZR 292/03, juris Rn. 21). Es ist aber weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die – nach Angaben des Klägers im Senatstermin inhaltlich zutreffenden – Angaben zu seiner Person auf Seite 3 des Schriftstücks in einer zu beanstandenden Art und Weise erlangt worden wären. Es liegt vielmehr nahe, dass die Daten zur Person des Klägers den gerichtlichen Schriftstücken zu entnehmen sind, die dem Beklagten und den weiteren Mitgliedern des E-Mail-Verteilers anlässlich der geführten Zivilprozesse übermittelt wurden sowie aus Dokumenten, welche der Beklagte anlässlich des auf Strafanzeige des Klägers gegen ihn eingeleiteten Ermittlungsverfahrens zur Kenntnis genommen hat.
30Ferner ist zu berücksichtigen, dass die Daten zur Person des Klägers nur an einen überschaubaren Adressatenkreises von etwa zehn Personen übermittelt wurden, denen – da sie ebenfalls in Rechtsstreitigkeiten mit dem Kläger bzw. dessen Bruder verstrickt waren – der Kläger ohnehin bereits bekannt war. Es steht nicht fest – und wird vom Kläger auch nicht konkret behauptet – dass das Schriftstück noch anderen Personen oder gar durch Veröffentlichung im Internet einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde.
31Auch bestand der Zweck der Übermittlung der Daten nicht darin, diese einer breiten Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Vielmehr ging es dem Beklagten und den weiteren Mitgliedern des E-Mail-Verteilers um den Austausch von Erfahrungen hinsichtlich der vom Kläger bzw. dessen Bruder angestrengten Rechtsstreitigkeiten. Dieser Wunsch nach Informationen und Erfahrungsaustausch stellt ein berechtigtes Interesse dar und ist durch die in Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG verbriefte Meinungsfreiheit geschützt.
32Zudem müssen wahre Aussagen in der Regel hingenommen werden, selbst wenn sie – was hier nicht der Fall ist – für den Betroffenen nachteilig sind; Äußerungen im Rahmen der Sozialsphäre sind nur im Falle schwerwiegender Auswirkungen auf das Persönlichkeitsrecht mit negativen Sanktionen zu verknüpfen, wenn etwa Stigmatisierung, soziale Ausgrenzung oder Prangerwirkung zu besorgen sind (BGH, Urteil vom 20.12.2011 – VI ZR 261/10, juris Rn. 20). Eine Prangerwirkung erfordert, dass ein beanstandungswürdiges Verhalten einer breiteren Öffentlichkeit bekannt gemacht wird und sich dies schwerwiegend auf Ansehen und Persönlichkeitsentfaltung des Betroffenen auswirkt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 18.02.2010 – 1 BvR 2477/08, juris Rn. 25).
33Dies ist hier aber nicht der Fall. Insbesondere folgt eine derartige Wirkung nicht aus der Verknüpfung der persönlichen Daten des Klägers mit einem ihm zugeschriebenen Verhalten in dem Schriftstück, da es bereits an der Bekanntmachung gegenüber einer breiten Öffentlichkeit fehlt. Eine schwerwiegende Auswirkung auf Ansehen und Persönlichkeitsentfaltung des Klägers ist zudem weder nachvollziehbar dargetan noch sonst ersichtlich.
34Eine Prangerwirkung folgt insbesondere nicht aus dem Umstand, dass Seite 3 des Schriftstücks mit den Daten zur Person des Klägers als „Steckbrief“ überschrieben ist. Soweit der Kläger vorbringt, bei einem Steckbrief handele es sich um ein durch Gerichte oder Staatsanwaltschaften erlassenes öffentliches Ersuchen um Festnahme einer zu verhaftenden kriminellen Person, die flüchtig sei oder sich verborgen halte, ändert dies hieran nichts. Denn der Begriff „Steckbrief“ ist auszulegen, um den objektiven Sinngehalt, der sich aus dem Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums ergibt, zu ermitteln. Betrachtet man den Kontext, in dem der Begriff im vorliegenden Fall verwendet wird, liegt die verengte Interpretation des Klägers fern; der Begriff ist vielmehr offener zu sehen. So wird etwa an keiner Stelle des Schriftstücks der Eindruck erweckt, das Dokument stamme von einer staatlichen (Strafverfolgungs-) Behörde. Das – lediglich einem kleinen Personenkreis bekannt gemachte – Dokument bezweckt auch ersichtlich nicht die Verfolgung des Klägers, sondern lediglich seine Identifizierung.
35(2) Soweit der Kläger rügt, er werde in dem Schriftstück der Begehung von Straftaten, insbesondere des Prozessbetruges und der Urkundenfälschung verdächtigt, kommt eine Verletzung der Ehre des Klägers als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in Betracht (§ 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit §§ 185 ff. StGB).
36(a) Geschützt vor der Äußerung von Missachtung oder Nichtachtung ist der Ruf, das Ansehen einer Person in den Augen anderer, ihre soziale Geltung oder äußere Ehre. Verletzungen des Rechts der persönlichen Ehre liegen vor, wenn der Einzelne beschimpft, verächtlich gemacht oder herabgewürdigt wird, wenn ihm Eigenschaften zugesprochen werden, die andere als tadelnswert betrachten. Eine solche Herabsetzung erfolgt etwa, wenn der Betroffene eines strafrechtlich sanktionierten oder moralisch verwerflichen Verhaltens bezichtigt wird oder wenn ihm menschliche oder berufliche Unzulänglichkeiten vorgeworfen werden. Wird eine entsprechende Äußerung getätigt und stellt diese eine Tatsachenbehauptung dar, so hat der Äußernde gemäß der über § 823 Abs. 2 BGB in das Zivilrecht transformierten Beweisregel des § 186 StGB die Wahrheit der von ihm aufgestellten Behauptung nachzuweisen (BGH, Urteil vom 17.12.2013 – VI ZR 211/12, juris Rn. 24; BGH, Urteil vom 17.11.1992 – VI ZR 344/91, juris Rn. 14).
37Die Tatsachenbehauptung ist vom Werturteil abzugrenzen. Tatsachenbehauptungen sind durch die objektive Beziehung zwischen Äußerung und Wirklichkeit charakterisiert. Demgegenüber werden Werturteil und Meinungsäußerung durch die subjektive Beziehung des sich Äußernden zum Inhalt seiner Aussage geprägt. Wesentlich für die Einstufung als Tatsachenbehauptung ist danach, ob die Aussage einer Überprüfung auf ihre Richtigkeit mit Mitteln des Beweises zugänglich ist. Dies scheidet bei Werturteilen und Meinungsäußerungen aus, weil sie durch das Element der Stellungnahme und des Dafürhaltens gekennzeichnet sind und sich deshalb nicht als wahr oder unwahr erweisen lassen. Sofern eine Äußerung, in der Tatsachen und Meinungen sich vermengen, durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meines geprägt ist, wird sie als Meinung vom Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG geschützt. Dies gilt insbesondere dann, wenn eine Trennung der wertenden und der tatsächlichen Gehalte den Sinn der Äußerung aufhöbe oder verfälschte. Würde in einem solchen Fall das tatsächliche Element als ausschlaggebend angesehen, so könnte der grundrechtliche Schutz der Meinungsfreiheit wesentlich verkürzt werden (BGH, Urteil vom 16.12.2014 – VI ZR 39/14, juris Rn. 8 m. w. N.).
38Die zutreffende Einstufung einer Äußerung als Wertung oder Tatsachenbehauptung setzt die Erfassung ihres Sinns voraus. Bei der Sinndeutung ist die Äußerung stets in dem Zusammenhang zu beurteilen, in dem sie gefallen ist. Sie darf nicht aus dem sie betreffenden Kontext herausgelöst einer rein isolierten Betrachtung zugeführt werden (BGH, Urteil vom 16.12.2014 – VI ZR 39/14, juris Rn. 9 m. w. N.).
39(aa) Nach den vorbeschriebenen Grundsätzen ist die auf Seite 1 des vom Kläger beanstandeten Schriftstücks als Überschrift verwendete Formulierung „Fall Gebrüder B. und C. D. – Prozessbetrug?“ nicht als Tatsachenbehauptung einzustufen, sondern als Meinungsäußerung.
40Enthält eine Äußerung einen rechtlichen Fachbegriff, so deutet dies darauf hin, dass sie als Rechtsauffassung und damit als Meinungsäußerung einzustufen ist (BGH, Urteil vom 16.11.2004 – VI ZR 298/03, juris Rn. 24 m. w. N.). Der Vorwurf, jemand habe betrogen, ist allerdings dann dem Beweis zugänglich, wenn er Vorgänge beschreibt, die eine durch Täuschung bewirkte Vermögensschädigung im Sinne von § 263 Abs. 1 StGB bedeuten. Er gibt eine Meinung preis, wenn er lediglich schlagwortartig eine Enttäuschung, hintergangen worden zu sein, kennzeichnet (Rixecker, in: Münchener Kommentar zum BGB, 9. Auflage 2021, Anhang zu § 12 Rn. 220).
41Nach der Gestaltung von Seite 1 des Dokuments wird der Begriff „Prozessbetrug“ in einer Überschrift verwendet, mit der – im Kontext des Gesamtdokuments – die Frage aufgeworfen wird, ob ein solcher vorliegt. Insbesondere das verwendete Fragezeichen macht deutlich, dass es sich bei der Überschrift gerade nicht um eine eindeutige Feststellung handelt, sondern um eine Frage. Fragen sind allerdings keine Aussagen, deren Wahrheit oder Unwahrheit bewiesen werden kann. Sie sind auch keine Stellungnahmen, Beurteilungen oder Einschätzungen. Eine wirkliche Frage zielt ab auf eine Auskunft über tatsächliche Umstände oder Meinungen. Daher kann sie aber auch als besonders subtile Form der Rufschädigung dienen. Fragen erlauben, Informationsbedürfnisse vorzustellen, Interesse für behauptete Missstände und mögliches Fehlverhalten zu wecken. Damit können sie aber zugleich den Verdacht eines ernsthaften Informationsbedürfnisses, Missstandes oder Fehlverhaltens erzeugen und den Fragesteller dennoch als Aufklärer auftreten lassen. Da eine Frage nicht als wahr oder unwahr eingestuft werden kann, ist sie grundsätzlich einem Werturteil gleichzustellen (BVerfG, Beschluss vom 09.10.1991 – 1 BvR 221/90, juris Rn. 44). Allerdings gibt es Fragen, die einer Behauptung gleichkommen. Für eine Abgrenzung ist entscheidend, ob eine Frage auf Antwort angelegt und für verschiedene Antworten offen ist. Fragen, die sich in ihrer Stellung erschöpfen, weil sie erkennen lassen, die Antwort schon zu kennen (rhetorische Fragen), bedürfen hingegen keines Schutzes (BGH, Urteil vom 09.12.2003 – VI ZR 38/03, juris Rn. 19). Fragen, die ehrenrührige Umstände voraussetzen oder in den Raum stellen, gehen dem Recht der persönlichen Ehre vor, wenn der Fragende Anhaltspunkte zum Nachforschen besitzt.
42Nach diesen Grundsätzen ist die auf Seite 1 des Schriftstücks aufgeworfene Frage nach einem Prozessbetrug als echte, einem Werturteil gleichzustellende Frage einzustufen. Denn im Kontext mit dem weiteren Inhalt des Dokuments ergibt sich, dass der oder die Verfasser Anhaltspunkte für einen Prozessbetrug haben. Sie nehmen an, dass es sich beim Kläger um einen sogenannten „Abbruchjäger“ handeln könnte, dessen Handeln allein aufgrund der Zahl der von ihm angestrengten Rechtsstreitigkeiten rechtsmissbräuchlich sei. Auch erschöpft sich die Aussage in dem Schriftstück nicht in der bloßen Frage nach einem Prozessbetrug. So folgen dem Deckblatt eine Reihe von „Rechercheergebnissen“ der Verfasser, die ihrerseits nicht nur eine Antwort auf die gestellte Frage nahelegen. Vielmehr lässt nach der Gestaltung des Dokuments die gestellte Frage nach einem möglichen Prozessbetrug dem Leser die Antwort offen und ist damit als Meinungsäußerung zu werten.
43Aber auch unabhängig von der Einstufung der Äußerung als echte Frage handelt es sich bei der beanstandeten Formulierung um eine Meinungsäußerung und nicht um eine Tatsachenbehauptung. Denn eine Einstufung des Verhaltens des Klägers als Prozessbetrug ist in ihrem wesentlichen Kern keine auf ihre Richtigkeit überprüfbare und substantiierte Aussage, sondern lediglich eine pauschale subjektive Bewertung des Verhaltens des Klägers. Auch die Verwendung des Begriffs „Prozessbetrug“ deutet für den Durchschnittsadressaten der Äußerung nicht in entscheidender Weise auf einen ausreichend konkreten Sachverhalt hin, der die Tatbestandsmerkmale des § 263 StGB in der besonderen Variante des Prozessbetrugs erfüllen würde. Der Begriff „Betrug“ wird nicht im fachspezifischen, sondern in einem alltagssprachlichen Sinn verwendet, um die Praktiken des Klägers einzuordnen (vgl. BGH, Urteil vom 16.12.2014 – VI ZR 39/14, juris Rn. 10; BGH, Urteil vom 29.01.2002 – VI ZR 20/01, juris Rn. 26). Der Vorwurf des Prozessbetrugs kann als Tatsachenbehauptung einzustufen sein, sofern ein konkreter Sachverhalt dargelegt wird, der sich unter den Tatbestand subsumieren lässt und einer Überprüfung mit den Mitteln des Beweises zugänglich ist (OLG Celle, Urteil vom 01.11.2001 – 13 U 70/01, juris Rn. 8). Ein derartiger Sachverhalt ergibt sich allerdings aus dem Schriftstück gerade nicht. Insbesondere lässt sich ihm schon nicht entnehmen, inwieweit es durch den Kläger zu einer Täuschung eines Gerichts in einem vom Kläger angestrengten Verfahren gekommen sein soll. Vielmehr deutet die Formulierung darauf hin, dass die Autoren des Berichts sich durch das Verhalten des Klägers im untechnischen Sinne betrogen fühlen.
44Für eine Meinungsäußerung spricht zudem, dass für einen unbefangenen Leser des Dokuments nicht ohne weiteres erkennbar ist, bezüglich welcher konkreten Person die Frage nach einem etwaigen Prozessbetrug gestellt werden soll. Insoweit kommen neben dem Kläger auch dessen Bruder und der ebenfalls genannte Rechtsanwalt in Betracht, der den Kläger und dessen Bruder in den gerichtlichen Verfahren vertreten hat.
45(bb) Auch hinsichtlich der Verwendung des Begriffes „Urkundenfälschung“ auf Seite 27 des Dokuments liegt eine Meinungsäußerung vor.
46Auf den Seiten 24 bis 27 des Schriftstücks wird anhand zweier Schreiben mit ähnlichem Aussehen und Inhalt, von denen eines den Kläger und das andere dessen Bruder als Absender ausweist, dargelegt, aus welchen Gründen die Verfasser des Dokuments annehmen, beide Schreiben seien durch dieselbe Person unterzeichnet. Dies wird neben ähnlichen Formulierungen in den Schreiben an gewissen Ähnlichkeiten der auf den Schreiben befindlichen Unterschriften festgemacht. Aber auch die Einstufung dieses Sachverhalts als Urkundenfälschung ist keine auf ihre Richtigkeit überprüfbare und substantiierte Aussage, sondern lediglich eine pauschale subjektive Bewertung. Denn selbst für den Fall, dass beide Unterschriften derselben Person zuzuordnen sein sollten, würde dies nicht den Schluss auf eine Urkundenfälschung im Sinne von § 267 Abs. 1 StGB zulassen. Stellt nämlich jemand eine Urkunde unter dem Namen eines anderen aus, so handelt es sich hierbei nicht zwangsläufig um eine falsche Urkunde. Ist nämlich der Aussteller zur rechtlichen Vertretung des Namensträgers berechtigt und stellt die Urkunde in dem Willen aus, den Namensträger zu vertreten, so handelt es sich nicht um eine unechte Urkunde, sofern auch der Namensträger den Willen hat, sich bei der Ausstellung der Urkunde vertreten zu lassen (BGH, Beschluss vom 21.03.1985 – 1 StR 520/84, juris Rn. 10). Darüber hinaus kann aber auch der aus der Ähnlichkeit der Unterschriften gewonnene Schluss anhand des weiteren Inhalts des Schriftstücks nicht auf seine Wahrhaftigkeit überprüft werden, da er auf der Einschätzung der Verfasser beruht, die in Grenzen zwar nachvollziehbar erscheint, letztlich aber nur von einem Schriftsachverständigen beantwortet werden kann.
47Schließlich wird der Begriff der Urkundenfälschung auch nicht allein mit Blick auf den Kläger erhoben. Vielmehr wird die Frage aufgeworfen, ob der Kläger oder sein Bruder die Unterschriften geleistet hätten und sodann darauf hingewiesen, dass die „Indizien“ für den Kläger sprächen. Auch bei dieser Wertung handelt es sich um eine Meinungsäußerung und nicht um eine Tatsachenbehauptung.
48(b) Die vorbeschriebenen Meinungsäußerungen stellen ebenfalls keinen rechtswidrigen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers dar.
49Auch bei Werturteilen besteht keine Vermutung zugunsten der freien Rede. Stets ist im konkreten Einzelfall abzuwägen, ob die Meinungsfreiheit oder das Persönlichkeitsrecht überwiegt. Subjektive Meinungen dürfen grundsätzlich auch überspitzt, abwertend, übersteigert, provokativ, ironisch oder polemisch geäußert werden. Im Rahmen dieser Abwägung sind verschiedene Kriterien zu berücksichtigen, wie Inhalt, Form, Anlass und Wirkung der betreffenden Äußerung, Person und Anzahl der Äußernden, der Betroffenen und der Rezipienten sowie der ehrverletzende Gehalt einer Äußerung (BVerfG, Beschluss vom 19.12.2021 – 1 BvR 1073/20, juris Rn. 30). Nicht gedeckt von der Meinungsfreiheit sind in jedem Falle Äußerungen, die die Menschenwürde verletzen oder sich als Schmähkritik oder Formalbeleidigung darstellen (Specht-Riemenschneider, in: Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann, BeckOGK BGB, Stand 01.07.2022, § 823 Rn. 1475).
50Nach dieser Maßgabe besteht kein Anlass zu der Annahme einer widerrechtlichen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers. Vielmehr überwiegt die durch Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG geschützte Meinungsfreiheit des Beklagten das Interesse des Klägers, weshalb eine Rechtswidrigkeit des Verhaltens des Beklagten nicht festzustellen ist.
51Insoweit ist wiederum zu berücksichtigen, dass die vom Kläger beanstandeten Äußerungen nur gegenüber einem sehr kleinen Personenkreis von etwa zehn Personen getätigt wurden, nicht aber in der Öffentlichkeit. Auch waren die Mitglieder des E-Mail-Verteilers selbst in der Weise betroffen, dass sie vom Kläger oder dessen Bruder nach dem Abbruch einer eBay-Auktion zivilrechtlich in Anspruch genommen wurden. Die Weiterleitung des vom Kläger beanstandeten Dokuments diente ersichtlich dem Erfahrungsaustausch im Hinblick auf erfolgversprechende Vorgehensweisen gegen das Verhalten des Klägers, welches von den Verfassern des Dokuments als rechtlich zweifelhaft empfunden wurde. Den Empfängern des Dokuments waren die darin enthaltenen Informationen aufgrund ihrer eigenen Betroffenheit ohnehin zum Teil bereits bekannt.
52Weiter ist nicht ersichtlich, dass die in dem Dokument enthaltenen Informationen in zu beanstandender Art und Weise beschafft wurden. Es handelt sich vielmehr um Informationen, die den Mitgliedern des E-Mail-Verteilers aufgrund ihrer Inanspruchnahme durch den Kläger und dessen Bruder vorlagen und sich insbesondere aus den im Rahmen verschiedener Prozesse gewechselten Schriftstücken ergaben.
53Schließlich ist auch nicht ersichtlich oder vom Kläger vorgetragen, dass ihm durch die getätigten Äußerungen weitergehende Nachteile erwachsen sind.
54b) Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch folgt auch nicht aus Art. 17 Abs. 1 der VO (EU) 2016/679 (im Folgenden: DS-GVO).
55aa) Allerdings findet die DS-GVO auf den vorliegenden Sachverhalt Anwendung.
56(1) Der zeitliche Anwendungsbereich der DS-GVO ist eröffnet.
57Gemäß Art. 99 Abs. 2 UAbs. 1 DS-GVO gilt diese ab dem 25.05.2018. Der Beklagte hat im Senatstermin erklärt, er habe das streitgegenständliche Dokument zuletzt im Juni 2018 an Mitglieder des E-Mail-Verteilers weitergeleitet. Darüber hinaus ist der vom Kläger geltend gemachte Unterlassungsanspruch in die Zukunft gerichtet und muss daher im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung gegeben sein, sodass auch aus diesem Grund der zeitliche Anwendungsbereich der DS-GVO eröffnet ist.
58(2) Auch in sachlicher Hinsicht ist der Anwendungsbereich der DS-GVO eröffnet.
59Gemäß Art. 2 Abs. 1 DS-GVO gilt diese für die ganz oder teilweise automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten sowie für die nichtautomatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten, die in einem Dateisystem gespeichert sind oder gespeichert werden sollen. Die in dem streitgegenständlichen Schriftstück enthaltenen Angaben zur Person des Klägers (Name, Geburtsdatum, Anschrift und Beruf) sind personenbezogene Daten im Sinne von Art. 4 Nr. 1 DS-GVO. Die Erstellung des streitgegenständlichen Schriftstücks mit diesen Daten stellt auch eine Verarbeitung im Sinne von Art. 4 Nr. 2 DS-GVO dar. Auch handelt es sich bei dem elektronischen Dokument um ein Dateisystem im Sinne von Art. 4 Nr. 6 DS-GVO.
60Entgegen der Auffassung des Beklagten ist die Anwendung der DS-GVO auch nicht gemäß Art. 2 Abs. 2 Buchst. c DS-GVO ausgeschlossen. Danach findet die Verordnung keine Anwendung auf die Verarbeitung personenbezogener Daten durch natürliche Personen zur Ausübung ausschließlich persönlicher oder familiärer Tätigkeiten. Das Vorliegen der Voraussetzungen dieser Ausnahmevorschrift ist durch den Beklagten darzulegen, für den diese Ausnahme günstig ist. Zwar mögen die Voraussetzungen der Ausnahme – wie der Beklagte meint – in seiner Person vorliegen. Die Unanwendbarkeit der DS-GVO erfordert allerdings, dass die Verarbeitung für sämtliche Empfänger des Dokuments eine persönliche Tätigkeit darstellt. Dass dies der Fall ist, ist aber vom Beklagten schon nicht vorgetragen.
61bb) Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf Unterlassung ist auch von der Rechtsfolge des Art. 17 Abs. 1 DS-GVO erfasst.
62Gemäß Art. 17 Abs. 1 DS-GVO kann unter gewissen Voraussetzungen die unverzügliche Löschung personenbezogener Daten verlangt werden. Nach der Rechtsprechung des BGH, welcher der Senat folgt, gewährt Art. 17 Abs. 1 DS-GVO aber auch einen Unterlassungsanspruch (BGH, Urteil vom 12.10.2021 – VI ZR 488/19, juris Rn. 10).
63cc) Allerdings liegen die Voraussetzungen für einen Unterlassungsanspruch nach Art. 17 Abs. 1 DS-GVO nicht vor. Keiner der dort genannten Löschungs- bzw. Unterlassungsgründe greift durch, insbesondere nicht die unter den Buchst. c und d genannten.
64(1) Der Unterlassungsgrund des Art. 17 Abs. 1 Buchst. d DS-GVO liegt nicht vor, weil die vom Kläger beanstandete Datenverarbeitung nicht unrechtmäßig ist.
65Nach Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 DS-GVO ist die Verarbeitung personenbezogener Daten nur rechtmäßig, wenn mindestens eine der in Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 Buchst. a bis f DS-GVO genannten Bedingungen erfüllt ist. Vorliegend hat der Kläger weder in die Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten im streitgegenständlichen Schriftstück eingewilligt (Buchst. a), noch sind die in Buchstaben b bis e genannten Voraussetzungen gegeben.
66Rechtmäßig ist die vom Kläger bekämpfte Verarbeitung seiner Daten in dem vom Beklagten verbreiteten elektronischen Dokument nach Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 Buchst. f DS-GVO mithin nur dann, wenn die Verarbeitung zur Wahrung der berechtigten Interessen des Beklagten oder eines Dritten erforderlich ist, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten des Klägers als betroffener Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen. Die Datenverarbeitung ist danach unter drei kumulativen Voraussetzungen zulässig: erstens muss von dem Beklagten oder von den übrigen Mitgliedern des E-Mail-Verteilers als Dritten ein berechtigtes Interesse wahrgenommen werden; zweitens muss die Verarbeitung der personenbezogenen Daten zur Verwirklichung des berechtigten Interesses erforderlich sein und drittens dürfen die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der Klägerin nicht überwiegen (vgl. BGH, Urteil vom 12.10.2021 – VI ZR 488/19, juris Rn. 24).
67Die drei genannten Voraussetzungen einer rechtmäßigen Datenverarbeitung sind erfüllt. Wie bereits unter II. 1. a) ausgeführt, hatten der Beklagte und die übrigen Mitglieder des E-Mail-Verteilers ein berechtigtes Interesse daran, Informationen und Erfahrungen über die mit dem Kläger oder seinem Bruder geführten Zivilprozesse aus dem Anlass abgebrochener ebay-Auktionen auszutauschen. Die Verarbeitung der personenbezogenen Daten aus der Sozialsphäre des Klägers war zur Verwirklichung dieses Interesses erforderlich, um den Kläger für die Teilnehmer des Austausches sicher zu identifizieren. Schließlich überwiegen die Interessen und Grundrechte des Klägers nicht gegenüber den von den Teilnehmern des E-Mail-Verteilers verfolgten berechtigten Interessen.
68Die gebotene Gesamtabwägung führt im vorliegenden Fall dazu, dass sich die Verarbeitung insgesamt als rechtmäßig erweist.
69Maßgeblich im Rahmen der Abwägung sind (allein) die Unionsgrundrechte, da sich der Anspruch nach Art. 17 Abs. 1 DS-GVO nach dem unionsweit abschließend vereinheitlichten Datenschutzrecht beurteilt (BVerfG, Beschluss vom 06.11.2019 – 1 BvR 276/17, juris Rn. 42 ff.; BGH, Urteil vom 27.07.2020 – VI ZR 405/18, juris Rn. 25). Auf Seiten des Klägers ist dessen Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung nach Art. 8 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: GRCh) in die Abwägung einzustellen, während auf Seiten des Beklagten dessen Recht auf freie Meinungsäußerung gemäß Art. 11 Abs. 1 GRCh zu berücksichtigen ist. Wie die Grundrechte des Grundgesetzes gewährleisten auch die Grundrechte der Charta Schutz nicht nur im Staat-Bürger-Verhältnis, sondern auch in privatrechtlichen Streitigkeiten. Eine Lehre der „mittelbaren Drittwirkung“, wie sie das deutsche Recht kennt, wird der Auslegung des Unionsrechts dabei zwar nicht zugrunde gelegt. Im Ergebnis kommt den Unionsgrundrechten für das Verhältnis zwischen Privaten jedoch eine ähnliche Wirkung zu. Die Grundrechte der Charta können einzelfallbezogen in das Privatrecht hineinwirken (BVerfG, Beschluss vom 06.11.2019 – 1 BvR 276/17, juris Rn. 96 f.; BGH, Urteil vom 27.07.2020 – VI ZR 405/18, juris Rn. 25).
70Schutzbereich und Wirkungen der vorgenannten europäischen Grundrechte sind in Bezug auf den vorliegenden Zivilrechtsstreit mit den ihnen entsprechenden Grundrechten des Grundgesetzes, auf Seiten des Klägers dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung gem. Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG, auf Seiten des Beklagten dem Recht auf freie Meinungsäußerung gem. Art. 5 Abs. 1 GG, vergleichbar. Die Unionsgrundrechte bilden zu den Grundrechten des Grundgesetzes ein Funktionsäquivalent (BVerfG, Beschluss vom 06.11.2019 – 1 BvR 276/17, juris Rn. 59) und werden auch von der Rechtsprechung in Fällen gleichgelagerter Fragestellungen auch als einheitlicher Prüfungsmaßstab formuliert (vgl. etwa BGH, Urteil vom 27.02.2018 – VI ZR 489/16, juris Rn. 51). Die hier auf der Grundlage der GRCh gebotene Gesamtabwägung entspricht nach der Auffassung des Senats damit derjenigen, die bereits im Rahmen der Prüfung einer Verletzung seines Persönlichkeitsrechts anzustellen war und geht aus den oben dargestellten Gründen zu Gunsten des Beklagten aus.
71(2) Auch der Unterlassungsgrund des Art. 17 Abs. 1 Buchst. c DS-GVO ist nicht gegeben. Denn für die Verarbeitung der personenbezogenen Daten des Klägers, der er widersprochen hat, liegen jedenfalls vorrangige berechtigte Gründe der Mitglieder des E-Mail-Verteilers im Sinne des Art. 17 Abs.1 Buchst. c Halbsatz 1 DS-GVO vor. Die auch insoweit gebotene Gesamtabwägung führt zu keinem anderen Ergebnis als die zu Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 Buchst. f DS-GVO und zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht vorgenommene Abwägung.
72(3) Von einer Darstellung der weiteren Unterlassungsgründe des Art. 17 Abs. 1 DS-GVO kann abgesehen werden.
73Art. 17 Abs. 1 DS-GVO findet gemäß Art. 17 Abs. 3 Buchst. a DS-GVO keine Anwendung, weil die Verarbeitung der personenbezogenen Daten des Klägers zudem zur Ausübung des Rechts der Mitglieder des E-Mail-Verteilers auf freie Meinungsäußerung erforderlich ist.
74Mit der Ausnahmeregelung des Art. 17 Abs. 3 Buchst. a DS-GVO wird der Rechtsprechung des EuGH Rechnung getragen, wonach der Schutz von personenbezogenen Daten betroffener Personen im Sinne der DS-GVO stets in einen angemessenen Ausgleich mit den Grundrechten und Interessen des Verantwortlichen zu bringen ist, wozu insbesondere das Grundrecht auf Meinungsfreiheit gemäß Art. 11 Abs. 1 GRCh gehört (Kamann/Braun, in: Ehmann/Selmayr, DS-GVO, 2. Auflage 2018, Art. 17 Rn. 56 m. w. N.). Insoweit schafft der Begriff der „Erforderlichkeit“ in Art. 17 Abs. 3 Buchst. a DS-GVO Raum für eine Abwägungsentscheidung im Einzelfall, ohne zugleich konkrete Abwägungskriterien aufzustellen, sodass sich eine Orientierung an der zentralen Abwägungsklausel in Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 Buchst. f DS-GVO anbietet (OLG Frankfurt, Urteil vom 06.09.2018 – 16 U 193/17, juris Rn. 67; Worms, in: Wolff/Brink, BeckOK Datenschutzrecht, 40. Edition, Stand 01.11.2021, Art. 17 DS-GVO Rn. 81). Danach ist eine Datenverarbeitung rechtmäßig, wenn sie zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen erforderlich ist, sofern nicht Interessen oder Grundrechte und Freiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen.
75Die insoweit wiederum gebotene Gesamtabwägung entspricht im vorliegenden Fall derjenigen zu Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 Buchst. f DS-GVO und führt auch an dieser Stelle dazu, dass sich die Verarbeitung der personenbezogenen Daten des Klägers aus den bereits dargestellten Gründen insgesamt als rechtmäßig erweist.
762. Der Kläger kann auch nicht die mit dem Berufungsantrag zu 2) begehrte Unterlassung der Behauptung beanspruchen, der Kläger wäre noch nie präsent bei Gericht gewesen.
77Eine Verletzung der Ehre des Klägers als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts kommt hier bereits nicht in Betracht (§ 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit §§ 185 ff. StGB). Denn zur Überzeugung des Senats kann schon nicht davon ausgegangen werden, dass die vom Kläger beanstandete Äußerung überhaupt wahrheitswidrig ist. Im Senatstermin hat der Kläger auf Befragen des Senats erklärt, dass es sich bei den im Schriftsatz des Beklagten vom 11.01.2021 aufgeführten Rechtsstreitigkeiten gegen Frau E, Frau F, Herrn G, Herrn H, Herrn I und Herrn J um solche Verfahren handele, die er selbst – und nicht sein Bruder – geführt habe. Lediglich hinsichtlich des Verfahrens gegen Herrn L war sich der Kläger nicht sicher. Auf Befragen des Senats, an welchen Verfahren der Kläger persönlich an der Verhandlung teilgenommen habe, hat er lediglich bekundet, an den Berufungsverhandlungen in den Verfahren gegen Herrn H und Herrn J persönlich teilgenommen zu haben. Daraus ergibt sich allerdings nicht, dass die vom Kläger beanstandete Behauptung in dem vom Beklagten verbreiteten Dokument falsch ist. Das streitgegenständliche Dokument weist als Datum den 25.04.2018 auf. Der Beklagte hat vor dem Senat erklärt, er habe das Dokument letztmalig im Juni 2018 an Mitglieder des E-Mail-Verteilers versandt. Es ist nicht ersichtlich, dass die vom Kläger benannten Berufungsverhandlungen zu diesem Zeitpunkt bereits stattgefunden hatten. Nach dem unwidersprochenen Vortrag des Beklagten im Schriftsatz vom 11.01.2021 endeten die Verfahren gegen Herrn H und Herrn J in erster Instanz jeweils durch im März 2019 verkündete Urteile. Berufungsverhandlungen in diesen Verfahren konnten daher bis Juni 2018 noch gar nicht stattgefunden haben.
783. Nachdem der Kläger die mit dem Berufungsantrag zu 1) begehrte Unterlassung nicht verlangen kann, steht ihm auch ein Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten nicht zu.
79C.
80Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
81Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
82Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen nach § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.
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