Beschluss vom Hanseatisches Oberlandesgericht (8. Zivilsenat) - 8 W 14/17

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Hamburg vom 01.02.2016 wie folgt abgeändert:

Die von der Antragsgegnerin der Antragstellerin zu erstattenden Kosten werden auf € 8.072,25 nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB hieraus seit dem 24.07.2015 festgesetzt.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Antragstellerin nach einem Streitwert von € 517,68 auferlegt.

Gründe

I.

1

Mit der sofortigen Beschwerde wendet sich die Antragsgegnerin dagegen, dass das Landgericht Hamburg zugunsten der Antragstellerin Kosten im Zusammenhang mit Zustellungsversuchen und Kopierkosten insgesamt in Höhe von € 517,68 festgesetzt hat.

2

Die Antragstellerin erwirkte durch Beschluss vom 29.01.2015 eine einstweilige Verfügung gegen die im Vereinigten Königreich ansässige Antragsgegnerin. Die einstweilige Verfügung wurde der Antragstellerin am 2.2.2015 zugestellt. Zuvor hatte die Antragsgegnerin bereits eine Schutzschrift gegen einen von ihr erwarteten Verfügungsantrag eingereicht, in der ihre Prozessbevollmächtigten als mögliche Verfahrensbevollmächtigte eines Verfügungsverfahrens benannt sind und die auch Sachanträge enthielt.

3

Mit Schriftsatz vom 4.2.2015 an das Landgericht Hamburg baten die Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin um die Übersendung der Antragsschrift zu der mittlerweile erlassenen einstweiligen Verfügung. Im Rubrum des Schriftsatzes sind die Prozessbevollmächtigten als solche der Antragsgegnerin genannt. Der Schriftsatz wurde am 6.2.2015 an die Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin weitergeleitet.

4

Zuvor, nämlich am 5.2.2015, hatten die Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin versucht, eine Ausfertigung der einstweiligen Verfügung den gegnerischen Prozessbevollmächtigten von Anwalt zu Anwalt zuzustellen. Diese verweigerten jedoch die Entgegennahme unter Berufung auf eine entsprechende Weisung der Antragsgegnerin und schickten die Unterlagen an die Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin zurück. Dort gingen sie am 6.2.2015 ein.

5

Am 11.2.2015 beantragte die Antragstellerin die diplomatische Zustellung der einstweiligen Verfügung an die Antragsgegnerin; diese wurde am 16.2.2015 bewilligt. Mit Schriftsatz vom 20.02.2015 zeigten die Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin (erneut) die Vertretung der Antragsgegnerin an. Mit Schriftsatz vom 27.2.2015 teilte die Antragstellerin mit, dass an der diplomatischen Zustellung festgehalten werde. Diese wurde sodann durchgeführt und erreichte die Antragsgegnerin am 9.4.2015.

6

Am 28.2.2015 beauftragte die Antragstellerin außerdem die für die Antragsgegnerin zuständige Gerichtsvollzieherverteilerstelle in München mit der Zustellung der einstweiligen Verfügung an die Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin. Diese erfolgte am 03.03.2015.

7

Am 04.03.2015 beantragte die Antragsgegnerin die Aufhebung der einstweiligen Verfügung wegen Versäumung der Vollziehungsfrist. Diesen Antrag wies das Landgericht Hamburg mit Urteil vom 15.7.2015 zurück, da die Zustellung durch Gerichtsvollzieher an die Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin wirksam und rechtzeitig gewesen sei.

8

Mit Beschluss vom 01.02.2016 hat das Landgericht die der Antragstellerin im Verfügungsverfahren zu erstattenden Kosten auf € 8.589,93 nebst Zinsen festgesetzt. Das Gericht hat die Auffassung vertreten, dass die Kosten der mehrfachen Zustellversuche der Antragstellerin von der Antragsgegnerin zu erstatten seien.

9

Mit der sofortigen Beschwerde macht die Antragsgegnerin geltend, dass sie lediglich einen Betrag in Höhe von € 8.072,25 nebst Zinsen zu erstatten habe. Nicht festzusetzen seien die Kosten im Zusammenhang mit den untauglichen Zustellungsversuchen, d.h. die Gerichtskosten, Übersetzungskosten sowie Kurierkosten im Zusammenhang mit der diplomatischen Zustellung. Dies stehe im Widerspruch zum Urteil des Landgerichts vom 15.07.2015, da das Gericht festgestellt habe, dass Zustellversuche an die Antragsgegnerin zur Wahrung der Vollziehung untauglich gewesen seien. Auch die Festsetzung von Kurierkosten zur Vorbereitung der Zustellung durch den Gerichtsvollzieher sei zu Unrecht erfolgt.

10

Weiterhin sei die Festsetzung eines Betrages in Höhe von € 60,40 für Kopierkosten nicht gerechtfertigt. Insbesondere habe die Antragstellerin in ihren Schriftsatz vom 22.01.2016 lediglich eine Festsetzung von € 5:- für Kopierkosten beantragt. Im Übrigen sei aber auch der Betrag von € 5.- nicht nachvollziehbar.

11

Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Beschwerdegericht zur Entscheidung vorgelegt. Auch die Antragstellerin hat zu der Beschwerde Stellung genommen.

II.

12

Die zulässige sofortige Beschwerde ist begründet.

13

1. Die Antragsgegnerin hat die von der Antragstellerin aufgewendeten Kosten für die Zustellung der einstweiligen Verfügung im Ausland nicht zu erstatten. Bei diesen Kosten handelt es sich entgegen der Ansicht des Landgerichts nicht um Kosten, die im Sinne von § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung der Antragstellerin notwendig waren.

14

Notwendig sind nur Kosten für solche Maßnahmen, die im Zeitpunkt ihrer Vornahme objektiv erforderlich und geeignet zur Rechtsverfolgung erscheinen. Das ist vom Standpunkt einer verständigen und wirtschaftlich vernünftigen Partei aus zu beurteilen, wobei grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Vornahme der kostenverursachenden Handlung abzustellen ist und es auf die - auch unverschuldete - Unkenntnis der Partei oder ihres Rechtsanwalts von den maßgeblichen Umständen nicht ankommt (BGH, Beschluss vom 25.02.2016 - III ZB 66/15, Rn.8; zit. nach juris). Vorliegend war die diplomatische Zustellung der einstweiligen Verfügung objektiv weder erforderlich noch geeignet zur Rechtsverfolgung.

15

Geeignet war sie nicht, da die Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin sich bereits durch die Einreichung der Schutzschrift vom 16.12.2014 für die Antragsgegnerin hinreichend legitimiert hatten. Soweit die Prozessbevollmächtigten im Rubrum der Schutzschrift als „mögliche Verfahrensbevollmächtigte“ bezeichnet sind, bezieht sich dieses Attribut ersichtlich nicht auf die Bestellung zu Prozessbevollmächtigten, sondern auf die Möglichkeit eines Verfügungsverfahrens. Denn auch die Parteien sind als „mögliche Antragstellerin“ bzw. „mögliche Antragsgegnerin“ bezeichnet und die Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin als „mögliche Verfahrensbevollmächtigte“. Für eine hinreichende Legitimation sprechen auch die in der Schutzschrift enthaltenen Sachanträge für das Verfügungsverfahren. Die Schutzschrift war den Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin auch zur Kenntnis gelangt.

16

Ferner hatten die Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 04.02.15 um Übersendung der Antragsschrift sowie etwaiger weiterer Korrespondenz gebeten und sich hierbei selbst als Prozessbevollmächtigte benannt. Auch dieser Schriftsatz muss der Antragstellerin unter Zugrundelegung normaler Postlaufzeiten vorgelegen haben, bevor sie am 11.2.2015 den Antrag auf diplomatische Zustellung stellte bzw. die hier streitigen Kurier- und Übersetzungskosten vom 10./11.2.2015 auslöste. Die einstweilige Verfügung konnte gemäß § 172 ZPO nur wirksam an die Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin zugestellt werden; die Zustellung an die Antragsgegnerin persönlich war unwirksam, wie auch das Landgericht in seinem Urteil vom 15.7.2015 überzeugend ausgeführt hat.

17

Zudem war die Zustellung an die Antragsgegnerin selbst aus Sicht einer wirtschaftlich denkenden Partei auch objektiv nicht erforderlich. Eine wirksame Zustellung im Inland konnte per Gerichtsvollzieher bewirkt werden. In diesen Fällen steht einer Wirksamkeit der Zustellung auch eine etwaige Annahmeverweigerung nicht entgegen. Die Zustellung durch Gerichtsvollzieher hätte die Antragstellerin zuerst versuchen und abwarten müssen. Diese Zustellung ist gegenüber einer Zustellung im Ausland erheblich kostengünstiger. Eine solche Zustellung im Inland, die die Antragstellerin nach Misslingen der Zustellung von Anwalt zu Anwalt, also schon ab dem 6.2.2015 hätte in Auftrag geben können, bot der Antragstellerin auch eine hinreichende Sicherheit für eine alsbaldige, fristgerechte Zustellung. Die Vollziehungsfrist lief erst am 2.3.2015 ab. Selbst wenn die Zustellung durch Gerichtsvollzieher misslungen wäre, hätte auch noch genügend Zeit zur Verfügung gestanden, die diplomatische Zustellung fristwahrend zu beantragen.

18

Eine Erforderlichkeit der Auslandszustellung ergibt sich auch nicht daraus, dass die Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin vorher die Annahme im Rahmen einer Zustellung von Anwalt zu Anwalt gemäß § 195 ZPO verweigert hatten. Aus der Annahmeverweigerung folgte nicht, dass die Antragsgegnervertreter ihre Stellung als Prozessbevollmächtigte verloren hatten. Denn die Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin hatten den Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin am 05.02.15 lediglich mitgeteilt, dass eine Annahme deshalb nicht stattgefunden habe, weil ihre Mandantin sie hierzu ausdrücklich angewiesen habe; eine Mitteilung, dass die Prozessbevollmächtigten nicht mehr legitimiert seien, enthält das Schreiben nicht. Im Gegenteil wird die Antragsgegnerin auch weiterhin als Mandantin bezeichnet. Die Prozessbevollmächtigten waren auch berufsrechtlich nicht dazu verpflichtet, an einer Zustellung von Anwalt zu Anwalt mitzuwirken (BGH, Beschluss vom 26.10.2015, NJW 2015, 3672). Diese höchstrichterliche Klärung erfolgte zwar erst nach den hier fraglichen Zeitpunkten, doch war die Frage jedenfalls streitig und obergerichtlich bereits in diesem Sinne am 7.11.2014 durch den Anwaltsgerichtshof Hamm entschieden ( Anlage B 3 ). Die anwaltlich vertretene Antragstellerin musste daher damit rechnen, dass im Verfügungsverfahren eine Zustellung nach § 195 ZPO scheitern konnte.

19

Somit sind die Kosten der Zustellung im Ausland - Gerichtskosten in Höhe von € 55.-, Übersetzungskosten von € 285.- und Kurierkosten vom 10. und 11.2.2015 in Höhe von € 9,90 und € 33,92 - nicht erstattungsfähig.

20

2. Auch die Kurierkosten in Höhe von € 73,46 für die Zustellung durch den Gerichtsvollzieher sind nicht erstattungsfähig. Denn wie unter Ziff.1 ausgeführt wurde, hätte diese Zustellung wesentlich vor dem 28.2.2015 , nämlich nach der Zurückweisung der Zustellung von Anwalt zu Anwalt, in Auftrag gegeben werden können, so dass Kurierkosten nicht angefallen wären.

21

3. Auch die Festsetzung der Kopierkosten in Höhe von € 60,40 kann keinen Bestand haben. Soweit ein über € 5.- hinausgehender Betrag festgesetzt worden ist, folgt dies schon daraus, dass das Landgericht der Antragstellerin mehr zugesprochen hat, als sie beantragt hat. Die Antragstellerin hatte mit Schriftsatz vom 22.01.2016 lediglich in Höhe von € 5.- die Festsetzung von Kopierkosten beantragt, was sie in ihrem Schriftsatz vom 17.03.2017 nochmals ausdrücklich klargestellt hat.

22

Aber auch die beantragten € 5.- sind nicht hinreichend dargelegt. Die mit Schriftsatz vom 24.3.2017 eingereichte Tabelle ist nach dem eigenen Vortrag der Antragstellerin gemäß Schriftsatz vom 22.1.16 nicht korrekt, ohne dass vorgetragen wird, welche Kosten der Tabelle sich auf dieses Verfahren beziehen und die gemäß Ziff.7000 Nr.1 b) VV RVG selbst zu tragenden 100 Seiten überschreiten. Auch bleibt unklar, ob die beantragten € 5.- für Schwarzweiß- oder für Farbkopien begehrt werden.

23

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen